Für die Ausführung von Arbeiten mit Absturzgefahr hat der Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz zunächst geeignete Absturzsicherungen auszuwählen. Stellt der Arbeitgeber fest, dass technische wie auch organisatorische Maßnahmen nicht möglich sind, kann er auf individuelle Maßnahmen, wie z. B. Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) gegen Absturz, zurückgreifen. Im Nachfolgenden wird auf einige Randbedingungen eingegangen, die für die richtige Auswahl von PSA gegen Absturz und deren sichere Benutzung von Bedeutung sind.
Erste Voraussetzung zur sicheren Anwendung der persönlichen Schutzausrüstung ist das Vorhandensein geeigneter Anschlageinrichtungen im jeweiligen Arbeitsbereich. Die richtige Auswahl und Anordnung von Anschlageinrichtungen sollte deshalb bereits bei der Planung des Bauwerks, unter Berücksichtigung der späteren Arbeiten mit Absturzgefahr erfolgen.
Je nach Art der Arbeiten und Bauwerksgegebenheiten empfiehlt sich auch die Verwendung temporär einsetzbarer Anschlageinrichtungen, die nach der Benutzung wieder entfernt werden. Darüber hinaus können auch ausreichend tragfähige Anschlagmöglichkeiten an der Bauwerkskonstruktion, wie z. B. Träger, Rohre bei Montagearbeiten, genutzt werden (Abb. 1).
Für eine Sicherung großflächiger Absturzbereiche sind in der Regel Anschlagkonstruktionen sinnvoll, die parallel zur Absturzkante montiert sind (Abb. 2). Einzelanschlagpunkte eignen sich auf Grund der Gefahr eines Pendelsturzes bzw. hoher unkalkulierbarer Fallstrecken nur für die Sicherung in einem kleinen Arbeitsbereich.
Das richtige Absturzschutzsystem?
Für den Benutzer bieten sich unterschiedliche persönliche Absturzschutzsysteme an. Die Anwendung eines Rückhaltesystems ist dabei Auffangsystemen immer vorzuziehen. PSA zum Rückhalten empfiehlt sich fast immer für Arbeitsbereiche, die nicht direkt an einer Absturzkante liegen. Durch die richtige Anwendung eines Rückhaltesystems ist ein Sturz über eine Absturzkante praktisch ausgeschlossen.
Auffangsysteme eignen sich für Arbeiten unmittelbar an der Absturzkante, z. B. Montage- und Instandhaltungsarbeiten. Bestandteile von Auffangsystemen sind z. B. Höhensicherungsgeräte, Verbindungsmittel mit Falldämpfer, mitlaufende Auffanggeräte einschließlich beweglicher Führung. Diese Bestandteile dürfen nicht miteinander kombiniert werden. Dies gilt natürlich nicht für den Auffanggurt, der grundsätzlich in jedem Auffangsystem als Körperhaltevorrichtung verwendet werden muss.
Zur Sicherung gegen Absturz bei Steigvorgängen (z. B. an Antennenmasten, Schornsteinen, Windkraftanlagen, Hochregallager und Schächten), werden häufig Steigschutzeinrichtungen (mitlaufende Auffanggeräte einschließlich fester Führung) genutzt, deren Führungen (Schiene/Drahtseil) in der Regel am Objekt bereits fest installiert sind. Hier hat der Benutzer unbedingt zu beachten, dass er jeweils das dazugehörige Auffanggerät verwendet.
Die richtige Zuordnung kann er anhand der Kennzeichnung von Führung und Auffanggerät erkennen sowie den Angaben in der Gebrauchsanleitung entnehmen.
Beanspruchung der PSA-Bestandteile im Sturzfall berücksichtigt?
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung und Auswahl der PSA sind bei Auffang-systemen die Beanspruchung der Ausrüstung an der Absturzkante, die erforderliche lichte Höhe und das Anprallen des Aufgefangenen an Teile des Bauwerks mit einzubeziehen.
Die Beanspruchung der Ausrüstung über eine Kante im Sturzfall ist häufig nicht auszuschließen, deshalb hat der Benutzer besonders zu prüfen, für welche Kantenbeanspruchung die Ausrüstung sicher verwendet werden kann. Hierzu ist unbedingt die Gebrauchsanleitung des Herstellers zu beachten.
Erforderliche lichte Höhe unterhalb des Benutzers vorhanden?
Auffangsysteme stellen sicher, dass die Fangstoßkraft, die während des Auffangvorgangs auf den Benutzer einwirkt, auf ein für den Menschen erträgliches Maß begrenzt wird. Hierzu werden u. A. Falldämpfer bzw. andere Energie absorbierende Elemente/Funktionen genutzt.
Dadurch ergeben sich je nach Auffangsystem, der Lage des Anschlagpunktes bzw. des Auffanggerätes zur Position des Benutzers, unterschiedliche Auffangstrecken.
Die Verwendung von Verbindungsmitteln mit Falldämpfern ist z. B. erst ab 6,75 m lichter Höhe unterhalb des Benutzers sinnvoll, wenn der Anschlagpunkt sich in Standplatzebene direkt an einer Absturzkante befindet (Abb. 3). Liegt der Anschlagpunkt z. B. einen Meter von der Absturzkante entfernt, reicht eine Höhe der Absturzkante von ca. 4,50 m aus, ohne dass die Gefahr des Aufprallens des Benutzers auf den Boden besteht.
Die erforderliche lichte Höhe verringert sich noch mehr, wenn sich der Anschlagpunkt des Auffangsystems oberhalb des Benutzers befindet. Angaben zur erforderlichen lichten Höhe können der Gebrauchsanleitung zur Schutzausrüstung entnommen werden.
Alleinarbeit zulässig/ Rettung gewährleistet?
Auf Grund der hohen Risiken für Leib und Leben nach Stürzen bei Arbeiten, bei denen Auffangsysteme verwendet werden, sollte man grundsätzlich davon ausgehen, dass eine zweite Person an der Arbeitsstelle erforderlich ist. Durch den Sturz in ein Auffangsystem ist in der Regel immer von einer Handlungsunfähigkeit des Gestürzten/Aufgefangenen auszugehen. Die Anwesenheit einer zweiten Person ist damit besonders unter dem Aspekt der unverzüglichen Einleitung der Rettungsmaßnahmen gefordert (s. Abb. 5). Damit kein so genanntes Hängetrauma eintritt, muss längeres bewegungsloses Hängen im Gurt unbedingt vermieden werden (siehe auch Infoblatt „Notfallsituation: Hängetrauma“ des FA „Erste Hilfe“).
Etwas anders ist dies bei der Verwendung von Rückhaltesystemen zu bewerten. Ein Sturz und die daraus folgende Handlungsunfähigkeit sind hier nicht zu unterstellen, da bei bestimmungsgemäßer Benutzung die Absturzkante nicht erreicht werden kann.
Genauere Informationen zur Bewertung der Alleinarbeit bei Verwendung der PSA gegen Absturz sind in der BGI 515 „Persönliche Schutzausrüstungen“ enthalten.
Ausreichende und angemessene Unterweisung?
Damit die sichere Benutzung der PSA gewährleistet ist, hat der Arbeitgeber die Beschäftigten während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen (§3 PSA-Benutzungsverordnung i. V. mit §12 Arbeitsschutzgesetz). Darüber hinaus sind praktische Übungen unabdingbar.
Durch diese Übungen kann unter anderem das richtige Anlegen eines Auffanggurtes und die sichere Umsetzung einer Rettungsmethode sichergestellt werden.
Unterweisungen müssen der aktuellen Gefährdungssituation angepasst sein und haben unter Berücksichtigung der Gebrauchsanleitung des Herstellers zu erfolgen. Die Übungen sind unter vergleichbaren Arbeitsbedingungen mit geeigneter unabhängiger zweiter Sicherung durchzuführen. Mindestanforderungen an den Unterweisenden sind in der BGI 515 „Persönliche Schutzausrüstungen“ beschrieben.
PSA erfüllt die Beschaffenheitsanforderungen?
Der Hersteller von PSA gegen Absturz hat vor dem Inverkehrbringen die grundlegenden Anforderungen der PSA-Richtlinie (89/686/EWG) zu beachten. Nach erfolgreicher EG-Baumusterprüfung bestätigt er mittels CE-Kennzeichnung auf der Ausrüstung die Konformität mit dieser Richtlinie (Abb. 4). Die bestimmungsgemäße Benutzung der Schutzausrüstung beschreibt er in der dazugehörigen Informationsbroschüre. Zur eindeutigen Identifizierung und Zuordnung, wird jeder lösbare Bestandteil der PSA gegen Absturz entsprechend gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung enthält unter anderem Hinweise auf den Hersteller, eine Typbezeichnung, Seriennummer und das Herstellungsjahr (Abb. 4).
Der Arbeitgeber darf nach der PSA-Benutzungsverordnung nur solche persönliche Schutzausrüstungen verwenden, die der PSA-Richtlinie entsprechen.
BG BAU Wolfgang Schäper Kronprinzenstraße 89 44135 Dortmund
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