Viele Unternehmen steuern nach den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie wieder langsam auf den „Normalbetrieb“ zu. Vermehrt kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurück ins Büro und manche Produktion wird Stück für Stück wieder hochgefahren. Dies ist die richtige Zeit, um sich neben vielen anderen neuen Abstands- und Hygieneregeln um die betriebliche Erste Hilfe zu kümmern. Auch hier gibt es die eine oder andere Besonderheit zu berücksichtigen.
Wie schon zuvor gelten die üblichen Mindestzahlen für Ersthelfende im Betrieb. In Verwaltungs- und Handelsbetrieben sind fünf Prozent der anwesenden Belegschaft als Ersthelfer zu bestellen, in allen anderen Betrieben zehn Prozent. Sind noch nicht alle Mitarbeitenden wieder vor Ort, reduziert sich entsprechend auch die notwendige Anzahl der Ersthelfenden.
Versorgung sicherstellen
In jedem Fall muss versucht werden, eine Mindestversorgung sicherzustellen, denn Unfälle und plötzliche Erkrankungen werden auch in Pandemie-Zeiten weiter passieren. Bei einer gut funktionierenden Notfallorganisation und nachweislich geringen Unfallzahlen im Betrieb kann im Einvernehmen mit der zuständigen Berufsgenossenschaft beziehungsweise dem Unfallversicherungsträger die Mindestanzahl der Ersthelfer auch herabgesetzt werden.
In jedem Fall gilt:
- Im Interesse aller Beteiligten darf keine Lücke in der Rettungskette entstehen.
- Die sofortige Erste Hilfe muss jederzeit gewährleistet sein.
Mit Planungsstab abstimmen
In vielen Unternehmen gibt es spätestens seit „Corona“ Planungs- oder Krisenstäbe, die sich mit der Weiterführung oder Wiederaufnahme des Betriebes beschäftigen. Häufig übernimmt dies auch der ohnehin vorhandene Arbeitsschutzausschuss (ASA). Wichtige Ansprechpartner sind hier insbesondere die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit. In diesen Gremien sollte die Versorgung mit Ersthelfenden möglichst mitbedacht werden. So kann beispielsweise geplant werden, wann welche Ersthelfer in welchem Unternehmensteil anwesend sind. Der Blick über den Tellerrand des eigenen Unternehmens kann ebenfalls hilfreich sein: Gibt es Personen anderer Unternehmen, zum Beispiel am Empfang, an der Pforte, im gemeinsam genutzten Restaurant etc., die als ausgebildete Ersthelfer vor Ort sind, können diese eventuell mitgezählt werden. Dies setzt natürlich Absprachen zwischen den Beteiligten voraus.
Fortbildungskurse nachholen
Innerhalb von zwei Jahren müssen die Ersthelfer und Ersthelferinnen fortgebildet werden. Sollte das Erste-Hilfe-Training während des Corona-Lockdowns ausgefallen sein, kann es zeitnah nachgeholt werden. Die Unfallversicherungsträger akzeptieren in der Regel
eine coronabedingte Verlängerung der Fortbildungsfrist bis zu sechs weiteren Monaten. Voraussetzung ist, dass sich die Ersthelfenden in einem guten Ausbildungs- und Erfahrungsstand befinden. Dies ist zum Beispiel häufig der Fall, wenn bereits eine langjährige Bestellung zum Ersthelfer vorliegt und an mehreren Fortbildungen teilgenommen wurde.
Zusatzmaterial bereitstellen
Bei Erste-Hilfe-Leistungen musste schon immer der eigene Schutz vor Infektionen berücksichtigt werden. Die Ausstattung mit genügend Einmalhandschuhen ist daher nichts Neues. Zusätzlich macht es Sinn, die Ersthelfer mit Mund-Nasen-Bedeckungen oder Schutzmasken auszustatten. Bei einer Erste-Hilfe-Leistung kann der Mindestabstand zwischen den Beteiligten meist nicht eingehalten werden. Daher sollten zwei Mund-Nasen-Bedeckungen mitgeführt werden, um im Notfall sowohl sich selbst als Ersthelfer als auch die hilfsbedürftige Person damit ausstatten zu können. Weiterhin kann überlegt werden, eine einfache Schutzbrille im Verbandkasten bereitzustellen. Dass der eigenen Händehygiene gerade in Pandemiezeiten eine noch größere Bedeutung zukommt und dass benutztes Material, zum Beispiel eine Erste-Hilfe-Liege, desinfiziert werden muss, versteht sich inzwischen von selbst.
Belegschaft informieren
Bei der Rückkehr zum Regelbetrieb des Unternehmens wird es erfahrungsgemäß hier und dort Besonderheiten geben. Neue Hygieneregeln müssen bekannt sein. Ebenso müssen alle Personen wissen, wer als Ersthelfer zur Verfügung steht. Auch die Ersthelfer selbst sollten über die Unterschiede zur bisher bekannten Notfallorganisation informiert sein. In vielen Firmen finden daher entsprechende anlassbezogene Unterweisungen für alle Mitarbeiter statt, die wieder zum gewohnten Arbeitsort zurückkehren.
Eigenschutz bedenken
Die dramatischen (und zum Glück seltenen) lebensbedrohlichen Fälle erfordern ein kurzes zusätzliches Nachdenken zum Eigenschutz der Ersthelfenden. Bei der Kontrolle der Atmung sollte der Abstand zwischen Mund/Nase der betroffenen Person und dem eigenen Ohr möglichst vergrößert werden. Hier kann alternativ auch auf Brustkorbbewegungen geachtet werden. Sind keinerlei Bewegungen sichtbar und spürbar, ist die Reanimation einzuleiten. Bestehen bei der Atemspende Bedenken in Hinblick auf ein eigenes Infektionsrisiko, liegt es im Ermessen des Ersthelfenden, die Atemspende wegzulassen. Stattdessen muss dann durchgehend die Herzdruckmassage ausgeübt werden. Einen erhöhten Infektionsschutz kann man mit den sogenannten „Taschenmasken“ erreichen. Diese haben ein eingebautes Ventil, sodass der Ersthelfende nicht direkt mit der Ausatemluft der betroffenen Person in Kontakt kommt. Die Anwendung dieser Beatmungshilfen sollte möglichst vorab geübt werden.
Kontaktdaten angeben
Bei schwereren Notfällen wird wie üblich der öffentliche Rettungsdienst verständigt. Bestand bei der Erstversorgung längerer direkter Kontakt zwischen Ersthelfenden und Verletztem, sollten dem Rettungsdienstpersonal nach der Übernahme der verletzten Person die eigenen Kontaktdaten mitgeteilt werden, um bei einer nachträglich festgestellten Infektion eine schnelle Information der Kontaktpersonen zu ermöglichen.
Autor: Jochen Taubken
Leiter des Sachgebietes „Betriebliches Rettungswesen“
im Fachbereich „Erste Hilfe“ der DGUV
Weitere Informationen
Wichtige Empfehlungen zu den Besonderheiten der Ersten Hilfe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat der Fachbereich Erste Hilfe der DGUV unter folgender Adresse zusammengestellt:
Zusatzmaterial für Ersthelfende zum Infektionsschutz: Einmalhandschuhe, Schutzmasken und bedarfsweise Schutzbrillen
Das Wichtigste in Kürze
- Anzahl der Ersthelfer und Ersthelferinnen prüfen
- Koordination im Krisenstab/ASA
- Fortbildungskurse zeitnah nachholen
- Zusatzmaterial für Ersthelfende bereitstellen: Einmalhandschuhe, Mund-
Nasen-Bedeckungen beziehungsweise Schutzmasken, gegebenenfalls Schutzbrillen, Desinfektionsmittel - Ersthelfende und Mitarbeitende in anlassbezogenen Unterweisungen zu Besonderheiten aufklären
- Eigenschutz bei der Überprüfung der Atmung und bei der Wiederbelebung: gegebenenfalls Verzicht auf Atemspende, Nutzung von Taschenmasken. Tipp: Die Anwendung dieser Beatmungshilfen sollte vorab geübt werden
- Bei der Übergabe von Erstversorgten an den Rettungsdienst an Infektionsketten denken: Kontaktdaten angeben