Die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) wurde durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 22. Dezember 2014 zuletzt aktualisiert. Dabei wurden vier neue Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen, die sich in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) befinden. In der vergangenen Ausgabe 5 dieser Zeitschrift haben wir uns bereits ausführlich mit weißem Haut- und Kehlkopfkrebs befasst. Zwei weitere neue Berufskrankheiten, das Carpaltunnel-Syndrom und das Hypothenar-Hammer-Syndrom, folgen in dieser Ausgabe – sie werden durch physikalische Einflussfaktoren wie Druck, Vibration oder Stöße ausgelöst.
Das Carpaltunnel-Syndrom
Unter der Ziffer 2113 führt die Liste der Berufskrankheiten das Carpaltunnel-Syndrom als Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen auf.
Beim Carpaltunnel-Syndrom (CTS, Medianus-Kompressions-Syndrom) ist ein Nerv im Handbereich, der Nervus me-dianus (Mittelnerv), geschädigt (siehe Abb. 1). Der Carpaltunnel (auch Carpalkanal genannt) ist der Raum zwischen den Handwurzelknochen und dem darüber liegendem Karpalband (Ligamentum carpi transversum). Durch diesen Kanal verlaufen verschiedene Sehnen und der Mittelnerv. Dieser Nerv ist für die Sensibilität des Daumens, Zeige- und zum Teil auch Mittelfingers zuständig. Außerdem ist er für die Steuerung bestimmter Hand- und Fingermuskeln verantwortlich.
Die Schädigung des Nervs führt zu Symptomen wie nächtlichem Kribbeln, Taubheitsgefühl im Bereich von Daumen bis Mittelfinger und Schmerzen im Handgelenk. Im späteren Stadium können auch Schmerzen beim Greifen auftreten oder es kommt zum Muskelabbau im Handballen.
Das Carpaltunnel-Syndrom kann auftreten als Folge von intensiven, sich ständig wiederholenden manuellen Tätigkeiten, bei denen die Hände im Handgelenk gebeugt oder gestreckt werden. Weitere Gefährdungen entstehen durch kraftvolles Greifen oder durch die Einwirkung von Hand-Arm-Schwingungen beispielsweise durch eine handgeführte Motorsäge oder einen Steinbohrer. Eine Kombination der genannten Faktoren steigert das Risiko einer Erkrankung. Letztlich führen diese Einwirkungen zu einer Druckerhöhung im relativ engen Carpaltunnel, die dann den Mittelnerv schädigen können.
Die höchsten Erkrankungsrisiken für CTS haben Arbeiter, die einer intensiven manuellen Belastung ausgesetzt sind. Dazu gehören beispielsweise Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie, Fleischverpacker, Forstarbeiter, die handgeführte, vibrierende Werkzeuge benutzen, Kassierende im Supermarkt, die Lasten umsetzen müssen, sowie Masseure oder Polsterer. Nach bisherigem Kenntnisstand erhöht die Arbeit an der Computertastatur das Erkrankungsrisiko nicht.
Insgesamt können arbeitsbedingt schädigenden Einwirkungen weniger bestimmten Berufen allgemein zugeschrieben werden, vielmehr kommt es auf die jeweilige Tätigkeit und ihre Risikofaktoren an. Im Einzelfall ist deshalb eine individuelle Beurteilung der tatsächlichen Arbeitsbelastung unumgänglich.
Neben diesen arbeitsbedingten Einwirkungen können aber auch andere Faktoren ein Carpaltunnel-Syndrom auslösen. Deshalb ist das CTS auch in der Allgemeinbevölkerung recht häufig vertreten. Es lässt sich sowohl konservativ als auch durch einen chirurgischen Eingriff gut behandeln. Die Behandlung ist umso erfolgreicher, je früher eingegriffen wird. Deshalb sollte Betroffene frühzeitig den Betriebsarzt aufsuchen, um die Beschwerden abzuklären. Zusätzlich sollte im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung geklärt werden, ob sich die Risiken beispielsweise durch ergonomische Werkzeuge oder Job-Rotation verringern lassen.
Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom
Als Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung sind das Hypothenar-Hammer-Syndrom (HHS) und Thenar-Hammer-Syndrom (THS) unter der Ziffer 2114 in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden.
Beim Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom sind Arterien, die in der Innenfläche der Hand verlaufen, durch Stöße verletzt worden. Zwar gibt es hinsichtlich der Gefäßversorgung der Hand vielfältige anatomische Variationen, doch im Bereich der Hohlhand befinden sich zwei Regionen, in denen es bei einmaliger, oft jedoch bei wiederholten stoßartigen Schlägen zu Gefäßschädigungen kommen kann. Dabei handelt es sich um den Bereich des Kleinfingerballens (Hyopthenarbereich) und um den des Daumenballens (Thenarbereich) (siehe Abb. 2). Die betroffenen Blutgefäße versorgen Muskeln und Gewebe der Finger.
Die Verletzungen der beiden Arterien führen zu einem ähnlichen Krankheitsbild bei den betroffenen Fingern, das auch als sekundäres Reynaud Phänomen bezeichnet wird. Die Betroffenen klagen unter anderem über Schmerzen, Taubheitsgefühl, Durchblutungsstörungen und Kältegefühl. Die Beschwerden können akut, aber auch erst Stunden oder sogar Monate nach der Verletzung auftreten. Kälte und die Belastung der Hand können die Beschwerden verstärken.
Im Gegensatz zum vibrationsbedingten vasospastischen Syndrom (BK 2104) handelt es sich sowohl beim Hypothenar-Hammer-Syndrom (HHS) als auch beim Thenar-Hammer-Syndrom (THS) um verletzungsbedingte Gefäßschädigungen. Bereits Ende des 18 Jahrhunderts wurde das HHS bei einem Kutscher beschrieben. Hier trat die Erkrankung aufgrund wiederholter Verletzungen der Hohlhand durch das Peitschenende auf. Heute sind es Presslufthammer, Schlagschrauber, Kettensäge oder der Schlag mit der hohlen Hand auf den Schraubenschlüssel, um die festsitzende Mutter zu lösen, die die Verletzungen der feinen Gefäße verursachen. Als Folgen lassen sich aneurysmatische Gefäßveränderungen, Thrombosen der Arterie sowie Verschlüsse der Fingerarterien beobachten. Dadurch kommt es zu Durchblutungsstörungen der betroffenen Finger.
Da die beiden Hammer-Syndrome ausgelöst werden können, wenn die Handkante oder Handinnenfläche als Schlagwerkzeug eingesetzt wird oder handgeführte elektrische Geräte eingesetzt werden, finden sich die Betroffenen zumeist in gewerblichen Berufen. Dazu gehören unter anderem Dachdecker, Zimmermänner, Mechaniker, Installateure, Möbeltransporteure, Elektriker, Forstarbeiter, Bergleute oder Steinbohrer.
Doch auch in Heim und Freizeit lauern Gefahren beim Heimwerken oder Sport. Ob Karatetraining oder Mountainbike, Handball oder Golf – beim Sport gibt es viele Aktivitäten, bei denen große Kräfte stoßartig auf die Hohlhand einwirken können. Wenn es um die Anerkennung einer Berufskrankheit geht, wird der Arbeitsmediziner abklären müssen, ob sich das Syndrom während einer versicherten Tätigkeit gebildet hat.
Weitere Informationen unter
Jörg Feldmann
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