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„Man lernt viel Neues“

Sicherheitsbeauftragte im Porträt
„Man lernt viel Neues“

Im Syn­the­se­be­trieb A1 bei Boehringer Ingel­heim ist man in punk­to Sicher­heit sehr aufmerk­sam. Der Besuch­er, der zwar direkt hin­ter der Ein­gangstür, aber im Gebäude tele­foniert, wird von einem vor­beik­om­menden Mitar­beit­er nach­drück­lich darauf hingewiesen, dass hier nur Ex-Handys erlaubt sind. Dieses Sicher­heits­be­wusst­sein wird auch durch Sicher­heits­beauf­tragte wie Thomas Har­tung und Necdet Kay­han geschärft.

Ver­e­na Manek

„Sicher­heit ist ober­stes The­ma bei uns“, betont Pro­duk­tion­sas­sis­tent Tim Baatz, Ver­ant­wortlich­er für Sicher­heit im Pro­duk­tions­be­trieb A1. „Man ist als Führungskraft immer betrof­fen, und will jeden Unfall ver­mei­den“. Der Syn­the­se­be­trieb A1 stellt Wirk­stoffe für den gesamten Fir­men­ver­band her, darunter auch viele Entwick­lung­spro­duk­te, die dann im Syn­the­se­be­trieb zum ersten Mal im großen Pro­duk­tion­s­maßstab hergestellt wer­den. Beim Launch wer­den die Ver­fahren unter Ein­hal­tung von Sicher­heit und Qual­ität mod­i­fiziert, um anschließend an die Pro­duk­tion­s­stan­dorte z.B. in Spanien, Ital­ien und Ameri­ka trans­feriert zu wer­den. Dies erfordert eine hohe Flex­i­bil­ität der Mitar­beit­er, spezielles Know how und beson­dere flex­i­ble Anla­gen. 40 bis 50 Pro­duk­t­stufen machen an den Anla­gen rund 40 bis 50 Rüst­prozesse im Jahr notwendig.
Der Pro­duk­tion­sprozess eines Wirk­stoffes bzw. ein­er Wirk­stof­fvorstufe ver­läuft über mehrere Reak­toren. In diese wer­den Rohstoffe einge­tra­gen und zur Reak­tion gebracht. Anschließend erfol­gen chemis­che und physikalis­che Aufar­beitungss­chritte. Es wer­den fast auss­chließlich Fest­stoffe hergestellt, die aus ein­er Kristall­sus­pen­sion abzen­trifugiert, getrock­net und abschließend abge­füllt und etiket­tiert werden.
Die Sicher­heits­maß­nah­men bei Boehringer Ingel­heim sind vor­bildlich. So wer­den Sub­stanzen, für die der Geset­zge­ber keine Gren­zw­erte fest­gelegt hat, nach dem Boehringer-Ingel­heim-Expo­sure-Lev­el von einem Experten­gremi­um in fünf Kat­e­gorien eingeteilt, woraus sich Schutz­maß­nah­men für den Umgang ableit­en lassen. Diese wer­den in Sicher­heits­daten­blät­tern und Betrieb­san­weisun­gen doku­men­tiert. Im Syn­the­se­be­trieb A1 geben Pro­tokolle für die Syn­these neben der Rei­hen­folge der Rohstoffe auch die Schutzaus­rüs­tung vor. Alle Rohstoffe wer­den vor dem Ein­satz in den Reak­tor ges­can­nt, dabei wird durch das Sys­tem über­prüft, ob sich der entsprechende Rohstoff auch am richti­gen Reak­tor befind­et und einge­tra­gen wer­den darf.
Beim Abpack­en im Erdgeschoss leit­en Pen­delschläuche entste­hende Stäube ab. Den Abfüll­raum, mit instal­liertem Tot-Mann-Meldesys­tem, darf nur betreten, wer ein Sauer­stoffmess­gerät mit­nimmt. Auch im Lager wird Sicher­heit groß geschrieben. Die benötigten Rohstoffe stellen auss­chließlich die Lager­mi­tar­beit­er bere­it, für alle anderen sind die Regale tabu.

Ansprechpartner für die Kollegen

Haben Sicher­heits­beauf­tragte hier über­haupt noch etwas zu tun? „Eigentliche Chemie­un­fälle passieren hier ganz wenige, es sind eher ver­hal­tens­be­d­ingte Unfälle, etwa durch Stolpern, Schnei­den oder Ver­heben“, sagt Thomas Har­tung. Der 29-jährige Chemikant arbeit­et seit 2006 bei Boehringer Ingel­heim und wurde vor einem Jahr als Sicher­heits­beauf­tragter bestellt. Jet­zt nahm er nach ein­er Schu­lung der BG-Chemie sein Amt auf. Etwas länger dabei ist sein Kol­lege Necdet Kay­han, 33 Jahre, als Chemikant seit 1996 bei Boehringer Ingel­heim und seit 2005 als Sicher­heits­beauf­tragter Ansprech­part­ner zum The­ma Sicher­heit für seine Kollegen.
Ins­ge­samt gibt es acht Sicher­heits­beauf­tragte im Syn­the­se­be­trieb A1, in dem rund 120 Mitar­beit­er im Vier-Schicht-Sys­tem arbeit­en. Pro Schicht mit 30 Mitar­beit­ern sind das zwei Sicherheitsbeauftragte.
Har­tung und Kay­han haben die Auf­gabe gerne über­nom­men. „Die Arbeit ist inter­es­sant und sin­nvoll“, meint Thomas Har­tung. „Es geht ja jeden etwas an und man lernt viel Neues“. Rund zwei bis drei Stun­den pro Woche bringt er dafür auf. Zu seinen fes­ten Auf­gaben gehört der wöchentliche Rundgang mit Sicher­heitscheck, bei dem Erste-Hil­fe-Ein­rich­tun­gen, Not­duschen, Not­fall­masken in Aufzü­gen usw. über­prüft wer­den. Zur Erste-Hil­fe-Aus­rüs­tung gehört auch eine Schere, um kon­t­a­minierte Klei­dung aufzuschnei­den und schnell vom Kör­p­er zu ent­fer­nen. Ein­mal im Monat führen die Sicher­heits­beauf­tragten in ihrer Schicht ein Sicher­heit­skurzge­spräch durch. Sie wirken dabei als Mod­er­a­toren, befra­gen alle, „was in bes­timmten Sit­u­a­tio­nen passieren kann“ und vor allem, wie man sich gegen die Gefahren schützen kann. The­ma­tisiert wer­den auch tage­sak­tuelle Unfälle oder Beina­he-Unfälle, die die betrof­fe­nen Mitar­beit­er kurz nach dem Geschehen noch sehr anschaulich schildern kön­nen. In den Woch­enen­drun­den, an denen alle Schicht­mi­tar­beit­er teil­nehmen, wird grund­sät­zlich als erster Tage­sor­d­nungspunkt das The­ma Sicher­heit disku­tiert. Die entsprechen­den The­men brin­gen die Sicher­heits­beauf­tragten aus dem eige­nen oder aus anderen Pro­duk­tions­bere­ichen mit.

„Der Ton macht die Musik“

Und natür­lich sprechen sie alle an, die sich nicht sicher­heits­gemäß ver­hal­ten. Helm und Schutzbrille tra­gen alle, meinen die bei­den Sicher­heits­beauf­tragten. An das Benutzen des Hand­laufs beim Trep­pen­steigen allerd­ings muss der ein- oder andere schon mal erin­nert wer­den. Unter Umstän­den sind das auch ältere, erfahrenere Kol­le­gen, die sich nicht unbe­d­ingt so gerne belehren lassen. Aber: „Wenn man sie in kol­le­gialem, fre­undlichem Ton anspricht, sehen sie ein, dass es notwendig ist“, meint Necdet Kay­han. Auch im Zwis­chen­men­schlichen habe er durch sein Amt dazugel­ernt, zum Beispiel fein­füh­liger auf Men­schen zuzuge­hen, denn „der Ton macht die Musik“.
Das The­ma Sicher­heit wird den Mitar­beit­ern im Syn­the­se­bere­ich A1 auf vielfältige Weise vor Augen geführt. So gibt es ein monatlich wech­sel­ndes Plakat mit Fotos – nachgestell­ten Sit­u­a­tio­nen – aus dem Betrieb, die zeigen, wie etwa ein Schutzanzug richtig geschlossen wird und welche Hand­schuhe ver­wen­det wer­den müssen. Im Aufen­thalt­sraum weist unter dem Mot­to „5 Minuten Sicher­heit“ eine Tafel auf Gefahren hin. Jed­er Mitar­beit­er bei Boehringer Ingel­heim nimmt außer­dem an einem halbtägi­gen Risikowahrnehmungstrain­ing teil.
Fällt dem Sicher­heits­beauf­tragten, oder einem anderen Mitar­beit­er, eine Gefahr auf, gibt es ver­schiedene Wege dies zu melden. „Man kann den Schicht­führer ansprechen oder eine „Sich­er ans Ziel“-Meldung machen“, erk­lärt Necdet Kay­han. Das Erfas­sungssys­tem „Sich­er ans Ziel“, in dem Beina­he-Unfälle doku­men­tiert wer­den, soll dazu beitra­gen, dass Mitar­beit­er aus Fehlern ler­nen. Erlebte Beina­he-Unfälle aller Art kön­nen gemeldet wer­den, bevor es beim näch­sten Mal tat­säch­lich zu einem Schaden kommt. Egal, über welchen Weg sie über­mit­telt wird, die Mel­dung trifft auf Res­o­nanz, Gefahren­quellen wer­den ent­fer­nt. Dies erfuhr Har­tung zum Beispiel, als er auf ein Prob­lem bei der Absaugung hin­wies, das dann beseit­igt wurde.
Das notwendi­ge Wis­sen bekom­men die bei­den Sicher­heits­beauf­tragten unter anderem in Schu­lun­gen der Beruf­sgenossen­schaft oder bei intern organ­isierten Sem­i­naren. So will sich Thomas Har­tung dem­nächst für den Auf­baukurs der BG-Chemie anmelden. Necdet Kay­han erwäh­nt die Aus­tauschsem­inare der BG, an denen Mitar­beit­er ver­schieden­er Chemie-Unternehmen teil­nehmen. Ins­ge­samt gibt es rund 200 Sicher­heits­beauf­tragte in Ingel­heim. Sie sind „Kol­le­gen unter Kol­le­gen“, aber auch die Schnittstelle zu den Sicher­heits­fachkräften. Im Arbeitss­chutzauss­chuss von Boehringer Ingel­heim ist aus jedem Geschäfts­führungs­bere­ich auch ein Sicher­heits­beauf­tragter vertreten.

Betriebsblindheit vermeiden

Um Betrieb­s­blind­heit zu ver­mei­den, gehen die Sicher­heits­beauf­tragten gele­gentlich in andere Unternehmens­bere­iche – und machen da auf Gefahren aufmerk­sam, die dor­ti­gen Mitar­beit­ern nicht aufge­fall­en sind.
Auf dem Laufend­en hal­ten sich Har­tung und Kay­han auch im Boehringer Ingel­heim-Intranet, wo es im Bere­ich Arbeitssicher­heit und Gesund­heitss­chutz viele Infor­ma­tio­nen und Links gibt, und Arbeit­sun­fälle, von deren Ken­nt­nis auch andere Bere­iche prof­i­tieren kön­nen, aufge­lis­tet sind. An alle Mitar­beit­er richtet sich das Mag­a­zin Men­sch und Umwelt, das vom Unternehmen selb­st her­aus­gegeben wird. In ihm bericht­en Fach­leute über aktuelle The­men aus dem Bere­ich Arbeitssicher­heit. Hier wer­den übri­gens auch die neuen Sicher­heits­beauf­tragten vorgestellt. Eine beson­dere „Beloh­nung“ für den Ein­satz sind gele­gentliche Exkur­sio­nen. So besichtigten die Sicher­heits­beauf­tragten kür­zlich eine Pro­duk­tion von Arbeit­shand­schuhen, und kon­nten dabei ihr Wis­sen über PSA erweitern.
In der näch­sten Zeit soll die Sicher­heit­skul­tur bei Boehringer Ingel­heim auf ein weit­eres Niveau mit dem Ziel „Null Unfälle“ gehoben wer­den. Dazu beitra­gen kön­nen auch engagierte Sicher­heits­beauf­tragte wie Thomas Har­tung oder Necdet Kay­han, die als Ver­mit­tler und Ansprech­part­ner in Sachen Arbeitss­chutz eine wichtige Funk­tion ausüben.
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