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Ziel des Betrieblichen Eingliederungsmanagements ist es, Arbeitsunfähigkeit möglichst zu überwinden, eventueller Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz des betroffenen Beschäftigten zu erhalten. Von seiner Einführung profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Roland K. arbeitet in einem kleinen Unternehmen der Textilbranche. Der gelernte Buchhalter hat Erfahrung mit der anstehenden Jahresbilanz, vieles ist zur Routine geworden in den vergangenen 15 Jahren. Aber dieses Jahr werden die Kollegen den Jahresabschluss wohl ohne ihn machen müssen. Nicht zum ersten Mal in diesem Jahr leidet er an furchtbaren Rückenschmerzen. Nachdem die Medikamente nicht mehr halfen hat ihn sein Arzt bereits vor 14 Tagen krank geschrieben. Heftig hat sich Herr K. dagegen gewehrt aber schließlich hat er doch einsehen müssen, dass eine noch höhere Dosierung der Schmerzmittel nicht die Lösung seiner gesundheitlichen Probleme sein kann.
Kein Einzelfall
So wie Roland K. geht es vielen Arbeitnehmern. Sicher, er treibt wenig Sport und auch mit der Ernährung hält er es nicht so genau. Da sind schon einige Pfunde dazu gekommen in den vergangenen Jahren. Aber schließlich hat er ja auch keinen körperlich anstrengenden Job. Genau genommen muss er sich an seinem Arbeitsplatz kaum bewegen und auch den Weg zur Arbeit bewältigt er bequem im Auto. Rückblickend muss Roland K. feststellen, dass er in diesem Jahr zusammengenommen schon mehr als sechs Wochen krank geschrieben war. Die Grippe im Winter, ein verstauchter Knöchel und immer wieder diese Rückenschmerzen.
Ein Fall wie viele könnte man meinen, wenn da nicht der Arbeitgeber wäre. Ein Gespräch hat er angekündigt. Man mache sich Sorgen um ihn. Hoffentlich bedeutet das nichts Schlimmes, eine Abmahnung oder gar die Kündigung?
Roland K. ist ein qualifizierter Mitarbeiter, der so schnell nicht ersetzt werden kann. Sein Arbeitgeber ist es gewohnt, Innovationen offen gegenüber zu stehen, sonst hätte das kleine Unternehmen die vergangenen zehn Jahre kaum überlebt. So hat er auch von der Novellierung des neunten Sozialgesetzbuches gehört. Betriebliches Eingliederungsmanagement lautet die Zauberformel.
Arbeitgeber gefordert
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist eine Aufgabe des Arbeitgebers zum Schutz der Gesundheit der Belegschaft. Ziel des Betrieblichen Eingliederungsmanagements ist die Überwindung von Arbeitsunfähigkeit, die Vorbeugung gegenüber erneuter Arbeitsunfähigkeit und schließlich der Erhalt des Arbeitsplatzes der betroffenen Beschäftigten. Dabei ist das Wiedereingliederungsmanagement zwar zu unterscheiden von der Betrieblichen Gesundheitsförderung, der Prävention und dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement, lässt sich aber sinnvoll mit diesen kombinieren.
Den Arbeitgeber verpflichtet § 84 Abs. 2 SGB IX für Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Arbeitsunfähigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz steht. Daher werden nicht nur Maßnahmen der eigentlichen Prävention eingesetzt sondern auch Maßnahmen zur Kompensation von Beeinträchtigungen etwa aufgrund einer Behinderung. Beschäftigten mit gesundheitlichen Problemen oder Behinderung soll möglichst dauerhaft ein geeigneter Arbeitsplatz zu Verfügung gestellt werden.
Management im Team
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist eine Teamaufgabe. Der Arbeitgeber klärt mit dem Betroffenen die individuelle Situation und klärt über die Ziele des Betrieblichen Eingliederungsmanagements auf. Mit Zustimmung des Betroffenen schaltet er den Betriebsrat oder den Personalrat ein, bei schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung. Bei Bedarf wird dieser Kreis um den Betriebsarzt erweitert. Gemeinsam soll geklärt werden mit welchen Hilfen eine schnelle Rückkehr in den Betrieb oder die Dienststelle möglich ist und was dort ggf. verändert werden muss, um einer erneuten gesundheitlichen Belastung vorzubeugen. Das Gremium kann bei Bedarf auch um Vertreter der Rentenversicherungsträger, der Unfallversicherungsträger, der Krankenkassen, der Agentur für Arbeit und bei schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen des Integrationsamts erweitert werden.
Durchführung geregelt
Betriebliches Eingliederungsmanagement ist ein spezielles Verfahren, mit dem Ziel einer wirksamen Förderung der Prävention am Arbeitsplatz. Als verbindliche Vorgehensweise ist es in § 84 Abs. 2 SGB IX normiert. Diese findet im Einzelfall Anwendung und orientiert sich an den betrieblichen Gegebenheiten. Das Konzept eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements wird in einem Großbetrieb daher anders aussehen als in einem kleinen Handwerksbetrieb. Die bekannten Rückkehrgespräche erfüllen nicht die Anforderungen an ein Eingliederungsmanagement. Die Vorgehensweise orientiert sich an fünf Phasen:
- Erkennen von Problemen (Frühwarnsystem)
- Instrumente der Erfassung und Spezifizierung von Daten (Gesundheitsberichte, Fehlzeitenanalysen…)
- Ein Entscheidungsgremium für die Verarbeitung von Daten und Umsetzung von Maßnahmen
- die Umsetzung konkreter Maßnahmen
- Dokumentation und Evaluierung des Vorgehens.
Diese Schritte müssen in ein funktionierendes System umgesetzt werden. Dabei sind Absprachen zu treffen, Regelungen zu gestalten, Kompetenzen und Zuständigkeiten zu verteilen. Hilfreich sind Instrumente zur Beurteilung jedes Einzelfalls. Die Tabelle (unten) enthält einige Anregungen hierfür.
Regelungen festhalten
Die getroffenen Regelungen zur Einführung und Umsetzung der Betrieblichen Wiedereingliederung sollten in einer Integrationsvereinbarung festgehalten werden. Dies bringt auch dem Unternehmer Vorteile, denn so ist z. B. bei der Wirksamkeitsprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung die Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements zu untersuchen. Eine Integrationsvereinbarung kann hier hilfreich sein. Aber es gibt noch mehr Gründe, die für eine Integrationsvereinbarung sprechen. Diese beinhaltet Regelungen im Zusammenhang mit der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfeldes, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Umsetzung der getroffenen Zielvereinbarungen.
Tragfähige Integrationsvereinbarungen entstehen schrittweise. Voraussetzung ist die Zusammenarbeit der Verantwortlichen im Rahmen eines zielorientierten Erarbeitungs‑, Informations- und Berichterstattungsprozesses. Die Verhandlungspartner verständigen sich zunächst auf eine gemeinsame Ausgangsbasis und stellen einen Grundkonsens her. Das Ergebnis besteht in allgemeinen Kernaussagen, die von allen Beteiligten mitgetragen werden, und die in einem ersten Baustein als gemeinsame Politik „Policy“ formuliert werden können.
Es folgt die sorgfältige Darstellung und Analyse der Situation zum gegebenen Zeitpunkt. Dies beinhaltet die Erfassung und Analyse relevanter Daten (z. B. betrieblicher Gesundheitsbericht) Bestandsaufnahme, Transparenz und das Aufdecken von Schwachstellen sind die Basis für das Ermitteln von Zielen. Das Ergebnis besteht in der Darstellung und Analyse der Ist-Situation im Betrieb oder in der Dienststelle und dem Herausarbeiten und Ermitteln von Handlungsbedarf.
Das Kernstück der Integrationsvereinbarung bilden die Zielvereinbarungen der Verhandlungspartner. Hier geht es um die Formulierung und Festlegung von erreichbaren, messbaren Zielen und um die Formulierung entsprechender Vereinbarungen zum Erreichen dieser Ziele. Das Ergebnis besteht in Zielvereinbarungen, die verbindlich und geeignet sind, für von Krankheit bedrohte und behinderter Beschäftigte erkennbar und spürbar wirksam zu sein.
Ziele vorzugeben ist eine Sache. Deren Erreichen setzt Verantwortliche voraus. Das Steuern über Zielvereinbarungen funktioniert nur, wenn der Prozess der Zielerreichung regelmäßig beobachtet und kontrolliert wird, d. h. Controlling und Berichtspflicht. Die Ergebnisse dieser Einzelschritte können Bestandteil der Integrationsvereinbarung sein, die sich wie folgt gliedern lässt:
- Policy
- Ist-Situation
- Zielvereinbarungen
- Umsetzung, Zuständigkeiten
- Berichtspflicht/Controlling
Die erarbeitete Integrationsvereinbarung wird im Betrieb bzw. der Dienststelle bekannt gegeben.
Wer unterstützt den Arbeitgeber?
Die Unfallversicherungsträger bilden seit einigen Jahren Personen aus bzw. weiter, die den Arbeitgeber bei diesen Aufgaben unterstützen sollen. Diese professionellen Disability Manager (CDMP) werden durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung zertifiziert und regelmäßig fortgebildet. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat hierfür ein Weiterbildungsprogramm aus Kanada adaptiert und eine Zertifizierungslizenz erworben.
Roland K. werden nach seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz eine Reihe von Gesprächen erwarten. Man wird ihm vielleicht ergonomisch-technische Veränderungen seines Arbeitsplatzes anbieten. Es könnte aber auch über organisatorische Veränderungen nachgedacht werden, um das regelmäßige „Saisonarbeiten“ unter Zeitdruck zu entschärfen. In Absprache mit dem behandelnden Arzt kann auch eine schrittweise Steigerung der Arbeitsbelastung sinnvoll sein. Schließlich könnte all dies durch ein individuell abgestimmtes Trainingsprogramm für seine Rückenmuskulatur flankiert werden.
- Dr. R. M. -
Praxisbeispiele zur betrieblichen Wiedereingliederung unter: http://arbeit-und- gesundheit.sozialnetz.de/ca/b/b/
Informationen der Gesetzlichen Unfallversicherung zur Ausbildung von Disability Managern
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