Arbeitsunfälle passieren bei Kanalarbeiten zum Glück verhältnismäßig selten. Doch wenn, enden sie oft mit schweren Folgen oder tödlich. Übersehen oder unterschätzt werden allerdings immer wieder die alltäglichen Gefahren. Und von denen gibt es mehr als genug. Zwar haben Automatisierungen sowie weniger Hand- und dafür mehr Computerarbeit die Arbeit erleichtert, dafür sind aber neue Gefährdungsbereiche etwa bei der Kanalinspektion entstanden.
Frau Bettina Brucker M. A. Journalistin & Autorin Teutoburger Straße 19 50678 Köln
Betrachtet man die Gefahren und Risiken bei Kanalarbeiten, erklären sich viele rechtliche Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen fast von selbst. Im Vordergrund stehen Hygiene, persönliche Schutzausrüstung, aber auch technische Hilfsmittel.
Arbeiter in Kanälen sind verschiedensten Gefahren ausgesetzt:
- Vergiftungs- und Erstickungsgefahr z. B. durch Faulgase oder Sauerstoffmangel
- Explosionsgefährdung durch Bildung explosionsfähiger Atmosphäre
- Stürzen, Stolpern, Ausrutschen
- Absturzgefahr
- Gefahr des Ertrinkens
- Infektionsgefahr aufgrund von Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten
- Unfallgefahren bei Arbeiten im öffentlichen Straßenverkehr
Unterschiedliche Belastungen
Weniger offensichtlich sind die körperlichen und seelischen Belastungen. Sie schädigen vor allem, wenn sie lange andauern oder immer wieder auftreten. So gehört zu den Aufgaben einer Kanalkolonne, die Schmutzfänger in den Straßeneinläufen zu säubern. Dazu müssen die Arbeiter die schweren Gullideckel anheben. Nicht selten macht das eine Person alleine. In diesem Augenblick fragt keiner danach, wie alt derjenige ist oder ob eine Erkrankung des Bewegungsapparats vorliegt. Und kaum einer denkt an ergonomische Arbeitsbedingungen, wie die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften sie fordern.
Eine völlig andere Belastung tritt beispielsweise bei der Kanalsanierung auf, wenn die Baustelle den fließenden Verkehr behindert. Die Autofahrer müssen warten, die Fußgänger Umwege gehen. Sie äußern Unmut oft durch Hupen und Schimpfen. Da fällt auch öfter mal eine abwertende Bemerkung gegenüber den Arbeitern. Das stresst, vor allem wenn man selbst schon unter Zeit- und Leistungsdruck steht.
Sicherheitstechnische Gefahren
Unachtsamkeit und Risikobereitschaft steigen bei Einstiegsarbeiten, denn diese kommen relativ selten vor. Doch Achtung: Oft sind die Leitern feucht und verschmutzt, so dass die Gefahr abzurutschen und abzustürzen deutlich erhöht ist. Im Schacht oder Kanal mangelt es außerdem an Sauerstoff, dafür ist die Luft möglicherweise mit giftigen oder explosionsfähigen Gasen angereichert. Außer einer umfassenden persönlichen Schutzausrüstung muss bei solchen Arbeiten auch eine Rettungsausrüstung vor Ort sein.
Krankheitserreger und Gefahrstoffe
Neben den üblichen Abwasserinhaltsstoffen tummeln sich in der Kanalisation eine ganze Menge Krankheitserreger. Gegen diese unsichtbaren Gefahren müssen sich die Arbeiter vielseitig schützen. Denn sonst können sie sich z. B. eine Hepatitis-Infektion oder die berufstypische Weil’sche Krankheit zuziehen. Letztere wird durch den Kontakt mit Ratten-Urin verursacht. Deshalb ist der Arbeitgeber verpflichtet, Ratten hinreichend zu bekämpfen. Die meisten Krankheitserreger sind Biostoffe der Risikogruppe 2. Für Kanalarbeiter stellen sie – anders als für die Bevölkerung allgemein – eine Infektionsgefahr dar. Bei Instandhaltungstätigkeiten, Reinigungsarbeiten oder Störungsbehebungen können die Erreger über den Mund oder eine Hautwunde in den Körper eindringen. Bei Tätigkeiten mit Hochdruckreinigern oder ‑spüleinrichtungen oder bei Arbeiten in begehbaren Kanälen besteht die Gefahr, die Krankheitserreger einzuatmen. Bei länger andauernden Reinigungsarbeiten oder bei langem Aufenthalt im feuchten Milieu gelangen die Erreger zudem leicht über die aufgeweichte Haut in den Körper.
Unterweisungen und Schulungen
Die Sicherheit bei Einstiegsarbeiten, das Verhalten bei Störungen, den Alarm- und Gefahrenabwehrplan, die Erste-Hilfe-Maßnahmen und den Umgang mit Gefahrstoffen regeln die Betriebsanweisung. Vor der Aufnahme der Arbeiten und dann mindestens jährlich müssen dazu Unterweisungen durchgeführt werden.
Wichtig für Kanalarbeiter sind etwa Einweisungen in Gaswarn- oder Belüftungsgeräte. Aber auch Gesundheitsthemen wie das Arbeitsverbot bei offenen Wunden, der Umgang mit Desinfektions- und Hautpflegemitteln, Verhaltensregeln bei auftretenden Krankheiten oder schriftliche Hinweise zu Ansteckungsgefahren müssen regelmäßig durchgesprochen werden, am besten mit Praxisbezug und praktischen Übungen. Außerdem sollten schriftliche Hinweise zum Waschgebot vor dem Essen und Trinken oder zum Rauchverbot während der Arbeit ausgehängt werden.
Gefährdungsbeurteilung
Wer sich als Sicherheitsbeauftragter für die Sicherheit und Gesundheit seiner Kollegen engagiert, sollte bei den jährlichen Gefährdungsbeurteilungen der einzelnen Arbeitsplätze dabei sein. Seine praktische Erfahrung und seine Kenntnisse über die Belange der Arbeitskollegen sind dabei von großem Nutzen. In die Beurteilung fließen neben Informationen über die biologischen Arbeitsstoffe vor allem auch Auskünfte zu Betriebsabläufen und Arbeitsverfahren sowie Art und Dauer der Tätigkeiten ein.
Sind die Gefahren erkannt, gilt es, sie durch passende Maßnahmen zu vermeiden oder zu verringern. Dass dies erfolgreich gelingt, dazu kann der Sicherheitsbeauftragte entscheidend beitragen. Denn er kann seine Arbeitskollegen immer wieder motivieren und über die Wichtigkeit der Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen aufklären.
Hygiene
Sauberkeit und Hygiene sind für die Gesundheit von Kanalarbeitern von größter Bedeutung. Das beginnt bei Geräten und Kleidung, betrifft den Umgang mit der Haut und die Nahrungsaufnahme.
Ein genauer Desinfektionsplan legt fest, wie und wann zu reinigen und zu desinfizieren ist. Damit Infektionen nicht verschleppt werden, sind außerdem die Geräte und Fahrzeuge, die die Anlagen verlassen, besonders zu berücksichtigen.
Nach getaner Arbeit ist es unerlässlich, dass die Arbeits- und Schutzkleidung außerhalb der Aufenthaltsräume gereinigt und getrocknet werden. Dabei ist zu beachten, dass Arbeitskleidung und persönliche Schutzausrüstung immer getrennt von der Privatkleidung aufbewahrt werden.
Für die Körperreinigung müssen der Arbeitsstättenverordnung bzw. ‑richtlinie zufolge in Bauhöfen Waschräume mit Duschen oder eine Waschgelegenheit mit fließend warmem und kaltem Wasser bereit stehen. Außerdem muss der Arbeitgeber für Händetrockner oder Einmalhandtücher sowie Produkten zur Hautpflege laut Hautschutzplan sorgen.
Achtung: Essen und Trinken ist nur in sauberer Umgebung erlaubt, nachdem die Hände und am besten auch das Gesicht gereinigt wurden.
Einsatz mitten im Verkehr
Kanalkolonnen arbeiten bei der Kanalsanierung oder ‑reinigung häufig im Straßenverkehr, auf mehr oder weniger kurzfristigen Baustellen. In diesen Situationen ist korrektes und sicheres Verhalten lebenswichtig. Offizielle Richtlinien sind: die Straßenverkehrsordnung, die Regeln für Sicherheits- und Gesundheitsschutz sowie die Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen. Davon abweichende Handhabungen – auch wenn die von den örtlichen Behörden toleriert werden – stellen sich bei Haftungsfragen im Schadensfall immer wieder als Grauzone heraus. Die Absicherung im Straßenverkehr verlangt ein sensibles Verhalten und sollte deshalb bei der Unterweisung regelmäßig thematisiert werden.
Maßnahmen für die Sicherheit bei Arbeiten im Straßenverkehr :
- Warnkleidung tragen
- die Warnleuchte an Fahrzeugen und Arbeitsmaschinen einschalten
- Fahrzeuge so abstellen, dass die Mitarbeiter vor dem Verkehr geschützt sind
- Verkehrszeichen und Absperrmaterial wie Warndreieck, Blitzlampe, Leitkegel oder Leitbalken gut sichtbar und standfest aufstellen
- Warnposten warnen nur vor Verkehrseinschränkungen oder Gefahrenstellen, sie regeln nicht den Verkehr!
Gesundheit im Einsatzwagen
Kanalinspektionen werden heute überwiegend mit Kameras durchgeführt. Das hat den großen Vorteil, dass die Arbeiter viel seltener in umschlossene Räume steigen müssen. Außerdem können Bauarbeiten gezielter und begrenzter ausgeführt werden. Wer aber im Überwachungsfahrzeug sitzt, sollte auf seine Gesundheit achten: Die Arbeitsumgebung ist sehr eng und im Sommer wird es im Fahrzeug sehr heiß. Die Bildschirmüberwachung findet zudem meist ganztägig im Sitzen statt. Der Bewegungsmangel macht auf Dauer krank. Die Arbeitsplätze im Kraftfahrzeug sollten deshalb gesundheitsförderlich und ergonomisch gestaltet sein, unter anderem mit einer Klimaanlage oder einem Blendschutz für die Monitore.
Wertschätzung ist wichtig
In Broschüren stehen meist die Technologien und die wirtschaftlichen Aspekte der Abwasserwirtschaft im Vordergrund. Die Menschen, die dort arbeiten, bleiben zu oft außen vor. Insgesamt hat die Berufsgruppe der Kanalarbeiter in der Öffentlichkeit kein gutes Image. Diese geringe Wertschätzung belastet das Selbstwertgefühl der Beschäftigten. Plakat-Aktionen, Artikel in der Tagespresse oder etwa Kanalführungen für die Öffentlichkeit können dazu beitragen, dass sich Kanalarbeiter gerne zu ihrem Beruf bekennen. Schließlich leisten sie einen großen Beitrag zum Umweltschutz. Ein Thema, das für uns alle aktuell und dringlich ist.
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