Die Bundesregierung hat in der Sitzung des Bundeskabinetts am 29. Oktober 2014 Änderungen zur Verbesserung der Anwendbarkeit der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) beschlossen. Der Bundesrat muss den Änderungen aber noch zustimmen. Die Beratungen im Bundesrat über die Änderungen der ArbStättV werden im November 2014 in den entsprechenden Ausschüssen beginnen und sollen im Dezember 2014 im Bundesrat-Plenum abgeschlossen werden. Mit einer Veröffentlichung der novellierten ArbStättV im Bundesgesetzblatt und dem in Kraft treten der Änderungen ist im Januar 2015 zu rechnen.
Wolfgang Doll, BMAS
Die ArbStättV feiert im Jahr 2015 ihr 40-jähriges Bestehen. Mit dieser Verordnung wurden im Jahr 1975 erstmals die staatlichen Regelungen (Gewerbeordnung § 120a und 120b sowie das Handelsgesetzbuch) zum Schutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten in 58 Paragrafen zusammengefasst. Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) regelt die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten sowie die menschengerechte Gestaltung der Arbeit beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten; darunter fallen auch Baustellen. Im Jahr 1996 wurde der Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung auf die Tätigkeitsbereiche der Landwirtschaft und des „öffentlichen Dienstes“ ausgeweitet. Im Jahr 2004 wurde die ArbStättV erstmals grundlegend reformiert und überarbeitet. Mit der jetzt im Bundeskabinett beschlossenen Änderungsverordnung wird die ArbStättV u.a. hinsichtlich Struktur und Inhalt an die Regelungssystematik der anderen Arbeitsschutzverordnungen angepasst. Damit erhält der Arbeitgeber ein konsistentes und in sich stimmiges Vorschriftenwerk zum Arbeitsschutz.
Rechtsbereinigungen
Mit der laufenden Novelle der ArbStättV werden die Inhalte der Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) im Rahmen einer Rechtsbereinigung in die ArbStättV integriert; Doppelregelungen werden aufgelöst. Die ArbStättV setzt damit künftig neben der EG-Arbeitsstättenrichtlinie, der EG-Richtlinie zur Gesundheitsschutzkennzeichnung und der EG-Baustellenrichtlinie (Anhang IV) auch noch die EG-Richtlinie 90/270/EWG über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Fünfte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) vom 29. Mai 1990 vollständig in nationales Recht um. Damit sind alle wesentlichen Anforderungen an Arbeitsstätten in der ArbStättV vereint. Die BildscharbV wird mit dem in Kraft treten der geänderten ArbStättV aufgehoben. Die Anforderungen aus dem Anhang der BildscharbV werden in den Anhang der ArbStättV übernommen.
Übernommen werden auch die Ausnahmen aus der BildscharbV. Für Bedienerplätze von Maschinen oder Fahrerplätze von Fahrzeugen mit Bildschirmgeräten, tragbare Bildschirmgeräte für die ortsveränderliche Verwendung, die nicht regelmäßig an einem Arbeitsplatz verwendet werden, Rechenmaschinen, Registrierkassen oder andere Arbeitsmittel mit einer kleinen Daten- oder Messwertanzeigevorrichtung, die zur unmittelbaren Benutzung des Arbeitsmittels erforderlich ist, und Schreibmaschinen klassischer Bauart mit einem Display gelten die Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätze weiterhin nicht. Konkrete Regelungen für moderne Bildschirmarbeitsplätze wird der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) erarbeiten und in einer Technischen Regel (Arbeitsstättenregel) zur Bildschirmarbeit zusammenfassen.
Psychische Belastungen auch in der ArbStättV
Eine weitere wichtige Änderung geht auf den Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom 16. Dezember 2013 zurück. Der Koalitionsvertrag sieht vor, das Thema „psychische Belastungen der Beschäftigten bei der Arbeit“ bereichsbezogen in die geltenden Arbeitsschutzverordnungen – damit auch in die ArbStättV – zu übernehmen. Die Bundesregierung verfolgt damit vor allem das Ziel, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten weiter zu stärken. In der ArbStättV wird dazu der § 3 „Gefährdungsbeurteilung“ ergänzt. Mit der Ergänzung wird klargestellt, dass der Gesundheitsbegriff sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit umfasst und beide Elemente im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG zu berücksichtigen sind. Insbesondere ungenügend gestaltete Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen, wie Lärm oder störende Geräusche, schlechtes Raumklima, räumliche Enge, unzureichende Wahrnehmung von Signalen und Prozessmerkmalen, unzureichende Ergonomie und Softwaregestaltung bei der Bildschirmarbeit sowie schlechte Beleuchtung, führen zu Belastungen, die zu psychischen Erkrankungen der Beschäftigten beitragen können.
Durch die politische Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie durch den rasch fortschreitenden Wandel in der Arbeitswelt bestand schon längere Zeit Handlungsbedarf hinsichtlich der Klarstellung von Anforderungen an Telearbeitsplätze im Privatbereich von Beschäftigten. Telearbeitsplätze sind nicht zu verwechseln mit „mobilen Arbeitsplätzen“; es handelt sich nach der Klarstellung in der ArbStättV um Bildschirmarbeitsplätze, die im Privatbereich betrieben werden und an denen Beschäftigte regelmäßig arbeiten. Telearbeitsplätze müssen mit der Betriebsstätte des Arbeitgebers über Informations- und Kommunikationseinrichtungen verbunden sein. Telearbeit wird vor allem im Wechsel zwischen Betriebsstätte und der privaten Wohnung (alternierende Telearbeit) ausgeübt. Der Arbeitgeber ist für die Einrichtung und Gestaltung der Bildschirmarbeitsplätze an Telearbeitsplätzen verantwortlich, insbesondere für die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel. Die Beschäftigten an Telearbeitsplätzen sind in die bestehende Arbeitsorganisation des Betriebes eingebunden. „Telearbeiter“ sind in einem abhängigen Arbeitsverhältnis als Voll- oder Teilzeitbeschäftigte für einen Arbeitgeber tätig. Unter Telearbeit sind keine Heimarbeitsverhältnisse im Sinne des § 2 Absatz 1 des Heimarbeitsgesetzes zu verstehen.
Weitere Neuigkeiten
Die weiteren Vorschläge zur Änderung der ArbStättV betreffen insbesondere die Wiederaufnahme der Regelungen zur Sichtverbindung aus Arbeitsräumen nach außen, die Aufnahme eines Paragrafen zur Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten sowie Anforderungen zu Maßnahmen gegen Absturz von Beschäftigten.
Die derzeitige Regelung zur Beleuchtung und Sichtverbindung nach außen, wonach Arbeitsstätten „… möglichst ausreichend Tageslicht … [erhalten] … müssen“, ist zu unbestimmt und widersprüchlich. Die Formulierung führte in der Vergangenheit oft zu Missverständnissen. Sowohl Arbeitgeber und Architekten als auch Arbeitnehmervertreter forderten Klarheit und die Berichtigung der ArbStättV in Bezug auf die Sichtverbindung nach außen. Zur Klarstellung des Gewollten und zur Beseitigung von Ungereimtheiten wird die grundsätzliche Anforderung der Sichtverbindung nach außen in Arbeitsräumen wieder in die ArbStättV aufgenommen. Die Regelung in der ArbStättV ist jedoch in Anlehnung an die Rechtslage vor 2004 so ausgerichtet, dass die Forderung nach Sichtverbindung nach außen nicht generell für alle Arbeitsplätze in Räumen anzuwenden ist (z. B. betriebstechnische Verfahren, sehr große Arbeitsräume, Kaufhäuser, Einkaufszentren mit Verkaufsräumen, Schank- und Speisegaststätten, spezielle ärztliche Behandlungsräume). In der ArbStättV wird damit auch künftig wieder eindeutig geregelt werden, in welchen Fällen von den Anforderung abgewichen werden kann.
In die ArbStättV neu aufgenommen werden konkrete Regelungen zu Absturz. Der ASTA hat eine Gefährdung in der Arbeitsstätte ab einer Absturzhöhe von 1 m ermittelt. Dies wird in die ArbStättV übernommen. Auch werden künftig Anforderungen an erforderliche Schutzeinrichtungen, die ein Abstürzen von Beschäftigten an Arbeitsplätzen und Verkehrswegen auf Baustellen verhindern sollen, geregelt.
Der genaue Umfang der Änderungen/ Ergänzungen ist aus dem Verordnungsentwurf zu ersehen, der auf der Internetseite des BMAS eingestellt ist:
Fazit
Das Arbeitsstättenrecht wird mit den Änderungen/Ergänzungen dem Wandel der Arbeitswelt angepasst und modernisiert. Die wohl bedeutendste Änderung der Novellierung ist die Übernahme die Inhalte der BildscharbV in den Verordnungstext. Die Ausnahmen aus dem Anwendungsbereich der BildscharbV werden in die ArbStättV übernommen. Die weiteren Anpassungen und Änderungen im Rechtstext der ArbStättV dienen der Schaffung von Klarheit und der besseren Anwendbarkeit der Verordnung. Redaktionelle Textanpassungen machen die Verordnung insgesamt lesbarer.
Autor
Dipl.-Ing. Wolfgang Doll, BMAS E‑Mail: Wolfgang.Doll@ bmas.bund.de
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