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Ohne Nachweis keine Leistung

Arbeitsunfälle müssen gut dokumentiert werden
Ohne Nachweis keine Leistung

Ein Ver­sichert­er, der sich bei einem Arbeit­sun­fall ver­let­zt, hat Anspruch auf Leis­tun­gen aus der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung. Ein Arbeit­sun­fall kann von dem Träger der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung (Beruf­sgenossen­schaft oder Unfal­lka­sse) jedoch nur dann anerkan­nt wer­den, wenn er nachgewiesen ist. Dies ist unter Umstän­den prob­lema­tisch, ins­beson­dere wenn das Ereig­nis schon mehrere Jahre zurück liegt. Schlimm­sten­falls müssen Leis­tun­gen ver­sagt wer­den. Dieses Risiko trägt der Ver­sicherte, denn er muss den Arbeit­sun­fall beweisen.

Ohne Beweis keine Anerken­nung, ohne Anerken­nung keine Leis­tung. Dies musste auch ein Bauar­beit­er aus Hes­sen fest­stellen. Seine Klage auf Anerken­nung eines Unfalls und auf Gewährung von Leis­tun­gen wurde vom Sozial­gericht Gießen „aus Man­gel an Beweisen“ abgewiesen (AZ: S 3 U 226/06). Der 52-Jährige hat­te im Juni 2006 bei der für ihn zuständi­gen Beruf­sgenossen­schaft einen Unfall gemeldet, der sich bere­its im März 2001 während der Arbeit zuge­tra­gen haben soll.

Stolpe­run­fall mit Folgen
Am frühen Mor­gen hat­te der Mann nach eige­nen Angaben bei der Arbeit das Fir­men­fahrzeug beladen und war dabei gestolpert. Hier­bei habe er sich das linke Auge an einem 3 x 400 cm schmalen Brett angeschla­gen. Am näch­sten Tag sei er wegen Rück­en­schmerzen zu seinem Hausarzt gegan­gen, der auch das Auge unter­sucht habe. Eine Ver­let­zung sei damals aber nicht bemerkt wor­den. Fünf Jahre später habe jedoch ein Auge­narzt fest­gestellt, dass die Net­zhaut des linken Auges durch den Schlag beschädigt wor­den sei.
Gericht lehnt Klage ab
Das Gericht fol­gte seinen Aus­führun­gen nicht, da wed­er der Arbeit­ge­ber, noch der Hausarzt bestäti­gen kon­nten, dass sich der Kläger am besagten Tag während der Arbeit das Auge angeschla­gen hat­te. Bei dem Arbeit­ge­ber war an diesem Datum kein Arbeit­sun­fall doku­men­tiert wor­den und der als Zeuge benan­nte dama­lige Chef war inzwis­chen verstorben.
Der Hausarzt hat­te in seinen Unter­la­gen keine Aufze­ich­nun­gen über eine Auge­nun­ter­suchung gemacht. Dass der Kläger laut Attest bei der arbeitsmedi­zinis­chen Unter­suchung im Jan­u­ar 2001 noch völ­lig gesund war, änderte an der Entschei­dung des Gerichts nichts.
Nach dem Gesetz ist ein Arbeit­sun­fall ein zeitlich begren­ztes, von außen auf den Kör­p­er ein­wirk­endes Ereig­nis, das infolge ein­er ver­sicherten Tätigkeit ein­tritt und zu einem Gesund­heitss­chaden oder gar zum Tod führt. Das schädi­gende ver­sicherte Ereig­nis (zum Beispiel das Stolpern beim Beladen des Zustell­fahrzeugs) muss vom Ver­sicherten bewiesen wer­den. Im oben beschriebe­nen Fall genügte es dem Gericht daher nicht, dass die Schilderun­gen des Klägers nachvol­lziehbar waren und eine gewisse Wahrschein­lichkeit für den behaupteten Ablauf sprachen.
Beweisan­forderun­gen
Im Recht der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung gibt es zwei ver­schiedene Beweisan­forderun­gen: „Gewis­sheit“ ist erforder­lich für die ver­sicherte Tätigkeit (zum Beispiel die Tätigkeit als Beschäftigter in einem Unternehmen), die konkrete Hand­lung zur Zeit des Unfall­ereigniss­es (zum Beispiel das Beladen eines Fahrzeugs) und das Unfallgeschehen selb­st mit­samt den Ver­let­zungs­fol­gen. Auf dieser Stufe ist eine Tat­sache erst dann bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist (Voll­be­weis). Etwas gerin­gere Beweisan­forderun­gen wer­den in Bezug auf den Ursachen­zusam­men­hang zwis­chen ver­sichert­er Tätigkeit und Unfall­ereig­nis sowie zwis­chen Unfall­ereig­nis und Gesund­heitss­chaden gestellt. Da für die Prü­fung dieser Kausalzusam­men­hänge eine medi­zinis­che und natur­wis­senschaftliche Beurteilung erforder­lich ist, bei der oft­mals ein gewiss­er Grad an Unsicher­heit verbleibt, genügt hier eine „hin­re­ichende Wahrschein­lichkeit“. Sie liegt vor, wenn beim vernün­fti­gen Abwä­gen aller Umstände die auf die beru­fliche Verur­sachung deu­ten­den Fak­toren so stark über­wiegen, dass darauf die Entschei­dung gestützt wer­den kann.
Notwendig: Durch­gangsarzt aufsuchen
Der Kläger hätte die Entschei­dung des Sozial­gerichts Gießen ver­mei­den kön­nen, wenn er direkt nach dem Unfall die richti­gen Schritte ein­geleit­et hätte: Nach einem Arbeit­sun­fall sollte nicht der Hausarzt, son­dern ein so genan­nter Durch­gangsarzt (D‑Arzt) aufge­sucht wer­den. Dies ist ein unfallmedi­zinisch beson­ders erfahren­er und qual­i­fiziert­er Arzt, der über eine beson­dere per­son­elle und medi­zinis­che Ausstat­tung ver­fügt, und der weiß, wie Arbeit­sun­fälle zu doku­men­tieren sind. Hat der Unfall Arbeit­sun­fähigkeit zur Folge oder beste­ht Behand­lungs­bedürftigkeit für mehr als eine Woche, sind Ver­sicherte sog­ar verpflichtet, den D‑Arzt aufzusuchen. Auch die Per­son­al­abteilung ist zu informieren, da der Arbeit­ge­ber den Unfall der Beruf­sgenossen­schaft oder Unfal­lka­sse anzeigen muss, wenn der Ver­sicherte auf­grund der unfallbe­d­ingten Ver­let­zun­gen länger als drei Tage arbeit­sun­fähig ist. Wenn ein Arztbe­such auf­grund der Ver­let­zung nicht erforder­lich erscheint, sollte für eine Doku­men­ta­tion des Ereigniss­es gesorgt wer­den, zum Beispiel im Ver­band­buch des Unternehmens. So wird der Nach­weis des Unfall­es erle­ichtert, wenn später doch ein­mal Beschw­er­den auftreten sollten.
Entschei­dend ist die Dokumentation
Die Entschei­dung des Sozial­gerichts Gießen macht deut­lich, wie wichtig eine Doku­men­ta­tion des Unfalls ist. Die bloße Möglichkeit eines Arbeit­sun­falls genügt nicht. Ohne einen Nach­weis beste­ht keine Leis­tungspflicht der Unfal­lver­sicherung und dieser Nach­weis muss vom Ver­sicherten erbracht werden.
Sarah Stiegler
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