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Vor der Arbeit die Kinder abgeben

Lexikon der Unfallversicherung: Fremde Obhut
Vor der Arbeit die Kinder abgeben

Nicht nur die unmit­tel­baren Wege von und zum Arbeit­sort sind vom Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung erfasst, son­dern auch der Umweg, um Kinder wegen der beru­flichen Tätigkeit „fremder Obhut“ anzu­ver­trauen, also zum Beispiel in den Kinder­garten zu fahren. Die Aus­dehnung des Ver­sicherungss­chutzes auch auf diese Wege erfol­gte im Jahr 1971 aus sozial- und beschäf­ti­gungspoli­tis­chen Gründen.

Antje Did­laukat

In der Begrün­dung des Geset­zes, § 8 Abs. 2 Nr. 2a Sozialge­set­zbuch (SGB) VII, wurde aus­drück­lich darauf hingewiesen, dass ein betrieblich­es Inter­esse an der Unter­bringung der Kinder der Beschäftigten beste­he, da die Wirtschaft mehr und mehr auf die Mitar­beit von Frauen angewiesen sei. Darüber hin­aus sollte die Beruf­stätigkeit von Frauen erle­ichtert werden.
Nur auf unmit­tel­barem Weg
Unter ein­er Abwe­ichung vom unmit­tel­baren Weg ver­ste­ht man Abwege oder Umwege vom Weg zur Arbeit. Nicht erfasst sind Wege, die allein zur Unter­bringung oder zum Abholen des Kindes zurück­gelegt wer­den und ger­ade nicht mit dem unmit­tel­baren Weg zum und vom Tätigkeit­sort zurück­gelegt wer­den. Wenn also die Arbeit zum Abholen oder Weg­brin­gen des Kindes unter­brochen wird.
Beispiel:
A ist Außen­di­en­st­mi­tar­beit­er und hat ein Büro in sein­er Woh­nung. Auf dem Weg von einem Außen­ter­min zurück zu seinem Büro holt er seinen Sohn von fremder Betreu­ung ab. Auf dem Weg zur Wohnung/zum Büro ereignet sich ein Unfall.
A befind­et sich nicht auf einem unmit­tel­baren Weg von und zum Ort der Tätigkeit. Er ist vielmehr von einem Betrieb­sweg abgewichen. Ver­sicherungss­chutz beste­ht nicht (Entschei­dung des Bun­dessozial­gerichts vom 12.01.2010 Az. B 2U 35/08 R).
Kinder müssen trans­portiert werden
Der Trans­port der Obhutsper­son allein reicht allerd­ings nicht aus. Das Kind muss selb­st in fremde Obhut ver­bracht oder abge­holt werden.
Beispiel:
B holt nach Beendi­gung sein­er Nachtschicht seine Schwiegermut­ter ab. Diese sollte die Kinder in der Woh­nung des B betreuen. Auf dem Weg zur Woh­nung des B ereignete sich ein Unfall.
Da im vor­liegen­den Fall die Kinder nicht in fremde Obhut gebracht oder von dort abge­holt wer­den soll­ten, son­dern vielmehr die Schwiegermut­ter als Obhutsper­son zu den Kindern gebracht wer­den soll, liegt kein Fall des § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII vor. Unter Anver­trauen kann in diesem Zusam­men­hang nur eine aktive Hand­lung, die sich auf die Kinder als Objekt bezieht, ver­standen wer­den. Es geht darum die Kinder der Beauf­sich­ti­gung durch einen Drit­ten zuzuführen. Eine analoge Anwen­dung der Norm auf den vor­liegen­den Fall ist nicht angezeigt (Entschei­dung des Bun­dessozial­gerichts vom 28.04.2004 Az. B 2U 20/03 R).
Auch bei mehreren Kindern
Bei der Unter­bringung mehrerer Kinder sind auch mehrere Abwe­ichun­gen ver­sichert. Die Dauer der Abwe­ichung und der Umfang der Ver­längerung sind grund­sät­zlich irrel­e­vant. Aus­nah­men gel­ten nur dann, wenn sehr ungewöhn­liche Ent­fer­nun­gen zurück­gelegt wer­den. Die Unter­bringung muss darüber hin­aus grund­sät­zlich nicht regelmäßig erfol­gen. Kein Ver­sicherungss­chutz beste­ht dann, wenn ein bere­its unterge­bracht­es Kind „nur“ besucht wird oder Klei­dung oder Medika­mente über­bracht wer­den. Der Ver­sicherungss­chutz endet und begin­nt mit dem Durch­schre­it­en der Außen­tür des Gebäudes, in dem das Kind unterge­bracht wer­den soll. Die Unter­bringung­shand­lung selb­st ist nicht versichert.
Was erforder­lich ist
Damit der Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung auch für diese Wege gegeben ist,
  • muss das Kind mit dem Ver­sicherten in einem Haushalt leben,
  • muss das Kind fremder Obhut anver­traut wer­den und
  • muss die Ver­bringung in fremde Obhut auf­grund der beru­flichen Tätigkeit des Ver­sicherten oder des Ehe­gat­ten erfolgen.
Im Hin­blick auf den Begriff des Kindes wird auf § 56 SGB I ver­wiesen. Danach sind Kinder im Sinne der Vorschrift neben den leib­lichen Kindern auch die Stiefkinder oder Pflegekinder. Darüber hin­aus sind auch Enkel oder Geschwis­ter des Ver­sicherten erfasst, die in seinem Haushalt aufgenom­men sind. Ob das Kind selb­st auch ver­sichert ist, spielt keine Rolle.
Grund muss die Arbeit sein
Das Kind muss wegen der beru­flichen Tätigkeit des Ver­sicherten oder seines Ehe­gat­ten in fremde Obhut ver­bracht wer­den. Dabei ver­ste­ht man unter Beruf­stätigkeit jede Tätigkeit, die auf Dauer zu Erwerb­szweck­en aus­geübt wird. Dies kann also eine abhängige, aber auch eine selb­ständi­ge Tätigkeit oder sog­ar die Beruf­saus­bil­dung sein. Ehre­namtliche Tätigkeit­en wer­den hier­von nicht erfasst. Erforder­lich ist auch, dass zumin­d­est ein mit­tel­bar­er Zusam­men­hang zwis­chen der beru­flichen Tätigkeit und der Ver­bringung in fremde Obhut beste­ht. Wenn das Kind also in fremde Obhut gebracht wird, damit der Ver­sicherte zwis­chen zwei Nachtschicht­en schlafen kann, wäre dies für die Annahme eines Zusam­men­hangs aus­re­ichend. Im Haushalt gegebene zumut­bare Obhutsmöglichkeit­en und ‑pflicht­en müssen genutzt wer­den. Kri­tisch kann dies dann wer­den, wenn nur ein Betrof­fen­er beruf­stätig ist. Dann müsste der andere durch wichtige Gründe (Krankheit) ver­hin­dert sein, die Obhut zu übernehmen, damit Ver­sicherungss­chutz trotz­dem bejaht wer­den kann.
Das Bun­dessozial­gericht hat zulet­zt in der Entschei­dung vom 12.01.2010, Az. B 2U 35/08 R betont, es sei erforder­lich, dass das Kind fremder Obhut anver­traut wird, um die ver­sicherte Tätigkeit ausüben zu kön­nen. Nicht erfasst wer­den daher Fälle, wo unab­hängig davon in fremder Obhut ver­bracht wird, ob der Ver­sicherte seine Beschäf­ti­gung aufnehmen will. So ist beispiel­sweise dann kein Ver­sicherungss­chutz gegeben, wenn das Kind zur Ausübung eines Hob­bys oder zur musikalis­chen Früherziehung in fremde Obhut gebracht wird.

Egal ob Oma oder Tagesmutter
Mit „fremder Obhut“ ist eine Unter­bringung außer­halb des eige­nen Haushalts gemeint. Dies kann etwa bei Ver­wandten, zum Beispiel den Großel­tern, getren­nt leben­den oder geschiede­nen Ehe­gat­ten, aber auch bei Tages­müt­tern und in Kindergärten erfol­gen. Das Kind kann auch mehrere Tage in fremde Obhut gebracht wer­den. Es gibt keine aus­drück­liche Alters­gren­ze, aber es wird angenom­men, dass ein Kind, das über 14 Jahre alt und nicht behin­dert ist, kein­er frem­den Obhut mehr bedarf.
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