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Rollfeld- und Towercheck

Sicherheitsfachkräfte bei der Deutschen Flugsicherung im Porträt
Rollfeld- und Towercheck

Über dem Rollfeld am Frank­furter Flughafen flim­mert die Mit­tagshitze. Auf der Start­bahn West hebt ger­ade ein Flugzeug der Air­line Iberia ab, etwas weit­er östlich lan­det eine Mas­chine der Lufthansa. Die Flieger machen einen höl­lis­chen Lärm. In den Ohren der Sicher­heits­fachkräfte der Deutschen Luft­sicherung (DFS) klingt es wie Musik. Die Arbeit auf der Roll­bahn mache abhängig, sagen sie und schwär­men von Kerosingeruch und Gummiabrieb.

Behände lenkt Flugsicherungsin­ge­nieur Rain­er Ull­mann seinen VW-Bus über das Rollfeld am Frank­furter Flughafen. Mit an Bord sind die Sicher­heits­fachkräfte Ani­ta Riedl und Heiko Mit­tel­staedt sowie Sicher­heits­beauf­tragter Karsten Göttsche, die alle­samt bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) angestellt sind. „Bitte um Durch­fahrt von Sier­ra nach Char­lie“, spricht Ull­mann in sein Funkgerät. Die Kol­le­gen im Tow­er erteilen ihm grünes Licht. Bish­er nutzen Piloten, Lot­sen sowie Per­so­n­en, die mit dem Flugzeu­grol­lverkehr zu tun haben, bei der Beze­ich­nung der Bah­nen das inter­na­tionale Luft­fahrt-Alpha­bet. Doch damit ist jet­zt Schluss. Die neue Lan­de­bahn Nord­west, die 2011 in Betrieb genom­men wird, machte das NATO-ABC obso­let. Da die Buch­staben von A bis Z schon jet­zt aus­geschöpft sind, entwick­elte Fra­port in Zusam­me­nar­beit mit der DFS und der Lufthansa eine neue alphanu­merische Sys­tem­atik für die alten und hinzuk­om­menden Roll­bah­nen. Doch das ist bei Weit­em nicht die einzige Verän­derung, die der Aus­bau des Flughafen­gelän­des mit sich bringt.
Für die Tow­er­lot­sen, die den Flugverkehr am Frank­furter Air­port sich­er und pünk­tlich abwick­eln, musste ein neuer Kon­troll­turm errichtet wer­den. Denn vom Jet­zi­gen, der sich im Süden des Rollfelds erhebt, sind die Lan­deschwellen der Nord­west­piste nicht zu erken­nen. In die Pla­nun­gen des neuen Tow­ers war Sicher­heits­fachkraft Heiko Mit­tel­staedt von Beginn an einge­bun­den. „Ich habe die Kol­le­gen vor allem in Sachen Ergonomie berat­en“, beschreibt er seine Tätigkeit. Aber auch hin­sichtlich der opti­malen Kli­mareg­ulierung war sein Rat gefragt. Dieses Prozedere – die Ein­bindung der Sicher­heits­fachkraft ab der Stunde Null – sei eher sel­ten. „Oft­mals bit­ten uns die Ver­ant­wortlichen erst kurz vor der Abnahme neuer Immo­bilien oder Räume hinzu. Dann ist das Kind meist schon in den Brun­nen gefall­en. Mit anderen Worten, unsere Bean­stan­dun­gen haben Mehraufwand und Mehrkosten zur Folge“, macht Mit­tel­staedt deutlich.
Neben der Betreu­ung von aktuellen Baupro­jek­ten gehören Bege­hun­gen einzel­ner Arbeit­splätze zu den Auf­gaben des Sicher­heitsin­ge­nieurs. Dazu gehört auch das Cen­ter auf dem DFS-Cam­pus in Lan­gen. Dort sitzt die zweite Gruppe der Lot­sen, die die Flugzeuge sich­er durch den deutschen Luftraum navigieren. „Die Arbeits­be­din­gun­gen im Cen­ter unter­schei­den sich sehr von den Begeben­heit­en in der Tow­erkanzel“, berichtet Mit­tel­staedt. „Während die Lot­sen im Kon­troll­turm einen direk­ten Blick auf die Start- und Lan­de­bah­nen haben, arbeit­en ihre Cen­ter-Kol­le­gen ohne Sichtverbindung ins Freie, qua­si im Dunkeln“, fügt er hinzu.
Obwohl sich die Lichtver­hält­nisse in den bun­des­deutschen Cen­tern in den ver­gan­genen Jahren wesentlich verbessert haben, birgt die ver­meintliche Dunkel­heit nach wie vor Diskus­sion­sstoff. Die abge­dunkel­ten Räume erhöhen die ohne­hin starken Belas­tun­gen, denen die rund 1900 Flu­glot­sen bei der DFS aus­ge­set­zt sind.
„Lot­sen haben eine unheim­lich hohe Ver­ant­wor­tung und arbeit­en mehr als dreißig Jahre an ein und dem­sel­ben Arbeit­splatz“, sagt Mit­tel­staedt. Hinzu komme das Drei-Schicht-Sys­tem, das Kör­p­er und Geist einen hohen Preis abver­lange. Ab Mitte Fün­fzig kön­nen Lot­sen in den Ruh­e­s­tand gehen. Viele von ihnen wech­seln dann aber in die Aus­bil­dung und geben ihr Wis­sen an die näch­ste Gen­er­a­tion weit­er, weiß der Sicherheitsingenieur.
Auch die Flugsicherungsakademie, in der die Flu­glot­sen aus­ge­bildet wer­den, ist ein weit­er­er Ein­satzbere­ich der Sicher­heits­fachkräfte. Dort dominieren Stolper‑, Rutsch- und Sturzun­fälle. „Bei Großver­anstal­tun­gen in den Hörsälen stellt sich die Kabel­frage immer wieder aufs Neue“, erläutert der Mann von der Sicher­heit. „Viele Lap­tops, viele Kabel – da sind Zwis­chen­fälle vor­pro­gram­miert.“ Andere Gefahren­quellen ließen sich eher auss­chal­ten, Han­dläufe beispiel­sweise reduzierten Trep­pen­stürze. Sein Vorge­hen bei den Bege­hun­gen beschreibt Mit­tel­staedt als unkon­ven­tionell: „Ich stelle mich sozusagen dumm und lasse das Umfeld auf mich wirken.“ In punc­to Flucht- und Ret­tungswege ent­decke er häu­fig Män­gel. Das Gle­iche gelte für die Stromver­sorgung. „Es kommt immer wieder vor, dass Mehrfach­steck­dosen maß­los über­lastet sind und sich durch die hohen Ableitwider­stände erhitzen. Dann ist natür­lich drin­gen­der Hand­lungs­be­darf ange­sagt“, berichtet Mit­tel­staedt. Verbindliche Anweisun­gen kön­nen die Sicher­heits­fachkräfte jedoch nicht erteilen, sie geben den Führungskräften lediglich Hin­weise und sprechen Empfehlun­gen aus. Ver­puffen die Ratschläge unge­hört, wer­den die Sicher­heitswächter mitunter hart­näck­ig. Schließlich gehöre die Umset­zung der arbeitss­chutzrechtlichen Bes­tim­mungen zu den Pflicht­en der Vorge­set­zten, betont Ani­ta Riedl, Lei­t­erin des Bere­ichs Arbeitssicherheit.
Bei der Deutschen Flugsicherung ist der Bere­ich Arbeitssicher­heit eine Stab­sstelle der Geschäfts­führung und dem Unternehmenssicher­heits­man­age­ment zuge­ord­net. Die Chefin Ani­ta Riedl wird von Heiko Mit­tel­staedt – bei­de sitzen in der DFS-Unternehmen­szen­trale in Lan­gen – und drei weit­eren Mitar­beit­ern unter­stützt. Die Sicher­heits­fachkräfte sind für alle Stan­dorte der DFS in Deutsch­land sowie im nieder­ländis­chen Maas­tricht zuständig und haben das Gebi­et ter­ri­to­r­i­al untere­inan­der aufgeteilt. „Eine Zuord­nung nach The­men gibt es nicht“, sagt Ani­ta Riedl, „bei uns macht jed­er alles“. Und falls ein­er der fünf Kol­le­gen wegen Urlaub oder Krankheit aus­falle, übernehme ein ander­er dessen Bere­ich. „Ein­er von uns ist immer erre­ich­bar“, erk­lärt sie. Ein­mal im Quar­tal trifft sich das Team zum Work­shop, dann referiert jed­er aus seinem Bere­ich. Unfälle gibt es eher sel­ten, schwere schon gar nicht. Der Fokus liegt ein­deutig auf den Wege- und Dienst­wege­un­fällen. Viele Kol­le­gen müssen ständig von A nach B fahren. Hinzu kom­men lange Anfahrtswege zur Arbeit.
Sicher­heits­beauf­tragter Karsten Göttsche kann davon ein Lied sin­gen. Der gebür­tige Nord­deutsche pen­delt ein­mal pro Woche vom nieder­säch­sis­chen Del­men­horst nach Frank­furt am Main und zurück. Auf dem DFS-Cam­pus in Lan­gen hat er zwar ein Büro, doch eigentlich ist er immer „on the road“. Göttsche ist gel­ern­ter Ver­sorgung­stech­niker. Momen­tan betreut er 30 unbe­man­nte Funkan­la­gen von Mün­ster im Nor­den bis Saar­brück­en im Süden und vom rhein­land-pfälzis­chen Büchel im West­en bis Würzburg im Osten. Der 48-Jährige küm­mert sich um die Infra­struk­tur und den Erhalt der Gebäude. Die Pflege der Auße­nan­lage gehört eben­falls zu seinen Pflicht­en. Wer­den Bäume zu hoch oder ver­stellen den Sendeweg, trägt er dafür Sorge, dass sie ent­fer­nt wer­den. Anten­nen müssen regelmäßig gewartet, gere­inigt und instand geset­zt wer­den. Diese Tätigkeit­en set­zt ein Arbeit­en in großen Höhen voraus. „Ohne Klet­tergeschirr geht da gar nichts“, sagt Göttsche, „außer­dem ist immer ein zweit­er Mann mit von der Par­tie“. Denn in seinem Ter­rain liegen die Anla­gen mitunter so ver­steckt, dass sie von Orts­frem­den nur per GPS gefun­den wer­den kön­nen. „Tritt der Fall der Fälle ein und ich stürze ab, werde ich zwar von den Sicher­heits­seilen abge­fan­gen. Aber wenn mich bin­nen 15 Minuten nie­mand aus den Gurten befre­it, kommt es möglicher­weise zum Hänge­trau­ma. Und dann hat man schlechte Karten“, zeigt der Tech­niker den Super­gau auf. Vor­sicht ist bess­er als Nach­sicht, denkt sich der Höhenar­beit­er und kon­trol­liert regelmäßig seine Aus­rüs­tung. Außer­dem frischt er die Klet­tertech­niken im Zwei­jahres­rhyth­mus auf.
Zwei Fliegen mit ein­er Klappe
Karsten Göttsche ist ein­er von rund 80 Sicher­heits­beauf­tragten, die bei der DFS beschäftigt sind. Das Amt hat er 2009 über­nom­men. Die Mehrbe­las­tung durch die zusät­zliche Auf­gabe hält sich bei ihm in Gren­zen: „Bei mir greift eins ins andere, sprich, der Ver­sorgung­stech­niker und der Sicher­heits­beauf­tragte haben eine große Schnittmenge. Wenn ich die Anla­gen und Sta­tio­nen qua Tech­niker besuche, werfe ich natür­lich immer einen Blick auf die sicher­heit­srel­e­van­ten Aspek­te.“ So kon­trol­liere er beispiel­sweise rou­tinemäßig Ver­bands­buch und ‑kas­ten sowie die handge­führten Löschmit­tel. Neuen Tech­nikern erteilt Göttsche eine dreivier­tel­stündi­ge Unter­weisung bezüglich Arbeitss­chutz und Arbeitssicher­heit. Beson­deres Augen­merk legt er dabei auf das The­ma Unfall. „Aus Ver­sicherungs­grün­den ist es ganz wichtig, dass die Leute nach einem Unfall den Durch­gangs- und nicht den Hausarzt auf­suchen“, sagt der DFS-ler. Diesen Sachver­halt trichtere er Neuzugän­gen förm­lich ein. Zu den Wirkungs­bere­ichen des Sicher­heits­beauf­tragten gehört eben­so das Rollfeld auf dem Frank­furter Flughafen. Er inspiziert die Shel­ter, die sich vis-à-vis der Gleitwegsender befind­en. Diese sind ein Bestandteil der Instru­menten­lan­desys­teme (ILS). Let­zere führt die Piloten anfliegen­der Maschi­nen selb­st bei schlechtem Wet­ter sich­er zur Lan­de­bahn. Das geschieht mit Hil­fe hor­i­zon­taler und ver­tikaler Leit­strahlen, die auf dem Nav­i­ga­tions­dis­play im Cock­pit abge­bildet wer­den. Während des gesamten Endan­flugs wird der Kapitän darüber informiert, ob er genau auf die Lan­de­bahn zus­teuert und in welchem Winkel er sinkt.
Im Rah­men der Air­port-Erweiterung wur­den neue Shel­ter errichtet; alte müssen zurück­ge­baut wer­den. Göttsche war bere­its in die Pla­nung dieser neuen Con­tain­er involviert, platzierte Feuer­lösch­er und Ver­band­skas­ten und rüstete die Tritte mit Han­dläufen aus. Er beri­et die Kol­le­gen bei der Stan­dort­wahl der Kli­maan­lage und sprach sich für die Instal­la­tion von Dop­pel­bö­den aus. Entsprechend sein­er Empfehlung wurde die Auße­nan­lage mit Kies bestückt. So kann das Wass­er bess­er ablaufen. Wenn im Herb­st dieses Jahres der Bau der Lan­de­bahn Nord­west begin­nt, muss die alte Gen­er­a­tion von Shel­tern weichen. Dann ist Göttsche wieder vor Ort und legt Hand an, tren­nt zum Beispiel Kabel, die er anschließend in ein­er anderen Sta­tion im Frank­furter Stadt­wald ein­lagert. Auch Rain­er Ull­mann, der für die Mes­san­la­gen in den Shel­tern zuständig ist, beteiligt sich am Rück­bau der Con­tain­er. Und neben all der Arbeit bleiben sicher­lich ein paar Minuten, um die Flughafen typ­is­chen Geräusche und Gerüche zu genießen. „Fer­n­weh sollte man allerd­ings erst gar nicht aufkom­men lassen, anson­sten ist man hier auf dem falschen Posten“, sagt Ull­mann und schaut wehmütig ein­er Boe­ing nach, die sich ger­ade gen Süden aufmacht.

Wächter der Lüfte
Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) mit Sitz im hes­sis­chen Lan­gen ist für die Flugverkehrskon­trolle in Deutsch­land zuständig. Die DFS ist ein pri­va­trechtlich organ­isiertes Unternehmen, das zu 100 Prozent dem Bund gehört. Das Unternehmen wurde im Jan­u­ar 1993 gegrün­det und löste damit die Bun­de­sanstalt für Flugsicherung als Instanz der Kon­trolle des Flugverkehrs in Deutsch­land ab. Seit 1994 kon­trol­liert die DFS nicht nur die zivile Luft­fahrt, son­dern ist in Frieden­szeit­en auch für die Abwick­lung des mil­itärischen Luftverkehrs zuständig. Davon ausgenom­men sind lediglich die Mil­itär­flughäfen. Ins­ge­samt ist sie bun­desweit an 16 inter­na­tionalen Flughäfen und über die Tochter­fir­ma The Tow­er Com­pa­ny an neun Region­alflughäfen vertreten, wobei die Flugsicherung in den Tow­ern und Kon­trol­lzen­tralen zum Kerngeschäft gehört. Daneben ist das Unternehmen für die Errich­tung und Inbe­trieb­hal­tung von tech­nis­chen Ein­rich­tun­gen und Funknav­i­ga­tion­san­la­gen ver­ant­wortlich. Die Pla­nung und Erprobung von Ver­fahren für die Flugsicherung sowie die Erstel­lung von gutachtlichen Stel­lung­nah­men sowie die Überwachung aller Hin­dernisse in Bauschutzbere­ichen gehören eben­falls zum Tätigkeits­bere­ich der DFS. Das Unternehmen hat sich über Flugsicherungs­ge­bühren (Streck­enge­bühren sowie An- und Abflugge­bühren) kos­ten­deck­end zu finanzieren. Es beschäftigt knapp 5600 Mitar­beit­er, wobei die Lot­sen mit 1900 Frauen und Män­nern die größte Gruppe stellen. Über drei Mil­lio­nen Flug­be­we­gun­gen haben sie im ver­gan­genen Jahr kon­trol­liert. Der deutsche Luftraum ist mit täglich 9000 Flü­gen ein­er der verkehrsre­ich­sten der Welt.
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