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Arbeiten im öffentlichen Verkehrsraum

Arbeiten im öffentlichen Verkehrsraum
Unfall beim Rückbau von Sicherungsmaßnahmen

Unfall beim Rückbau von Sicherungsmaßnahmen
Hinter der Aufbau- beziehungsweise Abbau-Kolonne muss immer ein Sicherungsfahrzeug fahren. Foto: © Dietmar Schäfer - stock.adobe.com
Dipl.-Ing. Ulf-J. Schappmann
Arbeit­en im öffentlichen Verkehrsraum sind durch beson­dere Gefahren­la­gen bes­timmt. Denn hier­bei ist nicht nur mit den üblichen Gefährdun­gen aus dem Arbeitss­chutz zu rech­nen, son­dern auch mit weit­eren Gefahren, die der vor­bei­fließende Straßen­verkehr mit sich bringt. Was geschehen kann, wenn dies nicht hin­re­ichend berück­sichtigt wird, zeigt das fol­gende Unfallbeispiel.

Wer Arbeit­en im öffentlichen Verkehrsraum anord­net oder aus­führt, muss nicht nur die gel­tenden Arbeitss­chutzvorschriften beacht­en, son­dern auch die Regelun­gen der Straßen­verkehrsor­d­nung. Denn die Gefahren ergeben sich hier häu­fig aus dem weit­er­laufend­en öffentlichen Verkehr, seien es Fußgänger, Rad­fahrende oder Fahrzeugverkehr unter­schiedlich­ster Art. Bedeut­sam ist zudem die Art des Verkehr­swegs und die auszuführende Tätigkeit: Je höher die Fahrgeschwindigkeit­en des fließen­den Verkehrs sind, desto größer ist die Gefährdung der in diesem Bere­ich täti­gen Beschäftigten. Aus diesem Grund müssen die für die Arbeitsstelle gel­tenden Regelun­gen sehr gewis­senhaft befol­gt werden.

Auftrag zur Fugenerneuerung

Das fol­gende Unfall­beispiel zeigt sehr deut­lich die möglichen Fol­gen ein­er nicht aus­re­ichen­den Umset­zung der Vor­gaben: Mitar­beit­er ein­er Straßen­bau­fir­ma waren damit beauf­tragt, auf ein­er Bun­de­sauto­bahn (BAB) die Bitu­menfu­gen zwis­chen den Fahrstreifen zu erneuern. Um eine Störung des laufend­en Verkehrs­flusses so ger­ing wie möglich zu hal­ten, soll­ten die Arbeit­en in der verkehrsar­men Zeit zwis­chen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr aus­ge­führt werden.

Durch das beauf­tragte Unternehmen wur­den sechs Beschäftigte ein­schließlich eines Kolon­nen­führers und drei Lkw einge­set­zt. Alle Beschäftigten waren in der Durch­führung solch­er Arbeit­en erfahren und ver­fügten über die tech­nis­chen und per­sön­lichen Schutzein­rich­tun­gen. Dazu gehörten auch die notwendi­gen Verkehrssicherung­sein­rich­tun­gen wie Hin­weistafeln, fahrbare Absper­rtafeln, Leit­bak­en und Warn­leucht­en. Die Mitar­beit­er tru­gen Warnkleidung.

Sicherung der Arbeitsstelle

Der Auf­bau der notwendi­gen Verkehrssicherungs­maß­nah­men erfol­gte anhand ein­er verkehrsrechtlichen Anord­nung (VAO). Sie war durch die zuständi­ge Straßen­verkehrs­be­hörde auf Grund­lage der zum Zeit­punkt des Unfalls gel­tenden StVO und der dazuge­höri­gen Ver­wal­tungsvorschrift „Richtlin­ie für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA) erlassen wor­den und basierte auf dem Regelplan D IV/1r „Arbeitsstellen kürz­er­er Dauer bei Nacht“. Zum Zeit­punkt des Unfalls war die Fas­sung 1995 der RSA gültig.

Den Auf­bau, die im Fort­gang der Arbeit­en notwendi­ge Anpas­sung der Verkehrssicherungs­maß­nah­men und den Rück­bau ver­sa­hen die Beschäftigten eigen­ständig. Zur Absicherung der Arbeitsstelle baut­en sie unter anderem auf bei­den Seit­en der BAB mit drei Fahrstreifen und Seit­en­streifen Tafeln mit dem Verkehrsze­ichen Z 123 „Baustelle“ sowie zwei gelbe Warn­leucht­en in aus­re­ichen­dem Abstand vor der Arbeitsstelle auf. Die Arbeitsstelle selb­st wurde mit fahrbaren Absper­rtafeln mit Blinkpfeil gesichert.

Unfall beim Einholen der Warntafeln

Beim Rück­bau der Verkehrssicherungs­maß­nah­men nach Abschluss der Arbeit­en mussten die Warntafeln und Warn­leucht­en abge­baut wer­den. Dazu fuhr ein Fahrzeug über die Gegen­fahrbahn bis zur näch­sten Anschlussstelle zurück und dann wieder auf die Fahrbahn in Rich­tung Arbeitsstelle. Der Fahrzeugführer hielt hin­ter der ersten Vor­warntafel auf dem Seit­en­streifen an. Ein weit­er­er Mitar­beit­er über­querte die drei Fahrspuren der BAB bei laufen­d­em Verkehr, um die auf dem Mit­tel­streifen ste­hende Tafel zu holen. Da er einen Schrauben­schlüs­sel zum Lösen der Befes­ti­gun­gen der Tafel an dem Leit­plankenpfos­ten vergessen hat­te, lief er nochmals im laufend­en Fahrzeugverkehr zurück zum Arbeits­fahrzeug. Bei der Rück­kehr zum Mit­tel­streifen wurde er von einem auf der drit­ten Fahrspur fahren­den Fahrzeug erfasst und durch den Auf­prall in Rich­tung Mit­tel­streifen geschleud­ert. Er erlitt schwere Verletzungen.

Wie hätte dieser Unfall bei Arbeiten im öffentlichen Verkehrsraum vermieden werden können?

Ursache des Unfalls war ein falsch gewählter Ablauf des Rück­baus. Grund­sät­zlich muss der Rück­bau von Verkehrssicherungs­maß­nah­men von „innen“ nach „außen“ erfol­gen, das heißt, die Verkehrsze­ichen Z 123 sind als let­zte von der Baustelle zu ent­fer­nen. Das Verkehrsze­ichen Z 123 „Baustelle“ ist ein Gefahrze­ichen. Es sig­nal­isiert Verkehrsteil­nehmenden: „Hier ist eine mögliche Gefahren­stelle. Aus diesem Grund sind eine erhöhte Aufmerk­samkeit und Anhal­te­bere­itschaft erforder­lich.“ Da dieses Verkehrsze­ichen je nach Straße­nart und Baustel­lenum­fang weit vor der eigentlichen Baustelle aufgestellt wer­den muss – bei Baustellen auf BAB in der Regel ein bis einein­halb Kilo­me­ter vorher – ergeben sich daraus erhe­bliche Fahrstreck­en. Diese möcht­en die Fir­men meist umge­hen und bauen daher die Verkehrsze­ichen in der nicht richti­gen Rei­hen­folge ab.

Zudem ist es sehr gefährlich, mit ein­er Schildertafel durch den laufend­en Verkehr zu gehen. Daher muss bei auf dem Mit­tel­streifen aufgestell­ten Verkehrsze­ichen und Verkehr­sein­rich­tun­gen hin­ter der Auf­bau- beziehungsweise Abbau-Kolonne immer ein Sicherungs­fahrzeug mit fahrbar­er Absper­rtafel plus Blinkpfeil als Schutz fahren.

Sicherheitsregeln kein Selbstzweck!

Dieser Unfall zeigt, dass eine ver­meintliche Zeit­erspar­nis fatale Fol­gen haben kann. Regeln für die Sicher­heit und den Gesund­heitss­chutz von Beschäftigten wer­den nicht erstellt, um diese zu mehr Arbeit zu nöti­gen, son­dern um deren Gesund­heit zu schützen. Deshalb ist die strik­te Befol­gung so emi­nent wichtig und durch die Führungskräfte auch durchzusetzen.


Weitere Informationen

  • Straßen­verkehrsor­d­nung
  • Richtlin­ie für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen
  • Arbeitsstät­ten­verord­nung
  • Tech­nis­che Regel für Arbeitsstät­ten ASR A5.2 „Anforderun­gen an Arbeit­splätze und Verkehr­swege auf Baustellen im Grenzbere­ich zum Straßen­verkehr – Straßenbaustellen“

Neufassung der Richtlinie für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen

Die neuen „Richtlin­ien zur verkehrsrechtlichen Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“, RSA Aus­gabe 21, wur­den mit dem All­ge­meinen Rund­schreiben Straßen­bau ARS 24/2021 am 15. Feb­ru­ar 2022 im Verkehrs­blatt bekan­nt gegeben (VkBl. 3/2022 S. 46). Sie lösen die RSA 95 ab.

  • Die RSA ist eine Richtlin­ie nur zur verkehrsrechtlichen Sicherung von Straßen. Sie ist das Arbeitswerkzeug für die zuständi­gen Anord­nungs­be­hör­den zur Erstel­lung der verkehrsrechtlichen Anord­nung (VAO) auf der Grund­lage der StVO. Allerd­ings regelt die RAS und die darauf basierende VAO kein­er­lei Schutz­maß­nah­men des Arbeitss­chutzes für die Baustelle. Sie hat nur den Schutz der Verkehrsteil­nehmer im öffentlichen Raum im Blick.
  • Im Dezem­ber 2018 wurde durch das Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales die Tech­nis­che Regel für Arbeitsstät­ten ASR A5.2 „Anforderun­gen an Arbeit­splätze und Verkehr­swege auf Baustellen im Grenzbere­ich zum Straßen­verkehr – Straßen­baustellen“ bekan­nt gemacht (GMBl. 58–59 vom 21.12.2021). Alle notwendi­gen arbeitssicher­heit­stech­nis­chen Schutz­maß­nah­men sind wie üblich über eine Gefährdungs­beurteilung für die jew­eilige Baustelle im öffentlichen Straßen­bere­ich zu ermit­teln und notwendi­ge Schutz­maß­nah­men festzule­gen. Hier­für bietet die ASR A5.2 Unterstützung.
  • Die „Hand­lung­shil­fe für das Zusam­men­wirken von ASR A5.2 und RSA bei der Pla­nung von Straßen­baustellen im Grenzbere­ich zum Straßen­verkehr Teil A: Grund­la­gen und Vorbe­merkun­gen Teil B: Maß­nah­men und Beispiele (Aus­gabe 2020)“ soll dem Ersteller der notwendi­gen Gefährdungs­beurteilung nach § 5 Arb­SchG im Span­nungs­feld zwis­chen Verkehrssicher­heit und Arbeitssicher­heit unter­stützen. Die Hand­lung­shil­fe kann kosten­frei auf der Inter­net­seite der Bun­de­sanstalt für das Straßen­we­sen (BASt) herun­terge­laden werden.

Dipl.-Ing. Ulf-J. Schappmann
Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schapp­mann; Foto: © Foto­stu­dio City Col­or Mun­schke, Weimar

Autor:
Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicher­heitsin­ge­nieur VDSI
SIMEBU Thürin­gen GmbH

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