Hans K. arbeitet seit Jahren in einem Unternehmen der Metallindustrie. Im Schichtsystem, an Maschinen. Die Arbeit macht ihm Spaß, er verdient gut. Aber jetzt, mit 54 Jahren, wird es anstrengender. Der Lärm stresst ihn, und bei Gesprächen muss er öfter „Wie bitte?“ sagen.
„Mickey Mäuse gibt es schon…“, meint der Facharbeiter auf Nachfrage nach Gehörschutz. „Aber …“. Er kennt die Maschinen seit Jahren, hört schon am Geräusch, wenn etwas nicht rund läuft …. und meint, wenn er Kapselgehörschützer tragen würde, würde er dies nicht mehr merken. Woran er nicht denkt: Lärm kann zu Stress und Unaufmerksamkeit, und dann auch schneller zu Unfällen führen. Hans K. ist bis jetzt Gott sei Dank nichts passiert. Aber da ist noch etwas: In Gesprächen muss er in der letzten Zeit oft nachfragen; spricht jemand leise, versteht er ihn schlecht. Eine Alterserscheinung? Vielleicht auch eine Folge jahrelanger hoher Lärmbelastung. Lärm kann das Gehör schädigen. Immerhin steht Lärmschwerhörigkeit ganz vorne in der Berufskrankheiten-Statistik. Im Jahr 2011 haben die Versicherungsträger 6304 Fälle als Berufskrankheit anerkannt, so die aktuellsten Zahlen.
Haarzellen im Innenohr zerstört
Bei Lärmschwerhörigkeit haben Schallwellen die Haarzellen im Innenohr geschädigt. Sind sie einmal abgestorben, können sie nicht neu gebildet werden, eine einmal erworbene Lärmschwerhörigkeit ist also nicht heilbar. Wie groß der Schaden ist, hängt von der Dauer der Lärmeinwirkung und der Lärmintensität ab. Bis alle durch Lärm zerstörbaren Zellen untergegangen sind, kann es 15 bis 20 Jahre dauern. „Bei einem Tages-Lärmexpositionspegel von mehr als 90 dB (A) und lang andauernder Einwirkung besteht für einen beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung“, heißt es im Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Berufskrankheiten-Verordnung. Solchen Lautstärken ausgesetzt sind zum Beispiel Mitarbeiter der Metallbe- und ‑verarbeitung, der Holzbearbeitung, an Falz- und Druckmaschinen, in der Bauindustrie, Bodenpersonal in der Luftfahrt oder Berufsmusiker. Dabei muss es nicht den ganzen Tag laut sein, arbeitet jemand nur 15 Minuten an einer Kettensäge mit einem Lärmpegel von 105 dB(A), führt das zu einem Tages-Expositionspegel von 90 dB(A). Etwa vier bis fünf Millionen Beschäftigte in Deutschland sind an ihrem Arbeitsplatz gesundheitsgefährdenden Lärmbelastungen ausgesetzt, wie das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) angibt.
Sehr hohe Lautstärken können das Gehör aber auch schon nach wenigen Tagen oder Wochen schädigen. Plötzlich sehr starker Lärm, mit einem Pegel oberhalb von 137 dB ( C) , wie etwa beim Schießen, bei Explosionen oder beim Richten von Metallen mit Hammerschlägen, kann sogar innerhalb von wenigen Millisekunden die Haarzellen des Innenohres zerstören.
Arzt erkennt schon beginnende Lärmschwerhörigkeit
Ist man betroffen, so hört man erst die höheren Töne nicht, erst später ist die Wahrnehmung der mittleren und tieferen Töne beeinträchtigt. Relativ häufig kommen noch so genannte „subjektive Ohrgeräusche“, Tinnitus genannt, dazu. Sie sind aber nicht spezifisch für eine Schwerhörigkeit durch Lärm.
Hans K. war bisher noch nicht beim Arzt. Der könnte jedoch schon eine beginnende Lärmschwerhörigkeit mittels eines Tonaudiogramms feststellen. Wenn Versicherte eine längere Zeit unter Lärmbedingungen gearbeitet haben oder wenn sie kurzzeitig besonders hohen, intensiven Lärmbelastungen ausgesetzt waren, ist der Verdacht auf eine anzeigepflichtige Berufskrankheit begründet.
Damit man auch im höheren Alter noch gut hören kann, ist es wichtig, schon in jungen Jahren das Gehör zu schützen. Wie dies am Arbeitsplatz geschehen soll, ist in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung geregelt. Auch hier gilt übrigens, wie sonst in der Prävention, das TOP-Prinzip. An erster Stelle stehen danach technische, dann organisatorische und dann persönliche Schutzmaßnahmen, ergänzt durch die arbeitsmedizinische Vorsorge. Der Unternehmer muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung prüfen, ob die Beschäftigten Lärm ausgesetzt sind. Dabei kann er sich beispielsweise auf Angaben eines Maschinenherstellers, auf eigene Erfahrungen oder auf Datenbanken stützen. Lässt sich nicht zweifelsfrei ermitteln, dass die in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung genannten Auslösewerte eingehalten sind, ist eine Messung erforderlich.
Lärmbelastung so niedrig wie möglich halten
Die Lärmbelastungen an den Arbeitsplätzen muss der Arbeitgeber, nach dem Stand der Technik, so niedrig wie möglich halten. Er kann den Lärm durch raumakustische Maßnahmen mindern, beispielsweise Decken und Wandflächen schallabsorbierend gestalten.
Auch lärmarme Maschinen verringern die Belastung für die Mitarbeiter. Zum Beispiel nennt das IFA als einfache Lösung, den Lärm von Kreissägen zu minimieren, lärmarme Sägeblätter. Bei konventionellen Sägeblättern liege der Schalldruckpegel immer im Bereich der Gehörgefährdung von 85 dB(A) und darüber, heißt es. Geräuschgeminderte Kreissägeblätter jedoch, die schwingungsärmer sind und dadurch weniger Schallwellen verursachen, verminderten den Schalldruckpegel deutlich. Eine organisatorische Maßnahme wäre zum Beispiel, falls dies möglich ist, Maschinen nur zu bestimmten Zeiten zu nutzen. Oder, etwa bei Orchestermusikern, den Sitzab- stand oder die Sitzordnung, zu verändern.
Gehörschutz tragen
Geht es trotz technischer und organisatorischer Maßnahmen nicht ohne Lärm, so muss der Arbeitgeber die Beschäftigten
- ab einem Lärmexpositionspegel von 80 dB(A) und einem Spitzenschalldruckpegel von 135 dB© über die Gefahren durch Lärm informieren. Er muss ihnen geeigneten Gehörschutz anbieten und die Benutzung üben. Eine arbeitsmedizinische Vorsorge G 20 Lärm ist vom Arbeitgeber anzubieten.
- ab 85 dB(A) beziehungsweise 137 dB© besteht für die dem Lärm ausgesetzten Mitarbeiter die Pflicht, Gehörschutz zu tragen. Lärmbereiche müssen ab diesem Wert gekennzeichnet sein und der Arbeitgeber muss ein Lärmminderungsprogramm aufstellen. Die arbeitsmedizinische Vorsorge G 20 Lärm ist Pflicht.
Schon im eigenen Interesse sollte jeder, auch in jungen Jahren, sein Gehör schützen. Der Sicherheitsbeauftragte sollte als Vorbild wirken und seine Kollegen gegebenenfalls daran erinnern, Gehörschutz zu tragen. Wichtig ist, dass dieser richtig eingesetzt wird. Auch die Auswahl spielt eine Rolle, ob Kapselgehörschutz, Gehörschutzstöpsel oder speziell an den Gehörgang angepasste Otoplastiken, die jeweils bestimmte Anforderungen erfüllen. Richtig ausgewählter Gehörschutz schwächt zwar den Lärm ab, lässt aber wichtige akustische Informationen noch durch, wie etwa Warnsignale, Sprache und Maschinengeräusche. – Damit Facharbeiter Hans K. noch hören kann, wenn seine Maschine Probleme macht.
Verena Manek
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