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Arbeit menschengerecht gestalten

Betriebliche Wandlungsfähigkeit fördern
Arbeit menschengerecht gestalten

Eine wand­lungs­fähige Organ­i­sa­tion beruht maßge­blich auf imma­teriellen Werten – wie Sinn, Infor­ma­tion und Wis­sen. Nur der Men­sch mit seinen kreativ­en und kom­mu­nika­tiv­en Fähigkeit­en ist in der Lage, imma­terielle Werte zu schaf­fen und diese in kom­plex­en Arbeitssys­te­men zweck­mäßig einzuset­zen. Betriebliche Wand­lung­sprozesse gelin­gen daher bess­er, wenn sie dem arbei­t­en­den Men­schen gerecht wer­den. Bleiben men­schliche Werte unberück­sichtigt, macht Arbeit auf Dauer krank. Welche Impulse sind für eine men­schen­gerechte Arbeits­gestal­tung ausschlaggebend?

Zeit­gemäße Arbeitssys­teme zeich­nen sich durch zunehmende Kom­plex­ität aus. Betriebliche Erfahrun­gen zeigen, dass sich ein wirk­sames Han­deln in kom­plex­en Arbeitssys­te­men angesichts vielfältiger Störe­in­flüsse nur bed­ingt zen­tral­is­tisch pla­nen und steuern lässt. Eine Detail­lierung von Abläufen und Vorschriften erhöht die Wirk­samkeit der Man­age­mentsys­teme kaum – wohl aber deren bürokratis­chen Pla­nungsaufwand. Bei zunehmen­dem Kom­plex­itäts­druck ver­sagen deter­min­is­tis­che Man­age­men­tkonzepte, da sie selb­st die Sys­temkom­plex­ität erhöhen. Wo „Dienst nach Vorschrift“ herrscht, wird allen­falls ver­wal­tet, aber nichts mehr unter­nom­men. Kom­mu­nika­tion­sprob­leme, läh­mende Unzufrieden­heit und ver­mehrtes Auftreten unspez­i­fis­ch­er Krankheitssymp­tome offen­baren die Inef­fizienz der­art schema­tis­ch­er Organisationskonzepte.
Viele Prob­leme lassen sich im Arbeitssys­tem dort lösen, wo sie auftreten. Als Steuerung­sprinzip­i­en eignen sich die Werte, Inten­tio­nen und Fähigkeit­en der arbei­t­en­den Men­schen im gemein­schaftlichen Arbeit­skon­text. So wird beispiel­sweise in der Logis­tik­s­teuerung nicht jed­er einzelne Arbeitss­chritt, son­dern lediglich die Gesamtleis­tung zen­tral ter­miniert. Die Fein­s­teuerung erfol­gt durch dezen­trale, selb­st­s­teuernde Regelkreise. Oper­a­tive Entschei­dun­gen wer­den zeit­nah und sit­u­a­tion­s­gerecht von erfahre­nen Mitar­beit­ern am Ort des Geschehens getrof­fen. Dies ent­lastet die Führung, so dass sie sich auf die strate­gis­che Entwick­lung der betrieblichen Leis­tungs- und Wand­lungs­fähigkeit konzen­tri­eren kann.
Selb­stor­gan­i­sa­tion repräsen­tiert das wirk­sam­ste Leis­tung­sprinzip in kom­plex­en Arbeitssys­te­men. Sie stellt jedoch erhöhte Anforderun­gen an den arbei­t­en­den Men­schen hin­sichtlich Selb­st­wahrnehmung, Prob­lem- und Leis­tungs­be­wusst­sein, Kom­mu­nika­tions- und Entschei­dungs­fähigkeit, Eigenini­tia­tive und Ver­ant­wor­tungs­bere­itschaft. Diese men­schlichen Fähigkeit­en sind eng an die Bedin­gun­gen von Gesund­heit gekop­pelt. Je gesün­der eine Per­son ist, umso freier kann sie ihre Leis­tungsres­sourcen mobil­isieren und diese für das Unternehmen ein­set­zen. Dem­nach ist Gesund­heit kein Selb­stzweck. Sie beschreibt vielmehr ein Leben­sprinzip des eigen­ständi­gen, nach Entwick­lung und Aus­gle­ich streben­den Men­schen. Die- ses entwick­lung­sori­en­tierte Gesund­heitspar­a­dig­ma bildet die Basis ein­er wand­lungs­fähi­gen Organ­i­sa­tion, deren wirtschaftlich­er Erfolg auf einem dif­feren­zierten Aus­gle­ich der Bedürfnisse ihrer Kun­den und den Fähigkeit­en ihrer Mitar­beit­er beruht.
Gesund arbeit­en
Kaum ein Lebens­bere­ich dürfte die men­schliche Gesund­heit nach­haltiger prä­gen als die Arbeit – sowohl in förder­lich­er als auch in beein­trächti­gen­der Weise. Arbeit ist ein exis­ten­zieller Leben­saspekt des Men­schen, durch die er sich sein­er indi­vidu­ellen Fähigkeit­en und sein­er sozialen Rolle bewusst wird (Braun 2008).
Gesund­heit – als ein Urphänomen men­schlich­er Exis­tenz – wird oft dann the­ma­tisiert, wenn ihr Ver­lust dro­ht. Für gewöhn­lich erscheint der­jenige als gesund, der über­wiegend beschw­erde­frei ist und sich nicht in ärztlich­er Behand­lung befind­et. Als krank wird hinge­gen jen­er beze­ich­net, dessen Organ­funk­tio­nen von einem als ide­al definierten Nor­mzu­s­tand (z. B. Blut­druck) abwe­ichen. Allmäh­lich wird die Unzulänglichkeit dieser patho­genetis­chen, kör­per­be­zo­ge­nen Gesund­heits­de­f­i­n­i­tion erkan­nt, da sie die Wirkungszusam­men­hänge bei unspez­i­fis­chen Beschw­er­den und chro­nis­chen Erkrankun­gen nur unzure­ichend zu erk­lären vermag.
Der zeit­gemäße, salu­to­gene Gesund­heits­be­griff ori­en­tiert sich an der Entwick­lungs­fähigkeit des Men­schen und hebt dadurch die funk­tionelle Abgren­zung von Gesund­heit und Krankheit auf (WHO 1986). Gesund­heit wird nicht länger als ein sta­tis­ch­er Zus­tand betra­chtet, son­dern als Aus­druck eines lebenslan­gen, per­sön­lichen Entwick­lung­sprozess­es, um unter­schiedlich­ste Belas­tungssi­t­u­a­tio­nen und Erkrankung­s­ten­den­zen einem regener­ieren­den Aus­gle­ich zuzuführen. Auf den All­t­ag bezo­gen umfasst Gesund­heit u. a. die Fähigkeit­en zur Selb­stre­flek­tion, zur Gefühlsreg­ulierung und zur Prob­lem­lö­sung. Über gün­stige gesund­heitliche Voraus­set­zun­gen ver­fügt somit, wer sin­nvolle Leben­sziele bildet und diese langfristig ver­fol­gt, wer seine eigene Lebens­führung auf wech­sel­hafte Umweltbe­din­gun­gen abzus­tim­men ver­mag, und wer durch eine selb­stkri­tis­che Auseinan­der­set­zung auch mit unver­mit­telt auftre­tenden Kon­flik­ten seine indi­vidu­ellen Gesund­heit­skräfte stärkt.
Fol­glich zielt eine ressourcenori­en­tierte Gesund­heitsstrate­gie nicht auf eine unbe­d­ingte Risikover­mei­dung. Sie befähigt Men­schen vielmehr, unumgängliche Leben­srisiken zu bewälti­gen, um daran zu reifen. Das ressourcenori­en­tierte Ver­ständ­nis betont die Möglichkeit zur Per­sön­lichkeit­sen­twick­lung als Grund­lage von Gesund­heit. Dies erk­lärt, warum Gesund­heit wed­er als ein natür­lich­es Leben­srecht einzu­fordern noch durch ein Macht­ge­baren zu erzwin­gen ist. Sie stellt den Einzel­nen vielmehr vor die Auf­gabe, durch einen lebenslan­gen Lern- und Entwick­lung­sprozess den eige­nen Lebenssinn zu ent­deck­en und zu verwirklichen.
Wand­lungs­fähigkeit stärken
Wand­lungs­fähige Organ­i­sa­tio­nen, die eine gesunde Wertekul­tur der Verän­derung pfle­gen, ver­wirk­lichen drei Ord­nung­sprinzip­i­en (vgl. Abbil­dung 2):
  • Die Entwick­lung jedes Einzel­nen. Nur wenn die einzelne Per­son immer bess­er wird, kann auch die Gesamtleis­tung ein immer höheres Niveau erre­ichen. In der abendländis­chen Philoso­phie beze­ich­net der Begriff „Per­son“ ein denk­endes und schöpferisches Wesen. Auf diesem Bild des entwick­lungs­fähi­gen Indi­vidu­ums beruht das Mod­ell der wand­lungs­fähi­gen Organ­i­sa­tion (Stadler 2009).
  • Die Bün­delung der indi­vidu­ellen Fähigkeit­en und Kräfte hin­sichtlich der Erfül­lung von Kun­denbedürfnis­sen kommt im Begriff der Koor­di­na­tion zum Aus­druck. Durch Leis­tungsvere­in­barung, Erfahrungsaus­tausch und Zusam­me­nar­beit lassen sich die indi­vidu­ellen Fähigkeit­en im Sinne eines gemein­samen Voran­schre­it­ens zweck­mäßig ergänzen.
  • Um sein­er wirtschaftlichen Auf­gabe gerecht zu wer­den, muss sich eine Organ­i­sa­tion nach außen ori­en­tieren und ein klares Ver­ständ­nis der Bedürfnisse ihrer Kun­den und ihrer spez­i­fis­chen Auf­gabe am Markt entwick­eln. Erst durch die Ken­nt­nis der Mark­tbedürfnisse entste­ht ein Bewusst­sein über die eige­nen betrieblichen Leistungsangebote.
In der Wech­sel­wirkung von indi­vidu­eller Entwick­lung, Mark­to­ri­en­tierung und Koor­di­na­tion ent­fal­tet sich eine wand­lungs­fähige Organ­i­sa­tion, die durch eine sinnhafte Leis­tungskul­tur begrün­det und durch einen gemein­sam getra­ge­nen Unternehmen­szweck geformt wird. Während for­male Struk­turen und Funk­tion­szuweisun­gen allmäh­lich an Bedeu­tung ver­lieren, hin­ter­fra­gen die Mitar­beit­er den Sinn ihres Han­delns (Stadler 2009): Erfüllen sie stan­dard­mäßig über­tra­gene Auf­gaben – oder bewe­gen sie etwas? Führen sie die Arbeit­stätigkeit effizient aus – oder schaf­fen sie Nähe zum Kun­den? Schöpfen sie ein Bud­get aus, weil es eben einge­plant war – oder investieren sie es dort, wo es die Gesam­ten­twick­lung am besten fördert?
Arbeit wird als sin­nvoll erlebt, wenn sie ermöglicht, per­sön­liche Werte zu ver­wirk­lichen. Sobald die Mitar­beit­er den Zweck des gesamten Unternehmens und den Sinn ihres per­sön­lichen Arbeits­beitrags erken­nen, begin­nt sich die Organ­i­sa­tion zu wan­deln. Ger­ade die besten Mitar­beit­er wollen die gelebten Werte selb­stkri­tisch hin­ter­fra­gen und wis­sen, warum und wofür sie etwas tun. Dann sind sie auch bere­it, aus erkan­nten Män­geln geeignete Kon­se­quen­zen zu ziehen.
Nutzen darstellen
Die men­schen­gerechte Gestal­tung von Arbeitssys­te­men kann im Einzelfall mit einem erhe­blichen Investi­tion­saufwand ver­bun­den sein. Solche Investi­tio­nen bedür­fen ein­er wirtschaftlichen Argu­men­ta­tion­s­grund­lage. Obgle­ich wet­tbe­werb­spoli­tisch zunehmend bedeut­sam, entziehen sich Maß­nah­men ein­er men­schen­gerecht­en Arbeits­gestal­tung in der Regel ein­er unmit­tel­baren Nutzen­analyse, da sich ihre leis­tungs­be­zo­ge­nen Auswirkun­gen in kom­plex­en Arbeitssys­te­men nur schw­er abschätzen und ihr mon­etär­er Nutzen – etwa in Form von ver­min­derten Aus­fal­lkosten oder Ver­sicherungs­boni – nur indi­rekt ermit­teln lassen.
Entschei­dun­gen darüber, ob und in welchem Umfang Maß­nah­men ein­er men­schen­gerecht­en Arbeits­gestal­tung ökonomis­chen Kri­te­rien entsprechen, lassen sich über deren Leis­tungs­beiträge zu vor­ab definierten Unternehmen­szie­len tre­f­fen. Method­isch wird eine der­ar­tige Betra­ch­tung durch die Kon­struk­tion von Ursache-Wirkungs-Ket­ten unter­stützt (vgl. Abbil­dung 6). Sie ver­an­schaulichen, dass Maß­nah­men ein­er men­schen­gerecht­en Arbeits­gestal­tung eine Investi­tion in die Werte und Fähigkeit­en der Mitar­beit­er darstellen. Sie sind zunächst auf die Entwick­lung der betrieblichen Wertekul­tur aus­gerichtet, bevor sie durch eine inten­sivierte Kun­de­nori­en­tierung die betriebliche Wet­tbe­werb­spo­si­tion stärken und auf diese Weise indi­rekt ertragswirk­sam wer­den (Braun 2009).
Arbeit gestal­ten
Men­schen­gerechte Arbeit schafft gün­stige Voraus­set­zun­gen für Gesund­heit und Leis­tungs­fähigkeit, indem
  • die indi­vidu­ellen Fähigkeit­en und Kräfte durch die erfol­gre­iche Bewäl­ti­gung von Her­aus­forderun­gen (weit­er-) entwick­elt und in der Ver­wirk­lichung eines sin­nvoll emp­fun­de­nen Unternehmen­szwecks entfaltet,
  • die gemein­schaftliche Hand­lungs­fähigkeit in zielo­ri­en­tiert­er und ver­ant­wor­tungsvoller Zusam­me­nar­beit gestärkt und
  • der Aufwand zur Regener­ierung von Krankheit­en und anderen gesund­heitlichen Störun­gen im präven­tiv­en Sinne ver­ringert wer­den (Braun 2009).
Während sich Maß­nah­men des etablierten Gesund­heitss­chutzes vornehm­lich auf eine kör­per­liche Unversehrtheit beziehen, gewin­nt unter den Bedin­gun­gen der Wis­sensökonomie die geistig-seel­is­che Dimen­sion von Gesund­heit an Bedeu­tung. Gesund­heitliche Fak­toren bei der Arbeit wer­den nach­fol­gend skizziert und hin­sichtlich ihrer Wirkun­gen abgeschätzt.
Arbeit­sauf­gabe
Wesentlich­es Merk­mal ein­er Arbeit­sauf­gabe ist das Aus­maß der zur Tätigkeit­saus­führung erforder­lichen geisti­gen und psy­chis­chen Anforderun­gen. Durch das Tätig­sein find­et ein Erfahrungs- und Kom­pe­ten­z­er­werb statt, der als gesund­heits­förder­liche Ressource wirkt. Men­schen­gerechte Arbeit­sauf­gaben zeich­nen sich nach Ulich (2001) aus durch:
  • Ganzheitlichkeit der Auf­gabe bezüglich Pla­nung, Zielset­zung, Aus­führung, Ziel-Mit­tel-Entschei­dung und Kontrolle,
  • Entschei­dungsspiel­raum (d. h. Entschei­dungsmöglichkeit­en und ‑erfordernisse),
  • Anforderungsvielfalt und ‑vari­abil­ität,
  • Kon­takt- und Kommunikationserfordernisse,
  • Durch­schaubarkeit des Aufgabenzusammenhangs.
Men­schen­gerechte Arbeit beruht auf der Iden­ti­fika­tion des arbei­t­en­den Men­schen mit den Zie­len und Maß­nah­men sein­er Tätigkeit. Arbeit erfüllt, wenn die Per­son die gestell­ten Auf­gaben als sin­nvoll erachtet und mit­men­schliche Wertschätzung für deren erfol­gre­iche Bewäl­ti­gung erlangt.
Arbeit­sauf­gaben wirken belas­tend, wenn ihre Durch­führungs­be­din­gun­gen im Wider­spruch zur Hand­lungsab­sicht ste­hen. Behin­dernde Arbeits­be­din­gun­gen begün­sti­gen das Auftreten psy­cho­so­ma­tis­ch­er Beschw­er­den. Fol­gende Merk­male stellen auf­gaben­be­zo­gene Belas­tun­gen dar:
  • Infor­ma­torische und motorische Erschwernisse,
  • Tätigkeit­sun­ter­brechung durch Per­so­n­en oder Arbeitsmittel,
  • Über­forderung durch Zeit­druck oder Monotonie.
Um sys­tem­a­tis­che Über- und Unter­forderun­gen zu ver­mei­den, zeich­nen sich men­schen­gerechte Arbeit­sauf­gaben durch eine qual­i­fizierte Mis­char­beit aus, die vor­bere­i­t­ende, aus­führende und selb­stkon­trol­lierende Ver­rich­tun­gen sowie geistige Anforderun­gen enthal­ten (Hack­er 1991). Weit­ere Merk­male men­schen­gerechter Arbeit sind Kom­mu­nika­tion und Koop­er­a­tion. Diese Merk­male find­en sich vornehm­lich in Arbeit­sauf­gaben, die in gemein­schaftlich­er Ver­ant­wor­tung bear­beit­et wer­den, und in denen sich die Grup­pen­mit­glieder hin­sichtlich der zeitlichen und inhaltlichen Auf­gaben­be­wäl­ti­gung abstimmen.
Arbeit­sor­gan­i­sa­tion
Die Arbeit­sor­gan­i­sa­tion unter­schei­det for­mal zwis­chen der betrieblichen Auf­bau- und Ablau­for­gan­i­sa­tion. Die Auf­bauor­gan­i­sa­tion beschreibt die hier­ar­chis­che Gliederung in Organ­i­sa­tion­sein­heit­en und die damit ver­bun­dene Fes­tle­gung von Zuständigkeit, Ver­ant­wor­tung und Kom­pe­tenz. Die Ablau­for­gan­i­sa­tion regelt die zeitlich-logis­che Rei­hen­folge der Auf­gaben­wahrnehmung sowie die Arbeits- und Ver­fahrens­abläufe im betrieb­sorgan­isatorischen Sinne. Die Art der betrieblichen Auf­bauor­gan­i­sa­tion bee­in­flusst die Stel­lung und Sit­u­a­tion der arbei­t­en­den Per­son: Flache Hier­ar­chien verkürzen die betrieblichen Infor­ma­tions- und Entschei­dungswege und verbessern die Ein­flussnahme auf Entschei­dun­gen. Der­ar­tige Struk­turen begün­sti­gen voll­ständi­ge Arbeit­stätigkeit­en. Die betriebliche Ablau­for­gan­i­sa­tion bes­timmt die Zahl der Schnittstellen im Leis­tung­sprozess. Prozes­sori­en­tierte Konzepte der Arbeit­sor­gan­i­sa­tion reduzieren die Zahl der Schnittstellen und erweit­ern hier­durch die Arbeitsinhalte.
Führung
Indem Führungsper­so­n­en die Arbeit ihrer Mitar­beit­er organ­isieren, schaf­fen sie Rah­menbe­din­gun­gen für deren Arbeit­szufrieden­heit, Moti­va­tion und gesund­heitlich­es Befind­en. Men­schen­gerechte Führung bezweckt, Men­schen zu eigen­ständi­gem Han­deln zu befähi­gen und zu ermächti­gen. Sie beruht auf vier Kom­pe­ten­zfeldern (Stadler 2009):
  • Erstens die Acht­samkeit als Gespür für unter­schiedliche Per­spek­tiv­en und Werthal­tun­gen. Mitar­beit­er lassen sich bess­er motivieren, wenn sie sich in die betriebliche Gemein­schaft einge­bun­den fühlen. Führungsper­so­n­en müssen erken­nen, wo Mitar­beit­er emo­tion­al und gedanklich ste­hen und was diese bewegt.
  • Zweit­ens die Fähigkeit, Wesentlich­es von Unwesentlichem zu unter­schei­den, Sinn zu erschließen und die Rich­tung zu weisen. Um in diesem Prozess die Mitar­beit­er in ihrer Denk- und Hand­lungs­fähigkeit her­auszu­fordern, gilt es, ihnen Zutrauen zu schenken und geforderte Werte selb­st zu verkörpern.
  • Authen­tiz­ität ist die dritte Wertekom­pe­tenz. Dazu gehören Selb­st­diszi­plin und ein hohes Maß an Selb­st­führung. Men­schen ori­en­tieren sich an Men­schen – was das Bild des Handw­erksmeis­ters zum Aus­druck bringt: Er macht sich selb­st zum Maßstab für gutes Arbeiten.
  • Die vierte Wertekom­pe­tenz wird als Rück­bindung beze­ich­net. Führungsper­so­n­en, die Mitar­beit­er mit ihrem ganzen Kön­nen und Wollen an ein Unternehmen zu binden ver­mö­gen, set­zen große Kräfte frei. Untrüglich­es Zeichen gelun­gener Führung ist die Lernkurve der Mitar­beit­er. Die wesentliche Führungsauf­gabe ist dem­nach, Chan­cen zu eröff­nen, sodass jed­er Einzelne seine Fähigkeit­en best­möglich in die betriebliche Gemein­schaft ein­brin­gen kann.
Wertkom­pe­tente Führungsper­so­n­en ver­mit­teln ihren Mitar­beit­ern ein Gefühl von Ver­lässlichkeit. Sie offen­baren ihre eige­nen Grundw­erte und Leben­sziele und erken­nen die Leis­tun­gen ihrer Mitar­beit­er für die Erre­ichung der Unternehmen­sziele an. Kon­trol­lo­ri­en­tiertes Führungsver­hal­ten in Verbindung mit ungerecht emp­fun­den­er Bevorzu­gung einzel­ner Mitar­beit­er hinge­gen begün­stigt gesund­heitliche Störun­gen (West­er­may­er 2002).
Arbeitsmit­tel und Arbeitsplatz
Arbeitsmit­tel sind die tech­nis­chen Kom­po­nen­ten eines Arbeit­splatzes. Um die Unversehrtheit und die Gesund­heit der Beschäftigten zu erhal­ten, haben die einge­set­zten Arbeit­splätze bzw. ‑mit­tel den ein­schlägi­gen sicher­heit­stech­nis­chen Stan­dards zu entsprechen. Vorteil­haft ist es, wenn sich Arbeit­splätze und ‑mit­tel durch eine ergonomis­che Gestal­tung an die indi­vidu­ellen Bedürfnisse der Nutzer anpassen lassen.
Unaus­ge­wo­gene kör­per­liche Belas­tun­gen am Arbeit­splatz sind unter anderem auf die Hand­habung schw­er­er Las­ten, unhar­monis­che Kör­per­be­we­gun­gen und erzwun­gene Kör­per­hal­tun­gen zurück­zuführen. Gesund­heitss­chä­den durch kör­per­liche Über­las­tun­gen betr­e­f­fen haupt­säch­lich den Stütz- und Bewe­gungsap­pa­rat. Hier treten chro­nisch-degen­er­a­tive Erkrankun­gen wie z. B. Sehnen­schei­de­nentzün­dun­gen, Muskelverspan­nun­gen und Band­scheiben­ver­schleiß auf. Sie lassen sich u. a. durch den Ein­satz tech­nis­ch­er Arbeits- und Hil­f­s­mit­tel vermeiden.
Sta­tis­che Kör­per­hal­tun­gen führen zu muskulär­er Anspan­nung und rasch­er Ermü­dung der Extrem­itäten, da die Blutzirku­la­tion beein­trächtigt wird. Der­ar­tige Zwang­shal­tun­gen wer­den durch eine eingeschränk­te Bewe­gungs­frei­heit oder eine ungün­stige räum­liche Dimen­sion­ierung des Arbeit­splatzes begün­stigt. Eine ergonomis­che Arbeit­splatzgestal­tung ori­en­tiert sich an ein­er anatomisch gün­sti­gen Stel­lung der Kör­per­glieder und an opti­malen Sichtbe­din­gun­gen. Hier­bei wird eine dynamis­che Kör­per­be­las­tung durch wech­sel­nde Arbeit­shal­tun­gen bevorzugt.
Arbeit­sumge­bung
Die Arbeit­sumge­bung wird vor allem durch die Fak­toren Arbeitsstoffe (ein­schließlich chemis­che und biol­o­gis­che Gefahrstoffe), Beleuch­tung, Kli­ma, Schall, Vibra­tio­nen und Strahlung bee­in­flusst. Einige Umge­bungs­fak­toren wer­den gezielt zu Zweck­en der Arbeits­gestal­tung einge­set­zt. Andere Fak­toren führen im Wesentlichen zu uner­wün­scht­en Wirkun­gen, so dass eine Reduzierung ihrer Inten­sität, Ein­wirkungs­dauer und ‑häu­figkeit angestrebt wird. Um Gesund­heitss­chä­den zu ver­mei­den, sind die Umge­bungs­be­din­gun­gen den phys­i­ol­o­gis­chen Reak­tion­sweisen des men­schlichen Organ­is­mus gemäß durch geeignete Schutz­maß­nah­men zu begren­zen (vgl. Kirch­berg et al. 1997).
Die konzep­tionellen Aus­führun­gen zur men­schen­gerecht­en Arbeits­gestal­tung wer­den im Fol­gen­den anhand zweier betrieblich­er Fall­beispiele veranschaulicht.
Fall­beispiel: Gepäck­ver­ladung am Flugzeug
Die Abfer­ti­gung eines Pas­sagier­flugzeuges ist ein kom­plex­er Prozess, in dem es vielfältige Auf­gaben und Akteure in möglichst kurz­er Zeit unter vari­ieren­den, zuweilen schw­er vorherse­hbaren Rah­menbe­din­gun­gen (z. B. Wit­terung­se­in­flüsse, Flugver­spä­tun­gen) zu koor­dinieren gilt. Eine zen­trale Auf­gabe ist die Gepäck­ver­ladung auf dem Flugvor­feld (vgl. Abbil­dung 3). Die Be- und Ent­ladung der Laderäume („Bel­lies“) unter­liegt klar definierten Anforderun­gen hin­sichtlich Zeit­ef­fizienz, Zuver­läs­sigkeit und Schadensver­mei­dung. Ihr Koor­di­na­tion­saufwand steigt erhe­blich, wenn einzelne Gepäck­stücke auf­grund von Sicher­heits­bes­tim­mungen außer­plan­mäßig ent­laden wer­den müssen.
Flugzeuge mit schmalem Rumpf (sog. „Narrow-Body“-Maschinen wie z. B. Boe­ing 737, Air­bus A320) wer­den „offen“ mit Gepäck und Fracht beladen. Hierzu wird die lose Ladung („Bulk“) mit Gepäck­wa­gen zum Flugzeug gefahren. Die einzeln per Hand ent­nomme­nen Gepäck­stücke gelan­gen über Förder­bän­der durch die Lader­aumtüren in die Laderäume und an den Stapelort. Um die Dis­tanz zwis­chen Lader­aumtür und Stapelort zu über­winden, wer­den die Ladestücke üblicher­weise in ein­er Kette von 2 bis 3 Ladear­beit­ern manuell übergeben. Pro Lade­vor­gang wer­den etwa 150 bis 200 Gepäck- bzw. Fracht­stücke mit einem Gesamt­gewicht von 3 bis 4 t in einem Zeit­fen­ster von etwa 20 Minuten bewegt. Einzelne Ladestücke erre­ichen ein Gewicht von über 20 kg. Unein­heitliche For­mate, Gewichte und Mate­ri­aleigen­schaften erschw­eren die Hand­habung der Gepäck­stücke. Sper­rgepäck wird geson­dert verladen.
Bei Pas­sagier­flugzeu­gen befind­en sich die Laderäume üblicher­weise im Unter­deck („Low­er Deck“). Auf­grund der Rumpf­form weist das Low­er Deck gerun­dete Seit­en­wände und eine Deck­en­höhe von max­i­mal 1,30 m auf. Es kann nur in gebück­ter Kör­per­hal­tung began­gen werden.
Bei der offe­nen Gepäck­ver­ladung treten u. a. fol­gende Gefährdungsrisiken auf:
  • Die Hand­habung schw­er­er Las­ten ist eine kör­per­lich stark belas­tende Tätigkeit mit erhe­blichem Energieumsatz.
  • Die räum­lichen Bedin­gun­gen am Arbeit­splatz bedin­gen phys­i­ol­o­gisch ungün­stige Kör­per­hal­tun­gen der Ladear­beit­er (zum Beispiel kör­per­ferne Kraftaus­bringung, Arbeit­en im Knien, Drehen und Abstützen des Oberkör­pers zum Erhalt des Kör­per­gle­ichgewichts, vgl. Abbil­dung 4). Die unaus­ge­wo­gene Belas­tungssi­t­u­a­tion begün­stigt einen vorschnellen Kräftev­er­schleiß und die Entste­hung krankhafter Schädi­gun­gen des musku­lo-skelet­tal­en Sys­tems (z. B. Rück­en, Knie).
  • Der Umschlag von Gepäck erfol­gt auf dem Flugvor­feld zuweilen unter widri­gen Witterungsbedingungen.
  • Ver­lade­tätigkeit­en zeich­nen sich durch enge Zeitvor­gaben im Betrieb­sablauf und Phasen unter­schiedlich­er Arbeitsin­ten­sität aus; dieser Umstand begün­stigt das Auftreten von psy­chis­chen Belastungsspitzen.
Unter der­art unaus­ge­wo­ge­nen Arbeits­be­din­gun­gen ist ein frühzeit­iger Ver­lust an Leis­tungs­fähigkeit und ‑bere­itschaft des Lade­per­son­als nicht auszuschließen. So zeich­net sich der Lade­bere­ich im All­ge­meinen durch einen über­durch­schnit­tlichen hohen Kranken­fehl­stand und eine hohe Fluk­tu­a­tion­srate aus. Diese Umstände erschw­eren eine oper­a­tive Koor­di­na­tion des Per­son­alein­satzes; langfristig lei­det hierunter die Personalentwicklung.
Gestal­tungs­maß­nah­men
Zur men­schen­gerecht­en Gestal­tung der Gepäck­ver­ladung bieten sich drei Maß­nah­men an:
  • Ein­satz von tech­nis­chen Sys­te­men zur Unter­stützung der manuellen Gepäck­ver­ladung: Ein Roll­bet­tförder­band, welch­es das Gepäck­förder­band inner­halb des Lader­aums ergänzt, fördert die Ladestücke stetig und ohne manuelle Über­gabe vom Trans­port­wa­gen an den Stapelort (vgl. Abbil­dung 5). Die Rol­len­bahn kann bedarf­s­gerecht aus- oder einge­fahren wer­den, um sie möglichst nahe an die Ladekante zu brin­gen. Der Be- bzw. Ent­ladungskopf lässt sich in ein­er angemesse­nen Arbeit­shöhe am Gepäck­stapel posi­tion­ieren. Durch den Ein­satz eines Roll­bet­tförder­ban­des ver­mag ein einziger Ladear­beit­er den Lade­vor­gang im „Bel­ly“ zu bewälti­gen. Zwei bis drei Arbeit­splätze, an denen auss­chließlich Über­ga­betätigkeit­en erfol­gen, wer­den sub­sti­tu­iert. Die opti­mierte Belas­tungssi­t­u­a­tion am verbleiben­den Arbeit­splatz min­dert das Risiko arbeits­be­d­ingter Erkrankun­gen und schafft gün­stige Voraus­set­zun­gen für einen flex­i­blen Personaleinsatz.
  • Eine Rota­tion der Mitar­beit­er an unter­schiedlichen Arbeit­splätzen im Lader­aum, am Förder­band und am Gepäck­wa­gen trägt zum regelmäßi­gen Belas­tungswech­sel und zur erforder­lichen Regen­er­a­tion bei, ohne die Arbeit­stätigkeit zu unter­brechen. Durch die Aus­führung von vari­ieren­den Tätigkeit­en auf ähn­lichem Anforderungsniveau wird psy­chis­che Monot­o­nie ver­mieden. Eine verbesserte Iden­ti­fika­tion mit der Arbeit­sauf­gabe fördert die Leis­tungs­bere­itschaft der Ladear­beit­er und deren Wertekultur.
  • Voraus­set­zung für einen flex­i­blen Mitar­beit­ere­in­satz im Team ist eine angemessene Per­son­alqual­i­fika­tion (zum Beispiel Fahrtätigkeit oder Bedi­enung des Rol­len­bands). Fer­tigkeit­en wer­den durch das prak­tis­che Tun und in speziellen Schu­lun­gen vermittelt.
Der Ein­satz eines Roll­bet­tförder­ban­des erfordert organ­isatorische Maß­nah­men zur Arbeit­splatzro­ta­tion, um den im Lader­aum täti­gen Ladear­beit­er nicht andauernd vom übri­gen Team zu isolieren. Hierunter wür­den die Möglichkeit­en zur Kom­mu­nika­tion und kol­le­gialen Unter­stützung und mithin der Leis­tungswille empfind­lich leiden.
Wirkun­gen der Systemgestaltung
Die skizzierten Gestal­tungs­maß­nah­men führen zu vielfälti­gen Wech­sel­wirkun­gen der tech­nis­chen, organ­isatorischen und indi­vidu­ellen Fak­toren inner­halb des Arbeitssys­tems. Diese Wirkun­gen gilt es in ihrem Zusam­men­spiel zu betra­cht­en, um Erfol­gskri­te­rien und Nutzen­poten­ziale der men­schen­gerecht­en Arbeits­gestal­tung zu iden­ti­fizieren (vgl. Abbil­dung 6).
Men­schen­gerechte Bedin­gun­gen an den Ladear­beit­splätzen ver­min­dern das Risiko arbeits­be­d­ingter Erkrankun­gen; sie führen grund­sät­zlich zu gerin­geren Kranken­fehlzeit­en des Lade­per­son­als und in Folge zu reduzierten Krankheits- und Ausfallkosten.
Die Pro­duk­tiv­ität des Lade­vor­gangs lässt sich durch den Ein­satz eines Roll­bet­tförder­bands gegenüber der manuellen Ladeweise erhe­blich steigern. Durch die Bewäl­ti­gung zeitkri­tis­ch­er Lade­vorgänge wer­den die Boden­standzeit­en im Flug­be­trieb min­imiert. Zudem ver­ringert sich das Risiko, Gepäck­stücke durch unsachgemäße Hand­habung zu beschädigen.
Eine Gestal­tung her­aus­fordern­der und abwech­slungsre­ich­er Tätigkeit­en, die Möglichkeit zur beru­flichen Bewährung bietet, fördert die Iden­ti­fika­tion des Lade­per­son­als mit sein­er Arbeit­sauf­gabe sowie die Leis­tungs­bere­itschaft. Mitar­beit­er, die Sinn und Per­spek­tive in ihrer beru­flichen Tätigkeit erleben, binden sich enger an das Unternehmen. Dies schafft gün­stige Voraus­set­zun­gen für eine nach­haltige Per­son­alen­twick­lung, da erst beständi­ge Beschäf­ti­gungsver­hält­nisse eine Investi­tion in per­son­elle Schu­lungs­maß­nah­men recht­fer­ti­gen. Ein erhöht­es Qual­i­fika­tion­sniveau wiederum eröffnet Per­spek­tiv­en für einen flex­i­blen Arbeit­sein­satz in vielfälti­gen, inter­es­san­ten Tätigkeit­en der Flughafenlogistik.
Die Nutzung eines Roll­bet­tförder­ban­des set­zt tech­nis­chen Sachver­stand und eine gewisse Sorgfalt des Bedi­eners – etwa beim Andock­en am Flugzeu­grumpf – voraus. Die tech­nisch aufwendi­gen Geräte unter­liegen einem erhöht­en Ver­schleiß. Trotz ein­fach konzip­iert­er Ver­schleißteile erfordert der Teile­tausch einen erhöht­en Wartungsaufwand, um kost­spielige Still­standzeit­en zu minimieren.
Die Kosten zur Nachrüs­tung eines herkömm­lichen Gepäck­förder­ban­des sind nicht uner­he­blich; daher ist der Ein­satz eines Roll­bet­tförder­ban­des auch aus wirtschaftlich­er Per­spek­tive zu betra­cht­en. Neben ein­er erhöht­en Pro­duk­tiv­ität in den Lade­prozessen trägt der ver­ringerte Per­son­alein­satz durch die Sub­sti­tu­tion von unangemesse­nen Arbeit­splätzen zu Einspar­poten­zialen bei. Eine Wirtschaftlichkeits­be­tra­ch­tung belegte Kosteneinsparun­gen durch den Ein­satz von Roll­bet­tförder­bän­dern während ein­er Ein­satzzeit von zehn Jahren.
Fall­beispiel: Intralogistik
Die Intral­o­gis­tik beze­ich­net die logis­tis­chen Mate­r­i­al- und Waren­flüsse inner­halb eines Betriebes (Men­soLin). Sie umfasst die Organ­i­sa­tion, Steuerung, Durch­führung und Opti­mierung des Waren- und Mate­ri­alflusses, der Infor­ma­tion­sströme sowie des Warenum­schlags in Indus­trie, Han­del und öffentlichen Ein­rich­tun­gen. Hier­bei treten vielfältige, zuweilen gegen­sät­zliche Anforderun­gen im Span­nungs­feld von Flex­i­bil­ität und Sta­bil­ität auf (vgl. Abbil­dung 7).
Die im Zuge des Lean Man­age­ment vol­l­zo­gene Abgren­zung von der Pro­duk­tion sowie eine bedarf­s­gerechte Pro­duk­tionsver­sorgung führen in der Intral­o­gis­tik zu kurzzyk­lis­chen Abläufen, zu aus­geprägten Kapaz­itätss­chwankun­gen sowie zu Auf­gaben­verdich­tung und ‑inten­sivierung. Tätigkeit­en zeich­nen sich u. a. durch zeitlich und räum­lich vari­ierende Leis­tungsan­forderun­gen, het­ero­gene Last­spek­tren und ein­seit­ige Kör­per­be­las­tun­gen aus. Let­zte resul­tieren vornehm­lich aus der Las­ten­hand­habung bei Lagerung, Kom­mis­sion­ierung, Ver­pack­ung und Versand.
Angesichts des demografis­chen Wan­dels und der bei zunehmen­dem Alter ver­ringerten Belast­barkeit erhöhen sich kör­per­liche Gesund­heit­srisiken – wie Schädi­gun­gen der Lenden­wirbel­säule, des Herz-Kreis­lauf­sys­tems und spez­i­fis­ch­er Muskel­grup­pen. Ver­schleißbe­d­ingte Leis­tung­sein­schränkun­gen, die sich auf jahre­lange, ein­seit­ig belas­tende Arbeit­stätigkeit­en zurück­führen lassen, schränken eine freizügige Ein­satzfähigkeit der Mitar­beit­er ein. Eine eingeschränk­te Arbeits­fähigkeit erschw­ert ihrer­seits die Prozessko­or­di­na­tion und treibt die Per­son­alkosten in die Höhe.
Intral­o­gis­tis­che Prozesse wer­den durch die Anwen­dung indus­trieller Stan­dards wirtschaftlich real­isiert. Den­noch genü­gen tech­nolo­gieori­en­tierte Ansätze, wie sie in den Pro­duk­tion­ssys­te­men jahre­lang zur Pro­duk­tiv­itätssteigerung ver­fol­gt wer­den, den kom­plex­en Anforderun­gen der Intral­o­gis­tik nur bed­ingt. Ein­er durchgängi­gen Automa­tisierung von logis­tis­chen Prozessen ste­ht eine geforderte Flex­i­bil­ität ent­ge­gen, die sich mit tech­nis­chen Ein­rich­tun­gen nicht kosten­gerecht ver­wirk­lichen lässt. Eine Inte­gra­tion des betrieblichen Span­nungs­feldes von Flex­i­bil­ität und Sta­bil­ität gelingt nur durch ein sit­u­a­tion­s­gerecht­es Engage­ment des arbei­t­en­den Men­schen in steuern­den und oper­a­tiv­en Auf­gaben (vgl. Abbil­dung 8). Hier­für sind aus­ge­wo­gene Arbeits­be­din­gun­gen zu schaffen.
Eine men­schen­gerechte Gestal­tung intral­o­gis­tis­ch­er Arbeitssys­teme zielt prinzip­iell auf eine Flex­i­bil­isierung der betrieblichen Leis­tung­sprozesse. Eine Reduzierung der arbeits­be­d­ingten Gesund­heit­srisiken schafft gün­stige Voraus­set­zun­gen für einen freizügi­gen Per­son­alein­satz in unter­schiedlichen Arbeits­bere­ichen. Maß­nah­men zur Förderung der psy­chis­chen Gesund­heit stärken die moti­va­tionalen und kom­mu­nika­tiv­en Voraus­set­zun­gen für ein bedarf­s­gerecht­es Tätig­sein bei vari­ieren­den Leistungsanforderungen.
Ergonomis­che Arbeit­splätze und ‑mit­tel ermöglichen einen aus­ge­wo­ge­nen Ein­satz der men­schlichen Kör­perkräfte und schaf­fen gün­stige Rah­menbe­din­gun­gen, um einem frühzeit­i­gen Kräftev­er­schleiß ent­ge­gen­zuwirken. In Verbindung mit ein­er kräftescho­nen­den Tech­nikun­ter­stützung ges­tat­ten sie einen nahezu uneingeschränk­ten Ein­satz von leis­tungs­ge­minderten Mitar­beit­ern, die ihre kör­per­liche Arbeit­skraft nicht mehr mit vollem Geschick ein­set­zen können.
Ergänzende organ­isatorische Maß­nah­men – wie Arbeit­splatzro­ta­tion – führen zu anforderungs­gerecht­en Tätigkeit­en, die zum prak­tis­chen Ler­nen und zu geistiger Aktiv­ität anre­gen. Ein fordern­des Anspruch­sniveau bei der Arbeit­stätigkeit wirkt dequal­i­fizieren­den Ten­den­zen ent­ge­gen und erhält die indi­vidu­elle Beschäf­ti­gungs­fähigkeit. Indem die Mitar­beit­er einen sin­nvollen Arbeits­beitrag erleben, nehmen ihre Ein­sicht in die Hand­lungsnotwendigkeit, ihre Arbeitsmo­ti­va­tion und ihr Prob­lem­be­wusst­sein zu.
Ein – beispiel­haft genan­ntes – Logis­tikun­ternehmen gewährt einzel­nen Mitar­beit­ern anhand von Kun­denbe­suchen einen geziel­ten Ein­blick in die betrieblichen Ver­trieb­sak­tiv­itäten. Diese gelebte Form der Kun­de­nori­en­tierung offen­bart den Logis­tik­ern die Bedeu­tung ihrer Tätigkeit. Die Mitar­beit­er erken­nen, wie sich mögliche Arbeits­fehler auf die Kun­den­zufrieden­heit und die Kosten­struk­tur nach­fol­gen­der Prozesse auswirken. Trotz eines beträchtlichen Aufwan­des wirken der „Blick über den Zaun“ und ein anschließen­der Erfahrungsaus­tausch über­aus förder­lich auf die Arbeitsmo­ti­va­tion und die Zuver­läs­sigkeit bei Kom­mis­sion­ier- und Packaufgaben.
Um beurteilen zu kön­nen, ob sich per­sön­liche Werte und Fähigkeit­en in der Beruf­stätigkeit ver­wirk­lichen lassen, offeriert ein weit­eres Unternehmen seinen Bewer­bungskan­di­dat­en ein Kurzprak­tikum im anvisierten Arbeits­bere­ich. Dieses Prak­tikum bietet bei­der­seit­ige Gele­gen­heit, das Arbeit­sum­feld, die Tätigkeits­be­din­gun­gen und die Kol­le­gen ken­nen­zuler­nen. Das kol­le­giale Votum stützt die Entschei­dung der Betrieb­sleitung, ob und in welchem Arbeits­bere­ich der Bewer­ber eingestellt wird. Ein der­art ver­trauensvolles Vorge­hen stärkt den betrieblichen Gemeinsinn und die Iden­ti­fika­tion der Mitar­beit­er mit ihrer Arbeit­stätigkeit. Das men­schliche Miteinan­der set­zt Impulse zur kol­le­gialen Unter­stützung frei. So teilen etwa erfahrene Beschäftigte ihr Wis­sen mit jün­geren Kol­le­gen – während diese im Gegen­zug die älteren Mitar­beit­er von schw­eren kör­per­lichen Arbeit­sauf­gaben entlasten.
Faz­it
In der betrieblichen Diskus­sion wird Gesund­heit häu­fig als Selb­stzweck betra­chtet. Bleibt ihr Bezug zum Unternehmen­szweck unerkan­nt, wer­den gesund­heitliche Maß­nah­men ein­er men­schen­gerecht­en Arbeits­gestal­tung nicht mit der gebote­nen Kon­se­quenz verfolgt.
Indi­vidu­elle Gesund­heit ist Aus­druck eines eigen­ständi­gen und aus­geglich­enen Entwick­lung­sprozess­es. Im betrieblichen Kon­text stellt Gesund­heit einen zen­tralen Indika­tor für gelin­gende Wand­lungs­fähigkeit dar. Gesund­heit man­i­festiert sich in ein­er aus­ge­wo­ge­nen Arbeits­gestal­tung, in der sich indi­vidu­elle Entwick­lungschan­cen und nach­haltiger, wirtschaftlich­er Unternehmenser­folg wech­sel­seit­ig bedin­gen. Erfol­gspoten­ziale wer­den hier durch einen dif­feren­zierten Aus­gle­ich von Kun­denbedürfnis­sen und Mitar­beit­er­fähigkeit­en gefördert.
Angesichts verän­dert­er Leis­tungsan­forderun­gen in kom­plex­en Arbeitssys­te­men der Wis­sensökonomie, aber auch unter den lim­i­tieren­den Rah­menbe­din­gun­gen des sozio-demografis­chen Wan­dels erscheint ein Über­gang der Unternehmen zur wand­lungs­fähi­gen Organ­i­sa­tion unab­d­ing­bar. Dieser Trans­for­ma­tion­sprozess beruht maßge­blich auf imma­teriellen Werten. Seine Wirk­samkeit offen­bart sich u. a. im gesund­heitlichen Befind­en der Mitarbeiter.
Die wan­del­nde Arbeitswelt ist somit Her­aus­forderung, aber auch Chance für die Akteure im betrieblichen Gesundheitswesen.
Lit­er­atur
  • 1. Braun, M.: Gesund­heit aus arbeitswis­senschaftlich­er Per­spek­tive. In: Bien­dar­ra, I.; Weeren, M. (Hrsg.): Gesund­heit – Gesund­heit­en? Eine Ori­en­tierung­shil­fe. Würzburg: Königshausen und Neu­mann, 2008, S. 125–165.
  • 2. Braun, M.: Bal­anced Score­card für das gesunde Unternehmen. Sicher­heitsin­ge­nieur 40 (2009) Nr. 2, S. 14–18.
  • 3. Hack­er, W.: Aspek­te ein­er gesund­heitssta­bil­isieren­den und ‑fördern­den Arbeits­gestal­tung. Zeitschrift für Arbeits- und Organ­i­sa­tion­spsy­cholo­gie 35 (1991) Nr. 2, S. 48–58.
  • 4. Kirch­berg, S. und Autorenkollek­tiv: Ermit­tlung gefährdungs­be­zo­gen­er Arbeitss­chutz­maß­nah­men im Betrieb. Schriften­rei­he der Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin S 42. Bre­mer­haven: Wirtschaftsver­lag NW, 1997.
  • 5. Men­soLin: Der Men­sch als steuern­der und oper­a­tiv­er Leis­tungsträger in der Intral­o­gis­tik. Forschung­spro­jekt des Logis­tiknet­zw­erkes Baden-Würt­tem­berg, Laufzeit Dezem­ber 2007 bis Novem­ber 2009. Förderkennze­ichen 32–729–85 des Min­is­teri­ums für Wis­senschaft, Forschung und Kun­st Baden-Württemberg.
  • 6. Stadler, K.: Die Kul­tur des Verän­derns. Führen in Zeit­en des Umbruchs. München: Deutsch­er Taschen­buch Ver­lag, 2009.
  • 7. Ulich, E.: Arbeit­spsy­cholo­gie. 5. Auflage. Stuttgart: Schäf­fer-Poeschel, 2001.
  • 8. West­er­may­er, G.: Klare Führung ist gesund. Dis­cus­sion Paper BGF 02–1112. Berlin: Gesellschaft für Betriebliche Gesund­heits­förderung, 2002.
  • 9. WHO – Welt­ge­sund­heit­sor­gan­i­sa­tion: Ottawa-Char­ta der Welt­ge­sund­heit­sor­gan­i­sa­tion zur Gesund­heits­förderung. Inter­na­tionale Kon­ferenz zur Gesund­heits­förderung, Ottawa, 1986.
Autor
Dr. Mar­tin Braun, Fraun­hofer-Insti­tut für Arbeitswirtschaft und Organ­i­sa­tion (IAO) Nobel­straße 12 70569 Stuttgart E‑Mail: martin.braun@iao.fraunhofer.de
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