Mehr Männer als Frauen leiden unter Kniebeschwerden. Das liegt oft an zu starker Beanspruchung beim Sport oder jahrelangen Fehlhaltungen im Beruf. Wie kommt es zu Schädigungen der Kniegelenke? Was kann man dagegen tun?
Verena Manek
Thomas K. kann nur noch humpeln. Seit dem Fußballspiel am Abend zuvor, mit ein paar Freunden im Kleinfeld in der Halle, ist sein rechtes Knie stark angeschwollen und er kann kaum auftreten. Ein Besuch beim Orthopäden gibt Klarheit: Das Kreuzband ist gerissen.
Auch Herbert W. hat Probleme mit seinen Knien. Der 56-jährige Maurer spürt vor allem beim Aufstehen seine Kniegelenke, sie sind steifer als früher und schmerzen bei Bewegungen.
Starkes Geschlecht, schwaches Knie? So titelte die DAK in einer Pressemeldung, in der sie darauf hinwies, dass vor allem Männer von Kniebeschwerden betroffen sind. Unter ihren rund sechs Millionen Versicherten fehlten Männer im vergangenen Jahr durchschnittlich fast doppelt so lange im Job aufgrund so genannter Binnenschädigungen des Kniegelenks als Frauen. Dahinter verbargen sich nach Angaben der DAK überwiegend Meniskusschäden und Kreuzband(an)risse. Auch bei Verstauchungen, Verrenkungen und Zerrungen des Kniegelenkes seien die Männer vorn. Ein möglicher Grund für das Ungleichgewicht von Männern und Frauen: Männer neigen eher zu Sportarten wie Fußball, Squash, Hand- und Basketball oder auch zu Kampfsport. Hier müssen die Kniegelenke Drehbewegungen und extreme Belastungen verkraften. Sind die Muskeln zu schwach und der Trainingszustand nicht gut, kommt es leicht zum Meniskusschaden oder zu einem Kreuzband(an)riss. Auslöser sind fast immer Verdrehungen oder das Umreißen des Kniegelenks, wie es vor allem bei Kontaktsportarten häufig vorkommt. Gut trainierte Beinmuskeln schützen die Knie. Sind diese schon vorgeschädigt, sollte man solche Risikosportarten lieber nicht ausüben. Unter Umständen liegen aber auch die Männer bei Kniebeschwerden vorne, da sie öfter in Berufen arbeiten, in denen sie ihre Knie stark belasten müssen. So weist die BG BAU darauf hin, dass knapp 40 Prozent aller Bauarbeiter unter Kniebeschwerden leiden, die Hälfte davon in ärztlicher Behandlung war oder ist. Über 40 Millionen Euro zahlten die gewerblichen Berufsgenossenschaften im Jahr 2006 für medizinische und berufliche Rehabilitation sowie Abfindungen und Renten von Meniskusschäden und Schleimbeutelerkrankungen. Besonders Fliesen- und Estrichleger, Parkettleger, Dachdecker und Maurer sind betroffen. Schädlich sind vor allem längeres Knien, die starke Beugung der Kniegelenke beim Sitzen auf den Fersen oder in der Hocke, außerdem Drehbewegungen. Solche extremen Belastungen können durch eine geänderte Arbeitsorganisation zum Teil vermieden werden. Auch ein häufigerer Wechsel der Körperhaltung entlastet das Knie. Außerdem empfiehlt sich die Verwendung von Knieschutzpolstern.
Kernspintomografie zeigt Ausmaß des Schadens
Interview: Berufsbedingte Kniebeschwerden
Sicherheitsbeauftragter sprach mit Dr. Anette Wahl-Wachendorf, Leitende Ärztin des Arbeitsmedizinischen Dienstes Zentrum Darmstadt der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) über die häufigsten berufsbedingten Erkrankungen des Kniegelenks, ihre Vorbeugung und mögliche Therapien.
Das Interview führte Verena Manek
Welche Schädigungen des Kniegelenks können durch Über- oder Fehlbelastungen bei der Arbeit entstehen und wie äußern sie sich?
Durch Fehlbelastungen bei der Arbeit entstehen vor allen Dingen folgende Erkrankungen der Kniegelenke: Entzündungen der Schleimbeutel mit den Symptomen Rötung der Haut, Schwellung, Überwärmung und Schmerzen im Kniegelenk.
Ebenfalls häufig sind Erkrankungen der Menisken. Es gibt einen inneren und einen äußeren Meniskus im Kniegelenk. Sie haben die Funktion den Druck im Gelenk auf eine größere Fläche zu verteilen, dienen quasi als Stoßdämpfer. Man erkennt eine Schädigung der Menisken an Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im Kniegelenk, die stechend sind und verstärkt bei Drehbewegungen auslösbar sind.
Weiterhin gibt es auch im Kniegelenk die Möglichkeit der Verschleißerkrankung, einer so genannten Arthrose. Die Arthrose äußert sich in einem Spannungsgefühl und einer Steifigkeit. Diese Beschwerden lassen im Verlauf des Tages eher nach.
Wie werden diese Erkrankungen medizinisch festgestellt?
Häufig wird neben der Untersuchung des Kniegelenks eine Röntgenaufnahme durchgeführt. Hierbei und insbesondere in der kernspintomografischen Aufnahme kann das Ausmaß des Schadens und der Verschleißerscheinungen im Kniegelenk diagnostiziert werden.
Gibt es bestimmte Risikofaktoren?
Risikofaktoren für Erkrankungen des Kniegelenks sind insbesondere Übergewicht und Fehlstellungen wie X- oder O‑Beine. Auch das Alter ist neben genetischer Veranlagung ein Risikofaktor. Zudem beeinträchtigen die Ernährungsweise und Nikotinkonsum nachweislich diese Erkrankungen.
Was kann jeder Einzelne zur Vorbeugung tun?
Dreh- und Scherbewegungen sollten vermieden werden, außerdem jegliche sehr schnelle Bewegung des Kniegelenks, insbesondere am frühen Morgen, wenn die Muskulatur noch nicht aufgewärmt ist. Ebenso schadet lang anhaltendes Knien. Hierbei sollte man zumindest persönliche Schutzausrüstung wie Knieschutzpolster oder Knieschoner mit einem Klettverschluss verwenden. Positiv wirken sich Sportarten wie gezielte Gymnastik, Schwimmen und (mäßiges) Radfahren aus.
Wie lassen sich Schädigungen am Kniegelenk therapieren?
Therapiemaßnahmen sind neben beispielsweise entzündungshemmenden Medikamenten krankengymnastische Übungen. Nicht selten ist eine operative Maßnahme wie eine partielle oder vollständige Entfernung des Meniskus oder des entzündeten Schleimbeutels erforderlich. Gelegentlich muss das Kniegelenk durch ein künstliches Kniegelenk ersetzt werden.
Checkliste
Erkrankungen vorbeugen
- Zwangshaltungen wie Knien oder Hocken immer wieder unterbrechen.
- Im Beruf: Für Installateure empfehlen sich Vormontagen in günstigerer Arbeitshaltung.
- Arbeiten im unteren Wandbereich möglichst im Sitzen vornehmen.
- Ist Knien unvermeidbar, Knieschutzpolster, Knieschützer zum Umbinden oder Knieschutzhosen mit eingearbeiteten Polstern verwenden.
- Übergewicht vermeiden.
- Ebenso langes Stehen und falsches Heben.
- Für Frauen: Auch hohe Absätze erhöhen den Druck auf die Kniescheibe.
- Bewegung tut gut, eine kräftige Beinmuskulatur schützt das Knie.
- Gut fürs Knie sind (mäßiges) Radfahren, Rücken- und Kraulschwimmen, Skilanglauf, Wandern, Gymnastik und dosiertes Fitnesstraining an Geräten.
- Schlecht fürs Knie sind plötzliche Stopps, Drehbewegungen und hoher Druck, wie beispielsweise bei Basket‑, Volley- sowie Hand- und Fußball, Tennis und Squash. Auf solche Sportarten sollte man sich vorbereiten, bei geschädigtem Knie sie ganz vermeiden.
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