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Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD für die kommende Legislaturperiode enthält auf seinen 185 Seiten an mehreren Stellen konkrete Festlegungen zum Arbeitsschutz. Insgesamt sind diese als positiv und als wichtige Schritte in die richtige Richtung zu bewerten.
Nachdem lange und in langen Nächten verhandelt wurde, und CDU/CSU-Parteitage und SPD-Mitglieder dem ausgehandelten Vertrag zustimmten, gilt für die nächsten vier Jahre der Abschnitt „Ganzheitlicher Arbeitsschutz“ ( S. 70 f.) Es heiß dort:
„Der Schutz der Beschäftigten vor Gefahren am Arbeitsplatz und die Stärkung der Gesundheit bei der Arbeit ist ein wichtiges Gebot sozialer Verantwortung. Ein deutlicher Hinweis auf die Herausforderungen, die eine sich wandelnde Arbeitswelt für den deutschen Arbeitsschutz bedeutet, ist die drastische Zunahme psychischer Erkrankungen. Unser Leitbild ist ein ganzheitlicher, physische und psychische Belastungen erfassender Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Die Zusammenarbeit mit der allgemeinen Gesundheitspolitik wird ausgebaut. Betriebliche Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz werden enger verknüpft. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) wollen wir stärken und mehr Verbindlichkeit erreichen.“
Endlich werden die psychischen Erkrankungen ernst genommen, was nicht bedeuten soll, dass jetzt eine Inflation von Burnout-Fällen in den Vordergrund kommt, die keine sind. Gut ist auch, dass die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsschutz und allgemeiner Gesundheitspolitik verbessert werden soll.
Weiter steht im Koalitionsvertrag: „Gesundheitszirkel in den Betrieben haben sich in der Praxis als erfolgreicher Ansatz erwiesen. Wir wollen erreichen, dass in Unternehmen in Kooperation mit den Gesetzlichen Krankenkassen soziale Zirkel vermehrt eingerichtet werden. Wir werden die Entwicklung neuer Präventionskonzepte und betrieblicher Gestaltungslösungen bei psychischen Belastungen in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie vorantreiben, den Instrumenteneinsatz besser ausrichten, auf eine verbesserte Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken und in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen.“( S. 70 f)
Dann folgt dann ein wichtiger Impuls, den Arbeitsschutz auf aktuelle neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu stellen.
„Es erfolgt eine wissenschaftliche Standortbestimmung, die gleichzeitig eine fundierte Übersicht über psychologische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt gibt und Handlungsoptionen für notwendige Regelungen aufzeigt. Im Lichte weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse schließen wir insoweit auch verbindliche Regelungen in der Form einer Verordnung gegen psychische Erkrankungen nicht aus.“ ( S. 71) An dieser Stelle ist die Formulierung ein wenig fragwürdig. Es wäre zwar schön, wenn man mit einer Verordnung psychische Erkrankungen ausschließen könnte. Das geht allerdings nicht, aber der gute Wille zählt.
„Der Schutz und die Stärkung der psychischen Gesundheit in besonders belastenden Tätigkeiten werden weiter verbessert, die entsprechende Forschung unter Begleitung der Tarifpartner intensiviert und Lösungsvorschläge zur Vermeidung arbeitsbedingter Verschleißerkrankungen und Frühverrentungen erarbeitet.“ (S.71)
Auch auf Seite 82 wird es für den Arbeitsschutz interessant: „Wir werden noch in 2014 ein Präventionsgesetz verabschieden, das insbesondere die Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kita, Schule, Betrieb und Pflegeheim und die betriebliche Gesundheitsförderung stärkt und alle Sozialversicherungsträger einbezieht.“
In dem ausführlichen Kapitel „ Starkes Europa“ tritt die neue Koalition entschlossen für die politische Weiterentwicklung der EU hin in Richtung Europäischer Bundesstaat ein. Für den Arbeitsschutz ist dort Seite 164 von Bedeutung: „Die Beschäftigten in Europa müssen effizient vor Ausbeutung und sittenwidrigen Arbeitsbedingungen geschützt werden. Dort, wo wirtschaftliche Aktivität grenzüberschreitend ist, dürfen Arbeitnehmerrechte nicht an den Grenzen Halt machen.“
Auf Seite 180 geht der Koalitionsvertrag in den internationalen Bereich: „Wir werden darauf dringen, dass transnationale Unternehmen soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einhalten. Die ILO-Erklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik, die OECD-Leitsätze und die UN-Leitprinzipien über Wirtschaft und Menschenrechte stecken hierfür den Rahmen ab. Wir werden die UN-Leitprinzipien auf nationaler Ebene umsetzen.“
Fazit
Insgesamt ist der neue Koalitionsvertrag für den Arbeitsschutz in Deutschland ein Fortschritt. In der vorangegangenen Legislaturperiode wurde er leider zu oft ausgebremst. Viel wird natürlich auch davon abhängen, in welchem Ministerium unter welcher Leitung die Zuständigkeit für den Arbeitsschutz auf Bundesebene landet.
Wenn die Menschen sich an ihren Arbeitsplätzen gut vor Gefahren und Gesundheitsbeeinträchtigungen geschützt sehen, entsteht auch eine höhere Leistungsmotivation, die der gesamten Gesellschaft dient.
Autor
Ministerialrat Peter H. Niederelz
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