Etwa ein Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung in der Europäischen Union (EU) leidet nach eigenen Angaben an einer chronischen Krankheit. Dies bedeutet einen Anstieg von 19 Prozent in 2010 auf 28 Prozent in 2017. Zu diesem Ergebnis kommt die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound).
Im Zuge des demografischen Wandels wird sich die Zunahme chronischer Erkrankung weiter fortsetzen, da Erwerbstätige über 50 mehr als doppelt so häufig betroffen sind wie diejenigen unter 35 Jahren. Aber auch der Anteil jüngerer Erwerbstätiger im Alter von 16 bis 29 Jahren, die von chronischen Erkrankungen berichten, ist gestiegen; von elf Prozent in 2010 auf 18 Prozent in 2017.
Wirksamkeit von Anpassungen untersucht
In einem Kurzbericht stellt Eurofound dar, inwieweit Anpassungen des Arbeitsplatzes dazu beitragen, die Arbeit von Beschäftigten mit chronischen Erkrankungen nachhaltig zu gestalten, das heißt, diese bei der Bewältigung ihrer Krankheit zu unterstützen. Sie sollen trotz der Erkrankung weiterarbeiten oder – nach krankheitsbedingter Abwesenheit – gegebenenfalls ihre Arbeit wieder aufnehmen können.
Frühes Ausscheiden aus dem Beruf vermeiden
Chronische Erkrankungen haben Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit der Arbeit, da betroffene Personen mit größerer Wahrscheinlichkeit aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden und inaktiv werden. Über 40 Prozent der Beschäftigten, die berichten, dass sie an einer chronischen Krankheit leiden, geben an, dass sie nicht bis zum Alter von 60 Jahren arbeiten können.
Eine Anpassung der Arbeitsumgebung an die Bedürfnisse der Beschäftigten mit chronischen Erkrankungen könne sich erheblich auf deren Arbeitsqualität und die Nachhaltigkeit der Arbeit auswirken. Ein Fünftel der Beschäftigten mit einer chronischen Krankheit geben an, dass ihr Arbeitsplatz oder ihre Arbeitstätigkeit an ihre Gesundheitsprobleme angepasst wurde. Unter denjenigen, deren tägliche Aktivitäten (einschließlich der Arbeit) aufgrund der Erkrankung eingeschränkt sind, profitierten nur 30 Prozent von Anpassungen ihres Arbeitsplatzes. Zwei Drittel der Beschäftigten mit eingeschränktem Gesundheitszustand erhalten keine solche Unterstützung.
Verschiedene Formen der Anpassung
Die Anpassungen können dabei „physischer“ Art sein, zum Beispiel die Verbesserung der Zugänglichkeit des Arbeitsplatzes, ein höhenverstellbarer Arbeitstisch oder andere technische Hilfen wie etwa Spracherkennungsprogramme. Sie können aber auch in einer räumlichen oder zeitlichen Flexibilität bestehen, beispielsweise einer Anpassung der täglichen Arbeitszeit oder der Einräumung der Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.
Die häufigsten chronischen Erkrankungen seien Erkrankungen des Bewegungsapparates, gefolgt von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronischen Atemwegserkrankungen und psychischen Erkrankungen. Es sei zu beachten, dass chronische Krankheiten durch Arbeit verursacht (oder verschlimmert) werden könnten oder nicht. Prävention spiele daher auch eine wichtige Rolle beim Eindämmen der Entwicklung und der Auswirkungen chronischer Krankheiten am Arbeitsplatz.
Ganzheitlicher, lebenszyklusorientierter Ansatz
Die steigende Zahl von Menschen mit chronischen Erkrankungen erhöhe die Dringlichkeit der Frage, wie die Betroffenen nachhaltig arbeiten können. Dies gelte umso mehr, wenn man die Kosten durch Krankheitstage und durch ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben berücksichtige. Da eine schlechte Gesundheit einer der Hauptgründe für einen frühen Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt sei, sei ein ganzheitlicher, lebenszyklusorientierter Ansatz erforderlich, um chronischen Erkrankungen vorzubeugen sowie eine wirksame Prävention und die Erhaltung beziehungsweise Wiedereingliederung von chronisch kranken Personen im Arbeitsmarkt sicherzustellen. Dieser sollte die Politikbereiche Gesundheit, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Sozialschutz und Beschäftigung umfassen und mit Arbeitsrechts- und Nichtdiskriminierungsvorschriften in eine Gesamtstrategie zur Bewältigung des demografischen Wandels eingebunden werden.
Ausblick
Die Ratsarbeitsgruppe „Sozialfragen“ arbeitet derzeit an einem Entwurf von Schlussfolgerungen des Rates zu einem neuen strategischen EU-Rahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (in Englisch). In diesem wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass Arbeitspraktiken und ‑methoden es gegenwärtig älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Personen mit teilweiser Behinderung oder chronischen Krankheiten oftmals nicht möglich oder attraktiv machen, weiter zu arbeiten oder wieder zur Arbeit zurückzukehren. Eine längere berufliche Laufbahn müsse gefördert werden, um alle verfügbaren Arbeitskräfte zu nutzen, darunter auch immer mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Mitgliedstaaten sollen angehalten werden, durch nationale Arbeitsschutzstrategien und ‑maßnahmen die Arbeitsfähigkeit aufrechtzuerhalten und zu verbessern, um ein Arbeitsleben zu erreichen, das für alle Altersgruppen und für Menschen mit Gesundheitsproblemen und Behinderungen inklusiv ist.
Über die Deutsche Sozialversicherung Europavertretung
Die Spitzenverbände der deutschen Sozialversicherung haben sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutschen Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ zusammengeschlossen. Der Trägerverein hat seinen Sitz in Berlin. Zur Erfüllung seiner Aufgaben und zur Führung der Vereinsgeschäfte wurde bereits 1993 ein Verbindungsbüro (Europavertretung) in Brüssel errichtet. Das Team der Brüsseler Repräsentanz besteht aus acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Mitglieder des Vereins sind die auf Bundesebene in Deutschland tätigen Spitzenorganisationen der deutschen Sozialversicherung aus den Bereichen der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung, der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Verbände der Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene. Organe des Vereins sind die Mitgliederversammlung und der Europäische Koordinierungsausschuss (EKA).