Auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit beobachten Sie aus Ihrem PKW heraus einen Unfall, bei dem ein Motorradfahrer auf der nassen Fahrbahn gestürzt ist und regungslos am Boden liegen bleibt. Sie halten an und wollen helfen, doch wissen nicht so recht, was genau zu tun ist. So oder in ähnlicher Weise stehen Ersthelfer vor verunfallten Zweiradfahrern und wissen nicht weiter. Daher steht zum Abschluss der Ersthelferreihe die Frage „Helm ab?“ im Mittelpunkt.
Herrn Steffen Pluntke Otto-Hahn-Ring 9 14480 Potsdam
Sehr häufig haben Ersthelfer aufgrund der speziellen Situation Angst, einen falschen Handgriff zu machen, der dem Betroffenen vielleicht sogar noch mehr Schaden zufügt. Es handelt sich hierbei zwar nicht auf den ersten Blick um arbeitsschutzspezifische Erste Hilfe-Maßnahmen, doch bestimmte Berufsgruppen (u.a. Kraftfahrer) sind nicht selten potenzielle Ersthelfer, die dann die einschlägigen Hilfsmaßnahmen beherrschen müssen. Aber auch auf Dienstfahrten und beim regelmäßigen Pendelverkehr kann dieses Wissen lebensrettend sein.
Helme für Zweiradfahrer gibt es in unzähligen Formen und Farben, für Radfahrer über Mopedfahrer bis hin zum professionellen Helm für den Motorradsport, doch der Zweck ist immer derselbe, nämlich der Kopfschutz des Betroffenen im Falle eines Sturzes bzw. Zusammenpralls. Im Gegensatz zur Fahrgastkabine eines Autofahrers verfügt ein Motorradfahrer weder über eine Knautschzone noch über Airbags, die die Wucht des Aufpralls reduzieren. Den Zweiradfahrer treffen die Risiken des Fahrens hierbei in besonderer Weise.
Die auf dem Markt verfügbaren Helme unterliegen Standards und bieten den aus heutiger Sicht bestmöglichen Schutz vor Kopfverletzungen. Insofern sind stark blutende Kopfwunden in der Regel selten anzutreffen. Aber auch mit einem Kopfschutz können innere Schädigungen wie Gehirnerschütterungen oder gar Hirnblutungen auch bereits bei minderschweren Unfällen auftreten. Darüber hinaus ist bei einem Unfall nicht nur der Kopf betroffen, sondern der gesamte Körper. Inwieweit hierbei weitere (schwere) Verletzungen auftreten, hängt ebenso von der Unfallmechanik beziehungsweise der verwendeten Schutzausrüstung ab. Das Spektrum der Verletzungen reicht von Prellungen, Verstauchungen über Verbrennungen, Schürfwunden bis hin zu Frakturen, Wirbelsäulenverletzungen und Bewusstlosigkeit.
In manchen Fällen besser
In dem vorgestellten Fallbeispiel liegt der Zweiradfahrer regungslos auf dem Boden. Daraus können sich zwei unterschiedliche Notfallsituationen ergeben: Entweder der Betroffene ist bewusstlos oder es liegt Kreislaufstillstand vor. Welche Situation gegeben ist, muss der Helfer vor Ort durch eine Überprüfung der Lebenszeichen (Bewusstsein und Atmung) ermitteln. Da bei einem Kreislaufstillstand ebenso die Atemspende durchzuführen ist, muss der Helm abgenommen werden. Nur so kann der Helfer zur Beatmung an Mund oder Nase gelangen. Allein das Hochklappen des Visiers ist für die Beatmung nicht ausreichend. Für viele Helfer sind diese Vorgehensweise und die Begründung der Helmabnahme noch nachvollziehbar. Schwieriger wird es, wenn der Betroffene noch eine sichtbare Atmung aufweist und er „nur“ bewusstlos ist.
Lange Zeit war die Helmabnahme professionellen Rettern vorbehalten, da man Verletzungen der Halswirbelsäule in jedem Fall als gegeben ansah und zusätzliche Schäden durch Laienhelfer vermeiden wollte. Aus diesem Grund fand man auf den Helmen oftmals Aufkleber, die auf diesen Umstand hinwiesen. Die Praxis zeigt allerdings, dass für viele Betroffene die Folgen der Bewusstlosigkeit zur Lebensgefahr wurden. Viele Personen verstarben bereits vor dem Eintreffen der Rettungskräfte.
Der Verlust des Bewusstseins geht einher mit dem Verlust der Schutzreflexe. Bei einem bewusstlosen Zweiradfahrer kann es unfallbedingt zu Blutungen bzw. Verlegungen im Mundraum kommen (bspw. Zungenbiss, Zahnabbruch). Aber auch Speichel und Erbrochenes können zur tödlichen Falle werden, da die genannten Flüssigkeiten/Fremdkörper nicht abfließen können und sich so im Helm ansammeln. Mund und Nase sind bei bestimmten Helmarten hinter einem relativ eng anliegenden, breiten Gesichtsschutz verborgen. Das Öffnen des Visiers ermöglicht deshalb den Abfluss der Flüssigkeiten nicht. Adäquate Hilfe bietet nur die Helmabnahme, da so die Flüssigkeiten ablaufen können. Die permanente Sicherung der Atmung durch Freihaltung der Atemwege wird nur durch die Anwendung der stabilen Seitenlage ermöglicht. Daher ist unmittelbar nach Entfernen des Helmes die Seitenlage durchzuführen. Die Aufrechterhaltung der Atmung wird sowohl durch die Helmabnahme als auch durch die Seitenlage gewährleistet. Ohne Helmabnahme besteht bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes akute Erstickungsgefahr.
Helmabnahme – aber wie?
Schwachpunkt einer jeglichen Helmabnahme ist die Halswirbelsäule. Hier ist besondere Vorsicht geboten, da derartige Verletzungen bei Zweiradfahrern nie ausgeschlossen werden können.
Durch eine vorsichtige Abnahme des Kopfschutzes wird in der Regel aber keine Verschlechterung der Stabilität der Halswirbelsäule herbeigeführt. Derartige Ängste der Ersthelfer sind unbegründet.
Um die Halswirbelsäule während der Helmabnahme optimal zu stabilisieren, empfiehlt es sich, die Helmabnahme durch zwei Helfer durchführen zu lassen.
- 1. Nach dem sie festgestellt haben, dass der Betroffene bewusstlos ist, kniet sich Helfer 1 hinter den Kopf des Betroffenen und Helfer 2 seitlich neben den Oberkörper.
- 2. Helfer 1 umfasst Helm bzw. Kinn des Betroffenen und zieht den Kopf ganz leicht zu sich, um so die Halswirbelsäule zu stabilisieren.
- 3. Helfer 2 öffnet das Visier und nimmt eine gegebenenfalls vorhandene Brille ab (siehe Abb. 1).
- 4. Öffnen Sie anschließend den Kinnverschluss. Helfer 1 behält den leichten Zug des Kopfes bei.
- 5. Helfer 2 fasst nun entlang des Halses vorsichtig in die Helmkammer und übernimmt damit die Stabilisierungder Halswirbelsäule (siehe Abb. 2). Weildie Schutzhelme eng anliegen, ist das seitliche Hineingreifen in den Helm nicht sehr einfach. Beim Abziehen muss der Ersthelfer dabei immer leicht nachfassen.
- 6. Helfer 1 zieht den Helm nun langsam ab, wobei der Helm leicht auseinander zu ziehen ist. Während Helfer 1 den Helm langsam abzieht, muss Helfer 2 auf-passen, dass der Kopf, nach Entfernen des Helmes, nicht zu Boden fällt (siehe Abb. 3). Die Daumen liegen dabei an den Kopfseiten an, um die Stabilität und Grifffestigkeit zu erhöhen.
- 7. Nach Abnahme des Helmes übernimmt Helfer 1 die Streckung des Kopfes, um Helfer 2 die Vorbereitung der Seitenlage zu ermöglichen (siehe Abb. 4).
- 8. Zum Schluss drehen beide Helfer den Verletzten in die stabile Seitenlage, wobei Körper und Kopf gleichzeitig (vorsichtig!) in die vorherbestimmte Richtung gedreht werden.
Sollte im Ausnahmefall nur ein Ersthelfer für die Helmabnahme zur Verfügung stehen, muss dieser den Kopfschutz auch allein abnehmen. Darüber hinaus sind der Notruf abzusetzen und ggf. weitere Verletzungen zu versorgen.
Um die dargestellten Maßnahmen auch im Ernstfall effektiv anwenden zu können, ist eine intensive praktische Übung erforderlich.
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