„In der Bauwirtschaft gibt es besondere gesundheitliche Risiken. So beenden viele Beschäftigte krankheitsbedingt das Arbeitsleben, bevor sie die Rentenzeit erreicht haben“, so Jutta Vestring, Vizepräsidentin der Sektion Bau der Internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit (IVSS) und Mitglied der Geschäftsführung der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft bei einem Symposium der IVSS kürzlich in Brüssel. Doch wie können und sollten Verantwortliche handeln?
BG BAU Herrn Thomas Lucks Hungener Straße 6 60389 Frankfurt am Main
In Bauberufen blieb in den vergangenen Jahren nur knapp ein Drittel der Beschäftigten zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr im Arbeitsprozess. Bei allen anderen Berufen waren es im Durchschnitt 44 Prozent“, erläuterte Bernd Hartmann, Leitender Arzt der Region Hamburg des Arbeitsmedizinischen Dienstes (AMD) der BG Bau. Aus gesundheitlichen Gründen müsste am Bau ein Viertel aller Arbeitskräfte ihre Berufe aufgeben.
In manchen Berufen der Baubranche sei die Zahl noch höher. So treten zum Beispiel 48 Prozent der Dachdecker und 46 Prozent der Gerüstbauer vorzeitig wegen Erwerbsunfähigkeit in die Rente ein, so Hartmann. Wie Vorsorge-Untersuchungen des AMD belegen, nehmen im Lauf des Arbeitslebens besonders Muskel- und Skeletterkrankungen, Herz- und Kreislaufprobleme sowie Erkrankungen der Atemwege zu.
Damit die Beschäftigten länger beruflich fit bleiben und weil der Bau auf Grund der Bevölkerungsentwicklung weniger Nachwuchs findet, gewinnt vorsorgender Gesundheitsschutz an Bedeutung. „Bereits am Arbeitsplatz sollte damit durch den Einsatz ergonomisch verträglicher Arbeitsmittel begonnen werden: Beispiele sind vibrationsgedämpfte Abbruchhammer, Fahrersitze für Baumaschinenführer, die die körperliche Belastung durch Schwingungen erheblich mindern, Bordsteinversetzgeräte oder Arbeitsplatzmatten, die gegen Wärme und Kälte isolieren“, ergänzte Hartmann. Eine Übersicht nach Gewerbezweigen finden Unternehmen unter www.bgbau.de unter dem Suchbegriff „Ergonomie“.
Wichtig sind – auch schon bei jüngeren Berufstätigen – Sport und gesunde Ernährung. Für Ältere in belastenden Tätigkeiten könnte eine Lösung sein, berufsbezogene Ausdauer- und Entspannungstrainings fest in die Tages- und Wochenplanung einzubeziehen.
Umgang mit Gefahrstoffen
Die gewerbliche Wirtschaft arbeitet mit etwa 30.000 verschiedenen Gefahrstoffen, viele davon am Bau. Nur zu rund 100 Stoffen sind alle Eigenschaften bekannt! Bei allen anderen sind die Kenntnisse lückenhaft. „Das Ergebnis dieser Unkenntnis erleben wir täglich: Vergiftungen beim Abbeizen, Hautallergien durch Epoxidharze, Erkrankungen durch Lösemittel und vieles mehr. Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es in der deutschen Bauwirtschaft mehr Tote durch Berufskrankheiten auf Grund von Chemikalien als durch Arbeitsunfälle“, sagte Dr. Reinhold Rühl, Leiter des Zentralreferates Gefahrstoffe der BG Bau. Die EU hat deshalb die REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Autohorisation and Restriction of Chemicals) erlassen.
Für alle Stoffe, die in einer Menge von über 1.000 Tonnen produziert werden, sollen die Hersteller bis Dezember 2010 Daten vorlegen. Bei Stoffen bis zu 100 Tonnen haben sie Zeit bis 2013 und Stoffe mit Mengen über einer Tonne sind erst bis 2018 zu bewerten. Wegen der bisher schlechten Datenlage sind zahlreiche Studien zu toxikologischen Eigenschaften von Stoffen notwendig. Rühl: „REACH wird unsere Kenntnisse über Chemikalien revolutionieren.“
Produkte der Bau-Chemie verbreiten sich immer stärker. „Doch kommt es beim zunehmenden Einsatz von Bau-Chemikalien häufig zu schweren Unfällen oder Berufskrankheiten, weil besonders Beschäftigte aus dem Ausland die Hinweise nicht richtig verstehen“, erklärte Norbert Kluger, Leiter des Gefahrstoff-Informationssystems GISBAU der BG Bau. Grund: In der Bauwirtschaft ist traditionell ein hoher Anteil ausländischer Mitarbeiter beschäftigt, allein bei deutschen Baufirmen arbeiten im Schnitt über fünf Prozent. Dazu kommen zahlreiche ausländische Subunternehmen. „Gerade bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, zum Beispiel bei brennbaren und explosiven Gemischen, ist es jedoch wichtig, dass die Beschäftigten, Vorschriften und Hinweise beachten. Die Verantwortlichen der Baufirmen können für Schäden haftbar gemacht werden, die entstehen, weil Beschäftigte nicht sorgfältig geschult und informiert wurden“, so Kluger. Die Beschäftigten seien bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen über Gefahren, Schutzmaßnahmen und dem Verhalten im Gefahrenfall zu unterweisen.
Dabei sei zu beachten, dass 75 Prozent aller Unternehmen Kleinbetriebe sind, in denen zumeist kein chemischer oder toxikologischer Sachverstand vorhanden ist. Eine Lösung sind die Betriebsanweisungen von GISBAU. Kluger: „Hier werden verständliche Informationen in 15 Sprachen zum Umgang mit gefährlichen Arbeitsstoffen zur Verfügung gestellt.“
Unter www.gisbau.de finden Unternehmen wichtige Hinweise zu allen Gefahrstoffgruppen und eine Datenbank zur Auswahl geeigneter Schutzmittel.
Einheitliche Kennzeichnung kommt
In manchen Fällen können Gefahrensymbole und Piktogramme helfen, Sprachprobleme zu überwinden. Doch Symbole und Bewertungen der Gefahrstoffe waren bisher von Land zu Land unterschiedlich. Mit dem von den Vereinten Nationen geschaffenen Global Harmonisierten System (GHS) werde es eine weltweit einheitliche Einstufung und Kennzeichnung für alle Branchen geben. Sie soll den internationalen Handel erleichtern.
Für reine Stoffe wie Aceton oder Toluol muss die Umstellung auf die neue Kennzeichnung spätestens am 1. Dezember 2010 abgeschlossen sein. Auf dem Bau häufigere Stoffgemische wie Kleber, Farben, Lacke, zementhaltige Produkte oder Reinigungsmittel sind bis zum 1. Juni 2015 nach GHS zu kennzeichnen. Den Unternehmen rät die BG BAU die langen Übergangsfristen zu nutzen, um schon weit vor 2015 umzulernen und ihr Gefahrstoffverzeichnisse, Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen zu ändern.
Weitere Informationen:
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