Regelmäßig kommt es zu Unfällen durch mangelhafte Ladungssicherung. Der Teil 1 der Serie „Ladungssicherung auf Lastkraftwagen“ verdeutlicht die Notwendigkeit zur ordnungsgemäßen Ladungssicherung und gibt Auskunft über wichtige rechtliche und physikalische Grundlagen. Darüber hinaus wird erläutert, warum für jeden Transport das geeignete Fahrzeug zur Verfügung stehen muss und wie Fahrzeuge richtig be- und entladen werden. Abschließend werden verschiedene form- und kraftschlüssige Sicherungsmethoden der Ladungssicherung vorgestellt und erläutert.
Dipl.-Ing. Markus Tischendorf c/o BG Energie Textil Elektro Technische Aufsicht und Beratung Gustav-Heinemann-Ufer 130 50968 Köln
Ausreichende Ladungssicherung ist eine wichtige Voraussetzung für die Sicherheit im Straßenverkehr. Die negativen Folgen von mangelhaft gesicherter Ladung können vielfältig sein und werden oft nicht bedacht. Nach Schätzungen der deutschen Versicherungswirtschaft sind 40 Prozent der Lkw-Ladungen derart schlecht gesichert, dass hierdurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Bei jedem dritten Lkw kommt es tatsächlich zu einem Zwischenfall. Nur bei etwa 25 Prozent aller Lkws ist alles in Ordnung. Etwa 13 Prozent aller Unfälle mit Lastkraftwagenbeteiligung ereignen sich wegen mangelhafter Ladungssicherung.
Um Unfälle wegen mangelhafter Sicherung von Ladegütern zu vermeiden, muss die Ladungssicherung
- rechtlichen Vorschriften genügen,
- dem Stand der Technik entsprechen
- und wirtschaftlich sein.
Rechtspflichten und Rechtsfolgen
Grundsätzlich sind alle Personen, die mit der Verladung oder dem Transport von Gütern beauftragt sind, für die Ladungssicherung verantwortlich. Dies sind der Fahrzeughalter, der Verlader, der Fahrer sowie der Absender und der Frachtführer. Da das gesamte Recht zu umfangreich ist, um es hier wiedergeben zu können, sollen nachfolgend nur die Verantwortlichkeiten des Verladers und des Fahrers erläutert werden. Durch § 22 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) wird folgendes Schutzziel erhoben:
„Die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen sind so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik zu beachten.“
Der Adressat des § 22 Abs. 1 StVO wurde vom Gesetzgeber bewusst offen gelassen. Dass bedeutet, dass sich der genannte Rechtsbezug sowohl an den Fahrer als auch an den Verlader („Leiter der Ladearbeiten“) richtet. Dies wurde bereits am 27.12.1982 durch das Oberlandesgericht Stuttgart in einem Grundsatzurteil rechtskräftig festgestellt.
Der § 23 Abs. 1 der StVO richtet sich darüber hinaus ausschließlich an den Fahrer. Hier wird folgendes formuliert:
„Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht […] nicht durch die […] Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeuges beeinträchtigt werden. Er muss dafür sorgen, dass das Fahrzeug […] sowie die Ladung […] vorschriftsmäßig sind und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges durch die Ladung […] nicht leidet.“
Dies bedeutet, dass der Fahrer die Ladungssicherung vor Fahrtantritt und auch während des Transportes kontrollieren muss. Gleiches gilt auch, wenn er die Beladung des Fahrzeuges nicht selbst durchgeführt hat. Gegebenenfalls hat er einen unsicheren Transport abzulehnen.
Für den Verlader und den Fahrer können sich Rechtsfolgen aufgrund mangelhafter Ladungssicherung ergeben. Verkehrskontrollen durch die Polizei oder das Bundesamt für Güterkraftverkehr können zunächst zur Untersagung der Weiterfahrt führen. Die Weiterfahrt ist erst wieder zulässig, nachdem die Defizite im Bereich der Ladungssicherung behoben wurden. Außerdem drohen dem Verlader und dem Fahrer entsprechende Bußgeldverfahren mit bis zu drei Punkten im Verkehrszentralregister in Flensburg. Werden wegen mangelhafter Ladungssicherung Personen verletzt oder sogar getötet, droht dem Verursacher außerdem eine Strafanzeige mit Geld- oder Freiheitsstrafe.
Ohne Physik geht (leider) nichts
Beim Straßentransport wirken auf die Ladung unterschiedliche Kräfte, insbesondere Massen- und Reibungskräfte. Die Massenkräfte versuchen, beim Anfahren, Beschleunigen oder Bremsen eines Fahrzeuges, während eines Ausweichmanövers oder bei Kurvenfahrt, die Ladung auf der Ladefläche zu bewegen. Die Ladung oder auch einzelne Ladegüter können durch die Fahrbewegungen auf der Ladefläche rutschen, kippen, rollen oder sogar vom Fahrzeug herabfallen. Für die Berechnung von Ladungssicherungskräften sind die maximal auftretenden Massenkräfte zu berücksichtigen, welche bei verkehrsüblichen Fahrzuständen auftreten können. Diese betragen bei Bremsvorgängen nach vorne 0,8 x FG (Gewichtskraft der Ladung) und beim Anfahren beziehunsgweise Beschleunigen des Fahrzeuges nach hinten sowie bei Kurvenfahrten zur Seite 0,5 x FG. Bei nicht standsicheren, kippgefährdeten Ladegütern ist zur Seite zusätzlich ein Wankfaktor von 0,2 x FG zu berücksichtigen.
Voraussetzung für das Rutschen der Ladung auf der Ladefläche ist jedoch, dass die Reibungskraft zwischen Ladung und Ladefläche von den Massenkräften überschritten wird. Die Reibung ist abhängig von den gleitenden Werkstoffen (z. B. Holz auf Holz) sowie dem jeweiligen Zustand auf der Ladefläche (nass, trocken, ölig). In der Ladungssicherung wird der Gleitreibbeiwert µ (sprich: mü) verwendet, dessen Größe einschlägigen Tabellenwerken entnommen werden kann (vgl. Tabelle 1). Bei Unkenntnis über die Größe der Gleitreibung ist der niedrigste Wert aus Tabelle 1 anzunehmen.
Die erforderliche Sicherungskraft, mit welcher die Ladung auf dem Fahrzeug gehalten werden muss, ergibt sich aus der Differenz von maximaler Massenkraft und vorhandener Reibungskraft.
Für die Praxis empfiehlt es sich, die Reibung zwischen Ladegut und Ladefläche durch rutschhemmende Materialien (RHM) zu erhöhen, um somit den Sicherungsaufwand insgesamt zu reduzieren. Rutschhemmendes Material ist speziell für die Ladungssicherung hergestelltes PU-gebundenes Gummigranulat in Form von Pads, Streifen oder Rollenware. Die Gleitreibbeiwerte von RHM liegen in der Regel bei μ = 0,6. Ist der Gleitreibbeiwert nicht bekannt, sollte der μ‑Wert durch Rücksprache mit dem jeweiligen Materialhersteller in Erfahrung gebracht werden. Als alleinige Sicherung sind RHM nicht zulässig, weil durch die Fahrbewegungen des Fahrzeuges Vertikalschwingungen auftreten, die zum „Wandern“ der Ladegüter führen können.
Das geeignete Fahrzeug
Jede Transportaufgabe erfordert ein geeignetes Transportfahrzeug, das in Bezug auf die Ladung über einen entsprechenden Aufbau sowie gegebenenfalls über geeignete Ladungssicherungseinrichtungen verfügt. Die Tragfähigkeit der Ladefläche muss entsprechend den aufzunehmenden Massen ausreichend stabil sein. Leider gibt es bislang keine technischen Bauvorschriften für die Mindesttragfähigkeit von Ladeflächen auf Fahrzeugen. Der Aufbau (zum Beispiel Koffer, Plane und Spriegel, Pritsche oder Schiebeplane) sollte außerdem die im Fahrbetrieb auftretenden Massenkräfte sicher aufnehmen können. Aufbauten von Fahrzeugen, die nach der DIN EN 12642 „Aufbauten an Nutzfahrzeugen“ konstruiert und gebaut wurden, besitzen definierte Festigkeiten (vgl. Tabelle 2). Die genannte Norm ist eine Prüfnorm und unterscheidet zwischen Standardaufbau („Code L“) und verstärktem Aufbau („Code XL“). Die Aufbaufestigkeiten gelten nur für Neufahrzeuge und können während der fortlaufenden Belastungen im weiteren Betrieb der Fahrzeuge beeinträchtigt werden. Es empfiehlt sich, vom Aufbauhersteller eine Bestätigung einzuholen, ob die Fahrzeugaufbauten normgerecht hergestellt wurden beziehungsweise welche Aufbaufestigkeiten im Einzelfall für die Ladungssicherung zu Grunde gelegt werden können.
Zurrpunkte sind wichtig
Ist der Fahrzeugaufbau allein nicht in der Lage, die maximalen Massenkräfte im Fahrbetrieb sicher aufzunehmen, muss die Ladung anderweitig (zum Beispiel mittels Zurrmitteln) gesichert werden. Eine Sicherung der Ladung mit Zurrmitteln setzt jedoch voraus, dass das Fahrzeug über geeignete Zurrpunkte verfügt. Die Unfallverhütungsvorschrift „Fahrzeuge“ (BGV D29) sagt hierzu in § 22 Abs. 1 aus:
„[…] Ist die Ladungssicherung durch den Fahrzeugaufbau allein nicht gewährleistet, müssen Hilfsmittel zur Ladungssicherung vorhanden sein. Pritschenaufbauten und Tieflader müssen mit Verankerungen für Zurrmittel zur Ladungssicherung ausgerüstet sein. […]“
Diese Forderung trifft auf alle gewerblich genutzten Fahrzeuge zu, die ab dem 01.10.1993 erstmalig in Betrieb genommen wurden. Eine generelle Nachrüstpflicht für Altfahrzeuge gibt es leider nicht. Die Nachrüstung von Zurrpunkten wird jedoch dringend empfohlen. Diese sollte aber nur von einer autorisierten Fachwerkstatt durchgeführt werden.
Bestehende Zurrpunkte müssen hinsichtlich Anzahl und Festigkeit der jeweiligen Transportaufgabe gerecht werden. Die Festigkeit von Zurrpunkten beträgt nach DIN 75410 Teil 1 „Zurrpunkte an Nutzfahrzeugen zur Güterbeförderung mit einer zGM bis 3,5 t“ und DIN EN 12640 „Zurrpunkte an Nutzfahrzeugen zur Güterbeförderung“ die in Tabelle 3 genannten Werte in daN (kg). Außerdem muss die normgerechte Festigkeit der Zurrpunkte durch ein entsprechendes Hinweisschild gekennzeichnet sein.
Richtiges Be- und Entladen
Richtiges Be- und Entladen von Fahrzeugen bedeutet, dass der Schwerpunkt der gesamten Ladung möglichst über der Längsmittellinie des Fahrzeuges liegen sollte. Außerdem muss der Schwerpunkt möglichst niedrig gehalten werden. Durch die Beladung dürfen die zulässige Gesamtmasse (zGM) und zulässigen Achslasten des Fahrzeuges nicht überschritten werden. Die Beladung muss außerdem so erfolgen, dass die Achslast der gelenkten Achse je nach Fahrzeugart mindestens 20 Prozent bis 35 Prozent der momentanen Fahrzeugmasse beträgt. Andernfalls leidet die Verkehrssicherheit durch die fehlerhafte Beladung, da das Fahrzeug nicht mehr sicher gelenkt und gebremst werden kann. Als Hilfsmittel zur richtigen Beladung kann ein fahrzeugeigener Lastverteilungsplan erstellt oder beim Fahrzeug- oder Aufbauhersteller angefordert werden.
Eine besondere Gefährdung für das Lade- und Fahrpersonal besteht beim Be- und Entladen von Fahrzeugen. Nicht selten werden Personen beim Ladevorgang durch umkippende oder herabfallende Ladegüter getroffen und schwer verletzt. Daher ist beim Einsatz von Kranen, Flurförderzeugen etc. auf die gegenseitige Verständigung zwischen den am Ladevorgang beteiligten Personen zu achten. Außerdem ist der Aufenthalt im Gefahrbereich von zum Beispiel Kranen und Flurförderzeugen unzulässig. Problematisch sind ferner nicht standsichere Ladegüter, denen man ihre Kippgefahr nicht ansehen kann. Durch die Verwendung von stufenweise zu lösenden Zurrmitteln lässt sich das schlagartige Umkippen von nicht standsicheren Ladegütern verhindern. Der Anwender solcher Zurrmittel erkennt bereits beim Lösen des Spannelementes (Ratsche), dass unzulässiger Ladedruck ansteht und kann entsprechend reagieren.
Form- und kraftschlüssige Sicherung
Die Sicherung der Ladung kann durch unterschiedliche Methoden realisiert werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen form- und kraftschlüssiger Ladungssicherung. Zu den formschlüssigen Sicherungsmethoden gehören
- das formschlüssige Laden und Stauen,
- das Festlegen der Ladung (zum Beispiel mit Kanthölzern, Spreizen, Steckrungen mit Zwischenwand oder Keilen)
- sowie das Direktzurren mit Zurrmitteln.
Das Direktzurren der Ladung kann darüber hinaus – je nach geometrischer Anordnung der Zurrmittel – durch Schrägzurren, Diagonalzurren sowie durch sogenanntes Umreifungs- oder Kopfschlingenzurren erfolgen. Beim Direktzurren werden die Ladegüter mit Hilfe von Zurrmitteln mit dem Fahrzeug verbunden und somit durch „Festhalten“ vor ungewollter Lageveränderung bewahrt. Dies setzt jedoch voraus, dass an der Ladung Befestigungspunkte für die anzubringenden Zurrmittel vorhanden sind. Im Einzelfall können fehlende Befestigungspunkte durch z. B. Rundschlingen geschaffen werden.
Das häufig angewandte Niederzurren ist ein kraftschlüssiges Verfahren. Es beruht auf der Erhöhung der Reibungskraft durch „niederdrücken“ der Ladung auf die Ladefläche. Das Niederzurren wird relativ häufig angewendet, da keine Befestigungspunkte für die Zurrmittel an der Ladung vorhanden sein müssen. Das Niederzurren der Ladung setzt jedoch voraus, dass die aufgebrachten Zurrkräfte vom Ladegut selbst bzw. von deren Verpackung sicher aufgenommen werden.
Oft empfiehlt es sich, die unterschiedlichen Sicherungsmethoden sinnvoll miteinander zu kombinieren. Insbesondere das formschlüssige Laden und Stauen wird in der Praxis häufig zusammen mit dem Niederzurren der Ladung angewandt.
c/o BG Energie Textil Elektro
Technische Aufsicht und Beratung
Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln
E‑Mail: Tischendorf.Markus@bgete.de
Unsere Webinar-Empfehlung
15.06.23 | 10:00 Uhr | Maßnahmenableitung, Wirksamkeitsüberprüfung und Fortschreibung – drei elementare Bausteine in jeder Gefährdungsbeurteilung, die mit Blick auf psychische Belastung bislang weniger Beachtung finden.
Teilen: