Unter dem Begriff thermische Unfälle werden alle Notfälle zusammengefasst, deren Ursache extrem hohe bzw. niedrige Temperaturen sind. Was sind jeweils Merkmale von Verbrennungen und Erfrierungen, und was muss bei der Ersten-Hilfe beachtet werden?
Steffen Pluntke
Durch verschiedene Regulationsmechanismen liegt die normale Körpertemperatur des Menschen zwischen 36,5° C und 37,5° C. Die Haut fungiert in diesem Prozess u.a. als Sensor und meldet die aktuelle Temperatur an das Gehirn. Neben erhöhten Außentemperaturen können vor allem im Winter auch Untertemperaturen Notfallbilder wie Unterkühlung und Erfrierung verursachen. Heiße Gegenstände oder Flüssigkeiten sind für Verbrennungen und Verbrühungen verantwortlich. Die Schwere der Schädigung steht dabei jeweils im Zusammenhang mit der Dauer und der Höhe der einwirkenden Temperatur sowie der Größe der betroffenen Hautfläche.
Unterkühlung
Als Unterkühlung bezeichnet man die Absenkung der Körperkerntemperatur unter 36° C. Dies tritt vor allem dann ein, wenn die Wärmeabgabe über einen längeren Zeitraum größer ist als die Wärmeproduktion. Häufig anzutreffende Ursachen sind:
- nicht geeignete Kleidung bei kalter Witterung
- Aufenthalt im kalten Wasser
- gestörte Temperaturregulation des Körpers
- vermehrte Wärmeabstrahlung durch Alkoholkonsum
- Bewusstlosigkeit in kalter Umgebung
- Schock
Erkennungsmerkmale
Das Bild der Unterkühlung ist nicht immer einheitlich, sondern richtet sich nach dem Ausmaß der Auskühlung. Im Allgemeinen wird die Unterkühlung für den Ersthelfer in zwei Stadien eingeteilt:
- Während einer beginnenden Auskühlung versucht der Körper zunächst ein fortschreitendes Absinken der Temperatur zu verhindern. Dazu reduziert er die Durchblutung der Haut. So gelangt weniger Blut bzw. Wärme in die Körperschale und kann demzufolge weniger stark an die Umgebung abgegeben werden. Die Haut ist blass und kalt; die Lippen sind blau. Der Körper versucht durch heftiges Kältezittern und eine Steigerung der Stoffwechselvorgänge ein weiteres Abfallen der Temperatur zu verhindern. Um den erhöhten Sauerstoffbedarf zu decken, atmet der Betroffene schnell und tief. Speziell die unterkühlten Gliedmaßen werden als schmerzend wahrgenommen. Diese Phase wird als Abwehrstadium bezeichnet.
- Kühlt der Körper weiterhin aus, hört das Kältezittern auf und die Muskeln werden starr. Man spricht in dieser zweiten Phase vom sog. Erschöpfungs- bzw. Lähmungsstadium. Die Atmung wird immer flacher und langsamer. Die Schmerzempfindung lässt nach, der Unterkühlte wird teilnahmsloser und nähert sich einer unüberwindlichen Schlafneigung. Es kommt zur Bewusstlosigkeit. Wirkt die Kälte weiterhin ein, droht das Versagen der vitalen Funktionen.
Erstversorgung
Primäre Hilfsmaßnahme muss das Verhindern weiterer Kälteeinwirkung sein. Entfernen Sie beispielsweise durchnässte Kleidung am besten an einem windstillen Ort und decken sie den Unterkühlten mit einer Decke ein. Bei einer leichten Unterkühlung ist in der Regel keine aktive Erwärmung (warm reiben, direkte Wärmezufuhr) erforderlich. Ist der Betroffene bei Bewusstsein, geben sie ihm warme, gezuckerte Getränke. Der Zuckergehalt sichert eine rasche Verwertung der benötigten Energie.
Bei schweren Unterkühlungen dürfen sie den Betroffenen keinesfalls langsam von außen aufwärmen. Durch die plötzliche Wärmezufuhr erweitern sich die Blutgefäße der Haut schlagartig, sodass im gleichen Maße Muskeln und Haut wieder durchblutet werden. Das kalte Blut der Körperschale kann in den Körperkern zurückfließen und sich mit dem noch relativ warmen Kernblut vermischen. Dies führt unweigerlich zum weiteren Absinken der Körperkerntemperatur, im akuten Fall zum Kreislaufversagen. Dieses Phänomen ist vor allem aus der Bergrettung von Lawinenopfern bekannt. Aus dem geschilderten Grund ist ein stark Unterkühlter weder aktiv noch passiv zu bewegen. Selbst das Massieren von Extremitäten ist nicht erlaubt, da sich die Blutgefäße auch hierdurch weiten. Bei liegenden Unterkühlten kann der Boden aufgrund seiner Beschaffenheit ebenfalls wärmeableitend sein. Bringen sie daher die Decke bei leicht unterkühlten Betroffenen auch unter den Körper.
Praxis: Unterlegen einer Decke
- 1. Drehen Sie den Betroffenen zur Seite und legen sie eine aufgerollte Decke an seine Körperrückseite (Abb. 1).
- 2. Fassen Sie an Schulter und Hüfte an und drehen Sie ihn über den Deckenwulst auf die andere Seite (Abb. 2).
- 3. Nun können Sie die Decke komplett ausrollen, den Betroffenen auf den Rücken legen und ihn zudecken.
Bei stark frierenden Personen darf diese Technik nicht zur Anwendung kommen, da allein durch die passiven Bewegungen wiederum das kalte Blut vermehrt in den Kern eintritt. Informieren Sie generell den Rettungsdienst. Zum Schutz vor weiterer Kälteeinwirkung können Sie genauso die Rettungsdecke/ ‑folie nutzen (Abb. 3).
Erfrierungen
Ist bei einer Unterkühlung der gesamte Körper betroffen, handelt es sich bei Erfrierungen um lokale Schädigungen des Gewebes. Häufig betroffen sind schlecht durchblutete und durch wenig Bindegewebe bzw. Muskeln geschützte Körperspitzen, bei denen eine relativ große Oberfläche der Kälte ausgesetzt ist. Finger, Zehen, Nase, Kinn und Ohren sind immer wieder betroffene Körperteile. Infolge der Kälte ziehen sich die Blutgefäße zusammen und verringern die Durchblutung. Vor allem enge Bekleidung und Feuchtigkeit forcieren diesen Prozess, da entweder eine isolierende Luftschicht fehlt oder Feuchtigkeit den Wärmeaustausch begünstigt.
Im Vorstadium einer Erfrierung kommt es zu Frostgefühl, Prickeln und pelzigem Gefühl in den betroffenen Körperarealen. Ob jedoch eine tatsächliche Erfrierung vorliegt, kann wegen der fließenden Übergänge nicht immer ohne weiteres festgestellt werden (Tab. 1).
Die Hauptgefahr liegt bei Erfrierungen im unwiderruflichen Absterben des Körperteils. Als Barriere dient die Haut als Schutz vor Bakterien, Keimen etc. Diese Funktion kann sie in dem betroffenen Areal nicht mehr (effektiv) ausführen – es drohen Infektionen.
Erstversorgung
Geht die Erfrierung mit einer Unterkühlung einher, hat zunächst immer der Erhalt der Vitalfunktionen Priorität. Ansonsten gilt auch hier: Betroffenen an einen warmen Ort bringen. Bei Erfrierungen geringeren Grades sind eng anliegende Bekleidungsstücke oder Schuhe zu lockern bzw. zu entfernen, da Druck auf die erfrorenen Gebiete die Durchblutung weiter einschränkt. Wegen der Infektionsgefahr sind die erfrorenen Hautstellen mit geeigneten Verbandmaterialien steril abzudecken. Zweckmäßiger Weise können Sie dazu ein Brandwundenverbandpäckchen bzw. ‑tuch nehmen. Achten Sie bei einer Lagerung darauf, dass die betroffenen Hautpartien/ Extremitäten druckfrei liegen, so dass keine Druckschäden entstehen. Blasen dürfen nicht geöffnet werden. Setzen Sie den Notruf ab. Sowohl bei Unterkühlung als auch Erfrierung sind Alkohol sowie Nikotin nicht erlaubt.
Verbrennungen und Verbrühungen
Brandwunden entstehen oftmals durch die unmittelbare Einwirkung von Feuer oder durch den Kontakt mit heißen Gegenständen. Aber auch elektrischer Strom, mechanische Reibung, Strahlung und heiße Gase verursachen regelmäßig Verbrennungen. Die Haupttodesursache bei Bränden sind jedoch weniger die Brandverletzungen als die Vergiftung mit Verbrennungsgasen – allen voran Kohlenmonoxid. Analog sind bei Verbrühungen heiße Flüssigkeiten für die Schädigung verantwortlich.
Erkennungsmerkmale
Verbrennungen sind für den Laien leicht zu erkennen. Ihre Merkmale variieren in Abhängigkeit von ihrer Schwere (Tab. 1).
Das Ausmaß einer Verbrennung kann auf zwei Wegen abgeschätzt werden:
- Handflächenregel: Die Handfläche des Betroffenen macht ca. 1% seiner Körperoberfläche aus.
- Neunerregel: Kopf (9%), Rumpf vorn (18%), Rumpf hinten (18%), Arm links (9%), Arm rechts (9%), Bein links (18%), Bein rechts (18%) – Angaben bezogen auf die Körperoberfläche eines Erwachsenen; für Kinder gelten abweichende Prozentsätze.
Erstversorgung
Neben dem Eigenschutz hat die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen Vorrang. Als erstes muss die Einwirkung der Hitze unterbrochen werden; ggf. sind Körperbrände zu löschen. Nicht festgebrannte Kleidung wird entfernt. Zur Schmerzbekämpfung, Abkühlung der Verbrennungswunde sowie Verringerung des Infektionsrisikos ist die Brandfläche idealerweise permanent mit fließendem kaltem Wasser zu begießen. Speziell bei ausgedehnten Brandwunden müssen Sie darauf achten, dass aufgrund der vorliegenden Schocksymptomatik und dem damit verbundenen Frieren durch die Kaltwasseranwendung keine Unterkühlung stattfindet.
Kühlen Sie deswegen so nur maximal 15 bis 20 Minuten. Haben Sie kein fließendes Wasser zur Verfügung, können Sie die Wunde auch mit Tüchern abtupfen, die mit Mineralwasser benetzt wurden. Zum Schutz vor Infektionen sind die meist großflächigen Wundbereiche mit dafür geeigneten Verbandtüchern locker abzudecken.
Verbandtücher für Verbrennungen haben eine metalline Schicht und können so nicht mit der Verletzung verkleben. Friert der Betroffene, decken Sie ihn am besten mit der Rettungsfolie zu. Sie ist nicht nur leicht, sondern kann ebenfalls nicht mit der Wunde verkleben. Bei Vorliegen der Schocksymptome dürfen Sie die Schocklagerung (Beine nach oben) nicht vergessen. Im Falle von Atemnot durch Inhalation von giftigen Gasen, ist ein bewusstseinsklarer Betroffener mit leicht erhöhtem Oberkörper zu lagern, um die Atmung zu erleichtern.
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