Psychische Störungen, insbesondere Depressionen, führen immer häufiger zu Fehlzeiten. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat die Ursachen der Erkrankung untersucht und kam zu einem erstaunlichen Ergebis: Nur das Arbeitspensum, nicht aber die ‑inhalte, ‑qualität oder fehlende Selbstbestimmung, begünstigt Depressionen.
Das Wissen um die Genese der Erkrankung ist für den Arbeitgeber von Bedeutung. So kann er vorbeugend Maßnahmen ergreifen und Fehlzeiten aufgrund von depressiven Störungen vermeiden. Denn die Fehltage, die auf die Diagnose „Depressive Störungen“ zurückgehen, häufen sich. Bei der Technikerkrankenkasse, die insgesamt 2,6 Millionen Erwerbstätige versichert, waren es allein im Jahr 2007 1,3 Millionen an der Zahl (TK Gesundheitsreport 2008). Mit der Studie „Untersuchung arbeitsbedingter Ursachen für das Auftreten von depressiven Störungen“ gibt die BAuA den Unternehmen dafür ein passendes Instrument in die Hand. Dabei wurden die Arbeitsintensität und der Tätigkeitsspielraum der Angestellten erstmals objektiv gemessen, anstatt sich auf subjektive Einschätzungen zu beziehen.
Bisherige Studien belegten, dass ein Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Depressionen besteht. Allerdings beurteilten die Studienteilnehmer in den meisten Fällen sowohl ihre Arbeitsbedingungen, als auch ihren Gesundheitszustand. Dieses Vorgehen erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zusammenhang zwischen beiden Faktoren festgestellt wird. Hinzu kommt, dass depressiv verstimmte Menschen in ihrer Wahrnehmung gestört sein können, was zu Fehleinschätzungen der Arbeitssituation führen kann. Die Studie hat versucht, diese Untersuchungsmängel zu beseitigen, indem die Arbeitsbedingungen unabhängig vom Beschäftigten objektiv bewertet wurden. 517 deutsche Beschäftigte aus drei Branchen (Banken und Versicherungen, Gesundheitswesen und Öffentlicher Dienst) nahmen an der Studie teil. Es wurden objektive und subjektive Arbeitsanalysen durchgeführt. Depressionen wurden anhand des standardisierten klinischen Interviews und depressive Verstimmungen mittels eines Screening-Verfahrens diagnostiziert.
Das Ergebnis konkretisiert die bisherigen Erkenntnisse zu arbeitsbedingten Ursachen von Depression: Nur die objektiv bewertete Arbeitsintensität, nicht aber der Tätigkeitsspielraum stehen mit dem Auftreten von Depressionen in Zusammenhang. Das heißt: Je höher die objektive Arbeitsbelastung, desto häufiger traten sowohl Depressionen als auch depressive Verstimmungen bei den Beschäftigten auf. Aufgrund der objektiven Erhebungsmethode scheidet der Einfluss der verzerrten Wahrnehmung von erkrankten Mitarbeitern als Erklärung aus. Anders beim Tätigkeitsspielraum: Hier konnte ein Zusammenhang nach dem Prinzip „Je geringer der Handlungsspielraum, desto höher die Wahrscheinlichkeit an einer Depression zu erkranken“ nicht bestätigt werden. Möglicherweise schätzen von Depressionen Betroffene ihren Tätigkeitsspielraum als geringer ein als er tatsächlich ist.
Der vollständige Forschungsbericht „Untersuchung arbeitsbedingter Ursachen für das Auftreten von depressiven Störungen“ (F 1865) von R. Rau, N. Gebele, K. Morling und U. Rösler, ISBN: 978–3–88261–114–4, ist kostenlos verfügbar unter
Monotones Arbeiten belastet
Interview mit Rüdiger Hofmann
Macht monotones Arbeiten krank? Welche Faktoren begünstigen Depressionen und welche Maßnahmen verhindern ihre Entstehung? Zu diesen und anderen Fragen nahm Diplompsychologe Rüdiger Hofmann Stellung.
Infraserv GmbH & Co. Höchst KG Herrn Rüdiger Hofmann Geschäftsfeld Arbeitsschutz & Anlagensicherheit 65926 Frankfurt am Main
Glauben Sie, dass nur die objektive Arbeitsintensität, nicht aber der Tätigkeitsspielraum mit dem Auftreten von Depression in Zusammenhang stehen?
Hofmann: Ich denke, dass dauerhaft einseitige Tätigkeiten bei Menschen, die diese Art von Arbeit nicht gewohnt sind, zu einem Problem führen können. In Kombination mit negativen persönlichen Lebensereignissen und einer inneren Kündigung hat eintönige Arbeit möglicherweise Auswirkungen in Richtung Depression.
Welche Faktoren beeinflussen das Entstehen einer Depression?
Hofmann: Zukunftsängste sowie Angst vor einem Arbeitsplatzverlust spielen dabei eine große Rolle. Hinzu kommt ein mangelhaftes Führungskräfteverhalten mit fehlender sozialer Kompetenz. Aber auch Monotonie kann aus meiner Sicht zu einer depressiven Erkrankung führen.
Leiden Frauen und Männer in gleicher Weise unter der Arbeitsintensität?
Hofmann: Aus meiner Sicht ja. Auch wenn sich das in Zahlen wahrscheinlich nicht hundertprozentig festmachen lässt. Bei Frauen toleriert unsere Gesellschaft Depressionen. Aber bei Männern tut sie das nicht. Männer leiden eher an einem Burnout-Syndrom. Aber ist das nicht auch eine Form von Depression?
Es wäre sinnvoll, die psychischen Belastungen stärker in die Gefährdungsbeurteilung zu integrieren. Ist das in der Realität der Fall?
Hofmann: Nein, leider nicht, was sicherlich damit zusammenhängt, dass nur wenige Unternehmer, Vorarbeiter oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit über ausgereifte Fragenkataloge verfügen. Viele sind auch schlichtweg unerfahren auf diesem Gebiet. Deshalb ist eine grundlegende Schulungsarbeit dringend notwendig.
Wie sieht eine optimale Gefährdungsbeurteilung in Sachen psychischer Belastungen aus?
Hofmann: Gefährdungsbeurteilungen können auf der Basis von Checklisten, Testeinsätzen sowie ausführlichen Vieraugengesprächen erstellt werden. Aber genau da liegt der Hund begraben. Viele Führungskräfte haben keine geeigneten Unterlagen, keine Zeit oder lehnen solche Themen rundweg ab.
Lassen sich depressive Erkrankungen durch Mitarbeiterjahresgespräche reduzieren? Wie schätzen Sie das Mitspracherecht der Mitarbeiter bei diesen Zielvereinbarungsgesprächen ein?
Hofmann: Das Mitspracherecht ist zwar „vorhanden“, wird aber von vielen Menschen zu wenig genutzt. Die Führungskraft setzt die Ziele und dann wird unterschrieben. Das ist in vielen Fällen leider noch immer die Regel. Nur wenige Vorgesetzte gehen den umgekehrten Weg und lassen ihre Mitarbeiter die Ziele eigenständig festlegen. Zudem müssen Mitarbeitergespräche öfter als einmal im Jahr stattfinden. Vielmehr sollten Führungskräfte und Mitarbeiter ständig in Kommunikation stehen. Beim partizipativen Motivationsansatz holen Vorgesetze die Kollegen und Experten vor Ort mit ins Boot. Sie erfragen deren Meinung, legen Wert auf deren Wissen und Vorschläge, gehen aber auch auf deren Ängste und Probleme ein.
Infos zur Person
Diplompsychologe Rüdiger Hofmann hat sich auf die Schulung von Mitarbeitern spezialisiert. Er gibt Seminare und unterweist die Teilnehmer in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz. ruediger.hofmann@infraserv.com
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