Wie eine Umfrage ergab, werden in fast drei Viertel der BGN-Mitgliedsbetriebe Schutzeinrichtungen an Maschinen manipuliert. Sei es, um Abläufe zu erleichtern oder Störungen an der Maschine zu beheben. Viele unterschätzen die damit verbundenen Gefährdungen. Dies ist Anlass für die BGN gezielte Aktionen zu starten. Den Auftakt bildete ein Fachforum mit dem provozierenden Titel „Betrieblicher Alltag Manipulation?!“.
Verena Manek
Bei der zweitägigen Veranstaltung stellten Experten aus Wissenschaft, der Industrie und von DGUV, BGN sowie der schweizerischen SUVA Erkenntnisse und Lösungsansätze zur Vermeidung der Manipulation von Schutzeinrichtungen vor.
Im Jahr 2007 führte die BGN eine Online-Befragung von circa 500 Sicherheitsfachkräften aus Mitgliedsbetrieben durch. Die Eingangsfrage „Haben Sie erlebt, dass in ihrem Unternehmen Schutzeinrichtungen an Maschinen manipuliert wurden?“ hatten 73,3 Prozent der Teilnehmer mit „Ja“ beantwortet. Die Befragung brachte weitere Aspekte des Themas Manipulation hervor, auf die die Referenten während der Tagung eingingen.
Positionsschalter am häufigsten manipuliert
Constanze Nordbrock, Psychologin bei der BGN, nannte psychologische und organisatorische Erkenntnisse. Demnach kann Manipulation durch entsprechendes Führungsverhalten vermieden werden, durch soziale Normen und Schulungen zum Thema Arbeitsschutz – und natürlich im technischen Bereich, das heißt durch Vermeidung eines Anreizes zur Manipulation. Über menschliches (Fehl-)Verhalten referierte Prof. Dr. Anna-Marie Metz von der Universität Potsdam. Sie unterschied zwischen aktiven Fehlern, die der Mensch an der Mensch-Maschine-Schnittstelle begeht sowie latenten Bedingungen, das heißt „Sicherheitslöchern“, wie zum Beispiel ungünstigen Dienstplänen oder ergonomischen Mängeln. Weiter entstünden Fehler durch eingeschränkte Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung. Einen Einfluss hat außerdem das soziale Klima, wie Prof. Dr. Metz anhand einer in der Intensivstation einer Klinik durchgeführten Studie darstellte. Positives soziales Klima war dort geprägt durch eine bessere Kommunikation, viel häufigeres Nachfragen und klare Informationen – was dann zu weniger Fehlern führte. Negatives soziales Klima führte zur Scheu andere um Hilfe zu bitten und zu Dienst nach Vorschrift. Fehlerursachen liegen also innerhalb der handelnden Person, ihrem Wissen und ihren Fertigkeiten, sowie außerhalb der handelnden Person, etwa in Organisationsbedingungen oder im Arbeitsteam.
Leonhard Blümcke, Ingenieur bei der BGN, widmete sich den technischen Aspekten des Problems. Am häufigsten manipuliert werden elektromechanische Positionsschalter, etwa durch den Ausbau von Betätigern, durch Überbrückung, Abmontieren oder Demontage feststehender trennender Schutzeinrichtung. Überwiegend können die Manipulationen schnell wieder rückgängig gemacht werden – etwa nach einem Unfall.
Die BGN-Umfrage ergab, dass am häufigsten manipuliert wird, wenn Störungen beseitigt werden müssen, außerdem wenn eingerichtet/eingestellt wird und wenn gereinigt wird. In über 60 Prozent der Fälle bei Benutzung der Maschine, in über 40 Prozent nach der Wiederinbetriebnahme nach längeren Stillstandszeiten oder Reparaturen.
Am zweiten Tag des Fachforums stellte Leonhard Blümcke dann die BGN-Aktionen zur Vermeidung von Manipulationen ausführlich vor. Sie berücksichtigen sowohl verhaltensorientierte als auch technische Lösungen. Am wichtigsten: Die Maschine muss so konstruiert sein, dass kein Anlass zur Manipulation besteht.
Auch Hersteller tragen Verantwortung
Weiterhin müssen Schutzeinrichtungen manipulationssicher sein, Schalter und Betätiger einer Demontage widerstehen. Teilweise kann realisiert werden, dass Maschinen Manipulationen erkennen. Zum Beispiel, wenn ein Schalter manipuliert wird, um eine dauerhaft geschlossene Schutztür zu suggerieren – die aber produktionsbedingt geöffnet werden muss.
Bei vorhersehbaren Fehlanwendungen tragen auch die Hersteller Verantwortung. Auch an sie richten sich die Aktionen der BGN, etwa indem die BG Einfluss auf die Normung nimmt, sowie Information, Beratung und Qualifizierung für Hersteller anbietet. Ihre Mitgliedsbetriebe, also die Betreiber, unterstützt die BGN durch betriebliche Programme, Seminare, Schulungen, Veröffentlichungen und Bereitstellung unterschiedlicher Materialien wie Checklisten, Broschüren etc.
Hat ein Unternehmer Kenntnis von Manipulationen, so muss er tätig werden. Er ist für die Durchführung von Arbeitsschutzvorschriften verantwortlich. Darauf wies Harald Pinter, Jurist bei der DGUV, hin. Den Hersteller von Maschinen betrifft die Produkthaftung bei Konstruktions‑, Fabrikations- und Instruktionsfehlern.
Auch international ist Manipulation ein Thema. So initiierte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Suva, eine Kampagne unter dem Motto „STOP dem Manipulieren von Schutzeinrichtungen“, die ein Vertreter der Suva in Mannheim vorstellte. Zur Kampagne gehören Anzeigen, ein spezieller Internet-Auftritt (www.suva.ch/schutzeinrichtungen) und der Film „Schwarzer Freitag“, der aus dem Internet heruntergeladen werden kann. In der Schweiz ist das Manipulieren von Schutzeinrichtungen ein Tatbestand im Strafgesetzbuch und kann mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden.
Manipulationssichere Technik
Einen Überblick über die neuesten Technologien zur Manipulationsvermeidung und ‑erkennung gab Otto Görnemann von der Sick AG. Zum Beispiel gibt es sichere induktive Positionsschalter, die auf metallische „Bedämpfungselemente“ reagieren. Oder verschiedene Möglichkeiten zur Manipulationsvermeidung bei der Entry-Exit Funktion. So werden die maximale Breite und Anzahl der Füße einer in die Maschine einfahrenden Palette programmiert. Die Maschine misst dann noch die Abstände der Palettenfüße und speichert sie ein. Bleibt dieses Muster, oder auch die einmal registrierte Eintritts- und Transportgeschwindigkeit, während des Fördervorgangs nicht gleich, stellt sich die Maschine automatisch ab, da sie dadurch den Unterschied zwischen einer Palette und einem Mensch erkennt. Moderne Technik bietet also viele Möglichkeiten, Manipulationen zu verhindern.
Die Teilnehmer des Fachforums bekamen nicht nur viele Informationen, sondern wurden in Workshops auch selber aktiv. Unter anderem diskutierten sie darin über „Manipulationsvermeidung als Führungsaufgabe“, „Beschaffung von sicheren Maschinen“ und „Vereinbarkeit von Hygiene und Maschinensicherheit“. Die Ergebnisse daraus wurden im „Mannheimer Memorandum“ (zu finden unter www.bgn.de) festgehalten. Es enthält sechs Grundsätze zur Manipulationsvermeidung mit dem Ziel „Null Manipulation“.
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