„Wo Hammer?“ Körperliche Leistungsfähigkeit und Kraft reichen auch auf der Baustelle nicht aus, um verlässlich und sicher arbeiten zu können. Wenn Deutschkenntnisse mangelhaft sind, kann das sogar gefährlich werden.
Schon beim Turmbau zu Babel hat es sich gezeigt: Wenn jeder eine andere Sprache spricht, schadet das der Baustelle. Das Ziel kann nicht erreicht werden, der Erfolg bleibt aus. Die Geschichte ist biblisch, doch das Problem kennen Unternehmer auch heute noch, wenn Menschen verschiedener Nationalitäten zusammenarbeiten. Denn Arbeit kommt nicht ohne eine gemeinsame Sprache aus.
In den EU-Ländern Griechenland, Spanien und Portugal ist die Arbeitslosigkeit auch unter Akademikern, Ingenieuren und anderen hoch qualifizierten Spezialisten enorm hoch. Viele von ihnen versuchen deshalb in Deutschland zu arbeiten. Die schwierigste Hürde für ausländische Arbeitnehmer ist die deutsche Sprache.
Arbeitnehmer, die nur unzureichend Deutsch sprechen, kennen oft auch das deutsche Arbeitsrecht nicht. Für sie zählt nur, wie viel Geld der Arbeitgeber zahlt. Und so unterschreiben sie einen Arbeitsvertrag, ohne ihn zu verstehen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Vertrag in einer anderen als der deutschen Sprache vorzulegen. Für eine Übersetzung muss der sorgen, der den Inhalt nicht versteht. Mit der Unterschrift ist der Vertrag rechtskräftig.
Wegen geringer Deutschkenntnisse arbeiten Migranten aber oft nicht in ihrem erlernten Beruf. Häufig sind sie als Subunternehmen etwa auf dem Bau oder in der Dienstleistungsbranche tätig. Dort ist der Konkurrenzdruck groß und so sind die Subunternehmer schnell gewillt, einen Auftrag anzunehmen. Damit sie die gesetzlichen Anforderungen einhalten, quittieren sie schon einmal eine Unterweisung, die gar nicht stattgefunden hat oder von keinem verstanden wurde.
Doch was kann passieren, wenn Arbeitsanweisungen und Unterweisungen nicht verstanden werden oder die Kommunikation zwischen Kollegen, Vorgesetzten und Kunden nicht richtig funktioniert? Wenn am Arbeitsplatz nicht alle verstehen, was Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte sagen, wächst die Fehlerquote und der Arbeitsschutz lässt nach. Wenn dann etwas schief geht und sich ein Unfall ereignet, haftet der Arbeitgeber. Aus sprachlichem Unvermögen können z. B. folgende gefährliche Situationen entstehen:
- Die Arbeiter führen Tätigkeiten aus, die sie gar nicht ausführen dürfen.
- Sie tragen keine geeignete persönliche Schutzausrüstung (PSA).
- Sie hantieren mit ungeeigneten und ungeprüften Arbeitsmitteln.
- Sie wissen nicht, wo sich ein Feuerlöscher oder Erste-Hilfe-Kasten für den Notfall befindet.
Mehr Sicherheit durch muttersprachliche Informationen
Erfolgreich, sicher und gesund kann nur arbeiten, wer auch mögliche Gefahren kennt und weiß, wie er sich davor schützen kann. Deshalb finden regelmäßig Unterweisungen statt. Doch es reicht nicht, dass der Chef alles drei Mal sagt. Viel wichtiger ist es, dass er verstanden wird. Beispiele aus der Praxis zeigen, welche Möglichkeiten es gibt, dass ausländische Mitarbeiter wichtige Informationen verstehen und bei ihrer Tätigkeit angemessen kommunizieren können.
In der Land- und Forstwirtschaft arbeiten viele Saisonarbeiter, die mehr oder weniger gut Deutsch verstehen und sprechen. Doch das Gefahrenpotential ist in dieser Branche besonders groß. Um die Arbeitnehmer im Arbeitsschutz ausreichend und angemessen unterweisen zu können, kann es notwendig sein, dass Unterweisungen in der Muttersprache stattfinden. Das kann auch über Broschüren sein. So gibt es z. B. die Broschüre „Sicher Arbeiten – Praktische Beispiele von Schutzmaßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft “ der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) auch auf Polnisch. Reich bebildert und anschaulich wird darin u. a. über Maschinen, Geräte, Gefahrstoffe und persönliche Schutzausrüstung (PSA) informiert.
Auch in der Pflege und medizinischen Versorgung arbeitet ausländisches Personal. Ausländische Ärzte haben fast immer so gute ärztliche Kenntnisse wie ihre deutschen Kollegen. Doch gibt es nicht selten sprachliche Hindernisse, Verständigungsschwierigkeiten mit Kollegen, Pflegekräften oder bei den Arztbriefen. Zudem verunsichern eine undeutliche Aussprache oder unverständliche Anweisungen Patienten. Manche Kliniken verpflichten ihre fremdsprachigen Ärzte deshalb zu Sprachintensivkursen, die von der Klinik organisiert und bezahlt werden.
Als effektiv und hilfreich erweisen sich auch zweisprachige Mitarbeiter. Durch sie wird die Kommunikation erleichtert und es gibt weniger Missverständnisse. Betriebe mit einem hohen Anteil an ausländischen Mitarbeitern stellen deshalb vermehrt zweisprachige Führungskräfte ein.
Rechtliche Grenzen
Eine eindeutige Rechtssprechung, ob am Arbeitsplatz ein bestimmte Sprache gesprochen werden muss, gibt es nicht. Allerdings gehört es zum Direktionsrecht des Chefs, dass er eine Sprache vorgeben darf, wenn nichts anderes im Arbeitsvertrag steht. Wie die Mitarbeiter sich in der Pause jenseits des Arbeitsbereichs unterhalten, ist ihnen jedoch freigestellt.
Wer im Betrieb eine neue Aufgabe übernehmen soll, kann als Fremdsprachler nicht unbedingt auf seine vorhandenen Sprachkenntnisse zurückgreifen. Das bedeutet, dass eine Auffrischung notwendig ist. Und die darf der Chef sogar verordnen, wenn der ausländische Arbeitnehmer notwendige Anforderungen nicht erfüllen und etwa Arbeits- und Prüfanweisungen nicht lesen, verstehen und befolgen kann. Sollte sich der Mitarbeiter weigern, einen Sprachkurs zu besuchen, kann dies zur Abmahnung und bei weiterer Weigerung sogar zur Kündigung führen (siehe Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.6.2011, Aktenzeichen 8 AZR 48/10).
Fehlende oder begrenzte Sprachkenntnisse erschweren auch die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts, etwa bei Betriebsratswahlen. Die zum Teil komplizierten Wahlvorschriften sind nur schwer zu verstehen. Ausländische Mitarbeiter müssen deshalb darüber in einer Sprache informiert werden, die ihnen geläufig ist.
Sprachkurse oder berufsbezogenes Deutschtraining im Betrieb
Wenn ausländische Mitarbeiter ihre Ferien in der früheren Heimat verbracht und dort überwiegend in ihrer Muttersprache gesprochen haben, fällt es ihnen in der ersten Zeit besonders schwer, sich wieder auf die deutsche Sprache umzustellen. Und wenn sie sich im häuslichen Umfeld in ihrer Muttersprache unterhalten, sind Lernfortschritte in der deutschen Sprache oft gering. Manchmal kann es sogar vorkommen, dass sich die Kenntnisse verschlechtern. Dann kann ein Sprachkurs helfen.
Begleitend zum Berufsalltag oder zur fachlichen Qualifizierung können spezielle berufsbezogene Deutschkurse im Betrieb angeboten werden. Solche Kurse erweitern den Fachwortschatz und die Grammatik und versetzen die ausländischen Mitarbeiter in die Lage, sprachlich angemessen zu handeln und um Erklärungen zu bitten, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Vor allem aber verbessern sie die Kommunikation. Denn für die unterschiedlichen Situationen der Arbeitswelt – ob beim Vorstellungsgespräch, in der Pause, bei der Übergabe oder beim Verstehen von Arbeitsanweisungen und Vorschriften – braucht es unterschiedlich gute Deutschkenntnisse. So reichen für das Gespräch mit einem vertrauten Kollegen weniger Kenntnisse, als bei einem formellen Telefonaten mit einem Kunden notwendig sind.
Damit der Sprachkurs ein Erfolg wird, sollte man
- die Mitarbeiter zur Teilnahme motivieren,
- die Teilnehmer ggf. von der Arbeit freistellen und/oder die Kosten übernehmen,
- den Kurs besser über einen längeren Zeitraum anlegen,
- das Sprachtraining im Betrieb durchführen,
- einen direkten Bezug zum Arbeitsplatz etwa durch Arbeitsanweisungen, Unfallverhütungsvorschriften oder Übergabeprotokolle herstellen.
Bevor man einen passenden Anbieter für den Sprachkurs sucht, sollte man u. a. folgende Fragen klären:
- In welchen Arbeitssituationen spielen sprachliche Schwierigkeiten eine Rolle?
- Wer soll am Sprachkurs teilnehmen?
- Wo soll das Sprachtraining stattfinden?
- Zu welchen Zeiten kann der Kurs durchgeführt werden?
- Wer muss im Unternehmen beteiligt oder informiert werden?
- Wer ist Ansprechpartner für den Anbieter für inhaltliche Abstimmung, Fragen zur Teilnehmerzusammensetzung bzw. für Rückmeldungen zum Training?
- Welches Budget steht zur Verfügung?
Ürigens: Sprachkurse können durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bezuschusst werden!
Weitere Informationen zum Thema berufsbezogenes Deutsch gibt es u. a.
- beim Internationalen Bund (IB) unter www.internationaler-bund.de,
- bei der Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch
- bei der passage, gemeinnützige Gesellschaft für Arbeit und Integration mbH, unter www.deutsch-am-arbeitsplatz.de.
Bettina Brucker
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