Fast jede Gesellschaft verfügt über Mittel, die sich auf die Stimmung, die Gefühle und die Wahrnehmungen des Menschen auswirken. Manche dieser Mittel werden toleriert, andere verboten. Zugelassen und damit legal sind bei uns Alkohol, Zigaretten und Arzneimittel. Vor allem Alkoholabhängigkeit von Mitarbeitern kann für den Arbeitgeber zu Problemen führen.
BG ETE Dr. med. Dipl. Biol. Beate Grunenberg Postfach 510824 50944 Köln
Die Motive, die zum Alkohol‑, Zigaretten- und Drogenkonsum führen, sind unterschiedlich. Häufig steckt der Wunsch nach Verbesserung der Stimmungslage dahinter, ebenso kann es das Bedürfnis nach Entspannung oder Beruhigung sein. Nicht selten werden diese Mittel genommen, um den Alltag zu vergessen und vor Problemen auszuweichen.
Der Missbrauch von Drogen ist in erster Linie ein psychosoziales Problem. Dies gilt für die legalen Suchtmittel Alkohol, Medikamente und Tabak ebenso wie für die illegalen wie Haschisch, Heroin, Kokain, etc.
Bei Jugendlichen sind inzwischen so genannte „Flatrate-Partys“ in, auf denen sie für einen pauschalen Betrag soviel trinken können, wie sie möchten.
Jugendliche stark gefährdet
Im Jahr 2007 hieß es im Deutschen Ärzteblatt: „Trinken, bis der Arzt kommt.“
Zum Teil hat das Flatrate-Trinken weitreichende Folgen: Ende Februar 2007 hat sich ein 16-jähriger Gymnasiast in Berlin mit rund 50 Gläsern Tequila ins Koma getrunken. Insgesamt ist zwar der Anteil der regelmäßigen Alkoholkonsumenten unter den Jugendlichen zurückgegangen: von 36 % auf 22 % bei den Jungen und von 22 % auf 12 % bei den Mädchen. Aber: Diejenigen, die trinken, trinken mehr. Die Zahl der stationären Behandlungen bei Jugendlichen wegen „akuten Rausches“ ist gestiegen. In dem bundesweiten Modellprojekt „HALT – Hart am Limit“ wird Kindern und Jugendlichen nach einer Einweisung ins Krankenhaus infolge einer Alkoholvergiftung Hilfe angeboten.
Sucht ist eine Krankheit
Bereits in der Antike wurde Sucht als potenzielle unerwünschte Folge des Konsums z. B. von Schlafmohn beschrieben. Häufig wird Sucht in der heutigen Gesellschaft als selbstverschuldetes Übel betrachtet. Abhänigkeitserkrankungen sind chronisch verlaufende Erkrankungen, zu deren Entstehung und Verlauf verhaltensbestimmte und konstitutionelle Faktoren beitragen. Die Weltgesundheitsbehörde WHO klassifiziert die Suchterkrankung als eine „Krankheit“.
Es gibt kaum ein Ereignis, das keinen Anlass zum Konsum alkoholischer Getränke böte: Geburtstage, Geselligkeit, Feste, Stress, etc. Die Droge „Alkohol“ hat in unserer modernen Gesellschaft einen legitimen Platz eingenommen. Häufig ist es in dieser Gesellschaft nicht das Trinken, sondern das Nichttrinken, das den gesellschaftlichen Erwartungen zuwiderläuft.
Im Betrieb häufig ignoriert
Das Fehlen eines klaren Grenzpunktes zwischen starken Trinkern und abhängigen Konsumenten führt häufig zu Unsicherheit, zur Verdrängung des Alkoholproblems und in Betrieben zum Nichthandeln der Führungskräfte, wenn Mitarbeiter zunehmende Probleme im Zusammenhang mit Alkohol zeigen. Die Folgen der Alkoholabhängigkeit erstrecken sich auf verschiedene Bereiche wie Familie, Beruf, Verkehrstüchtigkeit und Kriminalität.
Insbesondere lässt in Berufen, die hohe Anforderungen an Konzentrationsvermögen, feinmotorische Geschicklichkeit, Sehleistung, Reaktionsfähigkeit und Sorgfalt stellen, die Leistung nach. Bei Arbeiten auf Gerüsten und Maschinen erhöht sich die Unfallgefährdung. Unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit nimmt ebenfalls zu.
Sind in einem Unternehmen die betrieblichen Regelungen nicht ausreichend, ergeben sich für den Arbeitgeber Folgeprobleme, wenn der Alkoholkonsum eines Mitarbeiters am Arbeitsplatz bekannt wird.
Klärende Gespräche mit alkoholkranken Mitarbeitern werden häufig zu lange hinausgeschoben. Oft ist das Verhalten bezüglich getroffener Absprachen inkonsequent, was natürlich von dem alkoholabhängigen Mitarbeiter ausgenutzt wird. Häufig werden Fehlverhalten und schlechte Leistungen verdeckt.
Fehltage werden z. B. in Urlaubsmeldungen umgewandelt. Auf diese Art und Weise wird das Alkoholproblem verlängert und die Krankheit verschlimmert. Der Vorgesetzte wird durch ein derartiges Verhalten zum Co-Alkoholiker.
Klare Regelungen helfen
Da der Arbeitsplatz einen hohen Stellenwert für Therapieerfolge und alkoholfreie Lebensweise hat, hat der Betrieb eine gute Möglichkeit, über Erhaltung des Arbeitsplatzes zu Therapiemaßnahmen zu motivieren. Disziplinarmaßnahmen sollten grundsätzlich mit Hilfsangeboten des Betriebes gekoppelt werden. Vorgesetzte haben häufig Angst, dem Mitarbeiter zu sagen, dass er alkoholabhängig ist. Es ist gar nicht Aufgabe des Vorgesetzten, Diagnosen zu stellen, dieses ist Sache der Ärzte. Jedoch ist es wichtig, dass der Vorgesetzte die Probleme des Mitarbeiters anspricht, die auf den Alkoholkonsum zurückzuführen sind. Suchtprobleme können von niemandem allein gelöst werden. Der Abhängige benötigt Hilfe von außen, um aus seiner Abhängigkeit herauszukommen. Gesprächspartner wie Vorgesetzte, Kollegen etc. dürfen sich auf keinen Fall in die Rolle eines „Therapeuten“ drängen lassen. Oft bestehen Hemmungen, ein offenes und konsequentes Gespräch zu führen. Aus diesem Grunde sollten geeignete Schulungsmaßnahmen stattfinden, die diese Hemmungen abbauen. Sinnvoll ist es, in Betriebsvereinbarungen festzulegen, welche Details geregelt werden sollen. Die Suchtvorbeugung in Betrieben und Verwaltungen sollte nicht nur auf die Alkoholproblematik beschränkt sein. Lässt man den Nikotinabusus, heute spricht man auch von Tabakabhängigkeit, außen vor, so gehören unter den Begriff der Abhängigkeit sowohl der übermäßige Konsum von Alkohol als auch von Medikamenten und Drogen. Zu den bekanntesten illegalen Rauschmitteln gehören Cannabis, LSD, Amphetamine, Kokain, Crack, Heroin etc.
Im Unternehmen sollte eine Betriebsvereinbarung z. B. gegen den Suchtmittelmissbrauch abgeschlossen werden. Festgelegt sein sollten darin der Geltungsbereich, Ziele der Betriebsvereinbarung, Gebrauch von Suchtmitteln, z. B. der Ausschank von Alkohol, Aufklärung der Beschäftigten, Schulungsmaßnahmen, Beseitigung von Ursachen, die zu Missbrauch von Suchtmitteln Anlass geben, Maßnahmen und Hilfsangebote für Beschäftigte mit Suchtproblemen und die Wiedereingliederung von abstinent lebenden Suchtkranken.
Im Betrieb müssen Alkoholprobleme identifiziert und durch geeignete Intervention gelöst werden.
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