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Immer öfter sind Einsatzkräfte von Rettungsdiensten und Feuerwehren tätlichen Angriffen ausgesetzt. Unter Alkohol, Drogen oder im psychischen Ausnahmezustand werden Patienten plötzlich gewalttätig. Wie kann man sich in solchen Momenten schützen? Ein Seminarangebot vermittelt Techniken.
Niemand kann darauf vertrauen als ‘Retter’ von Angriffen verschont zu bleiben. Auch die Dienstkleidung mit Erkennungszeichen schützt nicht vor Übergriffen. Dass das Einsatzpersonal von Rettungsdiensten und Feuerwehren oft tätlichen Angriffen ausgesetzt ist, zeigt eine Studie von Gesundheitswissenschaftler Marian Lenk, der „Gewalt gegen Notärzte und Sanitäter“ untersuchte. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Befragten waren im Jahr 2007 mindestens einmal Opfer von Gewalt, zumeist abends und nachts und zu über 50 Prozent in den Privaträumen der Patienten. In acht von zehn Fällen wurden Rettungskräfte wüst beschimpft, in sechs von zehn Fällen wurde ihnen körperliche Gewalt angedroht, und in jedem vierten wurden sie auch wirklich tätlich angegriffen.
Rettung nur durch Flucht
Vorfälle gibt es in ganz Deutschland: So wurde beispielsweise in Augsburg die Besatzung eines Rettungswagens geschlagen, weil sie aufgrund der falschen Adressangabe des Anrufers verspätet eintraf. Aus Buchholz kommt die Meldung, dass eine Einsatzfahrzeugbesatzung von einem Betrunkenen angegriffen und verletzt wurde. Auch in Kleve erlitten Einsatzkräfte bei einem Angriff Prellungen und Quetschungen. In Langhorn bedrohte ein psychisch Kranker die Besatzung mit einem Messer, so dass sich diese nur mit der Flucht aus dem eigenen Fahrzeug retten konnte. Alkoholisierte und aggressive Jugendliche bedrohten Kollegen der Rettungswache Bruchsal. In Göppingen wurde Rettungsfachpersonal nach einer Schlägerei an der Patientenversorgung gehindert. Massive Polizeipräsenz war erforderlich. Weitere Meldungen kommen aus Hamburg, Berlin und Dietzenbach in Hessen. Heftig waren auch die Übergriffe auf Einsatzkräfte bei einem Wohnhausbrand in Ludwigshafen.
Die Liste der bereits dokumentierten Angriffe auf Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst ist lang. Zudem muss man von einer erheblichen Zahl nicht dokumentierter Fälle ausgehen.
Fakt ist: Gewalt gegen Einsatzkräfte gehört mittlerweile zum Einsatzalltag. Die Frage, wie man auf Drohungen und Gewaltanwendungen im Einsatz sinnvoll reagieren soll, wird inzwischen bereichsübergreifend diskutiert und beschäftigt die Einsatzkräfte und das Führungspersonal aller Organisationen nachhaltig.
Was tun in heiklen Situationen?
Wer angegriffen wird, darf sich wehren – das gilt selbstverständlich auch für Einsatzkräfte von Feuerwehren und Rettungsdiensten. Doch was tun in solchen Fällen? Wie kann man sich gegen gefährliche Angreifer wehren? Und was darf man und was nicht? Eine pauschale Aussage ist nicht möglich. Doch es gibt Möglichkeiten, die zur Entspannung in „heiklen“ Situationen beitragen können. Das Personal der Rettungsdienste und der Feuerwehren kann sich in Selbstschutzmaßnahmen schulen lassen. Hieraus gewonnene Erkenntnisse erleichtern das Vorgehen in der gefährlichen Situation. Solche Selbstschutzseminare bietet unter anderem Alfred Brandner an. Er ist in verschiedenen Kampf- und Selbstverteidigungspraktiken geschult, betreibt aktiv Taekwondo, und ist zudem noch als Rettungsassistent im Einsatzdienst tätig.
Grundlegender Inhalt der Ausbildung ist ein Einblick in rechtliche Grundlagen. (§§ 32 StGB – Notwehr, 33 StGB – Notwehrüberschreitung, 34 StGB – Rechtfertigender Notstand). Realitätsnahe Fallbeispiele verdeutlichen das Gefahrenpotenzial an den Einsatzstellen. Die Seminarteilnehmer besprechen den Umgang mit Gewalt und Aggressionen und bekommen anhand von praktischen Beispielen Maßnahmen zur Notwehr und die Verhältnismäßigkeit der Mittel gezeigt. Bei der praktischen Ausbildung lernen sie einfache Abwehr- und Befreiungstechniken, die Schutz- und Fluchtmöglichkeiten gewährleisten, wie Brandner erklärt.
Abwehr- und Befreiungstechniken
Ziel der Unterweisung sei es, dem Rettungsfachpersonal, Notärzten und den Kräften der Feuerwehren angemessene Verhaltensweisen im Umgang mit „auffälligen“ Patienten oder „Umfeld“ zu vermitteln. Dabei gehe es nicht um eine „anhaltende Kampfzone“, bei erkennbarem Konfliktpotenzial solle unverzüglich der „geordnete“ Rückzug angetreten werden. „Zuständig für Gewalttäter ist die Polizei“, so Brandner. Die im Selbstschutz-Seminar erlernten Techniken können und sollen, insbesondere im Falle eines nicht vorhersehbaren Angriffes, entsprechende Schutz- und Fluchtmöglichkeiten bieten. „Vor Selbstüberschätzung warne ich ausdrücklich“, so der Kampfsportler. „Auf ‘Rettungsdienst – Rambos’ können wir gerne verzichten.“
Selbstschutz lernen
Alfred Brandner aus Schwäbisch-Gmünd arbeitet seit 1985 als Rettungsassistent beim DRK. Er ist Inhaber mehrerer Taekwondo-Meistergrade und Instruktor für Selbstverteidigung mit ständiger Weiterqualifizierung in Selbstverteidigungspraktiken. Seit 2006 unterrichtet er Mitarbeiter von Rettungsdiensten.
Kontakt über:
E‑Mail: alfred.brandner@t‑online.de
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