Viele Jahre galt im Arbeitsschutz der eherne Grundsatz, dass für krebserzeugende Stoffe keine arbeitsmedizinisch-toxikologisch begründeten Grenzwerte für die Luft am Arbeitsplatz aufgestellt werden können. Mit der Zunahme des Verständnisses für die Wirkung solcher Stoffe ändert sich auch die Haltung der Fachleute gegenüber der Aufstellung von Luftgrenzwerten. Gibt es seit einiger Zeit schon Exposition-Risiko-Beziehungen (ERB) des AGS mit Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen, so beginnt jetzt auch die DFG-Senatskommission mit der Veröffentlichung von Arbeitsplatzgrenzwerten für als krebserzeugend eingestufte Stoffe.
Die Liste enthält in diesem Jahr insgesamt 47 neue oder geänderten Einträge – davon 40 Positionen bei den Luftgrenzwerten (MAK-Werte-Liste) und 7 bei den biologischen Werten. Darüber hinaus wurde die Bewertung der beiden Stoffe
- 4,4′-Diaminodiphenylmethan [101–77–9] und
- Tetrachlormethan [56–23–5])
überprüft, ohne dass Änderungen erforderlich wurden.
Neue Luftgrenzwerte 2012
Die Liste der MAK-Werte wurde in diesem Jahr um 25 Positionen erweitert – ungewöhnlich viel im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren. Dabei wurden für sieben Neuaufnahmen und für vier bereits vorhandene Einträge erstmals MAK-Werte festgelegt:
- Calciumhydroxid [1305–62–0]: 1 mg/m³ (E), Kurzzeitkategorie I(2) (Neueintrag, Schwangerschaftsgruppe C)
- 3‑Chlor‑1,2‑propandiol [96–24–2]: 0,005 mL/m³ = 0,023 mg/m³, Kurzzeitkategorie II(8) (Neuer MAK, Schwangerschaftsgruppe D)
- N‑Cyclohexylhydroxydiazen-1-oxid, Kaliumsalz [66603–10–9]: 10 mg/m³ (E), Kurzzeitkategorie II(2) (Neueintrag, Schwangerschaftsgruppe D)
- N-(1,3‑Dimethylbutyl)-N’-phenyl-p-phenylendiamin [793–24–8]: 2 mg/m³ (E), Kurzzeitkategorie II(2), (Neueintrag, Schwangerschaftsgruppe C)
- Diphenylamin [122–39–4]: 5 mg/m³ (E), Kurzzeitkategorie II(2) (neuer MAK, Schwangerschaftsgruppe C)
- 1,2‑Epoxypropan [75–56–9]: 2 mL/m³ = 4,8 mg/m³, Kurzzeitkategorie I(2) (Neueintrag, Schwangerschaftsgruppe C)
- a‑Hexachlorcyclohexan [319–84–6]: 0,5 mg/m³ (E), (Neueintrag, Kurzzeitkategorie II(8) (Schwangerschaftsgruppe D)
- b‑Hexachlorcyclohexan [319–85–7]: 0,1 mg/m³ (E), (Neueintrag, Kurzzeitkategorie II(8) (Schwangerschaftsgruppe D)
- N‑Isopropyl‑N’-phenyl-p-phenylendiamin [101–72–4]: 2 mg/m³ (E), Kurzzeitkategorie II(2) (neuer MAK, Schwangerschaftsgruppe C)
- Tetrahydronaphthalin [119–64–2]: 2 mL/m³ = 11 mg/m³, (Neueintrag, Kurzzeitkategorie I(1) (Schwangerschaftsgruppe C)
- Thioglykolate [68–11–1]: 2 mg/m³ (E), Kurzzeitkategorie II(2) (neuer MAK, Schwangerschaftsgruppe C)
Die bisherigen MAK für
- Chlorierte Biphenyle: Mono‑, Di‑, Trichlorierte Biphenyle (Keimzellmutagene Kategorie 3A – Stoffe mit nachgewiesener Schädigung der Keimzellen im Tierversuch)
- Kampfer [76–22–2] (Einstufung in Abschnitt IIb)
- Siliciumcarbid (faserfrei) [409–21–2] (Einstufung in Abschnitt IIb)
wurden aufgehoben. Damit hat sich die Anzahl der MAK-Werte in diesem Jahr im Saldo um acht erhöht.
Zwölf Neueinträge – davon sieben Kühlschmierstoffkomponenten (Hinweis auf Abschnitt Xc) – konnten lediglich dem Abschnitt IIb zugeordnet werden, in dem Stoffe aufgeführt sind, für die derzeit keine MAK-Werte aufgestellt werden können.
Absenkung von MAK-Werten
Die bisherigen MAK für insgesamt vier Stoffe wurden abgesenkt, und zwar
- halbiert für Atrazin [1912–24–9]
- zweimal um den Faktor 5 für
1,2,3,4,5,6‑Hexachlorcyclohexan (techn. Gemisch aus a- und b‑HCH) und
iso-Propylbenzol (Cumol) [98–82–8]
von bisher 0,7 auf 0,003 mg/m³ für höherchlorierte ($ 4 Cl) Biphenyle (bei allerdings geänderter Definition des Produktes).
Anhebung von MAK-Werten
Diesmal gab es – entgegen der allgemeinen Entwicklung – auch wieder zwei MAK-Anhebungen: Verdoppelt wurden die Werte für
- 2,4‑Dichlorphenoxyessigsäure (2,4‑D) [94–75–7] (einschl. Salze und Ester) bei gleichzeitiger Änderung des Überschreitungsfaktors von bisher II(8) auf nunmehr II(2) und
- Schwefeldioxid [7446–09–5].
Kurzzeitwerte
Bei den neuen MAK hat die Kommission
- 1 x die Kurzzeitwertkategorie I(1) für Tetrahydronaphthalin [119–64–2]),
- 2 x die Kurzzeitwertkategorie I(2) für Calciumhydroxid [1305–62–0] und 1,2‑Epoxypropan [75–56–9])
- 5 x die Kategorie II(2) für
N‑Cyclohexylhydroxydiazen-1-oxid, Kaliumsalz [66603–10–9],
N-(1,3‑Dimethylbutyl)-N’-phenyl-p-phenylendiamin [793–24–8],
Diphenylamin [122–39–4],
N‑Isopropyl‑N’-phenyl-p-phenylendiamin [101–72–4] und
Thioglykolate [68–11–1]
- 3 x die Kurzzeitwertkategorie II(8) für
- 3‑Chlor‑1,2‑propandiol [96–24–2]
- a‑Hexachlorcyclohexan [319–84–6] und
- b‑Hexachlorcyclohexan [319–85–7]
vergeben.
In diesem Jahr gab es nur zwei Änderungen bei bestehenden Kurzzeitwertkategorien, und zwar II(2) – beide bisher II(8) für
- Atrazin [1912–24–9] und
- 2,4‑Dichlorphenoxyessigsäure (2,4‑D) [94–75–7] (einschl. Salze und Ester).
Bei den übrigen MAK-Wert-Änderungen blieben die Kurzzeitwertkategorien unverändert.
Die Bedeutung der beiden Kategorien wird im nachfolgenden Kasten erläutert:
- Kategorie I: Stoffe, bei denen die lokale Reizwirkung grenzwertbestimmend ist oder atemwegssensibilisierende Stoffe
- Kategorie II: resorptiv wirksame Stoffe
Die Zahl in Klammern hinter der Kategorie bezeichnet den zulässigen Überschreitungsfaktor; dabei ist eine solche Überschreitung höchstens viermal pro Arbeitsschicht als Mittelwert für jeweils 15 Minuten zulässig. Der zeitliche Abstand der einzelnen Überschreitungsperioden soll dabei mindestens eine Stunde betragen.
Sensibilisierende Stoffe und Aufnahme durch die Haut
Bei den Neuaufnahmen wurden in diesem Jahr fünf Stoffe lediglich mit dem Verweis auf Abschnitt IV und der Anmerkung Sh für Sensibilisierung bei Hautkontakt versehen:
- 3‑Aminophenol [591–27–5]
- Bisphenol-F-diglycidylether [2095–03–6] (p.p‘-Isomer), [57469–07–5] (o,p‘-Isomer), [54208–63–8] (o,o‘-Isomer)
- p‑tert-Butylphenylglycidylether [3101–60–8]
- Dibenzothiazyldisulfid [120–78–5]
- N,N’-Diphenyl-p-phenylendiamin [74–31–7].
Darüber hinaus erhielten vier Neueinträge in der diesjährigen Liste die Anmerkung Sh neben anderen Einstufungen und gegebenenfalls Grenzwerten:
- N-(1,3‑Dimethylbutyl)-N’-phenyl-p-phenylendiamin [793–24–8]
- 1,2‑Epoxypropan [75–56–9]
- 2‑Methyl‑2,3‑dihydroisothiazol-3-on [2682–20–4]
- Morpholinylmercaptobenzothiazol [102–77–2].
Drei Neuaufnahmen erhielten die Anmerkung Sh in Kombination mit der Anmerkung „H“ für Gefährdung durch Hautkontakt:
- 4‑Aminodiphenylamin [101–54–2]
- Thioglykolate und
- Thioglykolsäure [68–11–1].
Die Anmerkung „Sa“ für „sensibilisierend beim Einatmen“ wurde in diesem Jahr für die mikrobiellen Labersatzstoffe Endothiapepsin und Mucorpepsin in Kombination mit dem Hinweis auf Abschnitt IV vergeben.
Die Anmerkung „H“ für Gefährdung durch Hautkontakt (ohne gleichzeitiges Sh) wurde in diesem Jahr für eine bestehende Position (3‑Chlor‑1,2‑propandiol [96–24–2]) sowie für die beiden Neuaufnahmen N‑Cyclohexylhydroxydiazen-1-oxid, Kaliumsalz [66603–10–9] und Diphenylamin [122–39–4] vergeben; bei diesen Stoffen trägt die Aufnahme durch die Haut wesentlich zum toxischen Gefährdungspotenzial bei.
Für 1,2‑Epoxypropan [75–56–9] wurde die Anmerkung „H“ aufgehoben, weil die Aufnahme über die Haut offenbar nur von geringer Bedeutung ist.
Krebserzeugende Stoffe
Zehn Stoffe wurden in diesem Jahr hinsichtlich ihrer krebserzeugenden Eigenschaften erstmals eingestuft bzw. neu bewertet. Dabei wurde je fünfmal die
- Kategorie 3B – so genannte „echte“ Krebsverdachtsstoffe – und
- Kategorie 4 – keine genotoxischen Wirkungen mit der Möglichkeit zur Festlegung eines MAK-Wertes
vergeben.
In Kategorie 3B wurden die Stoffe
- 4‑Aminodiphenylamin [101–54–2] (Neueintrag)
- 3‑Chlor‑1,2‑propandiol [96–24–2] (bisher ohne Kategorie krebserzeugend)
- Diphenylamin [122–39–4] (Neueintrag)
- Naphthenat, Na‑, Ca, K- [61790–13–4; 61789–36–4; 66072–08–0] (Neueintrag) sowie
- iso-Propylbenzol (Cumol) [98–82–8] (bisher ohne Kategorie krebserzeugend)
eingestuft.
Kategorie 4 erhielten die Stoffe
- Chlorierte Biphenyle: höherchlorierte ($ 4 Cl) Biphenyle (bisher Kategorie 3B)
- 1,2‑Epoxypropan [75–56–9] (bisher Kategorie 2)
- a‑Hexachlorcyclohexan [319–84–6] (Neueintrag; das technische Gemisch beider Isomere hatte bisher keine Kategorie krebserzeugend)
- b‑Hexachlorcyclohexan [319–85–7] (Neueintrag; das technische Gemisch beider Isomere hatte bisher keine Kategorie krebserzeugend)
- 1,2,3,4,5,6‑Hexachlorcyclohexan (techn. Gemisch aus a- und b‑HCH) (bisher ohne Kategorie krebserzeugend)
Mit 1,2‑Epoxypropan (Propylenoxid) wurde erstmals für einen Stoff, der nach bisherigem EG-Recht bzw. nach CLP-Verordnung eindeutig als krebserzeugend eingestuft ist (krebserzeugend im Tierversuch, Kategorie 2 bzw. 1B), ein MAK-Wert festgelegt, weil das kanzerogene Potenzial offenbar so gering ist, dass unterhalb einer Konzentration von 2 mg/m³ (ppm) / 4,8 mg/m³ das Risiko einer Krebsentstehung offenbar vernachlässigt werden kann.
Solange 1,2‑Epoxypropan im EU-Recht als krebserzeugend eingestuft ist – ein Analogon zur DFG-Kategorie 4 gibt es dort nicht –, dürfte es schwierig werden, in der TRGS 900 hierfür einen Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) festzulegen. Allerdings gibt es heute die Möglichkeit, eine Akzeptanz- und Toleranzkonzentration nach der Bekanntmachung zu Gefahrstoffen BekGS 910 „Risikowerte und Exposition-Risiko-Beziehungen für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ [1] festzulegen, die in der für 2015 geplanten neuen Gefahrstoffverordnung dann möglicherweise die gleiche Rechtsposition erhalten wie Arbeitsplatzgrenzwerte.
Wie für alle Stoffe hat die Kommission für jede Zuordnung eine ausführliche wissenschaftliche Begründung erarbeitet, die einige Monate nach der MAK-Liste in einer Ergänzungslieferung zu der Loseblattsammlung „Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten und Einstufungen“ [2] veröffentlicht werden und die seit Anfang 2012 auch im Internet kostenlos zur Verfügung stehen.
Keimzellmutagene
Bei den Keimzellemutagenen gibt es in diesem Jahr zwei neue Einträge:
- Chlorierte Mono‑, Di- und Trichlorierte Biphenyle werden der Kategorie 3A zugeordnet, in der Stoffe mit nachgewiesener Schädigung der Keimzellen im Tierversuch aufgeführt sind. Aus diesem Grund wurde auch der bisherige MAK-Wert aufgehoben.
- Höherchlorierte ($ 4 Cl) Biphenyle werden der Kategorie 5 zugeordnet, in der Stoffe mit sehr geringer Wirkungsstärke aufgeführt sind. Aus diesem Grunde wurde für diese Stoffgruppe auch ein MAK-Wert festgelegt.
Der nachfolgende Kasten zeigt die vollständige Definition der beiden Gruppen:
Kategorie 3A:
Stoffe, für die die Schädigung des genetischen Materials der Keimzellen beim Menschen oder im Tierversuch nachgewiesen wurde oder für die gezeigt wurde, dass sie mutagene Effekte in somatischen Zellen von Säugetieren in vivo hervorrufen und dass sie in aktiver Form Keimzellen erreichen.
Kategorie 5:
Keimzellmutagene oder Verdachtsstoffe (gemäß der Definition in Kategorien 3A und 3B), deren Wirkungsstärke als so gering erachtet wird, dass unter Einhaltung der MAK- und BAT-Werte ein sehr geringer Beitrag zum genetischen Risiko für den Menschen zu erwarten ist.
Schwangerschaftsgruppen
15 Stoffe wurden in diesem Jahr hinsichtlich ihrer Zuordnung zu Schwangerschaftsgruppen (neu) bewertet. Dabei erfolgte
9 x eine Zuordnung zur Schwangerschaftsgruppe C (Stoffe, bei denen eine fruchtschädigende Wirkung bei Einhaltung des MAK- und BAT-Wertes nicht befürchtet werden braucht):
Atrazin [1912–24–9] (MAK halbiert, bisher ohne Schwangerschaftsgruppe)
Calciumhydroxid [1305–62–0] (Neuaufnahme)
N-(1,3‑Dimethylbutyl)-N’-phenyl-p-phenylendiamin [793–24–8] (Neuaufnahme)
Diphenylamin [122–39–4] (Neuaufnahme)
- 1,2‑Epoxypropan [75–56–9] (neuer MAK-Wert)
- 2‑Ethylhexanol [104–76–7] (die im Vorjahr zugeordnete Schwangerschaftsgruppe B wurde im Rahmen der Kommentierungsfrist geändert)
N‑Isopropyl‑N’-phenyl-p-phenylendiamin [101–72–4] (neuer MAK-Wert)
Tetrahydronaphthalin [119–64–2] (Neuaufnahme)
Thioglykolate [68–11–1] (Neuaufnahme)
- 5 x eine Zuordnung zur Schwangerschaftsgruppe D (Stoffe, bei denen die vorliegenden Daten für eine Einstufung in eine der Gruppen A, B oder C nicht ausreichen):
- 3‑Chlor‑1,2‑propandiol [96–24–2] (neuer MAK-Wert)
N‑Cyclohexylhydroxydiazen-1-oxid, Kaliumsalz [66603–10–9] (Neuaufnahme)
- a‑Hexachlorcyclohexan [319–84–6] (Neuaufnahme)
- b‑Hexachlorcyclohexan [319–85–7] (Neuaufnahme)
1,2,3,4,5,6‑Hexachlorcyclohexan (techn. Gemisch aus a- und b‑HCH) (bisher ohne Schwangerschaftsgruppe)
Am auffälligsten ist sicher die Zuordnung der Schwangerschaftsgruppe B (eine fruchtschädigende Wirkung ist nach den vorliegenden Informationen bei Exposition in Höhe des MAK- und BAT-Wertes nicht auszuschließen) für Aceton [67–64–1] (MAK halbiert, bisher Schwangerschaftsgruppe D). In einer Fußnote wird darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Schwangerschaftsgruppe C (demnächst) in der Begründung für die Einstufung nachgelesen werden kann.
Diese Anmerkung unterstreicht, dass die Zuordnung zu Schwangerschaftsgruppen eng mit dem jeweiligen MAK-Wert verbunden ist:
Bei Einhaltung des MAK-Wertes der Schwangerschaftsgruppe B – zum Beispiel für Aceton – können fruchtschädigende Wirkungen nicht ausgeschlossen werden. Es gibt jedoch eine niedrigere Konzentration, bei denen solche Wirkungen nicht befürchtet werden müssen. In solchen Fällen schützt der jeweilige MAK-Wert lediglich vor den sonstigen schädlichen Wirkungen des betreffenden Stoffes.
Biologische Werte
Bei den biologischen Werten gibt es in diesem Jahr Einträge für insgesamt sieben Stoffe oder Stoffgruppen, davon drei neue Stoffe oder Stoffgruppen mit drei neuen Biologischen Arbeitsstoff-Referenz-Werten (BAR-Werten) für
- Lithium [7439–93–2]
- 4,4‘-Methylen-bis(2‑chloranilin) (MOCA) [101–14–4] und
- Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH).
Für Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) wird außerdem eine neue EKA-Tabelle (Expositionsäquivalente für krebserzeugende Arbeitsstoffe) veröffentlicht.
Für den bereits bestehenden Eintrag 1,4‑Dioxan [123–91–1] wurde erstmals ein BAT-Wert (400 mg/g Kreatinin) festgelegt. Für die folgenden Stoffe wurden zu den bereits bestehenden Werten zusätzliche Biologische Werte hinzugefügt:
- Blei [7439–92–1] und seine Verbindungen (außer Bleiarsenat, Bleichromat und Alkylbleiverbindungen): neuer BAR-Wert (70 μg/L Vollblut) für Frauen; der bisherige Biologische Leitwert (BLW) gilt jetzt für Frauen über 45 Jahren und für Männer. Der bisherige Eintrag „100 μg/l (Frauen <45 J.)“ und die Fußnote 116 werden gestrichen;
- 1,3‑Butadien [106–99–0]:
neue EKA-Tabelle (Parameter 2‑Hydroxy-3-butenylmerkaptursäure zusätzlich zur bereits bestehenden Tabelle für 3,4‑Dihydroxybutyl-merkaptursäure)
zwei neue BAR-Werte für die beiden vorstehend genannten Parameter;
1,2‑Epoxypropan [75–56–9]: neue EKA-Tabelle.
Damit gibt es in diesem Jahr
- einen neun BAT-Wert,
- drei neue EKA-Tabellen und
- sechs neue BAR-Werte.
Ein Biologischer Leitwert (BLW) wurde geändert.
Als Untersuchungsmaterial wurde meist der für die Probanden weniger belastende Urin angegeben. Lediglich der neue BAR für Blei wird – wie auch die anderen Blei-Werte – im Vollblut bestimmt. Die Bestimmung des neuen BAR und der EKA für 1,2‑Epoxypropan erfolgt in der Erythrozytenfraktion des Vollblutes (BE), die im vergangenen Jahr das Untersuchungsmaterial „Erythrozyten“ (E) ersetzt hatte.
Welche Bedeutung hat die DFG-Liste?
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft übergibt ihre MAK-Werte-Liste – in diesem Jahr als Mitteilung 48 der Kommission – alljährlich im Juli dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) als Bestandteil ihrer Politikberatung.
Danach haben alle betroffenen und interessierten Kreise bis zum Ende des Jahres Gelegenheit, zu den Neuerungen Stellung zu nehmen und Kommentare hierzu einzureichen. Dabei geht es allerdings ausschließlich um wissenschaftliche Stellungnahmen. Fragen der praktischen Umsetzung von neuen oder abgesenkten Grenzwerten werden hierbei nicht berücksichtigt.
Die Kommission wird die eingereichten Stellungnahmen im kommenden Jahr diskutieren und ihre Vorschläge gegebenenfalls ändern oder ergänzen, bevor diese endgültig verabschiedet werden, erforderlichenfalls auch zurückziehen. Dass diese Stellungnahmen von der Kommission auch tatsächlich berücksichtigt werden, zeigt in diesem Jahr die Änderung der Schwangerschaftsgruppe für 2‑Ethylhexanol [104–76–7] von B nach C aufgrund eingegangener Kommentare.
Die Aufgabe der praktischen Umsetzung obliegt dem Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS), wenn er im nächsten Jahr über die Aufnahme neuer oder geänderter Grenzwerte in die TRGS 900 „Luftgrenzwerte“ oder geänderter Stoffbewertungen in die TRGS 905 „Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe“ entscheidet.
Wenn die Übernahme neuer oder geänderter Grenzwerte in die TRGS 900 in der Praxis Probleme bereitet, wird der AGS auch hierüber beraten und gegebenenfalls passende Präventionsmaßnahmen vorschlagen, erforderlichenfalls auch spezielle Präventionsprogramme auflegen.
Aus alledem ergibt sich, dass es auch für die betrieblichen Praktiker von Bedeutung ist, sich schon beizeiten mit den neuen Vorschlägen der DFG auseinander zu setzen und falls erforderlich im eigenen Betrieb zu überprüfen, ob die neuen Werte eingehalten werden können. Sollte dies offensichtlich nicht möglich sein, sollten sie frühzeitig mit den Technischen Aufsichtsdiensten, z.B. der Unfallversicherung Kontakt aufnehmen, um nach geeigneten Lösungen zu suchen. Dort wird man erforderlichenfalls dann auch den AGS einschalten.
„Gelbe Seiten“ der MAK- und BAT-Werte-Liste
Auf den „Gelben Seiten“ der MAK- und BAT-Werte-Liste weist die DFG-Kommission alljährlich auf Änderungen bzw. Ergänzungen von MAK- und BAT-Werten hin, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Liste in der Kommission für die jeweilige Folgemitteilung diskutiert werden. In den vergangenen Jahren hat das Arbeitsministerium regelmäßig im Bundesanzeiger auf diese Liste hingewiesen, zuletzt allerdings in einer Bekanntmachung vom 5. März 2009. Danach ist keine solche Veröffentlichung mehr erfolgt. Die aktuelle Liste kann daher nur in den (kostenpflichtigen) Veröffentlichungen der DFG eingesehen werden.
Weitere Informationen
Alle Neuaufnahmen und Änderungen im Einzelnen können auf der Internetseite der DFG unter der Adresse www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/senat/arbeitsstoffe/aenderungen_und_neuaufnahmen_2012.pdf nachgelesen werden.
Die gedruckte Fassung der Liste kann beim Wiley-VCH-Verlag – Kundenservice Bücher –, Postfach 10 11 61, 69451 Weinheim, Telefon 06201/606–0, Fax 06201/606–328, E‑Mail: info@wiley-vch.de oder im Buchhandel käuflich erworben werden (59,- €).
Unter der Adresse http://onlinelibrary.wiley.com/book/10.1002/9783527666027/topics besteht ab sofort Zugang zu einer (englischsprachigen) Online-Version der aktuellen MAK-Werte-Liste. Allerdings sind die Neuerungen 2012 zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Beitrags (Ende August 2012) noch nicht erhalten.
Bereits seit Beginn dieses Jahres können die Begründungen im Internet unter der Adresse http://onlinelibrary.wiley.com/book/10.1002/3527600418/topics ebenfalls kostenlos eingesehen werden.
Diese neue Politik der Offenheit bei der DFG ist neu, hatte es doch vor einigen Jahren noch Streit mit dem Arbeitsministerium gegeben, weil die DFG die Übernahme ihrer MAK-Werte in die TRGS 900 verhindern wollte. Erst nachdem das Ministerium der DFG die Streichung staatlicher Zuschüsse angedroht hatte, lenkte die DFG ein.
Heute sind alle Veröffentlichungen der Senatskommission für gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe der allgemeinen Öffentlichkeit online kostenlos zugänglich. Ob das vielleicht daran liegt, dass die Vorsitzende der Kommission jetzt eine Frau ist?
Literaturhinweise
- 1. Bekanntmachung zu Gefahrstoffen (BekGS) 910 „Risikowerte und Exposition-Risiko-Beziehungen für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“, GMBl 2008 Nr. 43/44, S. 883–935, zuletzt geändert und ergänzt: GMBl 2011 Nr. 10, S. 194
- 2. Hartwig, Andrea (Hrsg.): „Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe – Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten und Einstufungen“, Begründungen MAK-Werte (DFG); 53.Lieferung Oktober 2012, Handbuch/Nachschlagewerk, 456 Seiten, ISBN 978–3–527–33359–2; Wiley-VCH, Weinheim, 209,- € inkl. Mehrwertsteuer zzgl. Versandkosten
Autor
Dr. Ulrich Welzbacher
Sankt Augustin
E‑Mail: autor@Gefahrstoffinformation.de
Unsere Webinar-Empfehlung
22.02.24 | 10:00 Uhr | Das Bewusstsein für die Risiken von Suchtmitteln am Arbeitsplatz wird geschärft, der Umgang mit Suchtmitteln im Betrieb wird reflektiert, sodass eine informierte Entscheidung über Maßnahmen zur Prävention von und Intervention bei Suchtmittelkonsum am Arbeitsplatz…
Teilen: