Mobile Arbeit oder Arbeiten im Homeoffice sind heutzutage fester Bestandteil der Arbeitsstrukturen in fast allen Betrieben und Unternehmen und nehmen quantitativ auch immer mehr zu – in der aktuellen Bundesregierung wird sogar die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Arbeit im Homeoffice diskutiert. Spricht man über die Probleme, die sich mit der Arbeit zuhause ergeben, dann geht es vor allem um die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben oder aber auch Aspekte der Leistungskontrolle und des Leistungsnachweises. Neben organisatorischen und arbeitszeitrechtlichen Fragen kommen hingegen Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes am Heimarbeitsplatz häufig zu kurz.
Zuhause ist es am Schönsten?
Nach einer jüngst vorgestellten AOK-Befragung [1] fühlen sich 73,4 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die häufig im Homeoffice arbeiten, in den vergangenen zwölf Monaten erschöpft. Bei Belegschaften, die ausschließlich im Büro tätig sind, waren es „nur“ 66 Prozent.
Zudem klagen im Homeoffice auch mehr Beschäftigte über Wut und Verärgerung (69,8 Prozent gegenüber 58,6 Prozent), bei Nervosität und Reizbarkeit waren es 67,5 Prozent im Vergleich zu 52,7 Prozent. Befragt wurden von der AOK 2.000 Beschäftigte zwischen 16 und 65 Jahren.
Deutliche Unterschiede gab es der Befragung zufolge auch bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit. So gaben für den Zeitraum der zurückliegenden vier Wochen 18,8 Prozent der Homeoffice-Arbeitenden an, dass sie damit Probleme gehabt hätten, aber nur 8,8 Prozent derjenigen, die nur im Betrieb arbeiten. Außerdem fällt es demnach schwerer, nach Feierabend abzuschalten (38,3 Prozent gegenüber 24,9 Prozent). Offensichtlich erinnert das moderne Homeoffice an die Arbeitsplätze der Handwerker im Mittelalter. Dort hatten Schreiner, Schuster oder Küfner ihre Werkstatt im Erdgeschoss, auf der ersten Etage wohnten sie. Die Trennung von Arbeitsplatz und Privatsphäre existierte nicht. Nun kommt die AOK zu der Einschätzung, dass auch im modernen Homeoffice die Grenze zwischen Job und Privatleben wieder stärker verschwimmt. Damit wächst das Risiko, dass Erholungsphasen schrumpfen. Dies gilt umso mehr, als dass die schöne, neue Arbeitswelt dank moderner Technologien (Beleuchtung, Beheizung) anders als die Arbeitsplätze der alten Handwerker von äußeren Einflussfaktoren nahezu unabhängig geworden ist (lassen wir den Stromausfall mal außen vor).
Mehr Stress, geringere Fehlzeiten
Trotz der höheren psychischen Belastung haben Beschäftigte, die häufig im Homeoffice arbeiten, allerdings geringere Fehlzeiten (7,7 Tage), als solche, die nur am Unternehmenssitz tätig sind (11,9 Tage). Möglicherweise liegt das daran, dass man bei leichteren Erkrankungen oder Unpässlichkeiten im Homeoffice eher dann doch noch arbeitsfähig bleibt und auf die Krankschreibung verzichtet als wenn man sich aus dem Haus an den Arbeitsplatz begeben muss.
Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) der Vereinten Nationen [2] kam schon im Jahr 2017 zu dem Ergebnis, dass 42 Prozent der Befragten, die entweder ständig mobil oder nur von zu Hause aus arbeiten, über hohen Stress klagen und unter Schlafstörungen leiden – bei Beschäftigten mit einem Präsenzarbeitsplatz hingegen waren dies noch nicht einmal ein Drittel.
Solche Ergebnisse unterstreichen die Beobachtung, dass es inzwischen eher die Unternehmen sind, die mobiles Arbeiten propagieren, während die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – zumindest in Teilen – diese Form des Arbeitens lieber wieder aufgeben möchten oder dem Konzept zumindest ambivalent gegenüberstehen. Alleine schon rechtlich ergeben sich hieraus offene Fragen und Probleme, denn man ist gar nicht darauf eingestellt, ein solches einmal gewährtes „Privileg“ wieder zurückzunehmen.
Heimspiel – Vorteile und Nachteile
Bei allem Enthusiasmus – das Thema Homeoffice wird inzwischen also durchaus kritisch und zwiespätltig gesehen. Neben sehr überzeugenden Vorteilen, zum Beispiel was Flexibilität und Zeiteffizienz angeht, zeigen sich auch Nachteile, die sich zum Beispiel aus der Schwierigkeit, sich abzugrenzen, oder aber auch sozialer Vereinsamung ergeben können. Tabelle 1 fasst die wichtigsten Vor- und Nachteile des Arbeitens zuhause zusammen. Individuell sind sicherlich weitere Aspekte denkbar und zu ergänzen.
Probleme in der Praxis
Unternehmen, die mobiles Arbeiten im Homeoffice etablieren wollen, oder auch Mitarbeiter, die sich eine solche Flexibilisierung wünschen, beschäftigen sich häufig mit rechtlichen oder kostentechnischen Fragen. Wie wird die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sichergestellt? Welche technischen Maßnahmen sind notwendig, um einen Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden einzurichten? Welche Kosten sind damit verbunden? Welche sozialversicherungs- und/oder steuerrechtlichen Fragen ergeben sich aus einer solchen Arbeitsform? Fragen des Arbeitsschutzes finden hingegen kaum Beachtung: Dabei gelten für Arbeitnehmer, die in ihrer eigenen häuslichen Umgebung tätig sind, in gleicher Weise auch alle arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften wie für Beschäftigte vor Ort im Betrieb des Arbeitgebers. Am Rande sei nur erwähnt – und nicht weiter vertieft – dass sämtliche Bestimmungen des Datenschutzes natürlich auch Anwendung auf Homearbeitsplätze finden. Es sind also beispielsweise auch Zutrittskontrollen und der Schutz der im eigenen Heim verwendeten bzw. verarbeiteten Daten sicherzustellen.
Aspekte des Arbeitsschutzes werden vernachlässigt, nicht nur, weil Mitarbeiter im Homeoffice des Öfteren nicht mehr als vollständige Betriebsangehörige wahrgenommen werden, sondern auch, weil die praktische Umsetzung schwierig ist: Der Arbeitgeber hat kein Recht auf Zugang zu den privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers – weder bei der Einrichtung des Arbeitsplatzes noch zwecks einer später durchzuführenden (arbeitsschutzrechtlichen) Kontrolle.
Telearbeit, Mobile Arbeit, Heimarbeit, Home Office: Was ist was?
Die Begriffe Telearbeit, Homeoffice und Heimarbeit werden gerne synonym verwandt (so auch vom Autor in diesem Artikel), aber eigentlich gilt es hier zu differenzieren. Gesetzlich definiert ist das Homeoffice (noch) nicht, was auch vor dem Hintergrund interessant ist, dass auf der politischen Bühne schon über ein „Recht auf Homeoffice“ debattiert wird. Gemeint ist mit dem Homeoffice in der Regel das gelegentliche oder ständige Arbeiten in den privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers. Mobiles Arbeiten hingegen beschreibt nach allgemeinem Verständnis Tätigkeiten an nicht feststehenden Orten, wie im Park oder im Café. Diese Form des Arbeitens ist für den Arbeitgeber dahingehend preiswert, dass er Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lediglich technische Infrastruktur in Form von Smartphone und Laptop zur Verfügung stellt.
Der Begriff des Heimarbeitsverhältnisses ist inzwischen alles andere als Future Work. Er findet sich im bereits 1951 erlassenen Heimarbeitsgesetz. Heimarbeiter erledigen Aufträge für einen Auftraggeber. Sie sind keine Arbeitnehmer, sondern Selbständige. Für den Heimarbeiter gibt es kein Weisungsrecht auf Seiten des Arbeitgebers. Das unterscheidet ihn vom Arbeitnehmer. Die Arbeitsstättenverordnung wiederum kennt den Begriff der Telearbeit. Dort werden Telearbeitsplätze als vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten bezeichnet, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Damit ein Telearbeitsplatz als eingerichtet gilt, müssen laut Gesetz Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben. Ebenso die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person.
Arbeit im Homeoffice – Was bedeutet das für den Arbeitsschutz?
Prinzipiell ist zu sagen, dass zahlreiche Arbeitsschutzvorschriften auch für die Arbeit im Homeoffice gelten, so auch und insbesondere das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Das Homeoffice ist aber beispielsweise befreit von der in der Arbeitsstättenverordnung vorgegebenen Fluchtwegekennzeichnung. Also ist der Arbeitgeber verpflichtet, auch im Homeoffice zahlreiche erforderliche Maßnahmen (speziell Bildschirmarbeitsplätze betreffend) des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat den Schutz seiner Beschäftigten durch geeignete technische, organisatorische oder persönliche Maßnahmen zu gewährleisten, wozu auch Brandschutz und Erste Hilfe gehören. Bezüglich Telearbeitsplätzen bietet beispielsweise die Safety Card des Arbeitsgebiets Arbeitssicherheit der Universität Wuppertal hilfreiche Anregungen und Hinweise für die Unterweisung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Homeoffice-Arbeitsplätzen.
Gefährdungsbeurteilung unerlässlich
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet den Arbeitgeber zur Durchführung von (physischen und psychischen) Gefährdungsbeurteilungen. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf Homeoffice-Arbeitsplätze. Hier entstehen die praktischen Schwierigkeiten: Das Grundgesetz garantiert die Unversehrtheit der Wohnung, was dazu führt, dass der Arbeitgeber kein Zugangsrecht zu den privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers hat. Wie soll der Arbeitgeber also seine ihm gesetzlich auferlegten Schutzpflichten erfüllen? Vertragliche Regelungen können natürlich getroffen werden, verlieren aber an Durchschlagskraft, wenn ihre Einhaltung nicht überprüft werden kann.
Aber: Das Arbeitsschutzgesetz auferlegt auch den Beschäftigten eine Mitverantwortung bei der Gewährleistung von sicheren und gesundheitsunschädlichen Arbeitsumgebungen. So sind die Beschäftigten verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Sie müssen zudem jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit unverzüglich melden. Hierfür wiederum ist der Arbeitnehmer hinreichend zu unterweisen und aufzuklären, und das durch den Arbeitgeber. Auch sollte der Arbeitgeber eine Begehung und Bewertung des Arbeitsplatzes in der Privatwohnung wenigstens anbieten, auch wenn der Arbeitnehmer dem nicht zustimmen muss. Schließlich sollten alle diesbezüglichen Aktivitäten, auch Nachfragen und Angebote sowie Aufklärungen und Informationen durch den Arbeitgeber dokumentiert werden.
Den Betriebsrat nicht vergessen
Was unbedingt beachtet werden sollte ist, dass Regelungen über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen. Das bedeutet, dass Gefährdungsbeurteilungen nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht nur zwingend vorgeschrieben, sondern auch mitbestimmungspflichtig sind.
Vor Gericht und auf hoher See …
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich über die eigenen Risiken, die die Arbeit in den heimischen vier Wänden mit sich bringt, bewusst sein. So zeigen höchstrichterliche Urteile, dass das Agieren zuhause mitunter anders bewertet wird als gleiches Verhalten im Betrieb, auch wenn beides im Zusammenhang mit der Arbeit geschieht. Wer zum Beispiel im Homeoffice arbeitet und sich auf dem Weg vom Schreibtisch zum Kühlschrank durch Ausrutschen verletzt, kann keinen Arbeitsunfall geltend machen (dies gilt allerdings für das Büro gleichermaßen). Auch hat ein Beschäftigter im Homeoffice, der sein Kind von zu Hause aus in den Kindergarten oder in die Schule bringt, keinen Unfallschutz – anders als ein Beschäftigter, der sein Kind auf dem Weg in das Unternehmen noch dort absetzt. Etwas anderes ist es allerdings, wenn der Weg innerhalb der Wohnung eindeutig dienstlich ist (z. B. Unfälle auf dem Weg zu einem Raum, in dem der Mitarbeiter ungestört mit einem Kollegen im Unternehmen telefonieren kann).
Und so zeigt sich einmal mehr – und in Sachen Homeoffice besonders –, dass das gilt, was Juristen (und auch Psychologen) immer schon wussten: Es kommt drauf an.
Literatur:
- Arbeiten im Homeoffice — Höhere Arbeitszufriedenheit, aber stärkere psychische Belastungen, www-Dokument: https://www.aok-bv.de/imperia/md/aokbv/presse/pressemitteilungen/archiv/fzr2019_pressemitteilung.pdf (abgerufen 06.12.2019)
- Eurofound and the International Labour Office (2017), Working anytime, anywhere: The effects on the world of work, Publications Office of the European Union, Luxembourg, and the International Labour Office, Geneva.
http://eurofound.link/ef1658
Autor: Dr. Stefan Poppelreuter
Leiter Analysen & Befragungen
HR Consulting,
TÜV Rheinland Akademie GmbH