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LKW-Fahrer sind hohen Belastungen ausgesetzt. Das gefährdet die Sicherheit im Straßenverkehr. Übermüdung führt zu Unfällen, Ladungen sind nicht richtig gesichert, ältere Fahrer halten bei Dunkelheit keine angemessenen Abstände. Auf einem Seminar des Deutschen Verkehrssicherheitsrates, DVR, wiesen Experten auf Gefahren hin und nannten sinnvolle Maßnahmen.
Unregelmäßige Arbeitszeiten, lange Fahrzeiten, Zeitdruck, unzureichende Erholung, wenig und zu kurzer Schlaf, Nachtfahrten, Schichtarbeit sowie Fahrten auf monotonen Strecken: Die Belastungen und Beanspruchungen im Berufsalltag eines Lkw-Fahrers sind vielfältig und groß. Inwieweit diese Faktoren zu Aufmerksamkeitsdefiziten und zur Müdigkeit von Fahrern führen können, erläuterte Claudia Evers von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) beim Presseseminar des DVR im November 2008 in Mühlhausen/Thüringen.
Im Rahmen einer dreimonatigen bundesweiten Datenerhebung wurden verhaltensbezogene Ursachen schwerer Lkw-Unfälle (mit mindestens einer getöteten oder schwerverletzten Person) auf Bundesautobahnen untersucht. In insgesamt 19 Prozent aller Unfälle wurde Übermüdung als Unfallursache festgestellt. War der Hauptverursacher ein Lkw-Fahrer, lag der Anteil bei 16 Prozent, war der Pkw-Fahrer Hauptverursacher, betrug der Anteil 24 Prozent. Von den Nachtunfällen wurden etwa 42 Prozent, von den Unfällen zwischen 14 und 17 Uhr etwa elf Prozent ursächlich auf Übermüdung zurückgeführt. Darüber hinaus wurde bei 14 Prozent der von Lkw über 7,5 Tonnen verursachten Unfälle mindestens ein Verstoß gegen die Sozialvorschriften festgestellt, in der Hälfte dieser Fälle wurde „Übermüdung“ als Unfallursache angegeben.
Physisch, psychisch und sozial belastet
Die Belastungssituation der Lkw-Fahrer erläuterte Dr. Birger Neubauer von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF). Bei den versicherten Betrieben passierten 2007 insgesamt 121 tödliche Arbeitsunfälle, davon 78 im Straßenverkehr, 24.602 meldepflichtige Unfälle wurden im Güterkraftverkehr registriert, davon 1.922 im Straßenverkehr. Neben den eingangs berichteten Problemen der Fahrer ergänzte der Fachmann der BGF noch die physikalischen Belastungen beim Be- und Entladen, die Zwangshaltung bei der Fahrtätigkeit sowie Stürze und Verletzungen bei Fahrzeugkontrollen, bei der Fahrzeuginstandhaltung, beim Auf- und Abstieg in das Fahrzeug sowie beim Laden und Kuppeln. „Der hohe Konkurrenzdruck für die Fuhrbetriebe und der daraus – sowie aus dem wirtschaftlichen Wert des Fahrzeuges, der Ladung und der Kundenerwartung – entstehende Verantwortungsdruck ist für manchen Fahrer eine starke psychische Belastung“, so Dr. Neubauer. Ungünstige Ernährungsbedingungen seien sozusagen das negative „i‑Tüpfelchen“ auf dem Fahreralltag. Bei den sozialen Belastungen, so Dr. Neubauer, sei besonders die soziale Isolation der Lkw-Fahrer zu bedenken sowie die eingeschränkte Möglichkeit, hausärztliche Kontakte aufzubauen. „Typische Beanspruchungsreaktion bei den Fahrern sind Muskelverspannungen, Ermüdungen, Verdauungsstörungen sowie Übergewicht mit der Gefahr von Folgeerkrankungen“, sagte der Arbeitsmediziner.
Die BGF hilft mit ihrem Programm „Gesund und sicher – Arbeitsplatz Lkw“ den Fahrern und Betrieben, mit diesen vielfältigen Belastungen und Beanspruchungen umzugehen oder sie zu vermeiden. Das Seminarbaustein-System kann von Betrieben je nach Bedarf und Problemlage zusammengestellt werden. Es wird von ausgebildeten Moderatoren durchgeführt und deckt große Teile der auf Sicherheits- und Gesundheitsschutz bezogenen Lernziele des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes ab. Dieses Gesetz schreibt vor, welche Kenntnisbereiche im Rahmen der Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern vermittelt werden sollen.
Dr. Wolfgang Fastenmeier vom Institut für Angewandte Psychologie in München bestätigte, dass Weiterbildungs- und Trainingsangebote für die Fahrer notwendig seien. Angesichts der schweren Erreichbarkeit der Fahrer, der kleinbetrieblichen Struktur des Transportgewerbes und der mangelhaften Sicherheits- und Gesundheitsschutzorganisation erschien ihm aber eine Sensibilisierung von Unternehmern, Disponenten und Verladern noch vielversprechender.
In Zukunft mehr ältere Fahrer
„Der ältere Lkw-Fahrer ist ein Thema der Zukunft“, so Dr. Fastenmeier. Der Anstieg beim Unfallrisiko sei aber erst ab dem 65. Lebensjahr markant. Aufschlussreicher sei das Bild bei einer Differenzierung nach Unfallarten beziehungsweise nach Unfallursachen. Ältere Lkw-Fahrer fallen vermehrt in komplexen Anforderungssituationen auf. Dies sind vor allem Fahraufgaben an Knotenpunkten, bei deren Bewältigung Informationen aus verschiedenen Richtungen aufgenommen, zu einem stimmigen Gesamtbild der Situation zusammengesetzt und schnell in Handlungen umgesetzt werden müssen. Weniger Probleme haben die älteren Fahrer im kreuzungsfreien Längsverkehr. So verhalten sie sich bei der Abstands- und Geschwindigkeitswahl meist vorsichtig und kompensieren damit erfolgreich ihre langsamere Reaktionsfähigkeit. Bedeutsam ist das vollständige Umkippen dieses Befundes bei Dunkelheit. Hier fahren ältere Lkw-Fahrer häufig mit nicht angepasster Geschwindigkeit und zu dicht auf. Offensichtlich seien sie nicht mehr in der Lage Abstände und Geschwindigkeiten in der Nacht korrekt einzuschätzen, so Dr. Fastenmeier. Angesichts der Nachwuchssorgen bei den Speditionen, da viele jüngere Menschen die Ausbildung zum Berufskraftfahrer aufgrund der belastenden Arbeitsbedingungen und des zu erwartenden unterdurchschnittlichen Einkommens scheuen, sieht Dr. Fastenmeier eine zunehmende Überalterung bei den Fahrern und somit auf die Bundesrepublik Deutschland als Transitland ein größeres Problem zukommen.
Fahrerassistenzsysteme in der Praxis
„Mehr Sicherheit auf deutschen Straßen“ verspricht der Praxisversuch mit derzeit verfügbaren Fahrerassistenzsystemen, der auf Initiative der BGF zurzeit durchgeführt wird. Zusammen mit vielen Partnern aus Verbänden, von Versicherern und Fahrzeugherstellern fördert die BGF die Ausstattung von neuen schweren Nutzfahrzeugen und Reisebussen mit Fahrerassistenzsystemen, kommuniziert die Kampagne in der Öffentlichkeit und im Gewerbe und begleitet den Praxisversuch wissenschaftlich bis Ende 2010.
Laut Dr. Klaus Ruff von der BGF müssen für eine Förderung die Neufahrzeuge mit Abstandsregeltempomat, Spurassistent und Elektronischem Stabilitätsprogramm (ESP) ausgerüstet sein. Eine eigens eingerichtete Webseite ( www.fahrer-assistenz-systeme.de) berichtet laufend über die Kampagne und liefert Hintergrundinformationen.
Dass trotz zunehmender technischer Sicherheit der Fahrzeuge noch einiges im Argen liegt, stellte Uwe-Peter Schieder vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fest. Er beschrieb eine Vielzahl von Schäden, die auf teilweise katastrophale Ladungssicherung auf Lkw-Ladeflächen zurückzuführen seien. Häufig fänden sich zwar Gurte auf den Fahrzeugen, die gegebenenfalls auch eingesetzt würden, aber oft nur zur Niederzurrung. Dies sei eine „gute Sicherung gegen Wegfliegen nach oben“, verfehle aber ihre Wirkung bei starken Lenk- und Bremsmanövern. Gut 50 Prozent aller Ladungen, die einer Sicherung bedürfen, seien nicht oder vollkommen falsch gesichert. Immer noch passierten rund 2.500 Unfälle allein wegen schlechter oder nicht vorhandener Ladungssicherung und immer noch würden Menschen durch mangelhaft gesicherte Ladung verletzt oder getötet. Der GDV fordere deshalb für Verlader, Frachtführer/Halter und für Fahrer, dass die Ausbildung zur Ladungssicherung in Theorie und Praxis Pflicht werden müsse. Darüber hinaus sollten die föderalen und zentralen Kontrollinstanzen ebenfalls einheitlich ausgebildet werden, damit die Kontrollen auf einem qualitativ hochwertigen und gleichen Niveau erfolgen können.
Hans-Gerhard Pernutz vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG) informierte darüber, dass Mindestkontrollquoten bei Straßen- und Betriebskontrollen in allen EU-Staaten zukünftig den einheitlichen Kontrollstandard gewährleisten sollen. Die Berücksichtigung der Ahndung eines Verstoßes in einem anderen Mitgliedstaat und die Möglichkeit der Sanktion eines in einem anderen Mitgliedstaat begangenen Verstoßes seien ebenso neu wie die künftige Einführung eines Risikoeinstufungssystems. Dies seien wichtige Schritte auf dem Weg zu einer Harmonisierung des Straßenkontrollrechtes in Europa.
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