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Analyse verhaltensbedingter Arbeitsunfälle - Unfallanalyse konstruktiv und ohne Schuldzuweisungen gestalten

Aus Ereignissen lernen
Analyse verhaltensbedingter Arbeitsunfälle

Arbeitss­chutz heißt Präven­tion. Aber trotz umfan­gre­ich­er Schutz­maß­nah­men gibt es immer wieder Sit­u­a­tio­nen, die zu Arbeit­sun­fällen führen. Doch auch aus solchen Ereignis­sen kön­nen Erken­nt­nisse gewon­nen wer­den, aus denen gezielt weit­ere Präven­tiv­maß­nah­men abgeleit­et wer­den. Beson­ders die Suche nach ver­hal­tens­be­d­ingten Ursachen erfordert dabei eine neue Art der Unfallanalyse.

„Der Verun­fallte hat nicht aufgepasst, er wurde erneut unterwiesen.“
Datum, Unter­schrift, zwei Löch­er hinein und abheften. Solche Ergeb­nisse von Unfal­l­analy­sen gab und gibt es oft. Sie haben jedoch außer einem eventuell beruhigten Gewis­sen des Ver­ant­wortlichen kein­er­lei Nutzen. Denn häu­fig ist es so, dass nicht fehlen­des Wis­sen, son­dern eine Ver­ket­tung mehrerer Umstände zu einem Unfall führt. Auch so genan­ntes „men­schlich­es Ver­sagen“ hat Ursachen, die es gilt herauszufinden.

Die Mischung macht´s

Man kann sich die Sit­u­a­tion wie ein Fass (vgl. Abb. 1) vorstellen, in das ver­schiedene Flüs­sigkeit­en gegeben wer­den, die sich ver­mis­chen [1]. Irgend­wann kommt der besagte Tropfen, der das Fass zum Über­laufen bringt – ein Unfall wird verur­sacht. Es ist offen­sichtlich, daß die Analyse eines solchen Gemis­ches an Ursachen eine gewisse Sys­tem­atik erfordert. Als beson­dere Her­aus­forderung sind dabei die ver­hal­tens­be­d­ingten Ursachen zu sehen. Hier geht es unter Umstän­den an die Per­sön­lichkeit des Verun­fall­ten, und dabei ist viel Fin­ger­spitzenge­fühl bei dem­jeni­gen gefragt, der das Unfallge­spräch moderiert.
Aus diesen Grün­den hat eine Arbeits­gruppe des VDSI einen Leit­faden entwick­elt, der die Vorge­hensweise bei ein­er Unfal­l­analyse beschreibt und gle­ichzeit­ig einen Fra­genkat­a­log sowie ver­schiedene Möglichkeit­en der Doku­men­ta­tion beinhaltet.

Betriebliche Voraussetzungen

Die all­ge­meine Kul­tur, das heißt die Art und Weise des nor­malen Miteinan­ders im Unternehmen, spielt auch bei Unfallge­sprächen eine entschei­dende Rolle. Erst in ein­er ver­trauensvollen Atmo­sphäre ist man in der Lage, max­i­male Erken­nt­nisse aus einem Unfall zu gewin­nen, um eine Wieder­hol­ung zu ver­mei­den. Lei­der ist in vie­len Fällen noch immer die Frage nach dem Schuldigen vor­rangig, und da sind Vorge­set­zte meist im Vorteil. Der Verun­fallte wird dann alles daran set­zen, dass auf ihn kein schlecht­es Licht fällt – und das ist in der Sache nicht unbe­d­ingt zielführend.
Als erste Voraus­set­zung muss also in jedem Fall die Bere­itschaft des Man­age­ments vorhan­den sein, sich von der Schuld­frage zu lösen. Vielmehr geht es darum, die Schwach­stellen im Sys­tem zu find­en, die let­ztlich bei dem Unfall eine Rolle spiel­ten. Hier­bei sind die Detailken­nt­nisse der Mitar­beit­er zu Arbeitsablauf und ‑umge­bung enorm wichtig und hil­fre­ich. Insofern kann diese Meth­ode nicht nur zur Analyse von Arbeit­sun­fällen einge­set­zt wer­den, son­dern auch beispiel­sweise nach Beina­he-Unfällen oder anderen kri­tis­chen Situationen.
Da es hier im Regelfall um Mitar­beit­er eines Unternehmens geht, muss bei der Ein­führung ein­er neuen Meth­ode zur Unfal­l­analyse der Betriebs- oder Per­son­al­rat im Vor­feld einge­bun­den wer­den. Dabei kann auch fest­gelegt wer­den, ob ein Arbeit­nehmervertreter bei den Gesprächen immer oder in Einzelfällen dabei sein soll.
Die Mitar­beit­er selb­st spie­len mit die wichtig­ste Rolle. Wenn plöt­zlich etwas Neues kommt, sind die meis­ten erst ein­mal skep­tisch und zurück­hal­tend, ger­ade weil es hier um sehr per­sön­liche Dinge gehen kann. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, diese neue Meth­ode der Unfallge­spräche und deren Hin­ter­gründe möglichst trans­par­ent darzustellen und keine Fra­gen offen zu lassen.

Gesprächsführung und Dokumentation

Die Gespräche soll­ten in ein­er für den Verun­fall­ten ver­traut­en Umge­bung stat­tfind­en, am besten an der Stelle, an der sich der Unfall ereignet hat (das muss nicht immer der eigene Arbeit­splatz sein). Es hängt von der Kul­tur im Unternehmen oder in dem Bere­ich ab, ob das Gespräch gemein­sam mit dem ver­ant­wortlichen Vorge­set­zten stat­tfind­et oder ob man getren­nte Gespräche bevorzugt. Bei­de Vari­anten haben Vor- und Nachteile.
Es wird emp­fohlen, dass die Sicher­heits­fachkraft die Rolle des Mod­er­a­tors übern­immt und zwar aus zwei Gründen:
  • erstens ist sie eine neu­trale Person
  • und zum anderen ist sie bei jedem Unfall einge­bun­den, auch wenn ver­schiedene Vorge­set­zte ver­ant­wortlich waren.
Auf diese Weise hat sie einen größeren Überblick und mit der Zeit auch mehr Erfahrung in der Gesprächsführung.
Das Gespräch wird durch den Mod­er­a­tor begonnen, indem die Ziele klar for­muliert wer­den. Es muss deut­lich wer­den, dass es nicht um die Suche nach Schuldigen geht, son­dern darum, mögliche Unfal­lur­sachen aus­find­ig zu machen und nach sin­nvollen Lösun­gen zu suchen. Als Basis für die Analyse muss der Unfall­her­gang noch ein­mal detail­liert beschrieben wer­den. So wer­den Missver­ständ­nisse ver­mieden, und die gemein­same Suche nach den Ursachen gestal­tet sich wesentlich effektiver.
Die Gesprächs­führung ist so aus­gelegt, dass der Verun­fallte möglichst kon­struk­tiv ein­be­zo­gen wer­den sollte. Dies gelingt durch Fra­gen wie zum Beispiel
  • „Was muss Ihrer Mei­n­ung nach getan wer­den, damit so etwas nicht noch ein­mal passiert?“ oder
  • Was hät­ten Sie anders gemacht, wenn Sie mor­gens gewusst hät­ten, dass Sie einen Unfall haben wer­den?“ [2].
Durch diese offene Fragestel­lung wird der Verun­fallte nicht in eine Recht­fer­ti­gungspo­si­tion gebracht, son­dern kann ganz offen seine Mei­n­ung, Ideen und Vorschläge anbrin­gen. Damit das Geschehen von möglichst allen Seit­en betra­chtet wer­den kann, kann man sich ein­er Check­liste bedi­enen, die offene Fra­gen zur tech­nis­chen Ausstat­tung, dem Prozess, der Organ­i­sa­tion und der Per­son bein­hal­tet. Bei wenig aus­sagekräfti­gen Antworten kann man ver­suchen, durch ein­fache „warum“-Fragen der Sache weit­er auf den Grund zu gehen (vgl. Abb. 2).
Wenn man Anre­gun­gen direkt auf­schreibt, zeigt man dem Verun­fall­ten, dass man seine Mei­n­ung ernst nimmt. So entste­ht aus dieser an sich unschö­nen Sit­u­a­tion eine Wertschätzung, die sich unter Kol­le­gen schnell herum­spricht. Dann wer­den Unfallge­spräche auch nicht als „Ver­hör“, son­dern als kon­struk­tive Maß­nahme zum Arbeitss­chutz empfunden.
Im Fall eines gemein­sames Gesprächs wer­den die konkret erar­beit­eten Maß­nah­men direkt aufgeschrieben und von allen Beteiligten unterze­ich­net. So entste­ht Verbindlichkeit. Haben getren­nte Gespräche stattge­fun­den, ist es die Auf­gabe des Mod­er­a­tors, mögliche unter­schiedliche Aus­sagen zu bew­erten und Wider­sprüche aufzuk­lären. Hier muss klar auf das sach­liche Ziel des Arbeitss­chutzes hingear­beit­et werden.

Präventionsmaßnahmen

Neben den eben genan­nten Aspek­ten ist die kon­se­quente Umset­zung der verabre­de­ten Maß­nah­men entschei­dend für die Akzep­tanz dieser Meth­ode. Hier ist der zuständi­ge Vorge­set­zte gefragt. Läßt er dies „schleifen“, wird er mit seinem Ein­satz für den Arbeitss­chutz auf Dauer nicht ernst genommen.
Präven­tions- oder Kor­rek­tur­maß­nah­men müssen prax­is­gerecht und angemessen sein. Sie sollen im betrieblichen All­t­ag nicht „stören“, son­st ist es eine Frage ein­er oft recht kurzen Zeitspanne, bis phan­tasievolle Möglichkeit­en gefun­den wur­den, diese Maß­nah­men zu umge­hen. Hier liegt ein weit­er­er Grund, die betrof­fe­nen Mitar­beit­er einzu­binden, denn sie ken­nen ihre Prozesse und die Umge­bung sehr genau. Auch ist die Akzep­tanz der Maß­nah­men deut­lich höher, wenn sie von den Mitar­beit­ern selb­st mit­gestal­tet wur­den. Neben den indi­vidu­ell ermit­tel­ten Aktiv­itäten gibt es eine Rei­he bewährter Präven­tion­s­maß­nah­men, die helfen, das Sicher­heits­be­wusst­sein zu erhöhen. Hierzu zählen unter anderem:
  • Verabre­dun­gen zwis­chen Vorge­set­zten und Verun­fall­ten tre­f­fen und ein­hal­ten, Feed­back bei Rundgän­gen oder Gesprächen geben
  • Regelmäßige Gespräche zwis­chen Vorge­set­zten und Sicherheitsbeauftragten
  • Regelmäßig Sicher­heit­skurzge­spräche führen
  • Regelmäßige Sicher­heits­bege­hun­gen durch den Vorgesetzten
Diese Beispiele sind als Anre­gun­gen zu ver­ste­hen und müssen entsprechend den betrieblichen Gegeben­heit­en umge­set­zt wer­den. Entschei­dend ist eine sicht­bare Kon­se­quenz in der Umset­zung. Nur so wird allen Mitar­beit­ern deut­lich, dass das The­ma Arbeitss­chutz im Unternehmen wirk­lich ernst genom­men wird.
Quellen:
  • 1. nach Karsten Bauer, im Rah­men eines fir­menin­ter­nen BG-Sem­i­nars für Führungskräfte
  • 2. mündliche Infor­ma­tion von Doris Vick, Vattenfall
Autor
Dr. Thomas Linz, VDSI Bezirks­gruppe Berlin/Potsdam
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