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Her mit dem Stress!

Psychische Beanspruchung und Belastung
Her mit dem Stress!

Stress kann pos­i­tiv sein. Anforderun­gen kön­nen aktivieren und Erfol­gser­leb­nisse ver­mit­teln. Aber nur, wenn der Mitar­beit­er sie bewälti­gen kann. Lei­det er über län­gere Zeit darunter, dass Auf­gaben für ihn zu hoch sind oder etwa zu großer Zeit­druck auf ihm lastet, dann schadet Stress. Sicher­heits­beauf­tragte soll­ten darauf acht­en und frühzeit­ig darauf hinweisen.

Dipl.-Psych. Son­ja Wittmann

Jet­zt fängt er wieder an, der Wei­h­nachtsstress! Auch für Frau Schmitz ist in der Adventszeit einiges los. In den vier Wochen will sie Geschenke für ihre Fam­i­lie und Fre­unde find­en. In der Schule ihrer Kinder find­en Wei­h­nachts­feiern und Proben für ein Wei­h­nachtsmu­si­cal statt, bei dem die Eltern mithelfen. Auch in ihrer Dien­st­stelle gibt es eine Advents­feier, gle­ichzeit­ig laufen alle Vor­bere­itun­gen für den Jahresab­schluss auf Hoch­touren. Der Wei­h­nachts­markt bietet eine gute Gele­gen­heit, Bekan­nte zu tre­f­fen, die man sel­ten sieht und natür­lich will sie auch Plätzchen back­en, Wei­h­nacht­spost schreiben und die Woh­nung wei­h­nachtlich deko­ri­eren. Abends fällt Frau Schmitz sehr müde ins Bett und denkt sich mit einem zufriede­nen Lächeln im Gesicht: „Was für ein stres­siger Tag, gut, wenn Wei­h­nacht­en vor­bei ist!“

Positiver oder negativer Stress

Halt! Darf Frau Schmitz von Stress reden, wenn sie dabei lächelt? In der Tat haben es sich viele von uns angeeignet, von Stress zu reden, wenn sie damit eine Zeit ver­mehrter, pos­i­tiv­er Aktiv­itäten meinen. Sie ken­nen vielle­icht den Begriff „pos­i­tiv­er Stress“ oder „Eustress“ aus der Psy­cholo­gie. Würde Frau Schmitz nicht mehr lächeln und im Gegen­teil dazu vor lauter Sor­gen, ob sie die richti­gen Geschenke gekauft und nichts bei dem Jahresab­schluss überse­hen hat, nicht mehr schlafen kön­nen, dann stünde sie unter neg­a­tivem Stress oder „Dis­tress“.
Damit kom­men wir zu ein­er wichti­gen Erken­nt­nis: Wie wir bes­timmte Sit­u­a­tio­nen erleben ist indi­vidu­ell unter­schiedlich. Die einen freuen sich über die Wei­h­nacht­szeit, den anderen ist sie ein Graus. Im arbeitswis­senschaftlichen Sinne spricht man davon, wie jemand beansprucht ist. Nach der Norm DIN EN ISO 10075 ver­ste­ht man unter Beanspruchung die unmit­tel­bare, nicht langfristige Auswirkung von Sit­u­a­tio­nen und ihren Anforderun­gen im einzel­nen Men­schen. Bezo­gen auf die Arbeit sind Gefühlszustände wie Aktiviertheit, Wach­heit und Zufrieden­heit pos­i­tive Beanspruchun­gen. Müdigkeit, Langeweile oder Erschöp­fung kennze­ich­nen neg­a­tive Beanspruchung.

Innere und äußere Faktoren

Wovon hängt die Wirkungsweise ab? Zum einen von indi­vidu­ellen Merk­malen wie Qual­i­fika­tion, Beruf­ser­fahrung oder der eige­nen Ein­stel­lung zu Arbeitssi­t­u­a­tio­nen. Zum anderen davon, wie Sit­u­a­tio­nen oder Anforderun­gen, die jede Arbeit­stätigkeit mit sich bringt, gestal­tet sind.
Bleiben wir bei Frau Schmitz. Sie ist mit weit­eren zwei Kol­legin­nen im fün­ften Jahr in Folge für den Jahresab­schluss ver­ant­wortlich. Sie hat in den ver­gan­genen Jahren ihre Erfas­sungsrou­ti­nen mit der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Soft­ware entwick­elt und ken­nt die Per­so­n­en, die sie um Dat­en ansprechen muss. Dem Abschlusster­min sieht sie daher aufmerk­sam, aber gelassen ent­ge­gen. Sie erin­nert sich jedoch noch genau an den ersten Jahresab­schluss, den sie im Team mit der erst neu einge­führten Soft­ware erstellen mussten. Es war viel konzep­tionelle Arbeit notwendig und es wur­den etliche Über­stun­den fäl­lig, da nicht alles sofort funk­tion­ierte und der Ter­min einge­hal­ten wer­den musste. Trotz­dem emp­fand sie diese Zeit auch als inter­es­sant. Sie ist eine Per­son, die gerne etwas Neues aus­pro­biert. Wür­den ihre Kol­legin­nen dieses Jahr aus­fall­en oder sie bekäme in der Phase des Jahresab­schlusses zusät­zliche Auf­gaben, hätte sie trotz aller Rou­tine neg­a­tiv­en Stress: Die Arbeits­menge und der Zeit­druck wären dann auch für sie sehr groß.

Langfristiger Stress schadet

Ein Merk­mal der psy­chis­chen Beanspruchung ist: Sie ist kurzfristig. Das ist vor allem bei der neg­a­tiv­en Beanspruchung wichtig. Das heißt, dass man sie aufheben bzw. aus­gle­ichen kann. Langeweile ver­schwindet mit neuen Auf­gaben, Erhol­ung und Pausen sind notwendig bei Müdigkeit und Erschöp­fung. Momen­tane Unzufrieden­heit lässt sich in einem klären­den Gespräch auflösen. Sind Per­so­n­en über einen lan­gen Zeitraum hin­weg neg­a­tiv beansprucht, dann kann es zu langfristi­gen neg­a­tiv­en Beanspruchungs­fol­gen kom­men, die schw­er zu beheben sind wie beispiel­sweise innere Kündi­gung oder Burnout. Es kann sog­ar bis zur Ver­ren­tung wegen ver­min­dert­er Erwerb­stätigkeit auf­grund Psy­chis­ch­er und Ver­hal­tensstörun­gen gehen. Laut der Deutschen Renten­ver­sicherung Bund lag im Jahr 2000 der Anteil der Renten­zugänge wegen dieser Diag­nose bei 18 %, im Jahr 2010 waren es bere­its 39 %. Für Sie als Sicher­heits­beauf­tragter ist es sin­nvoll, bere­its auf frühe Anze­ichen neg­a­tiv­er Beanspruchung zu acht­en und darauf hinzuweisen (siehe Kas­ten auf S. 21).
Die Ursachen von Beanspruchung sind in der psy­chis­chen Belas­tung zu find­en. Damit ist gemäß der DIN EN ISO 10075 die Gesamtheit aller erfass­baren Ein­flüsse, die von außen auf den Men­schen zukom­men und psy­chisch auf ihn ein­wirken, gemeint (siehe Kas­ten rechts). Ein­flüsse während der Arbeit sind beispielsweise:
  • Lärm, der das Gehör und die Konzen­tra­tionsleis­tung beeinflusst,
  • Zeitvor­gabe, inner­halb der­er eine Arbeit­sauf­gabe erledigt wer­den muss,
  • Ver­ant­wor­tung, die eine Tätigkeit mit sich bringt wie die Ver­ant­wor­tung für den Erfolg von Pro­jek­ten oder für den Schutz und die Pflege von Personen,
  • Führungsstil, der im Betrieb gepflegt wird.

Wenn das Herz schneller schlägt

Die psy­chis­che Ein­wirkung geschieht über die Sin­nesor­gane in unser Ner­ven­sys­tem und Gehirn und bee­in­flusst unser Denken, Erleben und Ver­hal­ten. In Sekun­den­schnelle gle­ichen wir gedanklich ab, ob die Anforderun­gen aus der Arbeit uns über- oder unter­fordern. Dabei prüfen wir, welche Unter­stützung und Ressourcen wir zur Ver­fü­gung haben.
Sind wir als Erzieherin der Ver­ant­wor­tung für eine Gruppe von 20 Kindern für den Aus­flug gewach­sen? Eher nein. Die Gruppe ist sehr groß. Das eigene Herz begin­nt schneller zu klopfen. Ste­ht eventuell noch eine weit­ere Kol­le­gin zur Ver­fü­gung? Dann eher ja. Die Auf­gaben kön­nen geteilt wer­den. Der Herz­schlag beruhigt sich wieder. Ein Vater kommt noch mit? Pri­ma, dann kann es los gehen.

Ist die Anforderung angemessen?

In dem Beispiel der Erzieherin wird auch für Außen­ste­hende klar, dass 20 Kinder für eine Auf­sichtsper­son bei einem Aus­flug zu viel sind. Auch andere Anforderun­gen, die eine Arbeit­stätigkeit mit sich bringt, kön­nen objek­tiv dahinge­hend beurteilt wer­den, ob sie angemessen sind. Ist die Route für die Wert­stoff­samm­lung in der vorgegebe­nen Zeit zu schaf­fen? Ist die Baustel­len­pla­nung auf der Auto­bahn real­is­tisch? Sind die Nacht- und Woch­enend­schicht­en im Kranken­haus gerecht auf alle im Team verteilt? Sind am Dien­stleis­tungsabend im Bürg­er­büro genü­gend Per­so­n­en an den Schal­tern eingeteilt?
Als Sicher­heits­beauf­tragter soll­ten Sie dafür ein Auge haben und zum Beispiel der Führungskraft oder im Arbeitss­chutzauss­chuss melden, wenn Ihnen etwas nicht mehr angemessen erscheint. Nur dann kann auch etwas geän­dert werden.
Die Sprachregelung der DIN-Norm hil­ft zu unter­schei­den, was Ursache (Psy­chis­che Belas­tung) und was Wirkung (Psy­chis­che Beanspruchung) ist (siehe Grafik). Weit­er­hin ver­weist sie darauf, dass neben den neg­a­tiv­en auch pos­i­tive Fol­gen möglich sind. Let­z­tendlich wäre das Arbeit­sleben ganz ohne Anforderun­gen lang­weilig. Durch die Auf­gaben, die wir erledi­gen, erfahren wir Sinn und tra­gen zu gemein­schaftlichen Auf­gaben bei. Durch neue Aufträge, Maschi­nen oder Soft­ware ler­nen wir. Das Miteinan­der mit Kol­legin­nen und Kol­le­gen, die Auseinan­der­set­zung mit Kun­den entwick­elt uns weit­er. Nach hek­tis­chen Zeit­en sind wir Stolz auf das, was wir geleis­tet haben. Damit sichert Arbeit psy­chis­che Bedürfnisse des Men­schen. Wenn also Stress pos­i­tiv und gut dosiert ist, lässt sich sagen: Her mit dem Stress!
Quellen:
Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin (Hrsg.), Psy­chis­che Belas­tung und Beanspruchung im Beruf­sleben: Erken­nen – Gestal­ten. 2006, 3. aktu­al­isierte Auflage, Dort­mund: Scholz-Druck, down­load unter www.baua.de
Deb­itz, U.; Gru­ber, H.; Richter, G; Wittmann, S. (2010): Psy­chis­che Fak­toren in der Gefährdungs­beurteilung. Teil 2 der Schriften­rei­he „Psy­chis­che Gesund­heit am Arbeit­splatz“. Bochum: InfoMediaVerlag.
Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung (Hrsg.): Fern­lehrgang Aus­bil­dung zur Fachkraft für Arbeitssicher­heit, Lek­tion 3 Gefährdungs­fak­toren und gesund­heits­fördernde Fak­toren, 2009.
Deutsche Renten­ver­sicherung Bund, Sta­tis­tik des Renten­zu­gangs unter www.gbe-bund.de, Gesund­heits­berichter­stat­tung des Bundes
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