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Vorsicht vor giftigen Gasen

Entladen von Frachtcontainern
Vorsicht vor giftigen Gasen

Beim Öff­nen und Ent­laden von Fracht­con­tain­ern set­zen Beschäftigte oft unbe­merkt ihre Gesund­heit aufs Spiel, denn aus den Waren oder Trans­port­be­häl­tern kön­nen giftige Gase aus­dün­sten. Betrof­fen sind Seeleute, Hafe­nar­beit­er, Beschäftigte vom Zoll, aber auch Mitar­beit­er der importieren­den Fir­men. Ein Inter­net­por­tal der BGIA informiert über Risiken und Schutzmaßnahmen.

DGUV Gre­gor Doep­ke Mit­tel­straße 51 10117 Berlin-Mitte

In der Ver­gan­gen­heit kam es immer wieder zu Zwis­chen­fällen beim Ent­laden von Con­tain­ern. Beispiel­sweise im Som­mer 2006, als Mitar­beit­er ein­er Maschi­nen­fab­rik vier bis fünf Stun­den lang aus einem Con­tain­er vorge­fer­tigte Maschi­nen­teile aus Chi­na entlu­den. Diese waren mit­tels Pack- und Stützhölz­ern gelagert. Laut beige­fügtem Zer­ti­fikat waren die Hölz­er für 24 Stun­den in Chi­na mit Brom­methan begast wor­den. Mes­sun­gen nach der Ankun­ft der Con­tain­er in Deutsch­land ergaben eine Konzen­tra­tion unter­halb 0,5 ppm, wie es die TRGS 512 für die Freiga­be begaster Güter vor­sieht. Obwohl die Con­tain­er vor dem Ent­laden für eine halbe bis eine Stunde entlüftet wor­den waren, berichteten die Arbeit­er über Übelkeit und Unwohl­sein sofort nach dem Ent­laden. Zwei der Beschäftigten, die sich am läng­sten im Con­tain­er aufge­hal­ten hat­ten, lit­ten nach mehren Tagen an Reizhus­ten und Atem­not und wur­den nach eini­gen Wochen wegen anhal­tender neu­rol­o­gis­ch­er Symp­tome in eine arbeitsmedi­zinis­che Polik­linik über­wiesen. Das Beispiel zeigt, dass beim Ent­laden von Con­tain­ern große Vor­sicht geboten ist. Berück­sichtigt wer­den müssen dabei auch Fak­toren wie eine hohe Außen­tem­per­atur oder das Zusam­men­wirken ver­schieden­er giftiger Stoffe.
Jed­er fün­fte Con­tain­er mit gifti­gen Stof­fen begast
Rund 15 Mil­lio­nen Fracht­con­tain­er wer­den in deutschen See­häfen jährlich umgeschla­gen. Bei fast 20 Prozent dieser Con­tain­er wer­den vor dem Ver­schif­f­en die Waren, Ver­pack­ung­sholz wie Palet­ten oder der ganze Inhalt, mit gifti­gen Stof­fen begast, um Schädlinge abzutöten. Als Bega­sungsmit­tel dienen zum Beispiel Phos­pho­r­wasser­stoff, Sul­furyld­iflu­o­rid und Brom­methan (Methyl­bro­mid), das in Europa allerd­ings seit dem Jahr 2006 ver­boten ist, in ver­schiede­nen Län­dern jedoch noch ange­wandt wird, weil es Holzschädlinge und die meis­ten Schim­melpilze wirk­sam bekämpft. Einige dieser Mit­tel haben zwar einen typ­is­chen Geruch, andere, wie Sul­furyld­iflu­o­rid und Methyl­bro­mid, sind aber geruch­los und nicht zu erkennen.
Eine Unter­suchung, durchge­führt vom Zen­tralin­sti­tut für Arbeitsmedi­zin und der Tech­nis­chen Uni­ver­sität Ham­burg, ergab, dass außer­dem viele Con­tain­er, vor allem aus Chi­na und Viet­nam, mit anderen Indus­triechemikalien aus dem Her­stel­lung­sprozess kon­t­a­miniert waren, etwa Formalde­hyd und Ben­zol. Betrof­fen sind ins­beson­dere Tex­tilien, Schuhe und Möbel.
Begaste Con­tain­er müssen nach inter­na­tionalen Vorschriften eigentlich gekennze­ich­net sein, was man aber nicht in allen Län­dern so genau nimmt. Beste­ht Unklarheit, emp­fiehlt es sich, Mes­sun­gen vorzunehmen. Betriebe, die sel­ber keine Messtech­nik vorhal­ten kön­nen, soll­ten eine Fach­fir­ma mit der Mes­sung und Ent­ga­sung beauftragen.
Gefahren durch Indus­triechemikalien, auf die unter Umstän­den ein lösungsmit­te­lar­tiger Geruch hin­weist, lassen sich reduzieren, indem der Con­tain­er vor dem Ent­laden min­destens dreißig Minuten entlüftet wird. Auch Betriebe, die dicht gepack­te Waren wie Tex­tilien aus Überseecon­tain­ern erhal­ten, müssen die Gefahr von Aus­dün­stun­gen im Rah­men der Gefährdungs­analyse und Betrieb­san­weisun­gen berücksichtigen.
Hand­lung­shil­fen und Informationen
Wo und wie Gefährdun­gen in und an Fracht­con­tain­ern entste­hen und welche Schutz­maß­nah­men helfen, beschreibt ab sofort ein kosten­los­es Infor­ma­tion­sportal im Inter­net. Beruf­sgenossen­schaften, Unfal­lka­ssen und staatliche Stellen haben Hand­lung­shil­fen und Infor­ma­tio­nen zum The­ma zusam­mengestellt, um Gesund­heits- und Unfall­risiken vorzubeu­gen. Das Ange­bot richtet sich an alle, die beru­flich Con­tain­er öff­nen oder ent­laden: der Zoll bei seinen Kon­trollen, Logis­tikun­ternehmen beim Ladung­sum­schlag oder der Endempfänger, der die Ware auspackt.
„Betrof­fene ent­lang der gesamten Liefer­kette – vom Betrieb­sleit­er bis zum Arbeit­er – wis­sen oft nur wenig über die Gefahren“, sagt Dr. Horst Kleine, Gefahrstof­f­ex­perte des BGIA – Insti­tut für Arbeitss­chutz der Deutschen Geset­zlichen Unfal­lver­sicherung. „Das gibt immer wieder Anlass für gefährliche Sit­u­a­tio­nen und Unfälle.“ Selb­st Ret­ter, Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen oder Ärzte wür­den im Not­fall häu­fig nicht die Zusam­men­hänge erken­nen und unangemessen reagieren. Das neue Inter­net-Infor­ma­tion­sportal „Gefahren­schw­er­punkt Fracht­con­tain­er“ soll Abhil­fe schaf­fen. Dabei helfen zum Beispiel Muster-Betrieb­san­weisun­gen, Check­lis­ten für das Ent­laden von Con­tain­ern oder Hin­weise, wie sich Chemikalien in Con­tain­ern messen lassen; aber auch Schutz­maß­nah­men, Infor­ma­tio­nen zu Gefahrstof­fen, Vorschriften und Not­fall­man­age­ment. Spezielle Rubriken enthal­ten außer­dem Hin­weise für Ret­tungs­di­en­ste und zu branchen­be­zo­ge­nen Fra­gen. Neben Gesund­heit­srisiken durch aus­dün­s­tende Gefahrstoffe und biol­o­gis­che Gefahren durch Schim­melpilze behan­delt das Infor­ma­tion­sportal auch Unfall­ge­fahren, die beim Öff­nen und Ent­laden von Con­tain­ern durch her­aus­fal­l­ende oder umstürzende Ladung entste­hen kön­nen. Ver­e­na Manek
Das Inter­net­por­tal „Gefahren­schw­er­punkt Fracht­con­tain­er“ der BGIA ste­ht unter:
www.dguv.de/bgia, web­code d25041

Ein Cocktail giftiger Stoffe

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Inter­view

Über die Gefahren, die von Bega­sungsmit­tel­rück­stän­den und tox­is­chen Indus­triechemikalien in Import-Con­tain­ern aus­ge­hen, sprach „Sicher­heits­beauf­tragter” mit Prof. Dr. med. Xaver Baur vom Ordi­nar­i­at und Zen­tralin­sti­tut für Arbeitsmedi­zin, Hamburg.
Ver­e­na Manek
Kommt es immer noch zu Unfällen infolge von begas­ten Containern?
Prof. Dr. Baur: Ja, wir wer­den ein- bis zweimal pro Woche entwed­er von betrof­fe­nen Per­so­n­en direkt oder von Ärzten, bei denen sich solche Ver­dachts­fälle vorstellen, kon­tak­tiert. Nicht immer bestätigt sich allerd­ings die ver­mutete Intoxika­tion, so dass dann nach anderen Krankheit­sur­sachen gefah­n­det wer­den muss .
Wer­den bei Mes­sun­gen wirk­lich alle gifti­gen Stoffe berücksichtigt?
Prof. Dr. Baur: Nein. Das ist vor allem dadurch bed­ingt, dass viele gas­för­mige Inhaltsstoffe gar nicht bekan­nt sind und auch im zeitlichen Ver­lauf sich durch Ein­führung neuer Pro­duk­tion­stech­niken und Aus­gangs­ma­te­ri­alien für die Pro­duk­te Änderun­gen ergeben. Entsprechen­des gilt für den stark vari­ieren­den Ein­satz von Begasungsmitteln.
Hal­ten Sie die in der TRGS 512 angegebe­nen Gren­zw­erte und andere Sicher­heits­bes­tim­mungen für ausreichend?
Prof. Dr. Baur: Die TRGS 512 ist ein geeignetes Regel­w­erk zur sicheren Durch­führung von Bega­sun­gen hierzu­lande. Sie ist aber nicht geeignet als Reg­u­lar­i­um für die Behand­lung von begas­ten Import­con­tain­ern und begas­ten Import­waren. Das liegt auch daran, dass in der TRGS 512 nur Bega­sungsmit­tel berück­sichtigt wer­den, die hierzu­lande für die Bega­sung und den War­en­trans­port zuge­lassen sind. Inter­na­tion­al wer­den aber mehr als ein Dutzend weit­er­er Sub­stanzen hier­für ver­wen­det. Hinzu kommt, dass die TRGS 512 sich nicht auf die viel häu­figer als Bega­sungsmit­tel anzutr­e­f­fend­en tox­is­chen Indus­triechemikalien bezieht.
Die unter Punkt 10 der TRGS 512 ange­führten Freiga­be-Gren­zw­erte sind tech­nisch basiert und nur teil­weise gesund­heits­basiert. So ist für das kreb­serzeu­gende Brom­methan (Freiga­be-Gren­zw­ert 0,5 ppm) ein gesund­heits­basiert­er Wert zumin­d­est derzeit nicht festlegbar.
In der Prax­is stellt das sog. Nach­gasen der Waren nicht sel­ten ein Prob­lem dar; ein mehrstündi­ges Lüften des Con­tain­ers führt zwar zu ein­er Unter­schre­itung des Freiga­be-Gren­zw­ertes, kurze Zeit später kann infolge des Aus­dün­stens der Bega­sungsmit­tel aus den Waren aber wieder eine deut­lich höhere Konzen­tra­tion erre­icht werden.
Hinzuweisen ist darüber hin­aus auf den Sicher­heitsab­stand beim Öff­nen poten­tiell begaster Trans­portein­heit­en, der laut Punkt 5.4.3.2 der TRGS 512 min­destens 10 m um die zu öff­nende Ladungstür betra­gen muß. Nach nieder­ländis­chen Unter­suchun­gen sind in Abhängigkeit von der Win­drich­tung in bis zu 50 m Ent­fer­nung tox­is­che Bega­sungsmit­telkonzen­tra­tio­nen nachweisbar.
Schließlich halte ich in Anbe­tra­cht des erhe­blichen Gefährdungspo­ten­tials und der immer wieder beobachteten akuten und chro­nis­chen Intoxika­tion die in der Neu­fas­sung der TRGS 512 vom Jan­u­ar 2007 vorgenommene Aufhe­bung der Pflicht zur arbeitsmedi­zinis­chen Vor­sorge­un­ter­suchung von Beschäftigten, die regelmäßig Bega­sungstätigkeit­en aus­führen, für einen Fehler.
Wie ist es mit Rück­stän­den aus Indus­triechemikalien? Wer­den diese über­haupt gemessen?
Prof. Dr. Baur: Die in Deutsch­land vorgeschriebene sog. Freimes­sung von begas­ten Con­tain­ern, Gebäu­den etc. erfol­gt vom Bega­sungsleit­er oder einem anderen Mitar­beit­er ein­er Bega­sungs­fir­ma, der einen dies­bezüglichen Sachkun­delehrgang absolviert hat, und zwar entsprechend den in der TRGS 512 hier­für fest­gelegten Sicher­heits­maß­nah­men. Diese Fir­men konzen­tri­eren sich auf das jew­eils vor Ort ver­wen­dete Bega­sungsmit­tel. Sie messen erfahrungs­gemäß im Rah­men der Unter­suchung von Import­con­tain­ern auch nur die hierzu­lande zuge­lasse­nen Bega­sungsmit­tel. Daraus ergibt sich, dass mit solchen Mes­sun­gen Kon­t­a­m­i­na­tio­nen mit anderen Bega­sungsmit­teln und grund­sät­zlich eine Kon­t­a­m­i­na­tion mit Indus­triechemikalien nicht aus­geschlossen wer­den kann.
Ander­er­seits gibt es eine Rei­he von Messin­sti­tuten, die mit einem Set ein­fach zu er-fassende tox­is­che Stoffe, vor allem eine Rei­he von Lösungsmit­teln, Weich­mach­ern, erfassen, aber nicht die ganze Palette von tox­is­chen Indus­triechemikalien und Bega-sungsmit­teln, die in den unter­schiedlichen Import­waren anzutr­e­f­fen ist.
Sind die Konzen­tra­tio­nen der Indus­triechemikalien gefährlich? Gab es Zwis­chen­fälle, bzw. sind Mitar­beit­er, oder auch die End­ver­brauch­er, dadurch gefährdet?
Prof. Dr. Baur: Ja, Zwis­chen­fälle unter beru­flich exponierten Per­so­n­en und End­ver­brauch­ern wur­den wieder­holt beschrieben. Das Aus­maß der Gesund­heits­ge­fahr resul­tiert natür­lich aus der Art der jew­eili­gen Kon­t­a­m­i­na­tion und der Konzen­tra­tion der Gift­stoffe. Häu­fig liegt ein Cock­tail vor, wobei kumu­la­tive gesund­heit­sad­verse, d. h. die Gesund­heit schädi­gende Effek­te zu verze­ich­nen sind. Ori­en­tierend kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Über­schre­itung von gesund­heits­basierten Gren­zw­erten gesund­heits­ge­fährdend ist. Für kreb­saus­lösende Stoffe gibt es in der Regel keine solchen Gren­zw­erte, da bere­its min­i­male Dosen der­sel­ben mit einem Gesund­heit­srisiko ein­herge­hen. In unseren Unter­suchun­gen von über 2000 Import­con­tain­ern fan­den wir in 24 Prozent Über­schre­itun­gen gesund­heits­basiert­er Arbeitsplatzgrenzwerte.
Das Inter­view führte
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