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Was ist Pflicht und was ist Kür?

Arbeitsstättensicherheit
Was ist Pflicht und was ist Kür?

Grundle­gende Voraus­set­zung für die Gewährleis­tung von Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit ist die Arbeitsstät­ten­sicher­heit. Um sie zu gewährleis­ten, erlassen auf­grund des in Deutsch­land beste­hen­den dualen Arbeitss­chutzsys­tems sowohl der Staat als auch die Träger der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung Vorschriften und Regeln. Ent­standen ist ein sich ergänzen­des, aber vielschichtiges Vorschriften- und Regel­w­erk, dessen Umset­zung mitunter prob­lema­tisch ist.

Die zen­tralen Pflicht­en zur Gewährleis­tung von Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit sind in erster Lin­ie im staatlichen Arbeitss­chutzrecht geregelt, wom­it der Staat seinem ver­fas­sungsmäßigem Auf­trag zum Schutz von Leib und Leben nachkommt. An der Spitze ste­ht das Arbeitss­chutzge­setz, das durch ver­schiedene Rechtsverord­nun­gen, wie etwa die Gefahrstof­fverord­nung oder die Betrieb­ssicher­heitsverord­nung, ergänzt wird. Kennze­ich­nen­des Struk­turmerk­mal ist dabei das enge Zusam­men­spiel von Recht­snor­men und tech­nis­chen Regeln.

Die maßge­blichen Pflicht­en zur Arbeitsstät­ten­sicher­heit sind in der Arbeitsstät­ten­verord­nung (Arb­StättV) geregelt. Sie legt verbindlich fest, was der Arbeit­ge­ber beim Ein­richt­en und Betreiben von Arbeitsstät­ten zu beacht­en hat. Ihre Ein­hal­tung wird von den für den Arbeitss­chutz zuständi­gen Lan­des­be­hör­den – Gewer­beauf­sicht­sämter oder staatliche Arbeitss­chutzämter – überwacht. Erfasst wer­den in erster Lin­ie Arbeit­sräume in Gebäu­den sowie Arbeit­splätze auf dem Betrieb­s­gelände, im Freien oder auf Baustellen. In ihren Anwen­dungs­bere­ich fall­en aber auch Verkehr­swege, Lager‑, Maschi­nen- und Neben­räume, Pausen‑, Bere­itschafts- und Liegeräume sowie Umkleide‑, Wasch- und Toi­let­ten­räume und Sanitätsräume.
Verbindliche Schutzziele
Die Arbeitsstät­ten­verord­nung enthält keine konkreten Detailan­forderun­gen, wie die Arbeitsstät­ten ein­gerichtet oder betrieben wer­den müssen. Sie legt lediglich Schutzziele fest, das heißt, sie umschreibt ganz all­ge­mein, welche Sicher­heit­san­forderun­gen einzuhal­ten sind. So hat der Arbeit­ge­ber die Grundpflicht, Arbeitsstät­ten so einzuricht­en und zu betreiben, dass von ihnen keine Gefährdun­gen für die Sicher­heit und die Gesund­heit der Beschäftigten aus­ge­hen. Weit­ere Schutzziele erstreck­en sich beispiel­sweise auf den Nich­trauch­er­schutz oder die Bere­it­stel­lung von Arbeitsräumen.
Für bes­timmte Aspek­te find­en sich im Anhang zur Arbeitsstät­ten­verord­nung genauere Vor­gaben, ohne jedoch Details festzule­gen. Diese betr­e­f­fen beispiel­sweise Kennze­ich­nung, Fußbö­den oder Verkehr­swege. Weit­er­hin sind hier verbindliche Rah­menbe­din­gun­gen zu den Arbeits­be­din­gun­gen (z.B. Beleuch­tung, Lärm) sowie zu San­itär­räu­men, Pausen- und Bere­itschaft­sräu­men, Erste-Hil­fe-Räu­men sowie Unterkün­ften festgelegt.
Durch den weit­ge­hen­den Verzicht auf detail­lierte Vor­gaben haben die Betriebe mehr Spiel­raum, Arbeitsstät­ten eigen­ver­ant­wortlich zu gestal­ten. Das bedeutet jedoch nicht, dass Arbeit­ge­ber nach Belieben ver­fahren dür­fen. Vielmehr sind sie nach der Arbeitsstät­ten­verord­nung verpflichtet, durch eine Gefährdungs­beurteilung festzustellen, welche Gefährdun­gen für die Beschäftigten bei der Ein­rich­tung und dem Betrieb der Arbeitsstätte entste­hen. Fern­er müssen sie solche Arbeitss­chutz­maß­nah­men ergreifen, die den Anforderun­gen der Arbeitsstät­ten­verord­nung ein­schließlich seines Anhangs und dem Stand der Tech­nik, der Arbeitsmedi­zin und der Hygiene entsprechen. Mit dem unbes­timmten Rechts­be­griff „Stand der Tech­nik, der Arbeitsmedi­zin und der Hygiene“ legt der Verord­nungs­ge­ber den erforder­lichen Sicher­heits­stan­dard fest und set­zt den Maßstab für ord­nungs­gemäßes Ver­hal­ten. Gefordert ist der Entwick­lungs­stand fortschrit­tlich­er Ver­fahren, Ein­rich­tun­gen und Betrieb­sweisen. Die Arbeitsstät­ten­sicher­heit ori­en­tiert sich somit am aktuellen Entwick­lungs­stand von Tech­nik, Arbeitsmedi­zin und Hygiene.
Hin­weise für die Praxis
In diesem Zusam­men­hang gewin­nen die Arbeitsstät­ten­regeln (ASR) an Bedeu­tung. Sie wer­den vom Auss­chuss für Arbeitsstät­ten erar­beit­et, um den Arbeit­ge­bern und den Behör­den die Anwen­dung der Arbeitsstät­ten­verord­nung in der Prax­is zu erle­ichtern. Die Arbeitsstät­ten­regeln beschreiben den Stand der Tech­nik für die Ein­rich­tung und den Betrieb von Arbeitsstät­ten und zeigen auf, wie den in der Verord­nung niedergelegten Anforderun­gen konkret entsprochen wer­den kann. Sie enthal­ten die für die Prax­is erforder­lichen Details, wie etwa zu Raum­abmes­sun­gen oder zur Arbeitsplatzbeleuchtung.
Im Gegen­satz zur Arbeitsstät­ten­verord­nung sind die Regeln für Arbeitsstät­ten jedoch nicht verbindlich. Allerd­ings kann der Arbeit­ge­ber davon aus­ge­hen, dass bei Anwen­dung und Ein­hal­tung der Arbeitsstät­ten­regeln die entsprechen­den Anforderun­gen der Arbeitsstät­ten­verord­nung erfüllt sind und die Überwachungs­be­hör­den die getrof­fene Arbeitss­chutz­maß­nahme nicht bean­standen wer­den (sog. Ver­mu­tungswirkung). Andere Arbeitss­chutz­maß­nah­men sind damit zwar nicht aus­geschlossen, jedoch muss die gle­iche Sicher­heit erre­icht und im Zweifel nachgewiesen werden.
Regel­w­erk der Unfallversicherung
Eine Pflicht zum sicheren Ein­richt­en und Betrieb von Arbeitsstät­ten ergibt sich auch aus dem Recht der Unfal­lver­sicherungsträger. Nach dem Sozialge­set­zbuch siebtes Buch (SGB VII) haben die Unfal­lver­sicherungsträger die Pflicht, mit allen geeigneten Mit­teln für die Ver­hü­tung von Arbeit­sun­fällen, Beruf­skrankheit­en und arbeits­be­d­ingten Gesund­heits­ge­fahren sowie für die Sich­er­stel­lung ein­er wirk­samen Ersten Hil­fe zu sor­gen. Zur Umset­zung dieses Präven­tion­sauf­trages erar­beit­en sie fach­liche Empfehlun­gen in Form von Regeln und geben Infor­ma­tion­ss­chriften her­aus. Darüber hin­aus erlassen die Unfal­lver­sicherungsträger Unfal­lver­hü­tungsvorschriften, die im Regelfall Schutzziele und keine Detail­festle­gun­gen enthal­ten. Ihre Ein­hal­tung ist für Ver­sicherte und Unternehmer eben­so verbindlich wie die Ein­hal­tung der staatlichen Arbeitsschutzvorschriften.
An der Spitze des unfal­lver­sicherungsrechtlichen Vorschriften- und Regel­w­erkes ste­ht die Unfal­lver­hü­tungsvorschrift (UVV) „Grund­sätze der Präven­tion“. Sie verpflichtet die Unternehmer unter anderem, die Maß­nah­men zum Arbeitss­chutz zu ergreifen, die in staatlichen Arbeitss­chutzvorschriften fest­gelegt sind. Durch diesen Ver­weis wer­den die Pflicht­en aus der Arbeitsstät­ten­verord­nung auch zu unfal­lver­sicherungsrechtlichen Pflicht­en, deren Ein­hal­tung durch die Unfal­lver­sicherungsträger überwacht wird.
Diese Regelung­stech­nik ver­mei­det Dop­pel­regelun­gen und gibt den Unfal­lver­sicherungsträgern zugle­ich die rechtliche Grund­lage, um über die Beratung und Überwachung den Unfällen und Beruf­skrankheit­en ent­ge­gen­zutreten. So kön­nen sie ihre Aus­gaben für Reha­bil­i­ta­tion und Entschädi­gung ger­ing hal­ten. Für den Unternehmer entste­ht dadurch keine Dop­pel­be­las­tung. Erfüllt er die Pflicht­en der Arbeitsstät­ten­verord­nung, so sind gle­ichzeit­ig auch die Pflicht­en nach der UVV „Grund­sätze der Präven­tion“ erfüllt. Ergänzend find­en sich in eini­gen Unfal­lver­hü­tungsvorschriften spez­i­fis­che Regelun­gen für beson­dere Arbeitsstät­ten, wie etwa in der UVV „Feuer­wehren“ oder der UVV „Schulen“.
Spez­i­fis­che Empfehlungen
Unter­halb der Ebene der Unfal­lver­hü­tungsvorschriften erar­beit­en die Unfal­lver­sicherungsträger für die betriebliche Prax­is ver­schiedenar­tige Hil­festel­lun­gen. Von beson­der­er Bedeu­tung sind dabei die Regeln für Sicher­heit und Gesund­heit. Sie enthal­ten Empfehlun­gen, die beschreiben, was aus fach­lich­er Sicht zur Präven­tion getan wer­den sollte. In solchen Regeln find­en sich auch konkrete Hin­weise und Details zur Ein­rich­tung und zum Betrieb von Arbeitsstät­ten. Im Regelfall ergänzen sie das staatliche Vorschriften- und Regel­w­erk und zeigen spezielle Aspek­te der Arbeitsstät­ten­sicher­heit auf, wie beispiel­sweise die Regel „Fußbö­den in Arbeit­sräu­men und Arbeits­bere­ichen mit Rutschgefahr“.
Eben­so wie die Arbeitsstät­ten­regeln sind auch die Regeln der Unfal­lver­sicherungsträger rechtlich unverbindlich. Allerd­ings kommt ihnen keine Ver­mu­tungswirkung zu. Für die Prax­is haben sie trotz­dem eine große Bedeu­tung. Auf­grund ihrer beson­deren Entste­hungsweise – Ausar­beitung durch Fach­leute in einem geord­neten Ver­fahren unter Beteili­gung der inter­essierten Kreise – haben sie für die Ein­hal­tung der rechtlich verbindlichen Vor­gaben einen hohen Erken­nt­niswert. Der Unternehmer kann, wenn er die darin beschriebe­nen Arbeitss­chutz­maß­nah­men umset­zt, im Regelfall davon aus­ge­hen, dass er auch die ein­schlägi­gen Schutzziele einhält.
Leit­fä­den zum Arbeitsschutz
Von den Regeln zu unter­schei­den sind die Infor­ma­tio­nen, Leit­fä­den und anderen Pub­lika­tio­nen, die die Träger der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung her­aus­geben. Auch sie enthal­ten wichtige Hin­weise zur Gewährleis­tung der Arbeitsstät­ten­sicher­heit. Solche Infor­ma­tion­ss­chriften sind rechtlich unverbindlich. Im Unter­schied zu den Regeln erheben sie auch nicht den Anspruch, in einem fest­gelegten Ver­fahren unter Beteili­gung der betrof­fe­nen Kreise den Stand der Tech­nik zu einem Teil­bere­ich der Arbeitsstät­ten­sicher­heit abzu­bilden. Vielmehr enthal­ten sie lediglich all­ge­meine ergänzende Hin­weise und Zusam­men­stel­lun­gen zur prax­is­gerecht­en Umset­zung von Maß­nah­men zur Gewährleis­tung der Arbeitsstättensicherheit.
Faz­it
Das Recht der Arbeitsstät­ten­sicher­heit find­et sich in erster Lin­ie in der Arbeitsstät­ten­verord­nung und ist durch das Zusam­men­spiel von Rechtsvorschriften und rechtlich unverbindlichen tech­nis­chen Regeln gekennze­ich­net. Pflicht der Arbeit­ge­ber und Unternehmer ist es, die hierin verbindlich fest­gelegten Schutzziele unter Ein­hal­tung des Standes der Tech­nik, der Arbeitsmedi­zin und der Hygiene zu erfüllen. Demge­genüber ist die Ein­hal­tung der ein­schlägi­gen Arbeitsstät­ten­regeln und Regeln der Unfal­lver­sicherungsträger nicht vorgeschrieben, ihre Anwen­dung ist frei­willig und damit „Kür“. Bei den Regeln han­delt es sich um Empfehlun­gen dafür, was aus fach­lich­er Sicht getan wer­den sollte, um die erforder­liche Arbeitsstät­ten­sicher­heit zu gewährleis­ten. Damit helfen sie den Ver­ant­wortlichen, die Arbeitsstät­ten rechtssich­er einzuricht­en und zu betreiben.
Bei Fra­gen zum dualen Arbeitss­chutzsys­tem in Deutsch­land geben die zuständi­gen Unfal­lver­sicherungsträger gern Auskunft.
Dr. Ingo Zakrzews­ki Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung ingo.zakrzewski@dguv.de
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