Am Arbeitsplatz allein zu sein, macht das Arbeiten nicht per se gefährlicher. Doch für gefährliche Tätigkeiten ist Alleinarbeit verboten oder nur ausnahmsweise und unter strikten Sicherheitsmaßnahmen möglich. Entscheidend für den Schutz von Alleinarbeitern ist die Absicherung, dass in einem Notfall rechtzeitig Hilfe eintrifft.
Beim Thema Alleinarbeit kommt es häufig zu Missverständnissen und Fragen. Ist Alleinarbeit verboten oder erlaubt? Fast jeder ist doch irgendwann mal für einen Moment allein beim Arbeiten, wie soll man das denn in einer Gefährdungsbeurteilung erfassen?
So ist Alleinarbeit definiert
Aufklärung bietet die DGUV in der Regel 100–001. Danach gilt eine Tätigkeit als Alleinarbeit, wenn jemand bei seiner Tätigkeit nicht von den Kollegen gesehen oder gehört werden kann. Der betreffende Arbeitsplatz wird dann als Einzelarbeitsplatz bezeichnet.
Alleinarbeit liegt vor, wenn eine Person allein, außerhalb von Ruf- und Sichtweite zu anderen Personen, Arbeiten ausführt.
Mit dieser engen Definition gilt streng genommen auch als Alleinarbeiter, wer Überstunden macht und daher abends allein im Büro oder in der Werkstatt zurückbleibt. In einigen Branchen wie Instandhaltung, Gebäudereinigung, Hausmeister‑, Sicherheits- und Wachdienste, Land- und Forstwirtschaft oder im Transportwesen ist es gar nicht untypisch, dass Mitarbeiter als „Lone Worker“ allein vor Ort oder unterwegs sind. Andere betrifft dies nur vorübergehend, etwa in Randzeiten oder bei Außenterminen.
Gefährliche Alleinarbeit soll die Ausnahme bleiben!
Entscheidend dafür, ob eine Form von Alleinarbeit zulässig ist oder ob besondere Maßnahmen notwendig werden ist, ob es sich um eine gefährliche Alleinarbeit handelt. Zur Zulässigkeit von Alleinarbeit formuliert die DGUV Regel 100–001 eindeutig, dass gefährlichen Arbeiten grundsätzlich nicht allein ausgeführt werden sollten. Gefährliche Alleinarbeit ist nur im Ausnahmefall zulässig und strikt an geeignete Schutzmaßnahmen gekoppelt. Dass die DGUV Regel hier explizit die technischen und organisatorischen Maßnahmen nennt, bedeutet nicht, dass personenbezogene Maßnahmen für Alleinarbeit hinfällig wären. Entscheidend ist jedoch zunächst, dass der Arbeitgeber das Überwachen jedes alleinarbeitenden Mitarbeiters sicherstellt.
Grundsätzlich sollte eine „gefährliche Arbeit“ nicht von einer Person allein ausgeführt werden. Ausnahmsweise kann es aus betrieblichen Gegebenheiten notwendig sein, eine Person allein mit einer „gefährlichen Arbeit“ zu beauftragen. In diesem Fall hat der Unternehmer in Abhängigkeit von der Gefährdung an Einzelarbeitsplätzen geeignete Maßnahmen zur Überwachung zu treffen. Diese Überwachung kann durch technische oder organisatorische Maßnahmen umgesetzt werden.
Es gibt keine abschließende Liste, in der man nachschauen könnte, welche Tätigkeiten als gefährlich gelten und welche nicht. Maßgeblich ist in jedem Fall die Gefährdungsbeurteilung des Unternehmens vor Ort. Orientierung bei der Einschätzung bietet die folgende Definition aus der DGUV Regel 100–001:
Gefährliche Arbeiten sind solche, bei denen eine erhöhte Gefährdung aus dem Arbeitsverfahren, der Art der Tätigkeit, den verwendeten Stoffen oder aus der Umgebung gegeben ist, weil keine ausreichenden Schutzmaßnahmen durchgeführt werden können.
Die DGUV-Regel nennt anschließend einige typische Beispiele für Arbeiten, die – im Regelfall – als gefährlich gelten, zum Beispiel Arbeiten mit Absturzgefahr, Arbeiten in engen Räumen, Fällen von Bäumen oder Sprengarbeiten. Auch bei erhöhter Brand- oder Explosionsgefahr, beim Umgang mit besonders gefährlichen Stoffen oder beim Arbeiten an Maschinen mit Einzugsgefahr wird ein Alleinarbeiten als gefährlich einzustufen sein.
Insbesondere das Arbeiten in engen Räumen, ob Kanäle, Schächte und Stollen oder auch im Inneren von Silos, Tanks und Kesseln ist hochgefährlich, wenn toxische Gase auftreten oder es zu Sauerstoffmangel kommen kann. Kann sich aus Platzmangel nur eine Person in einem solchen Arbeitsbereich aufhalten, lässt sich ein Alleinarbeiten nicht vermeiden. Strikte Schutzmaßnahmen sind dann jedoch unverzichtbar. Jede Art von gefährlicher Alleinarbeit soll die Ausnahme bleiben!
Maßgeblich ist die Gefährdungsbeurteilung
Wichtig zum Verständnis ist auch, dass sämtliche Aufzählungen und Listen zu als gefährlich geltenden Arbeiten – ob aus der DGUV Regel 100–001 oder aus anderen Quellen – niemals als Checkliste für den eigenen Betrieb missbraucht werden dürfen! Nur weil eine bestimmte Tätigkeit nicht aufgelistet ist, bedeutet das nicht, dass sie ungefährlich sei! Denn es kommt immer auf den konkreten Einzelfall an. Die obige Formulierung „in Abhängigkeit von der Gefährdung an Einzelarbeitsplätzen“ impliziert, dass eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden muss.
So listet die DGUV-Regel zum Beispiel – aus nachvollziehbaren Gründen – unter den gefährlichen Arbeiten keine Büroarbeit auf. In einer Sozialbehörde oder einer psychiatrischen Einrichtung mit dem permanenten Risiko von Bedrohung und Gewalt kann jedoch auch als gefährliche Alleinarbeit gelten, wenn ein Kollege nach Dienstschluss als Einzelner im Büro zurückbleibt. Ähnliches gilt für andere Arbeitsplätze mit Publikumsverkehr oder wenn Konfliktsituationen zu erwarten sind, auch im Einzelhandel oder in der Gastronomie. Notwendig sind dann geeignete Lösungen, um bei Bedrohungen offen oder verdeckt Alarm auszulösen und schnelle Hilfe anzufordern.
Wenn jede Minute zählt!
Eine Tätigkeit allein durchzuführen, macht die Tätigkeit selbst nicht unsicherer oder unfallträchtiger. Mancher ist vielleicht sogar froh, bei einer diffizilen Aufgabe ungestört von den Kollegen arbeiten zu können. Das höhere Risiko besteht darin, dass bei einer Alleinarbeit mit erhöhtem Risiko (Absturzgefahr, Gase o. ä.) in einem Notfall – offene Wunde, Stromschlag, Kreislaufkollaps, Bewusstlosigkeit, Eingeklemmtsein usw. – kein Kollege in der Nähe ist, der Erste Hilfe leistet und die Rettungskette auslöst.
Denn je nach Art und Grad der Verletzung kommt es auf jede Minute an und das Unfallopfer kann schwere Folgeschäden erleiden oder sterben, wenn die ärztliche Versorgung zu spät einsetzt, weil der Unfall nicht bzw. mit Verzögerung bemerkt wurde. Die technischen Schutzmaßnahmen für Einzelarbeitsplätze (s. u.) setzen daher an Lösungen an, die einen Unfall möglichst schnell melden und die verletzte Person sicher orten.
Für den betrieblichen Arbeitsschützer ergeben sich drei zu klärende Fragen:
- Wo gibt es Einzelarbeitsplätze oder Einzelarbeitssituationen? –> In einer Gefährdungsbeurteilung Alleinarbeit sämtliche Arbeitsplätze erfassen, die ständig oder zeitweilig allein besetzt sind.
- An welchen dieser Einzelarbeitsplätze handelt es sich um gefährliche Arbeiten? –> An den erfassten Arbeitsplätzen die Risiken ermitteln und die Wahrscheinlichkeiten, dass es zu einem Notfall kommt.
- Wie können wir gefährliche Alleinarbeiten sicher überwachen? –> Maßnahmen festlegen, die gewährleisten, dass ein alleinarbeitender Mitarbeiter auch bei einem nicht vorhersehbaren Notfall schnelle Hilfe erhält.
Technische Lösungen für Alleinarbeiter
Auch die DGUV Vorschrift 1 betont die Notwendigkeit von weitergehenden Schutzmaßnahmen bei gefährlicher Alleinarbeit.
Wird eine gefährliche Arbeit von einer Person allein ausgeführt, so hat der Unternehmer über die allgemeinen Schutzmaßnahmen hinaus für geeignete technische oder organisatorische Personenschutzmaßnahmen zu sorgen.
„Über die allgemeinen Schutzmaßnahmen hinaus“ bedeutet, dass es eben nicht genügt, die für die Tätigkeit übliche PSA bereitzustellen und dem Kollegen beim Absteigen in einen Abwasserschacht zum Beispiel einen Gaswarner mitzugeben. Dieser ist wichtig, würde aber nicht ausreichen, im Notfall eine schnelle Rettung sicherzustellen.
Ein permanentes Überwachen von Einzelarbeitsplätzen per Video ist heikel (Schutz des Persönlichkeitsrechts) und nur im Sonderfall bei Einhaltung strenger Vorgaben und Einbezug des Betriebs- oder Personalrats möglich. Die gute Nachricht ist, dass sich im digitalisierten und vernetzten 4.0‑Zeitalter die Qualität und Vielfalt anderer technischer Lösungen zum Schutz von Alleinarbeitern erhöht. Die Notrufgeräte, oft als PNA für Personen-Notsignal-Anlage abgekürzt, werden immer kleiner und leistungsfähiger und erfüllen – einzeln oder in Kombination – unterschiedliche Funktionen.
Zu unterscheiden ist eine willensabhängige Alarmierung von willensunabhängigen Lösungen. Zum Beispiel kann ein Lagesensor – ohne aktive „willentliche“ Steuerung – einen Alarm auslösen, wenn das Gerät bzw. der Körper, an dem es befestigt ist, sich – etwa bei Bewusstlosigkeit des Trägers – in Horizontallage befindet. Beschleunigungssensoren erkennen Stürze, Totmannfunktionen als Reglosalarm dagegen ein Ausbleiben erwarteter Bewegungen. Beim sogenannten Life-Check löst ein Timer einen Voralarm aus, der dann vom Träger (willensabhängig) quittiert werden muss. Bleibt dies aus, startet die Alarmierungsfunktion. Ein Verlustalarm wiederum wird aktiv, wenn die PNA von ihrem Träger getrennt wird.
Reine Notrufgeräte sind spezialisiert auf ihre Aufgabe und Kernfunktion, andere Lösungen setzen auf Apps für das Smartphone. PNA im eigentlichen Sinne sind somit oft einfacher von unterschiedlichen Mitarbeitern zu verwenden, während ein betriebliches Smartphone doch meist individuell und personenbezogen genutzt wird. Hier muss sichergestellt sein, dass auch alle Updates und durch den Benutzer veränderte Einstellungen das jederzeitige Funktionieren der App nicht gefährden.
Gezielt die geeignete PNA auswählen
Angesichts des Angebots- und Leistungsspektrums sollte vor einer Anschaffung von Überwachungstechnik für Alleinarbeiter sorgfältig geklärt werden, welche Anforderungen das System erfüllen soll. Dabei können je nach Unternehmen, Branche und den Verhältnissen vor Ort die folgenden Kriterien und Anforderungen für das Pflichtenheft relevant sein:
- Welche Empfangs- und Netzwerktechnik ist unter den konkreten Bedingungen am Einsatzort am besten geeignet: GPS? WLAN? Bluetooth? Mobilfunkempfang?
- Welche Schutzarten müssen die Endgeräte erfüllen, z. B. gemäß ATEX oder den IP-Schutzklassen?
- Was genau soll die Überwachungstechnik leisten, z. B. Totmannfunktion/Reglosalarm, Alarm bei Sturz, Alarm bei Horizontallage, Ruhe-Alarm, Voralarm/Life-Check, Verlustalarm?
- Soll die Notrufauslösung manuell und / oder willensunabhängig bzw. sensorgesteuert ablaufen?
- Lassen sich die einzelnen Überwachungsfunktionen separat aktivieren und für unterschiedliche Situationen konfigurieren? Gibt es z. B. eine Pausenfunktion, um einen Lagesensor zeitweilig zu deaktivieren, wenn z. B. eine Maschine in Rückenlage inspiziert werden muss?
- Welche Zusatzfunktionen werden gewünscht wie z. B. eine Mithörmöglichkeit für den Alarmempfänger, ein Sprechfunkkontakt, Videoüberwachung oder etwa eine Routenkontrolle, die prüft, ob der Mitarbeiter bei einem Check-Rundgang alle abzugehenden Orte erreicht hat.
- Soll das System dabei helfen, die verletzte Person zu lokalisieren, z. b. durch akustische Nahortung?
- Kann das System eine Indoor-Ortung gewährleisten und auch dort, wo kein Satellitenempfang möglich ist, z. B. durch in betreffenden Gebäuden installierte Ortungssender bzw. Relaisstationen?
- Wie können notwendige Positionsbestimmungen am besten technisch umgesetzt werden (GPS? Satellitenortung? per WLAN, DECT, Ethernet, LAN usw.
- Wie reagiert das System, wenn die Energieversorgung ausfällt, das WLAN wegen Wartungsarbeiten an der IT unterbrochen ist oder aus anderen Gründen keine Netzverbindung besteht?
- Auf welchem Weg und an welchen Endgeräten soll die Alarmierung ankommen. z. B. SMS, Pager, Smartphone, E‑Mail, Hausdienst, Leitwarte usw.?
- Ist eine direkte Anbindung an externe, firmenunabhängige Notdienste und Rettungsleitstellen gewünscht?
- Kann das System auch von Mitarbeitern mit Einschränkungen (gehörlos oder hörgeschädigt, sehschwach) benutzt werden?
- Wann soll die Alarmierung gewährleistet sein, nur bei Bedarf, während der Arbeitszeiten oder rund um die Uhr (24/7/52)?
- Werden unterschiedliche Alarme für unterschiedliche Situationen oder Gefährdungsgrade benötigt und bietet das Gerät mehrere Alarmkategorien?
- Ist das heimliche Auslösen eines Alarms möglich, z. B. bei Bedrohung durch Kunden, Patienten, Klienten oder im Umgang mit Kriminellen, Justizvollzug usw.?
- Lassen sich die ausgelösten Alarmierungen aufzeichnen und dokumentieren?
- Ist das System vom Träger wie vom Alarmempfänger intuitiv bedienbar?
- Ist die Laufzeit den zu erwartenden Nutzungsbedingungen angemessen? Wie oft muss aufgeladen werden oder wie häufig müssen Batterien gewechselt werden?
- Ist die Kompatibilität und Erweiterbarkeit mit bereits vorhandener Sicherheitstechnik und Alarmierungslösungen gegeben?
- Wie ist der Aufwand für Wartungen, Funktionsprüfungen, Updates usw. einzuschätzen?
Ein weiteres Kriterium ist die Robustheit der Geräte. Eine PNA muss so unempfindlich sein, dass es unter allen zu erwartenden Arbeitsbedingungen wie Hitze, Kälte, Stäube, Feuchte, Erschütterungen usw. zuverlässig funktioniert. Damit zusammen hängt auch die Frage, wie groß oder klein die Geräte sein sollen und wo sie getragen werden. Das kann direkt am Körper erfolgen, etwa am Handgelenk, aber auch an der Arbeitskleidung. Hier muss dann in jedem Fall die Kompatibilität gegeben sein, etwa wenn gleichzeitig ein Ganzkörperschutz getragen werden muss. Last, but not least, ist es ein gutes Zeichen, wenn der Hersteller oder Lieferant die Option anbietet, die späteren Nutzer der PNA gezielt zu schulen.
Weitere Hinweise zum Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen bietet die gleichnamige DGUV Regel 112–139.
Unterstützung und Absicherung durch organisatorische Maßnahmen
Technische Hilfsmittel sind wichtig und hilfreich, genügen jedoch nicht in jedem Fall, um einen gefährlichen Einzelarbeitsplatz abzusichern. Oft sind unterstützende organisatorische Schritte notwendig, die weitere Personen direkt einbeziehen, etwa durch Kontrollanrufe oder Kontrollgänge. In anderen Fällen wird es sinnvoll sein, eine zweite Person als Sicherungsposten abzustellen. zum Beispiel beim Absteigen in Kanäle, Schächte oder Tanks. Darüber hinaus gilt:
- Nur Mitarbeiter für gefährliche Alleinarbeiten einsetzen, die psychisch und physisch dazu geeignet sind.
- Alleinarbeitende Mitarbeiter schulen und zu den besonderen Risiken bei Alleinarbeit unterweisen.
- Alleinarbeiter bzw. Einzelarbeitsplätze in der Notfallplanung berücksichtigen und auch in alle Räumungs- und Evakuierungsübungen einbinden.
- Das regelmäßige Prüfen der verwendeten PNA und sonstiger Überwachungssysteme sicherstellen.
- Das Benutzen von PNA dokumentieren, d. h. die Einsätze, aber auch Fehlalarme, Störungen, Tests usw. schriftlich festhalten.
Wichtig für das Unterweisen von Alleinarbeitern ist, auch an deren Kollegen zu denken. Denn auch wer eine PNA nicht selbst benutzt, muss wissen, was bei einer Alarmierung zu tun ist, damit der verletzte allein arbeitende Kollegen möglichst rasch Hilfe erhält.
Autor: Friedhelm Kring
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