Trennende Schutzeinrichtungen an Maschinen, zum Beispiel eine Umhausung oder Schutzscheiben, sollen nicht nur den Zugriff zu Gefahrstellen verhindern, sondern ebenso das Herausschleudern von Teilen wie Werkstücke oder Bruchstücke von Werkzeugen weitgehend verhindern. Bei Maschinen mit CE-Kennzeichnung müssen die trennenden Schutzeinrichtungen normative Vorgaben bezüglich ihres Rückhaltevermögens für herausgeschleuderte Teile erfüllen.
Auch Maschinen mit Baujahr vor 1995 müssen die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) erfüllen: Es müssen also Schutzeinrichtungen gegen herausgeschleuderte Teile vorhanden sein. Früher waren Glasscheiben (Silikat- oder Mineralglas), Plexi- oder Acrylglasscheiben üblich. Ungeeignete Scheiben wurden – zumindest teilweise – auch noch nach 1995 verbaut, da es zu der damalig geltenden Maschinenrichtlinie (98/37/EG) noch keine entsprechenden Normen mit Hinweisen auf das erforderliche Rückhaltevermögen gab. Erst seit 2001 sind für Werkzeugmaschinen wie Drehmaschinen und Bearbeitungszentren die Anforderungen an das Rückhaltevermögen trennender Schutzeinrichtungen in europäisch harmonisierten Produktnormen geregelt.
Die früher weit verbreiteten – aber kaum geeigneten – Glas‑, Plexi- oder Acrylglasscheiben entsprachen dem damaligen Stand der Technik. Dieser Umstand muss in die Beurteilung insbesondere von Alt- und Gebrauchtmaschinen einbezogen werden, wie sie nach Arbeitsschutzgesetz und BetrSichV gefordert ist. Nur dann kann die sichere Benutzung gewährleistet werden. Zur Risikominderung ist es möglich, die Maschine drehzahlreduziert zu betreiben. Es empfiehlt sich hierbei, die Drehzahlen über technische Mittel zu begrenzen. Eine Alternative ist, die Maschine mit Polycarbonat-Schutzscheiben neuester Bauart auszustatten (falls genügend steife Schutzumhausung und Schutztüren vorhanden sind), die in die Beurteilung einzubeziehen sind. Ein Austausch nur mit Originalglas, Plexi- oder Acrylglas als Ersatz-Schutzscheiben gaukelt trügerische Sicherheit vor und sollte vermieden werden.
Rückhaltevermögen gewährleisten
Polycarbonat-Schutzscheiben verlieren im Laufe der Zeit ihr Rückhaltevermögen. Insbesondere der Kontakt mit Kühlschmierstoff führt zu einer – meist unsichtbaren – Versprödung, die in der Folge zu einer drastischen Herabsetzung des Rückhaltevermögens führt. Daher sind die Schutzscheiben in der Regel mit einer zusätzlichen Scheibe zum Bearbeitungsraum der Werkzeugmaschine hin gegen Benetzung mit Kühlschmierstoff geschützt. So wird die Alterung und Versprödung des Polycarbonats verzögert, aber nicht verhindert. Dieser Aspekt sollte gerade auch beim Einkauf von Gebrauchtmaschinen bedacht werden.
Häufig garantiert der Schutzscheibenhersteller für seine unbeschädigte Scheibe die Rückhaltefähigkeit über einen gewissen Zeitraum. Zusammen mit einem auf der Scheibe angegebenen Herstelldatum ergibt dies ein „Haltbarkeitsdatum“ der Schutzscheibe.
Fehlen diese Informationen, sind sie aus der Betriebsanleitung oder direkt über den Maschinen- oder Schutzscheibenhersteller zu beschaffen. Geschädigte Schutzscheiben, zum Beispiel durch Risse, Kratzer, sichtbar eingedrungene Kühlschmierstoffe oder durch ungeeignete Reinigungsmittel, sollten unverzüglich ausgetauscht werden, da bei ihnen schnell eintretende oder schon vorhandene Versprödung wahrscheinlich ist.
Zur Auslegung von Schutzscheiben können zum Beispiel die folgenden harmonisierten Normen für Werkzeugmaschinen als anerkannte Regeln der Technik herangezogen werden:
- DIN EN ISO 23125 für Drehmaschinen: In dieser Norm wird auf geschützte Polycarbonatscheiben verwiesen, wenn gegen herausfliegende Teile geschützt werden soll und gleichzeitig die Schutzscheibe versprödenden Einflüssen ausgesetzt ist. Die nachfolgend genannten Maschinennormen erwähnen zwar den Schutz für die Scheiben nicht ausdrücklich, jedoch sind auch für diese Maschinen geschützte Polycarbonatscheiben empfehlenswert.
- DIN EN 12417 für Bearbeitungszentren
- DIN EN 13128 für Fräs- und Bohr-Fräsmaschinen
- DIN EN ISO 16089 für ortsfeste Schleifmaschinen
- DIN EN 14070 für Transfer- und Einzweck- oder Sondermaschinen
Versuche, die beim heutigen Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass sich Polycarbonatscheiben beim Auftreffen von Teilen um mehr als 100 Millimeter ausbeulen können. Die Scheibe muss daher mit einer ausreichenden Überdeckung in die umgebende Konstruktion eingebettet sein. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Scheibe als Ganzes aus der Einspannung geschleudert wird. In den Versuchsreihen wurden beispielhaft Maße für den notwendigen Überstand der Polycarbonatscheibe (oder des Rahmens) in der Öffnung der Maschinenumhausung ermittelt. Dabei ergaben sich folgende Mindestüberstände bei Scheibenabmessungen von 450 x 450 Millimeter lichter Weite:
- Mindestens 40 Millimeter Überstand bei 8 Millimeter Scheibendicke oder 25 Millimeter Überstand bei 12 Millimeter Dicke und einer Geschossmasse von 2,5 Kilogramm. Diese Versuchsergebnisse sind in das Sicherheitskonzept für Drehmaschinen nach DIN EN ISO 23125 eingeflossen. Zusätzliche Angaben macht die DIN EN ISO 16089 mit Nennung von Scheibenüberständen für ortsfeste Schleifmaschinen.
Ferner wird nach den Versuchserfahrungen eine Befestigung der Schutzscheibe im Rahmen durch Klemmung empfohlen (keine Schraubung durch die Schutzscheibe).
Der Einkauf
Beim Einkauf von Maschinen sollten daher folgende Punkte in Bezug auf Schutzscheiben erfragt werden:
- Wurde geeignetes Material verwendet – zum Beispiel eine Schutzscheibe aus Polycarbonat?
- Passt die Nenndicke der Scheibe zum Sicherheitskonzept der Maschine (zum Beispiel nach Produktnorm)?
- Sind die Überstände der Einfassung der Scheibe ausreichend groß bemessen?
- Gibt es Nachweise zur Rückhaltefähigkeit?
- Ist die Schutzscheibe neuwertig oder ist eine beginnende Alterung rückwirkend durch den vorausgegangenen Betriebseinsatz zu erwarten?
100% Sicherheit gibt es nicht
Insbesondere bei Beobachtungsvorgängen an CNC-Maschinen oder beim Anfahren von Werkstücken in der Produktion wird häufig sehr dicht an die Schutzscheibe herangetreten, um einen guten Blick auf den Spanprozess zu haben. Kommt es in diesem Augenblick zum Herausschleudern größerer Bruchstücke, beult sich die intakte Schutzscheibe aus (spröde Schutzscheiben brechen) und schlägt bei zu kleinem Abstand ins Gesicht. Daher sollte der Bediener außerhalb der wahrscheinlichen Flugbahn von Bruchstücken stehen und mit seinem Gesicht genügend Abstand zur Scheibenoberfläche wahren.
Noch kritischer ist der Fall, wenn es zum Herausschleudern des Werkstücks kommt. Die Umhausung der Maschine – einschließlich der Schutzscheibe – bietet nur einen relativen Schutz. Die Rückhaltefähigkeit ist auf bestimmte Auftreffenergien begrenzt und sie garantiert keinen Komplettschutz für alle Fälle. Unter Umständen können herausgeschleuderte Bruch- und Werkstücke so viel Energie besitzen oder aufnehmen, dass selbst eine korrekt dimensionierte und sich in einwandfreiem Zustand befindliche Schutzumhausung oder Schutzscheibe durchschlagen wird. Denn die Anforderungen an die Rückhaltefähigkeit trennender Schutzeinrichtungen in den oben erwähnten Produktnormen beziehen sich nicht auf Werkstücke, die sich aus der Aufspannung lösen, sondern nur auf Werkzeugbruchstücke (Fräser, Schleifscheiben) oder Futterbacken bei Drehmaschinen. Dies gehört zu den Restgefahren, über die der Bediener unterwiesen und sich selbst ständig im Klaren sein muss.
Fazit
Die Bewertung von Schutzscheiben in Bezug auf Schäden und die verbleibende Zeit bis zur Austauschfrist insbesondere bei Alt- und Gebrauchtmaschinen ist unverzichtbarer Teil der Gefährdungsbeurteilung. Geeignete Schutzscheiben mit einem Rückhaltevermögen gemäß dem Stand der Technik vermindern das Unfallrisiko durch herausgeschleuderte Teile erheblich.
Weiterführende Informationen:
- DGUV-Information Nr. 040 „Schutzscheiben“ und DGUV Information 209–066 „Maschinen der Zerspanung“ unter www.bghm.de, Webcode 626
Autor:
Christoph Meyer
Abteilung Technologien Holz und Metall
Berufsgenossenschaft Holz und Metall