Das Unfallgeschehen an Ladestellen ist vielfältig: Am häufigsten werden Personen durch Flurförderzeuge angefahren. Zu den schweren Unfällen zählen Absturzunfälle von Rampen. Die größte Gefahr geht jedoch von rangierenden Lkw aus. Die Zahlen belegen, dass Unfälle infolge von Abstürzen mit Staplern von der Rampe sowie Einquetschen durch Lkw für die Verunfallten oft tödlich enden. Dieser Auftaktartikel zum Spezial beleuchtet die Hauptgefährdungen beim Verladen und zeigt anhand exemplarischer Praxislösungen, wie die Sicherheit an Verladestellen erhöht werden kann.
Gefährdungsbeurteilung als Grundlage
Es liegt in der Verantwortung des Unternehmers, die Risiken, denen die Beschäftigten beim Verladen ausgesetzt sind, im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu identifizieren. Dabei sind alle Arbeitsabläufe sowie die damit verbundenen Gefährdungen zu erfassen und die Schutzmaßnahmen, unter Beachtung der TOP-Rangfolge, zu treffen. So ist zunächst zu prüfen, ob Gefährdungen durch technische oder bautechnische Lösungen (zum Beispiel Staplerassistenzsysteme, Trennung von Verkehrswegen) beseitigt oder entschärft werden können. Bestehen trotz der Umsetzung dieser Maßnahmen weiterhin Restgefährdungen, dann sind organisatorische Maßnahmen (zum Beispiel Zutrittsverbote) zu ergreifen. Persönliche Schutzmaßnahmen (zum Beispiel Sicherheitsschuhe, Gehörschutz) stehen an letzter Stelle und sind dann einzusetzen, wenn Gefährdungen nicht ausreichend reduziert werden können. Sicherheitsregeln ergänzen die getroffenen Maßnahmen, indem sie den Mitarbeitenden sicheres Verhalten vorgeben.
1. Gefährdungen im Staplerverkehr
Im Verladebereich sind mitunter auch Fußgänger unterwegs, weshalb für Fahrer von Flurförderzeugen besondere Vorsicht geboten ist. Das Risiko, Personen anzufahren, besteht aber nicht nur in unmittelbarer Nähe von rangierenden Fahrzeugen, sondern auch an unübersichtlichen Verkehrsbereichen, an denen die freie Sicht eingeschränkt ist. Allgegenwärtig ist die Gefahr des „Übersehenwerdens“ – nicht nur am Tag, sondern erst recht bei Dämmerung und Dunkelheit.
Zu den kritischen Situationen im Zusammenspiel von Staplern und Fußgängern zählt auch das Aufnehmen und Absetzen von Lasten. Befindet sich eine Person hinter einem Stapler und fährt dieser nach dem Absetzen der Last rückwärts an, kann es schnell zu einer Kollision kommen. Dabei liegen die Ursachen oft im Verhalten der Beteiligten: Der Fußgänger vertraut darauf, von dem Staplerfahrer gesehen zu werden. Vergisst der Fahrer dann den Schulterblick, kann dies gravierende Folgen haben. Durch welche Präventionsmaßnahmen lassen sich diese Gefährdungen verringern?
TOP-Maßnahmen zur Sicherheit an Verladestellen
Die Gefahr von Zusammenstößen von Staplern mit Personen lässt sich durch einen LED-Spot am Stapler reduzieren. Durch die Bündelung der LED-Strahlen wird ein Warnpunkt auf den Boden projiziert, der dem Stapler vorauseilt. Andere Verkehrsteilnehmende können sich darauf einstellen, dass der Stapler naht, selbst wenn er noch nicht sichtbar ist. Eine sinnvolle Investition sind auch Rückfahrkameras, die sich automatisch zuschalten und den Fahrer beim Rückwärtsfahren unterstützen.
Weitere technische Lösungen zur Vermeidung von Anfahrunfällen sind auf Transpondertechnik basierende Antikollisionssysteme. Bei diesen Systemen werden die Fußgänger mit einem Transponder und der Gabelstapler mit einem Lesegerät ausgestattet, welches einen Schutzbereich um das Arbeitsgerät aussendet. Betritt nun der Fußgänger diesen Schutzbereich, wird der Fahrer akustisch und optisch gewarnt. Des Weiteren können mit Bewegungssensoren ausgerüstete Stapler gefährliche Situationen vermeiden. Beispielsweise ist auf dem Markt ein Assistenzsystem erhältlich, dessen Sensor jede Bewegung hinter dem stehenden Fahrzeug erkennt – egal ob von Personen oder Fahrzeugen verursacht. In diesem Fall stoppt das System automatisch die Rückwärtsfahrt des anfahrenden Staplers und warnt seinen Fahrer sowie das Umfeld.
Sicherheitsregeln
Die zuvor beschriebenen technischen Maßnahmen sollten durch Verhaltensregeln ergänzt werden, um die verbleibenden Gefährdungen zu minimieren. Zum Beispiel:
- Für alle Personen im Verladebereich besteht Tragepflicht für Sicherheitsschuhe und Warnweste.
- Abstand halten von rangierenden Staplern und Fahrzeugen.
- Bei notwendiger Annäherung an den Stapler: Blickkontakt mit dem Fahrer aufnehmen und erst nähern, wenn er ein Zeichen gibt.
- Während des Beladens ist der Aufenthalt des Lkw-Fahrers auf der Ladefläche verboten.
- Zutrittsverbote für bestimmte Hallenbereiche sind zu beachten.
2. Gefährdungen beim Be- und Entladen von Lkw
„Ein Absturz von der Verladekante endet meist tragisch“, weiß Logistikleiter Thomas B. und verweist dazu auf ein Ereignis im eigenen Betreib: „Unser Staplerfahrer war damit beschäftigt, einen Lkw über das Heck zu beladen. Plötzlich und unerwartet zog der Lkw-Fahrer sein Fahrzeug von der Rampe ab. Stapler samt Fahrer stürzten in die Lücke zwischen Rampe und Lkw. Unser Fahrer erlitt Frakturen und war lange arbeitsunfähig. Ich fühle mich mitschuldig, denn es gab von mir keine Anweisung, vor der Beladung die angelegten Unterlegkeile zu kontrollieren.“
Absturzgefahr besteht auch an Ladebrücken und Ladeblechen von Laderampen, wenn diese zu knapp auf der Lkw-Ladefläche aufliegen. Beim mehrmaligen Überfahren mit Flurförderzeugen können diese durch „Wegkriechen“ des Lkw von der Ladefläche abrutschen und das Arbeitsgerät mit Bediener abstürzen. Selbst Andockstationen bergen ein solches Gefahrenpotenzial, denn in manchen Unternehmen ist es üblich, während der Betriebszeiten die Verladetore offen zu lassen. Ist dann kein Lkw angedockt, besteht für Bediener und Arbeitsgerät ein akutes Risiko, von der Rampenkante auf die Rangierfläche zu stürzen.
TOP-Maßnahmen zur Sicherheit an Verladestellen
Ein sensorgesteuerter Unterlegkeil bietet im Vergleich zur normalen Ausführung ein erhebliches Plus an Sicherheit gegen Wegrollen oder vorzeitiges Wegfahren von der Rampe. Der Keil wird zwar ebenso manuell untergelegt, ist aber mit einer Ampelsignalanlage verbunden. Die Signalleuchte in der Verladehalle zeigt dem Ladepersonal mit Grün an, wenn der Unterlegkeil angelegt und damit der Lkw ordnungsgemäß gesichert ist. Demzufolge kann nun mit dem Beladen gefahrlos begonnen werden. Sind die Ladetätigkeiten abgeschlossen, wird der Lkw vom Ladepersonal für die Abfahrt freigegeben. Daraufhin entfernt der Fahrer den Unterlegkeil und die Außenlampe springt von Rot auf Grün – der Lkw kann von der Rampe abziehen. Im Gebäude springt die Ampel auf Rot und signalisiert dem Ladepersonal, dass die Verladebucht gesperrt ist.
Eine weitere Maßnahme gegen Absturz an offenen Ladetoren sind an der Ladekante montierte Sicherheitsbarrieren. Im Notfall fängt der Absperrgurt die kinetische Energie des Staplers auf und verhindert das Abstürzen. Während des Beladevorgangs wird der Gurt in einen Pfosten aufgewickelt.
Sicherheitsregeln
Verbleiben nach Umsetzung aller technischen Maßnahmen Restgefährdungen, dann sind diese durch die Festlegung von Verhaltensregeln weiter zu reduzieren. Zum Beispiel:
- Rangier- und Transporttätigkeiten an ungesicherten Rampenkanten sind verboten.
- Verladetore von Andockstationen dürfen nur zum Be- und Entladen von Fahrzeugen geöffnet werden.
- Vor Verladebeginn hat das Ladepersonal zu prüfen, ob der Lkw mit Unterlegkeilen gesichert ist.
- Mit dem Ladevorgang darf erst begonnen werden, wenn der Lkw-Fahrer die Freigabe zum Verladen erteilt hat.
- Der Lkw darf erst abziehen, nachdem das Ladepersonal die Abfahrtskontrolle durchgeführt und das Fahrzeug für die Abfahrt ausdrücklich freigegeben hat.
3. Gefährdungen beim Rangieren von Lkw
Das Rückwärtsheranfahren und Andocken des Lkw an die Verladerampe ist ein riskantes Fahrmanöver, denn unaufmerksame Personen, die sich in diesem Bereich aufhalten, können zwischen Rampe und Lkw eingequetscht werden. Die Verletzungen wären in diesem Fall verheerend.
TOP-Maßnahmen zur Sicherheit an Verladestellen
Nützliche Hilfsmittel für Lkw-Fahrer sind Rangier-Warneinrichtungen am Fahrzeugheck oder Kamera-Monitor-Systeme, die den rückwärtigen Bereich sichtbar machen. Risikomindernd sind auch eine strikte Trennung der Wege für Personen- und Lastverkehr sowie geschickt angeordnete Verkehrsspiegel, denn sie verschaffen den Lkw-Fahrern Einblick in unübersichtliche Stellen. Kann die Gefahr des Anfahrens oder Einquetschens von Personen durch die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen jedoch nicht beseitigt werden, dann ist der Einsatz eines Einweisers zwingend notwendig.
Sicherheitsregeln
Durch betriebliche Regelungen sind verbleibende Gefährdungen zu verringern, zum Beispiel:
- Striktes Aufenthaltsverbot im Gefahrenbereich von rangierenden Staplern und Lkw.
- Beim Rückwärtsheranfahren des Lkw an die Rampe ist der Aufenthalt zwischen Lkw und Rampe verboten.
- Das Verladetor darf erst geöffnet werden, wenn der Lkw mit Unterlegkeilen gesichert ist.
- Einweiser müssen bei ihrer Tätigkeit ständig Blickkontakt mit dem Fahrer halten und eine Warnweste tragen.
Verladung durch betriebsfremde Lkw-Fahrer
Viele Lkw-Fahrer be- und entladen ihren Lkw selbst, wofür ihnen vom Kunden häufig ein Transportgerät zur Verfügung gestellt wird. Diese Vorgehensweise ist jedoch mit einem Risiko verbunden, denn die Fahrer sind in der Handhabung mit dem fremden Gerät und den betrieblichen Gegebenheiten oft nicht vertraut. Daher sind gewisse Vorgaben der DGUV Vorschrift 68 „Flurförderzeuge“ zu beachten: Einen Gabelstapler darf nur steuern, wer hierfür geeignet und ausgebildet ist, seine Befähigung nachgewiesen hat und mindestens 18 Jahre alt ist. Des Weiteren sind durch den Kunden eine Einweisung in das Gerät sowie in die örtlichen Gegebenheiten durchzuführen. Wiederum ist vom Arbeitgeber des Lkw-Fahrers ein schriftlicher Fahrauftrag für den zur Verfügung gestellten Gabelstapler zu erteilen. Für betriebsfremde Bediener von Mitgänger-Flurförderzeugen sind die Anforderungen weniger streng. Es genügt eine Einweisung in die Handhabung des Gerätes und in die betrieblichen Gegebenheiten. Eine mündliche Beauftragung durch den Arbeitgeber ist ausreichend.