In Großraumbüros und Callcentern ist eine Belästigung durch Lärm schon fast vorprogrammiert, falls keine Lärmschutzmaßnahmen eingeplant werden. Das Klingeln der Telefone, das Klappern der Tastaturen und vor allem die Sprache der benachbarten Mitarbeiter werden als Störfaktoren wahrgenommen und können Stressreaktionen verursachen. Die gegenseitige Geräuschbeeinträchtigung nennen Beschäftigte in Großraumbüros in der Regel als größtes Problem.
Dr. Jürgen H. Maue
Lärmbelastung wirkt sich auch auf die Leistung der Mitarbeiter (Produktivität, Fehlerrate) aus, und zwar umso mehr, je komplexer die zu bewältigenden Aufgaben sind. Darüber hinaus lässt sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Lärmbelastung und dem Krankenstand nachweisen.
Deshalb können sich Investitionen in den Lärmschutz durchaus auch wirtschaftlich auszahlen. Es gibt jedoch geeignete Maßnahmen, um Lärm zu mindern.
Rechtliche Vorgaben
Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) [1] macht bezüglich des Lärms die Aussage, dass der Schalldruckpegel in Arbeitsstätten so niedrig zu halten ist, wie es nach Art des Betriebes möglich ist. Da hier keine konkreten Pegelangaben genannt sind, muss der Arbeitgeber ermitteln, welche Lärmbelastungen nach dem Stand der Technik und unter Einbeziehung der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse bei unterschiedlichen Tätigkeiten zumutbar sind. Als Orientierungshilfe kann dabei die Richtlinie VDI 2058 Blatt 3 [2] dienen. Darin sind folgende Höchstwerte genannt, die nach Möglichkeit deutlich unterschritten werden sollten:
- 55 dB(A) – für überwiegend geistige Tätigkeiten
- 70 dB(A) – für einfache oder überwiegend mechanisierte Bürotätigkeiten.
Die Norm DIN EN ISO 11690–1 [3] nennt als Zielwerte deutlich niedrigere Schalldruckpegel:
- 35 bis 45 dB(A) für Tätigkeiten, die Konzentration erfordern
- 45 bis 55 dB(A) für routinemäßige Büroarbeit.
Darüber hinaus finden sich dort auch Angaben zu den einzuhaltenden Grundgeräuschpegeln und Empfehlungen zu Nachhallzeiten.
In der Richtlinie VDI 2569 „Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro“ [4] werden wie in der VDI 2058–3 Schalldruckpegel von 55 bzw. 70 dB(A) genannt. Außerdem werden die Hintergrundgeräuschpegel für haustechnische Anlagen (Lüftung, Klima, Heizung) angegeben, je nach Bürotyp und Tätigkeit mit Werten zwischen 30 und 45 dB(A). Dabei kann ein gewisser Grundgeräuschpegel durchaus erwünscht sein, um die Verständlichkeit für die Sprache an Nachbararbeitsplätzen zu verringern (informationshaltige Geräusche werden als stärker belästigend empfunden!).
Als umfassende Norm für die akustische Gestaltung von Räumen sei schließlich DIN 18041 „Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen“ [5] genannt. Zur Auslegung von Büroräumen enthält diese Norm eine Tabelle, aus der sich die Größe der schallabsorbierend zu belegenden Fläche in Abhängigkeit von der Grundfläche des Raumes und dem Absorptionsvermögen des eingesetzten Materials ablesen lässt. Wird beispielsweise ein zu 70 % absorbierendes Material eingesetzt (bewerteter Schallabsorptionsgrad aw = 0,7), so muss damit in einem Großraumbüro eine Fläche entsprechend der Grundfläche belegt werden. Für ein Callcenter müsste man bei diesem Material eine um 30 % größere Menge (1,3‑fache Grundfläche) einsetzen.
Da für die großflächige Belegung mit Absorptionsmaterial in Büros praktisch nur die Deckenfläche zur Verfügung steht, bedeutet das, dass übliche Büroräume in jedem Fall mit einer schallabsorbierenden Decke zu planen sind.
Lärmschutz durch Schallabsorption
Durch eine schallabsorbierende Gestaltung der Decken- und Wandflächen lassen sich pegelerhöhende Schallreflexionen vermeiden (siehe z.B. [6], [7]). Rein rechnerisch sind damit Pegelminderungen von ca. 3 bis 6 dB(A) zu erreichen. In der Praxis kann man vielfach höhere Pegelminderungen im Bereich von 8 dB(A) erzielen: Durch die raumakustischen Maßnahmen ergibt sich eine bessere Sprachverständlichkeit (geringere Nachhallzeit) und es kann leiser gesprochen werden.
Zusätzlich zur Deckenfläche kann man auch Teile der Wandflächen oder die Büromöbel schallabsorbierend gestalten. Verschiedene Lieferanten von Büromöbeln bieten z.B. Schränke oder Regale mit schallabsorbierenden Fronten oder Rückseiten an, ggf. auch zur Nachrüstung für vorhandene Möbel. Bild 1 zeigt ein Beispiel für ein mit entsprechenden Schränken eingerichtetes Büro. Einige neuere Studien berichten über eine deutliche Verbesserung der raumakustischen Situation durch die Einbringung von Breitband-Kompaktabsorbern [8]. Diese werden vorzugsweise in den Raumkanten („Kanten-Absorber“) angebracht oder in größeren Räumen in abschirmende Systemwände integriert.
Mit allen beschriebenen Maßnahmen zur Verbesserung der Schallabsorption der Raumbegrenzungsflächen kann man in größeren Büroräumen mittlere Schallpegelabnahmen je Abstandsverdopplung von vielleicht 5 oder 6 dB erreichen [4]. Bei einem Mehrpersonenbüro mit der heute üblichen Belegungsdichte und einem hohen Sprachanteil lässt sich damit allerdings der für geistig konzentrierte Tätigkeiten geforderte Schalldruckpegel von 55 dB(A) in der Regel nicht einhalten. Zur weiteren Pegelminderung sind dann ggf. geeignete Abschirmungen vorzusehen.
Lärmschutz durch Abschirmungen
Klassische Abschirmungen sind in Höhen von ca. 1,2 bis 1,6 m aufgebaut, wie das Beispiel in Bild 2 zeigt. Bei Kopf an Kopf angeordneten Schreibtischen empfiehlt sich die Abschirmung in Form von Tischaufsätzen. Die Abschirmungen sollten nicht nur eine ausreichende Schalldämmung von ca. 20 dB aufweisen, sondern auch schallabsorbierend wirken, um Schallpegelerhöhungen durch Schallreflexionen zu vermeiden. Lieferanten von entsprechenden Abschirmungen finden sich z.B. im Lärmschutz-Arbeitsblatt LSA 01–391 [6].
Generell gilt: Je höher die Abschirmung, umso größer die erreichbare Lärmminderung [8]. Die theoretisch erreichbaren Abschirmwirkungen von bis ca.10 dB sind in der Regel dadurch begrenzt, dass keine ausreichende Abschirmung zu seitlichen Arbeitsplätzen realisiert werden kann. Auch kann man von den vielfach bevorzugten niedrigen Abschirmungen von z.B. nur 1,2 m Höhe natürlich keine großen Erfolge erwarten, weil sitzende Personen mit ihren Köpfen noch darüber hinaus ragen. Höhere Abschirmungen werden oft abgelehnt, weil damit kein Blickkontakt zu den Nachbarn möglich ist und die Mitarbeiter sich isoliert fühlen.
Neben den beschriebenen Stellwänden bzw. Tischaufsätzen bietet es sich an, Schränke oder geschlossene Regale als Abschirmungen zu nutzen. Ein Beispiel dafür wurde bereits in Bild 1 mit schallabsorbierend ausgeführten Schrankflächen gezeigt. Innerhalb der so gebildeten Bereiche kann man z.B. zwei bis vier Schreibtische in einer Gruppe zusammenstellen.
Führt man den Gedanken der Aufteilung in kleine Gruppen und der wirksamen Abschirmung gegeneinander konsequent fort, kommt man zu der heute vielfach realisierten Bürolandschaft aus Glas-Akustik-Trennwandsystemen, wie das Beispiel im Bild 3 zeigt. Die Trennwände bestehen hier teils aus Glas, teils aus hochwirksamen Schallabsorbern und weisen große Höhen von ca. 2,5 m oder bis zur Decke des Raumes auf. Die Trennwände werden dabei so gegeneinander versetzt angeordnet, dass kein direkter Schalleinfall aus einem Bereich in den nächsten möglich ist. In den Raumkanten und an den Durchgängen befinden sich jeweils sogenannte Breitbandabsorber von ca. 2,5 m Höhe und 10 cm Dicke, um die Schallübertragung in den angrenzenden Bereich zu verringern. Zwischen den so abgeschirmten Bereichen sollten sich Abschirmwirkungen von mehr als 20 dB erreichen lassen.
Die hier beschriebene Büroform ist wohl letztlich nichts anderes als eine Aufteilung eines Großraumbüros in kleinere Zellen, wobei die eingesetzten Glasflächen für Transparenz sorgen. Es ist allerdings zu beachten, dass die Glasflächen stark reflektierend wirken und mit Problemen zu rechnen ist, falls keine ausreichende Schallabsorption durch die Decke und zusätzliche Absorberelemente realisiert wird.
Einplanen und nachbessern
Da in Großraumbüros der Lärm als Störfaktor eine große Rolle spielt, sollte man die Akustik bei der Planung entsprechender Arbeitsplätze von vornherein mit einbeziehen. Die Realisierung einer schallabsorbierenden Decke ist für Büroräume ein MUSS. Weitere Verbesserungen lassen sich durch zusätzliches Schallabsorptionsmaterial, z.B. an Wandflächen oder Möbeln, erreichen. An Büroarbeitsplätzen mit hohem Sprachanteil muss man bei der heute üblichen Belegungsdichte auch bei einer schallabsorbierend gestalteten Decke mit Schalldruckpegeln von mehr als 55 dB(A) rechnen. Falls hier überwiegend geistige Tätigkeiten verrichtet werden, sind deshalb zusätzlich Lärmminderungsmaßnahmen in Form von Abschirmungen notwendig.
IFA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
E‑Mail: juergen.maue@dguv.de
Literaturhinweise
[1] Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV vom 20. März 1975, BGBl. I, S. 729, ersetzt durch: Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV) vom 12. August 2004, BGBl. I, S. 2179, zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung v. 19. Juli 2010, BGBl. I, S. 960
[2] VDI 2058 Blatt 3: Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tätigkeiten. (Februar 1999)
[3] DIN EN ISO 11690–1: Akustik – Richtlinien für die Gestaltung lärmarmer maschinenbestückter Arbeitsstätten – Teil 1: Allgemeine Grundlagen. (Februar 1997)
[4] VDI 2569: Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro. (Januar 1990)
[5] DIN 18041: Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen. (Mai 2004)
[6] LSA 01–391: Geräuschminderung im Büro; Akustische Gestaltung von Call Centern; Anforderungen, Kennwerte, Empfehlungen, Materialien. BGI/GUV‑I 792–310, 2009
[7] Akustik im Büro; Hilfen für die akustische Gestaltung von Büros. VBG-Fachinformation BGI/GUV‑I 5141, 2011
[8] Fuchs, H.V. und J. Renz: Raumakustik für offene Bürolandschaften. Z. ARB. WISS. 3/2007, S. 161–172
[9] DIN EN ISO 17624: Akustik – Leitfaden für den Schallschutz in Büros und Arbeitsräumen durch Schallschirme. (März 2005)
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