Verbindliche Mindestanforderungen für die Unterweisung bei Tätigkeiten mit Asbest
Nach Anhang 1a sollen alle Arbeitnehmenden, die Asbeststaub oder asbeststaubhaltigen Materialien ausgesetzt oder wahrscheinlich ausgesetzt sein werden, eine vorgeschriebene Unterweisung erhalten, die folgende Mindestanforderungen umfasst:
- Die Unterweisung wird zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses und mindestens alle vier Jahre mit einer Mindestdauer von drei Tagen pro Unterweisungslehrgang erteilt.
- Die Unterweisung wird von einer qualifizierten und zertifizierten Einrichtung und einem ebenso qualifizierten und zertifizierten Ausbilder erteilt und von einer Behörde eines Mitgliedstaats oder einer anerkannten zuständigen Stelle vorgenommen.
- Jede® Arbeitnehmende erhält nach erfolgreicher Absolvierung eine Bescheinigung mit Datum, Dauer, Inhalt, Sprache der Unterweisung und den Namen, Qualifikation und Kontaktdaten des Ausbilders und der Einrichtung.
- Alle Arbeitnehmenden erhalten mindestens eine Unterweisung mit einem theoretischen und einem praktischen Teil über das geltende Recht des Mitgliedstaats, in dem die Arbeit durchgeführt wird, den Eigenschaften von Asbest und seine gesundheitlichen Auswirkungen einschließlich der synergistischen Wirkung des Rauchens, asbestenthaltende Erzeugnisse oder Materialien, Arbeiten mit Asbestexponierung und die Bedeutung von Vorkehrungen zur Expositionsminderung.
Ein weiterer wichtiger Unterweisungspunkt sind sichere Arbeitsverfahren und die Wahl der Arbeitsmethoden sowie die Planung der Ausführung der Arbeit, der Lüftungs- und Absaugungstechniken, der Messung und Kontrolle sowie der durchzuführenden regelmäßigen Ruhepausen. Ein weiterer Unterweisungsbereich sind die Notfall- und Dekontaminierungsverfahren, die Abfallbeseitigung sowie Zweck, Angebot, Auswahl, Wirkungsgrenzen und richtiger Einsatz von Schutzausrüstung unter besonderer Betrachtung von Atemschutzausrüstungen sowie die erforderlichen ärztlichen Untersuchungen.
Arbeitnehmende, die Abbruch- oder Asbestsanierungsarbeiten vornehmen, erhalten zusätzlich eine Unterweisung über die Verwendung technologischer Ausrüstung und Maschinen zur Eindämmung der Freisetzung und Ausbreitung von Asbestfasern während der Arbeitsabläufe gemäß der RL 2009/104/EG sowie die Verwendung neuester Technologien und Maschinen für emissionsfreie oder emissionsarme Arbeitsverfahren.
Die Unterweisung soll so genau wie möglich an die Berufsmerkmale und die daraus resultierenden Aufgaben und Arbeitsmethoden angepasst werden.
Verzeichnis Asbestbedingter Erkrankungen
In Anhang 1b legislativen Initiativberichts lautet es: „Nach derzeitigem Kenntnisstand kann die Exposition gegenüber Asbestfasern zumindest zu den folgenden asbestbedingten Berufskrankheiten führen, die die Mitgliedsstaaten daher in ihr nationales Recht aufnehmen müssen:
- Asbestose,
- durch Einatmen von Asbeststäuben verursachtes Mesotheliom,
- gutartige Pleuraerkrankungen wie etwa durch Asbest verursachte fibrotische Läsionen, Rundatelektasen und gutartige Pleuraergüsse,
- Lungenkrebs, einschließlich Bronchialkrebs, nach Einatmen von Asbeststaub,
- Kehlkopfkrebs nach Einatmen von Asbeststaub,
- durch Asbest verursachter Eierstockkrebs, das Internationale Krebsforschungszentrum hat Zusammenhänge zwischen Asbestexposition und folgenden Krankheiten festgestellt:
- Rachenkrebs,
- Darmkrebs und
- Magenkrebs.“
Anerkennung und Entschädigung bei asbestbedingten Krankheiten
In der Anlage III des legislativen Initiativberichts fordert das Europäische Parlament die Kommission auf, nach Anhörung der Sozialpartner einen Vorschlag für eine Richtlinie mit Mindestanforderungen für die Anerkennung von Berufskrankheiten unter Einschluss aller asbestbedingten Krankheiten und einer angemessenen Entschädigung betroffener Personen vorzulegen.
Folgende Punkte sollen dabei mindestens enthalten sein:
- ein Verzeichnis von Berufskrankheiten, die zur Entschädigung berechtigen und Präventivmaßnahmen erforderlich machen und die, unbeschadet günstigerer innerstaatlicher Rechtsvorschriften, von den Mitgliedstaaten anerkannt werden, das auf der Empfehlung der Kommission vom 19. September 2003 über die Europäische Liste der Berufskrankheiten aufbaut und auf der Grundlage der neuesten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse aktualisiert wird,
- die Einrichtung zentraler Anlaufstellen als Ansprechpartner für betroffene Personen, die sich mit allen Fragen im Zusammenhang mit Berufskrankheiten befassen,
- die Einrichtung einer nationalen Funktion, beispielsweise einer Ombudsperson, zur Unterstützung von Opfern von Berufskrankheiten in Anerkennungsverfahren sowie verstärkte Unterstützung und Austausch bewährter Verfahren unter anderem mit Gewerkschaften und Opferhilfegruppen in Bezug auf Anerkennungsverfahren,
- eine Umkehr der Beweislast für die Anerkennung von Berufskrankheiten oder zumindest deren wirksame Vereinfachung, beispielsweise indem vorgesehen wird, dass an Orten, an denen eine Asbestexposition am Arbeitsplatz nach vernünftigem Ermessen festgestellt werden kann, eine Verbindung zwischen der Exposition und den nachfolgenden Symptomen angenommen werden kann,
- Vorschriften für eine angemessene Entschädigung für anerkannte Berufskrankheiten.
Asbestüberprüfung vor Arbeiten zur energetischen Sanierung
Die Anlage IV des legislativen Initiativberichts ist eine Aktualisierung der Richtlinie 2010/31/EU. Hier fordert das Europäische Parlament die Kommission auf, einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamteffizienz von Gebäuden vorzulegen. Im Artikel 7 werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, „um sicherzustellen, dass die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, oder der renovierten Gebäudeteile erhöht wird, um die gemäß Artikel 4 festgelegten Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz zu erfüllen, sofern dies technisch, funktionell und wirtschaftlich realisierbar ist. Die Mitgliedstaaten legen diese Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz gemäß Artikel 4 fest”.
Asbest-Überprüfung vor Arbeiten zur energetischen Sanierung
Der Artikel 7 des legislativen Initiativberichts erhält bezüglich der Asbest-Überprüfung vor Arbeiten zur energetischen Sanierung folgende Fassung: „Die Mitgliedstaaten schreiben verbindlich vor, dass Gebäude vor Beginn von Renovierungsarbeiten auf Asbest und andere gefährliche Stoffe untersucht werden müssen. Das Ergebnis der Untersuchung wird in einer Bescheinigung festgehalten, in der angegeben wird, ob Asbest oder andere gefährliche Stoffe vorhanden sind oder nicht. Wenn ja, werden in der Bescheinigung die Arten der vorgefundenen solche Stoffe enthaltenden Materialien und ihre genaue Lage angegeben. Kann im Ergebnis der Untersuchung und der Nachforschungen das Vorhandensein von Asbest in einem Material nicht ausgeschlossen werden, gilt das Vorsorgeprinzip. Die Entfernung und Beseitigung von Materialien, die von der Renovierung betroffen sein werden, erfolgt ordnungsgemäß und sicher gemäß der Richtlinie 2009/148/EG, der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 und anderen einschlägigen Rechtsakten.“
Asbest-Überprüfung von zum Verkauf oder zur Miete angebotenen Gebäuden
Der Legislativvorschlag in Anhang V fordert die obligatorische Asbest-Überprüfung für Gebäude öffentlicher und privater Eigentümer von vor 2005 oder dem Jahr eines entsprechenden nationalen Asbestverbots (je nachdem welches der frühere Zeitpunkt ist) errichteter Gebäude vor dem Verkauf oder der Vermietung. Die EU-Kommission wird aufgefordert, eine entsprechende Richtlinie mit Mindestanforderungen an diese Asbestbescheinigungen zu erarbeiten.
Danach sollen öffentliche und private Eigentümer die Überprüfung in Auftrag geben, um vor dem Verkauf oder der Vermietung der Gebäude zu orten und zu identifizieren, ob asbesthaltige Materialien vorhanden sind oder nicht.
Die Überprüfung wird nur von zertifizierten Unternehmen gemäß der RL 2009/148/EG, den einzelstaatlichen Vorschriften und Praktiken und unter der Aufsicht einer zuständigen nationalen Stelle durchgeführt.
Um die Nutzer oder Bewohner bestmöglich zu schützen, müssen die Überprüfung und gegebenenfalls die Beseitigung oder, wenn dies technisch nicht möglich ist, die Einkapselung von qualifizierten und zertifizierten Unternehmern durchgeführt werden.
Der zertifizierte Unternehmer teilt die Ergebnisse der Überprüfung dem Eigentümer und einer zuständigen nationalen zentralen Anlaufstelle mit. Diese Stelle sollte eine Bescheinigung ausstellen, die gemäß Punkt 5 in ein nationales Register eingetragen werden sollte. Die Bescheinigung soll die Eigentümer über die geltenden Gesetze und Regelungen, die sichere Entfernung von entdecktem Asbest und über verfügbare finanzielle Unterstützung aus einschlägigen ESI-Fonds informieren und beraten. Punkt 5 lautet:
„Die Asbestbescheinigung enthält das Ergebnis der Überprüfung, einschließlich eines Verzeichnisses der Arten der vorgefundenen asbesthaltigen Materialien, ihrer genauen Lage, ihres derzeitigen Erhaltungszustands zusammen mit einer Mitteilung der Arbeiten und Überwachungen, die erforderlich sind, um eine Schädigung der Gesundheit der Nutzer zu vermeiden, eines Konzepts für die sichere Beseitigung und Informationen über mögliche Bereiche des Gebäudes, die nicht überprüft werden konnten oder bei denen im Ergebnis der Untersuchung das Vorhandensein von Asbest in einem Material nicht ausgeschlossen werden kann.“
Die Bescheinigung über das Vorhandensein von Asbest soll eine angemessene Gültigkeitsdauer haben, in bestehende Asbestregister aufgenommen und den Unternehmen und Arbeitnehmern, die Arbeiten im Gebäude durchführen, zur Verfügung gestellt werden. Sie soll ebenso den Kaufverträgen über die Immobilie beigefügt und allen Mietern der Immobilie zur Verfügung gestellt werden. Die zuständige nationale Stelle veröffentlicht eine Liste der zertifizierten Unternehmen.
Im Punkt 8 werden Geldbußen angesprochen, wenn Verkäufer und Vermieter die vorgeschriebene Überprüfung nicht durchführen:
„Gegen Verkäufer und Vermieter von Gebäuden, die vor einem Verkauf oder einer Vermietung der Immobilie die vorgeschriebene Überprüfung nicht vornehmen und der zuständigen Stelle melden, werden wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Geldbußen festgesetzt.“
Die Union als weltweiter Vorreiter bei der Bekämpfung von Asbest
Das EP macht im legislativen Initiativbericht auch die internationale Dimension des Asbestproblems deutlich. Asbest ist nach wie vor eines der größten Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz. Weltweit sind 125 Millionen Menschen den kanzerogenen Asbestfasern am Arbeitsplatz ausgesetzt, obwohl die damit verbundenen Krebsrisiken seit Jahrzehnten bekannt sind. Weltweit sterben jährlich rund 250.000 Menschen aufgrund der Exposition gegenüber Asbest. Deshalb fordert das EP die Kommission auf, „der Aufnahme von Chrysotilasbest in Anlage II des Rotterdamer Übereinkommens und einem weltweiten Asbestverbot höchste Priorität einzuräumen“. Sie fordert außerdem, dass die Kommission mit internationalen Organisationen zusammenarbeitet, um Instrumente zu entwickeln, die den Asbestmarkt als Gifthandel kennzeichnen. Das EP verurteilt Finanzinvestitionen in die globale Asbestindustrie. Sie fordert die Kommission auf, Asbest und asbestbedingte Krankheiten in ihre Außenpolitik zu integrieren, ähnlich wie die Kommission es bei dem Freihandelsabkommen mit Kanada praktiziert hat, was dazu geführt hatte, der kanadischen Asbestmine die staatliche Unterstützung Kanadas zu entziehen.
Aber auch der Blick auf Europa außerhalb der Union bereitet Sorge. So leben ein Drittel der Menschen in der Europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Ländern, in denen die Verwendung von Asbest in jeglicher Form noch nicht verboten ist, 16 europäische Länder verwenden Asbest weiterhin insbesondere als Baustoff und stellen Asbest weiterhin her und exportieren es.
Trotz der Verbote der Union und der Mitgliedstaaten sowie der bestehenden Vorschriften gelangt Asbest immer noch in den Binnenmarkt. Aus der Sicht des EP müssen daher die nationalen Marktüberwachungstätigkeiten und die Rolle der Zollbehörden sowie die Zusammenarbeit mit den Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten gestärkt werden, um die Einfuhr illegaler asbesthaltiger Produkte in den Binnenmarkt zu unterbinden. Das EP betont die Wichtigkeit, nachhaltige Lösungen für das Abwracken von Schiffen im Einklang mit dem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, um gesundheitliche Risiken für die Arbeitnehmenden bei der Demontage von Schiffen zu vermeiden. Sie fordert die Kommission auf, mit hohen Standards den Schutz der Beschäftigten vor Asbestexpositionen in den von der Union zugelassenen Abwrackwerften in Drittländern sicherzustellen.
Hohe Erwartungen an die Europäische Kommission zur Umsetzung des Initiativberichts
Unter der Überschrift „Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen“ kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen bereits in ihrer Rede vom 15. September 2021 zur Lage der Union die Absicht an, einen Legislativvorschlag über den weiteren Schutz der Arbeitnehmenden gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz vorzulegen.
Die Kommission hat bereits vorgeschlagen, die Richtlinie 2009/148/EG über Asbest am Arbeitsplatz im Rahmen von Europas Plan gegen den Krebs zu aktualisieren. In ihrem strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021–2027 vom Juni 2021 stellte sie fest, dass der Expositionsgrenzwert für Asbest angesichts der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse gesenkt werden muss. Zur Umsetzung des legislativen Initiativberichts muss die Kommission nun liefern, wie Mitglied des EP Villumsen im Interview sagt.
Das EP stellt die entscheidende „Rolle der Arbeitsaufsicht bei der Vorbeugung und Kontrolle in Bezug auf Asbestexposition und ihre positive Rolle hinsichtlich der Verbesserung der Informationen und der Erweiterung des Fachwissens auf Unternehmensebene“ heraus. Sie fordert deshalb von den Mitgliedsstaaten eine Verbesserung bezüglich der Anzahl der Arbeitsinspektorinnen und ‑inspektoren, der Qualität der Aufsichtsbehörden und Inspektionen sowie der Häufigkeit der Inspektionen. Sie fordert die Mitgliedsstaaten auf, dabei weit über die Empfehlung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von einer Inspektorin oder Inspektor pro 10 000 Arbeitnehmenden zu gehen.
Damit der „grüne Übergang“ nicht nur Gebäude für ein klimaneutrales Europa mit der Renovierungswelle fit macht, sondern auch die zahlreichen in der Gebäudesanierung Tätigen dabei fit und gesund bleiben, müssen neben dem Parlament insbesondere die Gewerkschaften, Mieter- und Verbraucherorganisationen sowie die Asbestopferorganisationen mit progressiven Forderungen die Kommission jetzt zum Handeln und Liefern auffordern.