Im Juli 2010 wurden Änderungen der Arbeitsstättenverordnung erlassen und verordnet. Der folgende Beitrag beschreibt wichtige Neuigkeiten – wobei vor allem die Aufnahme der Gefährdungsbeurteilung in die Arbeitsstättenverordnung zu beachten ist. Wichtig für die Praxis ist auch die geänderte Frist zur Erarbeitung von Arbeitsstättenregeln – sie wurde auf den 31. 12. 2012 verlängert. Weiterhin vielfach gefordert, und jetzt erlassen: § 9 „Ordnungswidrigkeiten und Straftaten“.
Die „Arbeitsstättenverordnung“ (ArbStättV) vom 12. August 2004 (BGBl. I S. 2179) enthält Grundanforderungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten an nahezu allen Arbeitsplätzen und regelt die menschengerechte Gestaltung der Arbeit beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten (vgl. dazu auch „Sicherheitsingenieur“ 12/2007, Fachbeitrag S. 36). Die ArbStättV ist auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) erlassen worden. Adressat der Vorschriften der ArbStättV ist der Arbeitgeber, der dafür Sorge zu tragen hat, dass von seiner Arbeitsstätte keine Gefährdung für die Beschäftigten ausgeht. Die Verordnung kann – wie andere Rechtstexte auch – bei Bedarf geändert werden. Mit der Regierungsverordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2006/25/EG zum Schutz der Arbeitnehmer vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung und zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen wurden notwendige rechtliche und redaktionelle Anpassungen und Korrekturen vorgenommen. Die mit Artikel 4 der o.a. Verordnung vom 19. Juli 2010 von der Bundesregierung erlassenen Änderungen der ArbStättV sind mit Bundesgesetzblatt am 26. Juli 2010 (BGBl.) I Nr. 38 S. 965 veröffentlicht worden (siehe konsolidierte Fassung der ArbStättV im Internet: http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/arbst_ttv_2004/gesamt.pdf).
Änderungen der Verordnung seit Inkrafttreten im Jahr 2004
Die ArbStättV ist seit dem Jahr 2004 bereits mehrfach geändert worden. Bei der ersten Änderung im Jahr 2006 waren es formale Gründe, die eine Anpassung der Verordnung (mit der „Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung“, Artikel 388 der Artikelverordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl. I Nr. 50 S. 2407) erforderlich machten. Es mussten die Bezeichnungen der seinerzeit umorganisierten und umbenannten Bundesministerien (§ 1, z. B. „Wirtschaft und Arbeit“ in „Arbeit und Soziales“) in der ArbStättV angepasst werden. Die zweite redaktionelle Änderung der ArbStättV erfolgte im Jahr 2007 mit Artikel 6 der Verordnung zur Umsetzung der EG-Richtlinien 2002/44/EG und 2003/10/EG zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen vom 6. März 2007 (BGBl. I Nr. 8 S. 277). Mit dieser Änderung wurde das offizielle Bekanntmachungsorgan „Bundesarbeitsblatt“ (wegen Aufgabe und Einstellung) durch das „Gemeinsame Ministerialblatt“ als künftiges Veröffentlichungsorgan des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für Arbeitsstättenregeln ersetzt (§ 7 Abs. 4). Materielle inhaltliche Änderungen standen bei der dritten Anpassung der ArbStättV (mit Artikel 2 des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens vom 20. Juli 2007, BGBl. I S. 1595 – 1597) im Vordergrund. Der Nichtraucherschutzparagraf der Verordnung (§ 5 Abs. 1) wurde um den Satz „… Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.“ ergänzt. Der angefügte Satz bringt zum Ausdruck, dass insbesondere ein allgemeines Rauchverbot für den gesamten Betrieb oder ein auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot geeignete Maßnahmen zum Schutz der nicht rauchenden Beschäftigten im Sinne der ArbStättV sind. Ein weiteres Jahr später – im Jahr 2008 – war die vierte Änderung der ArbStättV. Mit Artikel 9 der „Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge“ vom 18. Dezember 2008 (BGBl I. S. 2768) wurde eine notwendige Rechtsangleichung an die übrigen Arbeitsschutzverordnungen vorgenommen. Von der Änderung war insbesondere der § 7 „Ausschuss für Arbeitsstätten” betroffen. Mit der Erweiterung des Ausschussauftrags in § 7 wird eine Vereinheitlichung mit der Regelung in § 4 Nr. 3 Arbeitsschutzgesetz und den auf diesem Gesetz erlassenen Arbeitsschutzverordnungen hergestellt. Der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) hat seither Regeln zu ermitteln, die bei den Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten den “Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene entsprechende Regeln und sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in Arbeitsstätten berücksichtigen. Die neu eingeführte Bestimmung dient dazu, ein einheitliches Schutzniveau entsprechend dem Stand der Technik für die Beschäftigten über alle Arbeitsschutzverordnungen und Gefährdungsarten hinweg zu erreichen.
Aktuelle Änderungen
Die fünfte und bisher letzte Revision der ArbStättV erfolgte mit der Artikelverordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2006/25/EG zum Schutz der Arbeitnehmer vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung und zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen vom 19. Juli 2010 – Artikel 4: „Änderung der Arbeitsstättenverordnung” (BGBl. I Nr. 38 S. 965). Anlässlich dieses Rechtsetzungsverfahrens werden in der Arbeitsstättenverordnung notwendige rechtliche Anpassungen und Korrekturen vorgenommen. Außer einigen redaktionellen Anpassungen und Folgeänderungen ergeben sich im wesentlichen folgende materiellen Änderungen in der ArbStättV:
1. Ausweitung der Ausnahmen im Anwendungsbereich Vom Anwendungsbereich der Arbeitsstättenverordnung hinsichtlich der Sicherheitskennzeichnung bislang ausgenommen, jedoch vom Anwendungsbereich der europäischen Richtlinie über Mindestanforderungen für Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung (92/58/ EWG) erfasst, sind Arbeitsstätten
- im Bergbau,
- im Reisegewebe und Marktverkehr (z. B. auf Märkten, Rummelplätzen, im Zirkus),
- in Transportmitteln, sofern diese im öffentlichen Verkehr eingesetzt werden),
- auf Feldern, in Wäldern und auf sonstigen Flächen, die zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gehören, aber außerhalb seiner bebauten Fläche liegen.
Für den Bereich des Bergbaus wird die Richtlinie 92/58/EWG weiterhin durch entsprechende Bestimmungen der Allgemeinen Bundesbergverordnung (ABBergV) umgesetzt. Die nicht in der ArbStättV berücksichtigten Restbereiche mussten bisher durch die Vorschriften der Unfallversicherungsträger abgedeckt werden. Der Anwendungsbereich der ArbStättV wird mit der Änderungsverordnung so erweitert, dass der bislang dort nicht berücksichtigte Anwendungsbereich der EG-Richtlinie 92/58/EWG jetzt vollständig umgesetzt wird. Praktisch wird dies durch die Anpassung des Ausnahmekatalogs zum Anwendungsbereich in § 1 erreicht. Die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften zur Sicherheitskennzeichnung (BGV A8/inhaltsgleich VSG 1.5 für den Landwirtschaftsbereich und GUV V A8 für den Bereich der Öffentlichen Hand) sind künftig obsolet. Für die praktische Anwendung der Sicherheitskennzeichnung im Betrieb ist die Arbeitsstättenregel (ASR) ASR A1.3 „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung“ im Gemeinsames Ministerialblatt (GMBl.) 2007, Nr. 33 S. 674 auf der Grundlage der ArbStättV veröffentlicht worden.
2. Gefährdungsbeurteilung aufgenommen
Die ArbStättV enthielt bislang noch keinen Paragrafen zur Gefährdungsbeurteilung. Dies war ein Systembruch im Vergleich zu den anderen Arbeitsschutzverordnungen (z.B. Gefahrstoffverordnung, Biostoffverordnung, Betriebssicherheitsverordnung und LärmVibrationsArbSchV), der in der Vergangenheit immer wieder Fragen aus der Praxis zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in Arbeitsstätten aufgeworfen hat. Mit der Aufnahme von arbeitsstättenspezifischen Hinweisen zur Gefährdungsbeurteilung in einem neuen Paragrafen (§ 3) der ArbStättV wird das ArbSchG (§ 5) zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen konkretisiert. Damit ist die Gefährdungsbeurteilung jetzt auch nach der ArbStättV die entscheidende Grundlage für die Bewertung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben einer Arbeitsstätte. In diesem Zusammenhang ist auch die Vorbemerkung zum Anhang der ArbStättV von Bedeutung. Die Vorbemerkung des Anhangs der ArbStättV stammt aus der Arbeitsstättenrichtlinie 89/654/EWG (Ziffer 1 des Anhanges I derEG-Arbeitsstättenrichtlinie 654/EWG). Mit dem Einleitungssatz des Anhangs der ArbStättV „Die Anforderungen dieses Anhangs gelten in allen Fällen, in denen die Eigenschaften der Arbeitsstätte oder der Tätigkeit, die Umstände oder eine Gefährdung der Beschäftigten dies erfordern“ wird klargestellt, dass die Anforderungen des Anhanges der ArbStättV immer gelten, wenn es für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten erforderlich ist. Bewertungs- und Entscheidungsgrundlage dafür ist die jetzt in die ArbStättV aufgenommene Gefährdungsbeurteilung. Die erste Beurteilung und Bewertung der Arbeitsstätte hinsichtlich der Gefährdungen für die Beschäftigten erfolgt in der Regel beim Einrichten und vor Aufnahme der Tätigkeiten. Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die ASR zu berücksichtigen. Sie erleichtern die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und die Festlegung der geeigneten Schutzmaßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten im Betrieb. Wendet der Arbeitgeber die ASR an, kann er davon ausgehen, dass er in Bezug auf den entsprechenden Anwendungsbereich der ASR die Vorgaben der ArbStättV einhält (Vermutungswirkung). Eine Verpflichtung zur Anwendung der ASR sieht die ArbStättV allerdings nicht vor. Der Arbeitgeber kann auch eigenständig von den Vorgaben der ASR abweichen und die Schutzzielvorgaben der Verordnung einschließlich des Anhangs auf andere Weise erfüllen. In diesem Fall muss er die ermittelten Gefährdungen, denen die Beschäftigten ausgesetzt sind, auf andere Weise so beseitigen oder verringern, dass dabei das gleiche Schutzniveau wie in der ASR („Stand der Technik“) erreicht wird. Die Gefährdungsbeurteilung ist zu wiederholen, wenn sich die Einrichtung und der Betrieb der Arbeitsstätte gegenüber der letzten Beurteilung maßgeblich geändert haben. Eine ganz besondere Rolle spielt die Gefährdungsbeurteilung bei der Entscheidung des Arbeitgebers zur Anpassung bestehender Arbeitsstätten an den Stand der Technik. Die Gefährdungsbeurteilung ist dazu die Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf die Frage des „Bestandsschutzes“ in Arbeitsstätten. Hat sich der Stand der Technik weiterentwickelt oder hat der Ausschuss für Arbeitsstätten eine inhaltliche Anpassung der ASR an den Stand der Technik vorgenommen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Bedingungen mit der Gefährdungsbeurteilung darauf zu prüfen, ob die bisherigen Maßnahmen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten noch ausreichen oder ob die Arbeitsstätte erforderlichenfalls nachgerüstet werden muss („Gefährdungsbezogener Bestandsschutz“).
3. Unterkünfteregelung ausgeweitet
Bisher war die Regelung zur Bereitstellung von Unterkünften, wenn Sicherheits- oder Gesundheitsgründe, insbesondere wegen der Art der ausgeübten Tätigkeit oder der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Personen und die Abgelegenheit des Arbeitsplatzes dies erfordern sowie ein anderweitiger Ausgleich vom Arbeitgeber (zum Beispiel Unterbringung in Gaststätten, Pensionen usw.) nicht geschaffen ist, auf Baustellen beschränkt. Nähere Anforderungen an Unterkünfte bei der Unterbringung zum Beispiel von Saisonarbeitskräften blieben unberücksichtigt. Diese Einschränkung ist mit der geänderten ArbStättV erweitert worden. Die Ausweitung ist dadurch erreicht worden, dass in § 6 Absatz 5 der ArbStättV die Beschränkung auf Baustellen aufgehoben und auf alle Arbeitsplätze ausgeweitet wurde. Künftig gelten damit die Anforderungen der Ziffer 4.4 des Anhangs für alle Unterkünfte in allen Branchen, wenn Sicherheits- oder Gesundheitsgründe, insbesondere wegen der Art der ausgeübten Tätigkeit oder der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Personen und die Abgelegenheit des Arbeitsplatzes dies erfordern sowie ein anderweitiger Ausgleich vom Arbeitgeber nicht geschaffen ist. Die Anforderungen der ArbStättV für das Einrichten und Betreiben von Unterkünften sind in der Arbeitsstättenregel ASR A4.4 „Unterkünfte“ konkretisiert (siehe GMBl. 2010, Nr. 35 S. 753)
4. Ausschussparagraf geändert
Die Vorschriften für den ASTA in § 7 wurden erneut geändert. Künftig sind bis zu 16 Ausschussmitglieder im Beratungsgremium möglich. Mit der Änderung des § 7 wird sichergestellt, dass alle Ausschüsse zur Beratung des BMAS einheitlich nach gleichen Vorgaben und Rahmenbedingungen arbeiten. Dies ist Grundvoraussetzung für eine optimale Koordinierung und für vergleichbare Ergebnisse (Technische Regeln) der Ausschüsse.
5. Übergangsfrist für alte Arbeitsstättenrichtlinien verlängert
Eine Änderung der Verordnung wurde bei den Beratungen über die Änderungsverordnung im Bundesrat eingebracht und betrifft die Übergangsvorschriften in § 8 der ArbStättV. Die in § 8 Abs. 2 enthaltene Frist für den ASTA zur Erarbeitung von Arbeitsstättenregeln bis August 2010 wurde auf den 31. Dezember 2012 verlängert. Mit der Änderung verbunden ist auch eine Fristverlängerung für die Geltung der noch auf der alten ArbStättV veröffentlichten Arbeitsstättenrichtlinien bis Ende 2012. Hintergrund für die Verlängerung der Geltungsfrist ist die Überarbeitung und Überführung der alten Arbeitsstättenrichtlinien in Regeln für Arbeitsstätten. Es ist absehbar, dass trotz intensiver Arbeit des ASTA nicht mehr alle Arbeitsstättenrichtlinien bis 24. August 2010 in Regeln für Arbeitsstätten überführt werden können. Grund dafür ist u. a. die mit der vierten Änderung der ArbStättV übertragene Aufgabe für den ASTA, dass gemäß § 7 Absatz 3 Nr.1 der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse ermittelt und in den Regeln für Arbeitsstätten dokumentiert werden muss. Mit einer Verlängerung der Übergangsfrist um zwei Jahre wird dem ASTA mehr Zeit für die Erarbeitung der Arbeitsstättenregeln eingeräumt. Für die Praxis bleiben die Arbeitsstättenrichtlinien also vorerst als Orientierungshilfe weiter anwendbar.
6. Straftaten und Ordnungswidrigkeitenparagraf eingefügt
Bisher fehlte eine unmittelbare Sanktionsmöglichkeit der Aufsichtsbehörden bei Verstößen gegen die Vorschriften der ArbStättV. Ein solches Instrument für die Verfolgung von vorsätzlichen oder fahrlässigen Gefährdungen von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch den Arbeitgeber ist aber von großer Bedeutung und wird auch in der europäischen Gemeinschaftsstrategie zum Arbeitsschutz gefordert. Mit der Anpassungsverordnung ist die ArbStättV um einen weiteren neuen Paragrafen (§ 9 „Ordnungswidrigkeiten und Straftaten“) ergänzt worden. Ordnungswidrig handelt nach der ArbStättV jetzt zum Beispiel, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Gefährdungsbeurteilung nicht ordnungsgemäß dokumentiert, die Arbeit bei unmittelbarer erheblicher Gefahr nicht einstellt, Sicherheitseinrichtung nach § 4 Abs. 3 der ArbStättV („…insbesondere Sicherheitsbeleuchtung, Feuerlöscheinrichtungen, Signalanlagen, Notaggregate und Notschalter, sowie raumlufttechnische Anlagen …“) nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Weise warten oder prüfen lässt oder Verkehrswege, Fluchtwege und Notausgänge nicht frei hält. Arbeitgeber, die vorsätzlich das Leben oder die Gesundheit von Beschäftigten in Arbeitsstätten gefährden, machen sich strafbar.
7. Vorschrift zu Notausgängen konkretisiert
Im Laufe des Beratungsverfahrens im Bundesrat wurde von den Ländern eine Änderung des Anhangs Ziffer 2.3 der ArbStättV beantragt, die auch später in die Verordnung übernommen wurde. Die bisher in Ziffer 2.3 des Anhangs der ArbStättV aufgeführten Anforderungen zu Notausgängen wurden mit der Novellierung im Jahr 2004 aus der EG-Arbeitsstätten-Richtlinie 89/654/EWG in die ArbStättV übernommen. Allerdings wurde der Text der Richtlinie nicht wörtlich in nationales Recht umgesetzt. Die Richtlinie 89/654/EWG sieht das Verbot von Karussell- oder Schiebetüren nur für „Nottüren” vor, nicht aber für alle Notausgänge. Die EG-Richtlinie unterscheidet grundsätzlich zwischen „Türen im Verlauf von Fluchtwegen“, „Türen von Notausgängen“ und „Nottüren“. Im Jahr 2004 übernommen wurden mit der ArbStättV nur die Unterscheidung zwischen „Türen im Verlauf von Fluchtwegen“ und „Türen von Notausgängen“. Dadurch weitet die Verordnung das o. g. Verbot von Karussell- oder Schiebetüren ungewollt auf alle Notausgänge aus. Dies hat in der Praxis für Verwirrung gesorgt und machte die Anpassung der Ziffer 2.3 des Anhangs der ArbStättV erforderlich. Da es jedoch vom Rechtsetzer nicht beabsichtigt war, mit der ArbStättV über die Anforderungen der EG-Arbeitsstätten-Richtlinie hinauszugehen und zu verschärfen, wurde bereits im Vorfeld mit Punkt 6 Absatz 2 der Arbeitsstättenregel „Fluchtwege, Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan“ (ASR A2.3) eine Klarstellung des Gewollten erreicht. Nach dieser ASR sind Karussell- und Schiebetüren nur in Notausgängen unzulässig, die ausschließlich für den Notfall konzipiert und ausschließlich im Notfall benutzt werden.
8. Vorschrift zu Sitzgelegenheiten aufgenommen
Eine weitere in die ArbStättV aufgenommene Vorschrift betrifft die Umsetzung des ILO Übereinkommens – Ü 120 in nationales Recht. Das Ü 120 enthält die Forderung zur Bereitstellung von Sitzgelegenheiten am Arbeitsplatz. Diese Regelung war bis zur Novellierung der ArbStättV im Jahr 2004 in § 25 der alten ArbStättV von 1975 enthalten. Zur Entsprechung der eingegangenen internationalen Verpflichtungen – Deutschland hat das Ü 120 im Jahr 1973 ratifiziert – wurde die Regelung zur Bereitstellung von Sitzgelegenheiten am Arbeitsplatz jetzt in die ArbStättV (Anhang Ziffer 3.3) aufgenommen. Der Arbeitgeber hat künftig den Beschäftigten am Arbeitsplatz Sitzgelegenheiten zur Verfügung zu stellen, wenn die Arbeit ganz oder teilweise sitzend verrichtet werden kann oder es der Arbeitsablauf zulässt, sich zeitweise zu setzen. Können aus betriebstechnischen Gründen keine Sitzgelegenheiten unmittelbar am Arbeitsplatz aufgestellt werden, obwohl es der Arbeitsablauf zulässt, sich zeitweise zu setzen, müssen den Beschäftigten in der Nähe der Arbeitsplätze Sitzgelegenheiten bereitgestellt werden.
9. Lärmschutzregelung angepasst
Mit Erlass der Lärm und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) vom 8. März 2007 ergibt sich Änderungsbedarf in der ArbStättV, Anhang Ziffer 3.7 „Lärm“. Lärmbelastungen über 80 dB(A) am Arbeitsplatz lösen nach der LärmVibrationsArbSchV bereits Pflichten des Arbeitgebers aus (unterer Auslösewert), Lärmbelastungen von 85 dB(A) und mehr an Arbeitsplätzen sind nicht mehr ohne weiteres zulässig. Nach der ArbStättV war bisher noch ein Maximalwert für die Lärmbelastung am Arbeitsplatz von 90 dB(A) erlaubt. Deshalb hatte der Bundesrat schon im Rechtssetzungsverfahren zur LärmVibrationsArbSchV mit einem Entschließungsantrag gefordert, diesen Widerspruch in den beiden Verordnungen zu bereinigen, um eine konsistente und den europarechtlichen Vorgaben entsprechende Rechtslage in Deutschland zu schaffen. Diese Forderung ist jetzt mit der Anpassung der ArbStättV erfüllt worden. Der Satz 1 der Ziffer 3.7 (Minimierungsgebot) bleibt unverändert beibehalten; Satz 2 wurde neu gefasst und lautet: „Der Schalldruckpegel am Arbeitsplatz in Arbeitsräumen ist in Abhängigkeit von der Nutzung und den zu verrichtenden Tätigkeiten so weit zu reduzieren, dass keine Beeinträchtigungen der Gesundheit der Beschäftigten entstehen.“. Mit der Formulierung des zweiten Satzes wird unterstrichen, dass in Abhängigkeit von der Nutzung der Arbeitsstätte und den darin verrichteten Tätigkeiten zur Vermeidung mittelbarer oder unmittelbarer Gefährdungen von Sicherheit oder Gesundheit durch Lärmeinwirkungen spezifische Maßnahmen erforderlich sind. Diese müssen sich am Stand der Technik für den Schallschutz orientieren. Hierbei sind insbesondere die extraauralen (nicht das Gehör schädigende) Schallwirkungen im Hörschallbereich unterhalb des in der LärmVibrationsArbSchV festgelegten unteren Auslösewertes von 80 dB(A) zu berücksichtigen. Zur Konkretisierung der Ziffer 3.7 des Anhangs der ArbStättV wird der ASTA die dazu vorliegenden gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse jetzt schnell in eine Regel für Arbeitsstätten zusammenfassen und mit entsprechenden Lösungsansätzen versehen.
Fazit
Die ArbStättV wurde im Jahr 2004 entsprechend den politischen Vorgaben zur inhaltsgleichen Umsetzung der europäischen Arbeitsstätten-Richtlinie 89/654/EWG und gemäß den Vorgaben durch das Arbeitsschutzgesetz (Schutzziele und allgemeine Anforderungen) neu gefasst, um Arbeitgebern bei der Erfüllung ihrer Pflichten im Arbeitsschutz größere Flexibilität und Entscheidungsspielräume für besondere betriebliche Gegebenheiten und für angepasste Arbeitsschutzmaßnahmen zu gewähren. Seither sind einige Jahre vergangen und es konnten erste Erfahrungen mit der Verordnung in der Praxis gesammelt werden. Insgesamt hat sich der neue gesetzliche Rahmen der ArbStättV durch die Aufnahme von verbindlich einzuhaltenden Schutzzielen und den Verweis auf den Stand der Technik in den konkretisierenden Arbeitsstättenegeln bewährt. Trotzdem musste die ArbStättV bisher insgesamt fünft mal aus den oben dargestellten Gründen geändert werden. Die wichtigsten Neuerungen wurden mit der letzten Änderung und der Aufnahme der neuen Paragrafen zur „Gefährdungsbeurteilung“ und zu den „Strafen und Ordnungswidrigkeiten“ eingeführt. Mit den Änderungen wurde die ArbStättV im Zuge der Rechtsangleichung auch an die Systematik der anderen Arbeitsschutzverordnungen angepasst. Insgesamt erleichtern die Änderungen in der ArbStättV den Arbeitgebern künftig die Anwendung der ArbStättV in der betrieblichen Praxis.
Autor
Dipl.-Ing. Wolfgang Doll, BMAS Wolfgang.Doll@bmas.bund.de
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