Herr Lauble, Sie sammeln schon sehr lange Erfahrungen und Erkenntnisse zum Thema Arbeitsplatzgestaltung im Büro – genau genommen von Kindesbeinen an. Wie kam es dazu?
Ich habe das Thema ein bisschen in die Wiege gelegt bekommen: Mein Vater hat sich schon in den 80er Jahren mit dem Thema Bürogestaltung befasst. Da er immer sehr viel zu tun hatte und ich als Kind natürlich gern in seiner Nähe war, habe ich ihm etwas zugearbeitet. Irgendwann durfte ich dann selbst Ist-Zustands-Analysen machen, Nutzenbewertungen und Pläne aufstellen.
Sie sind also im wahrsten Wortsinn in das Thema hineingewachsen. Die Thematik hat Sie aber auch persönlich angesprochen und überzeugt?
Ja, mit einer Erweiterung: Ich habe mich zwischenzeitlich für sechs Jahre ausgeklinkt, in denen ich mich mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt habe. Mein Vater hat viel mit Büromöbelherstellern und deren Beratern gearbeitet. Mir ist es auch wichtig, die Beschäftigten im Büro direkt zu erreichen, um ihnen das Thema näherzubringen.
In diesem Jahr haben Sie die Bausteine, die bei der Gestaltung effizienter Bürowelten eine Rolle spielen, in einer Grafik zusammengefasst. Wozu?
Büros sind mehr und mehr zu wichtigen Lebensräumen geworden und gerade bei Fachkräftemangel sollen die Potenziale optimal ausgeschöpft werden. Ich bekomme zum Beispiel immer wieder Anfragen zur Akustik. Akustik ist ein tolles Thema, keine Frage, sicherlich auch wichtig – gerade in den heutigen Büroformen. Es fließen aber sehr viel mehr Faktoren in die Büroarbeit ein. Es gibt ja nicht nur die technische und die organisatorische Ebene, sondern auch die persönliche Verhaltensebene. Selbst wenn ich auf der Technikebene, im Bereich Akustik, ein Problem zu hundert Prozent lösen würde – was in der Realität kaum möglich ist – aber die anderen Voreinstellungen vernachlässige, ist dem Kunden letztlich nicht geholfen – und den Beschäftigen schon gar nicht. Um diese Zusammenhänge greifbarer zu machen, habe ich die Pyramide entwickelt. Grundsätzlich habe ich schon immer mit diesen Bausteinen gearbeitet und das jetzt nur bildhaft dargestellt.
Mit dem Stichwort Ergonomie wird häufig der Sitz-Steh-Tisch und ein guter Schreibtischstuhl assoziiert. Das ist wohl ebenfalls zu kurz gedacht.
Ergonomie wird oft missverstanden, weil tatsächlich häufig angenommen wird, wenn Büros über einen Sitz-Steh-Tisch und einen guten Stuhl verfügen, sind sie ergonomisch eingerichtet. Die Anthropometrie, also die Anpassung der Möbel oder Arbeitsmittel an die körperlichen Gegebenheiten, ist aber nur ein Bestandteil der Ergonomie. Mit einem höhenverstellbaren Tisch und einem dreidimensionalen Stuhl ist ein Büroarbeitsplatz noch lange nicht optimal eingerichtet. Wenn zum Beispiel visuelle Einflüsse die Konzentration stören, werden auch auf einem wunderbaren Stuhl Fehler gemacht. Fehler kosten Nacharbeit und damit Zeit und schon beginnt der Stress-Kreislauf. Deswegen müssen auch diese Faktoren beachtet werden.
Können Sie den Aufbau der Pyramide einmal erklären – möglichst kurz?
Die Grundlage für Büroeffizienz ist, dass die Mitarbeiter gesund sind – denn nur dann sind sie dauerhaft leistungsfähig. Nur auf dieser Basis, die ich mit dem Fundament im Hausbau vergleiche, kann der Sinn des Unternehmens, nämlich seine Wirtschaftlichkeit, verfolgt werden. Wie beim Hausbau bauen darauf mehrere Ebenen auf: Nach dem TOP-Prinzip zunächst die Technik‑, und die Organisationsebene und dann die persönliche Verhaltensebene. Letztere habe ich auf zwei Ebenen heruntergebrochen, die Wissensebene und die Verhaltensebene. Denn es gibt ja immer wieder Menschen, die zwar viel wissen, dies aber nicht umsetzen. All das fließt dann wiederum ein in die Sozialebene, denn Umfeld und Umgang haben immer schon großen Einfluss auf die Menschen gehabt und wirken auch künftig. Die Sozialebene kann sowohl von den Führungskräften als auch von den Beschäftigten selbst positiv oder negativ beeinflusst werden.
Das ist aber noch nicht die Spitze der Pyramide?
Nein, die Spitze ist, den Sinn des Unternehmens zu verfolgen, also durch effiziente Arbeit ein gesundes Wachstum zu generieren. Dazu braucht man aber noch eine Kontrollebene. Ich bin zwar überzeugt, dass jeder Mensch sein Bestes gibt, aber es ist schwer, sich selbst zu beurteilen. Dabei hilft die Kontrolle. Im Endeffekt ist das die Gefährdungsbeurteilung, durchgeführt von den Sicherheitsfachkräften. Ich sage immer, sie sind der Kleber zwischen den Beschäftigten und dem Unternehmer. Die Gefährdungsbeurteilung ist sehr wichtig, denn sie schaut auf alle Ebenen und alle Bausteine. Die Pyramide verdeutlicht, warum das nötig ist: Ein Vakuum an einer Stelle genügt, um den Oberbau ins Rutschen zu bringen.
Drei Bausteine fallen besonders ins Auge: die IST-Zustands-Analyse, Raum-Planung und Leistungsbereitschaft. Was hat es damit auf sich?
Für mich ist jeder Baustein prinzipiell gleich wichtig, es spielt und wirkt alles zusammen. Die Ist-Zustandsanalyse sehe ich aber in jedem Fall als Eckpfeiler, denn nur Unternehmen, die wissen, wo sie stehen, können eine Richtung vorgeben. Extrem wichtig in meinen Augen ist es auch, die Mitarbeiter zu befragen. In der ISO 6385 aus den 80er Jahren stand dazu etwas, was heute nirgendwo mehr zu finden ist – nämlich dass das subjektive Empfinden der Mitarbeiter zu berücksichtigen ist. Heutige Regelwerke basieren auf Zahlen und Messwerten. Bei überwiegend geistigen Tätigkeiten gilt zum Beispiel ein Lärmpegel von 55 Dezibel als Obergrenze. Wenn nun jemand Konzentrationsschwierigkeiten hat, kann die Sicherheitsfachkraft hundertmal sagen, es ist nicht zu laut, wir liegen darunter. Fakt ist, der Betreffende kann sich nicht konzentrieren. Dann gilt es, andere Lösungen zu finden, etwa durch Umsetzen der Person.
Hinter jedem Baustein stecken demnach viele Themen…
Letzten Endes ist jeder Block eine Schublade, in die viel hineinpasst. Beispielsweise lässt sich über die Raumplanung schon sehr viel erreichen. Ich erlebe leider immer noch, dass Schreibtische in Viererblöcken angeordnet sind. Einer sitzt am Fenster, der Kollege daneben am Gang. Wenn der Beschäftigte vom Fensterplatz aufsteht, läuft er erstmal am Rücken seines Nachbarn vorbei. Das ist ein Störfaktor, der auf Dauer die Leistungsbereitschaft deutlich senken kann. Menschen nehmen 80 bis 85 Prozent aller Informationen über die Augen auf. Die Augen wandern dabei ganz automatisch zu Gesichtern und zu Bewegungen im Peripheriebereich, die nicht scharf gesehen werden. Das sind visuelle Störfaktoren. Ohne ausreichende Abschirmung fühlen sich Menschen zudem ständig beobachtet.
An jedem Arbeitsplatz müssen andere Themen berücksichtigt werden. Dabei steht für mich die Arbeitsaufgabe immer im Zentrum. Meistens heißt es ja ‚Im Mittelpunkt der Mensch‘. Das stimmt aber nicht, denn ohne Aufgabe gäbe es auch keine Menschen im Büro.
Wie sind die Sicherheitsbeauftragten in die Büroplanung eingebunden?
Ich habe zum Glück sehr oft mit Sicherheitsbeauftragten zu tun. Aus meiner Erfahrung sind gerade sie besonders zugänglich für neue Aspekte – auch über Vorschriften und Regelwerk hinaus. Diese Neugierde und Offenheit sollten sie sich bewahren.
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