Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) hat das baden-württembergische Familienunternehmen Stihl, das vor allem Arbeitsgeräte für die Forst- und Bauwirtschaft sowie den Garten- und Landschaftsbau herstellt, in diesem Frühjahr mit dem Sicherheitspreis „Schlauer Fuchs“ ausgezeichnet. Grund für die Vergabe war die ganzheitliche Umstellung eines Arbeitsprozesses in einer der Montagehallen am Standort Waiblingen, dem Stammsitz des Unternehmens, dessen Kern der Einsatz eines eigens angepassten kollaborativen Roboters bildet. Das führt nicht nur zu einem schnelleren und effektiveren Prozess, sondern auch zu einer enormen Entlastung der Stihl Mitarbeiter. Der Roboter, Typname CR-35iA, hebt anstelle der Beschäftigten das Endprodukt bei der Trennschleifer-Endmontage an und transportiert es weiter. „Der Schlaue Fuchs der BGHM ist eine schöne Würdigung unseres Engagements. Das motiviert die gesamte Belegschaft, auch künftig nach Optimierungspotenzial zu suchen und Lösungen zu entwickeln“, meint Jan Müller, Techniker Produktionscenter bei Stihl und einer der Hauptverantwortlichen bei der Umsetzung des Projekts.
Einsatz von Robotern nicht neu
Der Einsatz von Robotern in der Fertigung ist für das Unternehmen, das bei Motorsägen seit den siebziger Jahren Weltmarktführer ist, grundsätzlich kein neues Thema. Bereits in den 1990er-Jahren stieg es in die damals noch recht neue Technologie ein – mittlerweile gibt es weltweit mehrere hundert Roboter an den Standorten. Bislang arbeiteten die automatischen Helfer in einem Käfig und in sicherem Abstand zu den Beschäftigten, die sie bedienen.
Mit der kollaborativen Robotik wird jetzt eine neue Stufe erreicht, die vielfältige Möglichkeiten eröffnet. „Nun können die Kollegen tatsächlich Hand in Hand mit dem Roboter arbeiten. Für uns bedeutet das, dass wir auf diesem Feld neue Erfahrungen sammeln können, die uns helfen, am Ende unsere Marktposition zu behaupten“, sagt André Lange, Gruppenleiter Technologieentwicklung, Service und Hardware.
Montagearbeiter eingebunden
CR-35iA wird in der Verpackungslinie für Trennschleifer eingesetzt. Vor der Einführung des Roboters übernahmen die Montagemitarbeiter die entsprechenden Arbeitsschritte. Vor allem die Schüttelprüfung – eine rein akustische Prüfung zur richtigen Lage des Saugkopfes, für die der Trennschleifer tatsächlich geschüttelt werden muss – verlangte den Beschäftigten einiges ab: Ein Trennschleifer wiegt rund zehn Kilogramm, pro Schicht kommen so rund acht Tonnen zusammen. Mit dem Roboter haben sich die Arbeitsschritte nun vollständig gewandelt. Er greift den Trennschleifer vom Hängeförderer und übernimmt die Schüttelprüfung. Nach einer letzten Qualitätsprüfung durch den Mitarbeiter befördert der Roboter das Gerät in die Verpackung. „Die Entlastung durch den Roboter ist besonders für den Rücken enorm“, sagt Montagemitarbeiter Waldemar Eirich. Er und seine Kollegen waren von Anfang an in das Projekt eingebunden, brachten eigene Ideen ein, beobachteten den Testaufbau und konnten Einfluss auf die generelle Gestaltung des neuen Arbeitsplatzes nehmen. Michael Hoger, Leiter des Montagebereichs, ist überzeugt: „Die Mitarbeiter haben gute und sinnvolle Ideen direkt aus der Praxis eingebracht.“ Deshalb sei der neue Arbeitsplatz auch von Beginn an akzeptiert worden.
Ein Jahr Vorbereitung
Die Einführung von CR-35iA war von langer Hand geplant: Insgesamt dauerte es rund ein Jahr, bis der Roboter in der Montagehalle seine Arbeit aufnehmen konnte. In dieser Zeit richtete der unternehmenseigene Betriebsmittelbau den Arbeitsplatz des Roboters ein. Inzwischen ist der automatische Helfer aus der Verpackungslinie für Trennschleifer nicht mehr wegzudenken – entlastet er doch die Mitarbeiter vor Ort extrem. Nicht nur der Arbeitsplatz von CR-35iA ist – sowohl für den Roboter als auch für die Menschen – sehr individuell gestaltet. Auch der Greifer, mit dem die Maschine arbeitet, ist eine Eigenkonstruktion des Unternehmens. Sie machte aus dem einfachen Greifer ein echtes Interaktionselement. Mit LED-Leuchten zeigt dieser an, in welchem Modus der Roboter gerade arbeitet. Über Leuchttasten am Greifer „bespricht“ der Mitarbeiter seinerseits die jeweiligen Arbeitsschritte mit dem Roboter: Die grüne Taste bedeutet, dass mit dem Trennschleifer alles in Ordnung ist. Die rote Taste hingegen signalisiert Mängel oder einen Fehler; das Gerät wird dann zurückgestellt.
Arbeitsschutzziele vorrangig
An der Entwicklung des Projekts war Jan Müller federführend beteiligt. Er erzählt: „Für mich persönlich war der kollaborative Roboter mein erstes Projekt, bei dem es speziell um gesünderes Arbeiten ging. Doch Stihl verfolgt schon seit langem in allen Arbeitsbereichen konsequent internationale Standards im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Fortlaufend werden Arbeitsplätze bewertet, Präventionskonzepte ausgearbeitet und anhand von Begehungen Optimierungspotenziale identifiziert.“ Während kollaborative Roboter oft zur Effizienzsteigerung der Produktion eingesetzt würden, sei CR-35iA hauptsächlich aus arbeitsschutzfachlichen Gründen eingeführt worden, betont Müller: „Bei der Bewertung des Arbeitsplatzes wurde deutlich, dass Abhilfe geschaffen werden muss – und die Lösung war der kollaborierende Roboter in der Leistungsklasse bis 35 Kilogramm.“
Spezielle Herausforderungen
Technisch besonders schwierig war die Integration des Roboters in eine bestehende Montagelinie unter stark eingeschränkten Platzverhältnissen. Zudem mussten wesentliche Arbeitsinhalte innerhalb der Montagelinie verlagert werden. Aus Sicht von Jan Müller stellten aber nicht nur diese Aspekte eine Herausforderung dar, sondern ebenso der hohe Verwaltungsaufwand: „Dabei ging es vor allem um die Zulassungskriterien, da es bis dato kein vergleichbares System in Europa gab.“ Ein wesentlicher Schwerpunkt im Prozess der Zulassung war die Betrachtung und die Bewertung der zulässigen Kräfte auf den menschlichen Körper, die sich aus einem möglichen Kontakt mit dem Roboter und dem Produkt ergeben können. Hier mussten umfangreiche Tests mit einem speziellen Messsystem der Berufsgenossenschaft durchgeführt werden, damit die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden. „Deshalb war eine sehr intensive Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft nötig.“
Kollege Roboter?
Die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern wirft auch ethische und soziale Fragen auf. Der jetzt von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlichte Bericht „Ethische und soziologische Aspekte der Mensch-Roboter-Interaktion“ arbeitet diese systematisch auf. Den Bericht gibt es im Internetangebot der BAuA unter