Immer wieder zeigen in der Presse Statistiken, mit wie vielen Milliardenbeträgen die jährlichen Kosten für berufsbedingte Erkrankungen zu Buche schlagen und in welchem Umfang die Volkswirtschaft und jedes Einzelunternehmen dadurch belastet werden. Trotzdem betrachtet ein nicht unerheblicher Teil deutscher Unternehmen Arbeitssicherheit weiterhin als „notwendiges Übel“, „betrieblichen Hemmschuh“ und „bloßen Kostenfaktor“.
- 1vgl. BGZ-Report 1/2006 S. 29; 37,38
- 2Begründung zum Referentenentwurf zu HOAI vom 19.03.2009, S. 6
- 3Ausschuss der Ingenieurverbände und Ingenieurkammern für Honorarordnung e.V. (AHO) (Bonn): Untersuchungen für ein Leistungsbild und zur Honorierung für den Planungsbereich „Altlasten“ (1996), S. 3
- 4Ausschuss der Ingenieurverbände und Ingenieurkammern für Honorarordnung e.V. (Bonn): Leistungsbild und Honorierung „Leistungen für Brandschutz“ (2003), S. 5
- 5Hermann Korbion, Jack Mantscheff, Klaus Vygen: Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (Kommentar), Verlag C. H. Beck, München (2004), S. 134
- 6Hrsg. Manfred von Beutheim, Karsten Meurer: Honorarhandbuch für Architekten und Ingenieure, Verlag Ernst und Sohn (2001), S. 575
- 7vgl. Manfred von Beutheim, Karsten Meurer S. 583
- 8vgl. Korbion, Mantscheff, Vygen S. 275
- 9vgl. Norbert Franz Kollmer in Arbeitsschutzgesetz (Kommentar) 2005; zu § 1 Rdnr. 20
- 10Begründung zum Referentenentwurf zu HOAI vom 19.03.2009, S. 8
- 11vgl. Manfred von Beutheim, Karsten Meurer S. 561ff
- 12vgl. BGZ-Report 1/2006 S. 78
- 13Ulf Schappmann in „Erstellung eines Businessplans“, Folge 5 Marktanalyse und Marketing, Verband deutscher Sicherheitsingenieure e.V. (2007), S. 1
- 14vgl. Kollmer Arbeitsschutzgesetz (Kommentar) zu § 5 ArbSchG Rdnr. 35 ff
- 15vgl. Kollmer Arbeitsschutzgesetz (Kommentar) zu § 5 ArbSchG Rdnr. 57 und zu § 6 ArbSc G Rdnr. 27, 29
- 16vgl. BGZ-Report 1/2006 S. 50, 51
- 17vgl. Kollmer Arbeitsschutzgesetz (Kommentar) zu § 3 ArbSchG Rdnr. 28
- 18Ulf Schappmann in „Erstellung eines Businessplans“, Folge 9 Ermittlung von Stundensätzen (2007), Verband Deutscher Sicherheitsingenieure e.V.
- 19Verband Österreichischer Sicherheitsingenieure (VÖSI): Indexanpassung der Honorarrichtlinien für externe Sicherheitsfachkräfte (2002) Fundstelle: (www.voesi.at/FP_V%D6SiSERVER/SECURE/V_ hono_01.htm) S.1
- 20AHO Ausschuss der Ingenieursverbände und Ingenieurkammern für die Honorierung e.V. in „Untersuchungen für ein Leistungsbild und zur Honorierung für den Planungsbereich „Altlasten“ 1996, S. 41ff; S. 44
- 21Begründung zum Referentenentwurf zu HOAI vom 19.03.2009, S. 2ff
- 22Begründung zum Referentenentwurf zu HOAI vom 19.03.2009, S. 5–6
In der Praxis führt das dazu, die Betreuung der Arbeitssicherheit nach dem Preis und nicht nach der Qualität auszurichten. Die Vergabe der Arbeitssicherheitsbetreuung erfolgt meist als komplettes Dienstleistungspaket „Arbeitsschutz“ an den jeweils preisgünstigsten und nicht an den leistungsstärksten und fachlich geeignetsten Anbieter. Eine Praxis, die im krassen Widerspruch zum Sinn und Zweck der Arbeitssicherheit steht, Leben und Gesundheit von Arbeitnehmern zu schützen.
Mangelndes Bewusstsein
Die mangelnde Qualitätssensibilität der Unternehmen begünstigt einen Anbietermarkt mit höchst unterschiedlicher Qualität des Betreuungsstandards und führt auf Seiten der Anbieter von Arbeitssicherheitsleistungen streckenweise zu einem ruinösen Preiswettbewerb.1
Aber nicht nur die geringe Nachfrage nach qualitätvoller Arbeit und das unterschiedliche Angebot haben dazu geführt, dass sich bis heute kein anerkannter Qualitätsstandard für den Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes etablieren konnte. Der Gesetzgeber hat die Verantwortung für einen qualitätvollen betrieblichen Arbeitsschutz allein dem Unternehmer überlassen, ohne für ein flächendeckendes und effizientes Kontrollsystem für alle Betriebsarten und ‑größen Sorge zu tragen. Dadurch entsteht zumindest der Anschein, Arbeitsschutz besitze keine zentrale Bedeutung für diese Gesellschaft.
Andere Beispiele
Dabei gibt es durchaus Arbeitsgebiete (wie etwa die Rechts- und Steuerberatung), deren qualitätvolle Ausführung der Gesetzgeber für derart wesentlich hält, dass er über eine detaillierte und verbindliche Leistungs- und Honorarregelung Qualitätssicherung betreibt.
Für einen Teil von Ingenieurleistungen aus dem Bereich Bau bietet die „Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen“ (HOAI) eine Vertrags- und Arbeitsbasis in diesem Sinne. Für die in der HOAI geregelten Tätigkeitsbereiche (z. B. Bauleitplanung, Landschaftsplanung) sind verbindliche Honorarrahmen aus Mindest- und Höchstsätzen festgelegt, um einen ruinösen Preiswettbewerb zugunsten qualitätvoller Leistungen zu verhindern (§ 3 Abs 1 HOAI).2
Aufbau HOAI
Dabei gliedert sich die HOAI in Leistungsbereiche mit einem verbindlichen Honorarrahmen und einen Teil für Beratungsleistungen, deren Honorierung ebenso frei vereinbart werden kann, wie für alle anderen Leistungen, die nicht von der Regelung der HOAI erfasst werden.
Zur genauen Definition ihres verbindlichen Regelungsumfanges, enthält die HOAI Leistungsbilder, in denen die zur üblichen Aufgabenerfüllung notwendigen Leistungsbereiche beschrieben sind. Diese Leistungsbilder (z. B. Landschaftsplanung, Ingenieurbauwerke) sind in einzelne Leistungsphasen gegliedert (z. B. Grundlagenermittlung, Entwurfsplanung, Objektbetreuung) (§ 3 Abs 4 HOAI).
Alle Leistungsphasen zusammen ergeben die hundertprozentige Aufgabenerfüllung des kompletten Leistungsbildes. Welche Anteile die einzelne Leistungsphase (und damit die einzelne Ausführungshandlung) am Gesamt-Leistungsbild hat, wird mit dem allgemein üblichen prozentualen Verhältnis von Einzelphase zu Leistungsbild angegeben.
Für weitergehende Detailhandlungen, die zur Erfüllung der einzelnen Leistungsphasen üblicherweise zu erbringen sind, enthält die HOAI für alle geregelten Leistungsbereiche spezielle Definitionen (Anlagen zu HOAI).
Zur Bemessung der konkreten Honorarhöhe stellt die HOAI für jedes Leistungsbild Honorartafeln im Rahmen von verbindlichen Höchst- und Mindesthonorarsätzen zur Verfügung. Um dabei dem – je nach Projekt – sehr unterschiedlichen Leistungsaufwand gerecht zu werden, verfügt jede Honorartafel über unterschiedliche Honorarzonen (§ 6 HOAI – z. B. Honorarzone I = sehr geringe Planungsanforderung; Honorarzone II = durchschnittliche Planungsanforderung).
Dabei ist es der Regelungsstruktur der HOAI nicht fremd, die Honorarermittlung um „Besondere Leistungen“ zu ergänzen, die zwar im Zusammenhang mit den zwingend erforderlichen Leistungsphasen stehen, aber über den notwendigen und üblichen Rahmen hinaus erbracht werden.
Diese (vereinfachte) Darstellung der Regelungsstruktur der HOAI zeigt, dass der Gesetzgeber die Leistungsbereiche der HOAI im Interesse der Qualitätssicherung gegenüber anderen (Ingenieur-)Leistungen privilegiert.
Gemeinsame Schutzziele
Da die HOAI nur auf die unmittelbar dort geregelten Bereiche anwendbar ist (§1 HOAI), haben sich bei den Ingenieur- und Architektenkammern Bestrebungen ergeben, die Struktur der HOAI auch auf Bereiche anzuwenden, die zwar nicht im Leistungskatalog der HOAI enthalten sind, aber ihren Zielen und ihrer Struktur nahe kommen.
Durch den Ausschuss der Ingenieurverbände und Ingenieurkammern für die Honorarordnung e.V. (AHO) wurde 1996, in Anlehnung an die HOAI und mit dem Bestreben von deren Erweiterung, u.a. ein Leistungsbild zur Altlastensanierung entworfen. Die dabei zu erbringenden Leistungen sind in der HOAI nicht erfasst, erfordern aber ebenso qualifiziertes Ingenieurwissen gemäß HOAI.3 Gleiches erfolgte in 2003 für Ingenieurleistungen zum Brandschutz.4
Abgestellt wurde bei diesen Bestrebungen immer auf die Intension der HOAI, Preiswettbewerb zugunsten von Leistungswettbewerb dort auszuschließen, wo Qualitätssicherheit im Hinblick auf übergeordnete Ziele wie Personensicherheit, Umweltschutz etc. zwingend erforderlich ist und nur durch fundierte Fachkunde und ausreichende fachliche Leistung erreicht werden kann.5
Aus diesem Grund gibt es auch Bestrebungen der AHO, die Tätigkeit als SiGeKo gemäß der „Verordnung über Sicherheit- und Gesundheitsschutz auf Baustellen“, der Regelungsstruktur der HOAI anzupassen.6 Auch für die Aufgabe des SiGeKo ist zentraler Ausgangspunkt, dass die Sicherheit für Leib und Leben der Arbeitnehmer im Rahmen des Gefährdungsbereiches einer Baustelle nicht im Interesse der Kostenminimierung fachlich mangelhaft erfolgen darf.7
Aus allen diesen Überlegungen ist zu schließen, dass mit der HOAI und ihrem Regelungssystem der Grundgedanke der Prävention verfolgt wird, (Gesundheits-) Schäden durch qualitätvolle Arbeit zu verhindern und nicht lediglich Folgeschäden zu beseitigen.8
Regelungsstruktur der HOAI im Arbeitsschutz
Das Ziel der HOAI korrespondiert insoweit mit dem Ziel des betrieblichen Arbeitsschutzes, die durch Arbeit möglichen Schäden an Leib und Leben mit präventiven Maßnahmen zu verhindern bzw. soweit als möglich zu minimieren.9 Ebenso wie für die HOAI setzt der Gesetzgeber dabei im Grundsatz auf eine qualitätvolle und kompetente Ausführung durch die Fachkenntnis der dabei handelnden Personen (§ 7 ASiG, BGV A2).
Dass diese Qualitätsvoraussetzung sowohl in der betrieblichen Praxis wie von einigen Ausbildungsorganisationen für Fachkräfte für Arbeitssicherheit schlicht missachtet oder zumindest „großzügig“ ausgelegt wird, dürfte dem bereits oben geschilderten Mangel an einer umfassenden Aufsichtsstruktur und dem nur mäßigen Interesse staatlicher Institutionen am Thema Arbeitssicherheit geschuldet sein.
Jedoch sprechen nicht nur die Zielsetzungen für eine analoge Regelungsstruktur, auch die strukturelle Angleichung des Handlungsrahmens eines Sicherheitsingenieurs im betrieblichen Arbeitsschutz ist möglich. Zwar hat der Gesetzgeber in der Novelle zur HOAI in 2009 davon abgesehen, die Empfehlungen der AHO aufzugreifen und die HOAI um neue Tätigkeitsbereiche zu erweitern. Allerdings ist davon auszugehen, dass eine Aktualisierung der Leistungsbilder lediglich aufgeschoben wurde, nicht jedoch ausgeschlossen werden darf.10 Die Weiterentwicklung der Regelungsstruktur der HOAI und ihrer Leistungsbilder für vergleichbare Ingenieurleistungen macht auch Sinn – nicht zuletzt, da für alle, der HOAI angelehnten Leistungsbilder ein übergeordnetes Allgemeininteresse an qualitätvoller Ausführung zu bejahen ist. Dass Arbeitssicherheit in diesem Sinne ein kompatibles Leistungsbild darstellt, wurde für die Ingenieurleistung eines SiGeKo nicht nur bereits von der AHO festgestellt, diverse Architekten- und Ingenieurkammern haben hierfür bereits Leistungsverzeichnisse und Honorartafeln in Anlehnung an die Regelung der HOAI entworfen.11
Die Tätigkeit des SiGeKo ist nur eine Sonderfunktion im Rahmen der allgemeinen Arbeitssicherheit und entspricht im Wesentlichen dem Aufgabenrahmen für den betrieblichen Arbeitsschutz §§ 1,und 3 BauStellV, § 18 ArbSchG.
Anwendung der HOAI
Das 7‑stufige Handlungs- und Leistungsschema, das bereits 2001 durch das damalige Bundesministerium für Arbeit- und Sozialordnung, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften für den betrieblichen Arbeitsschutz entwickelt wurde, ist heute weitgehend anerkannt (s. Tab. 3).12
Legt man diese einzelnen Handlungsschritte als üblich und notwendig zugrunde, bilden sie in einem Leistungsbild „betriebliche Arbeitssicherheit“ analog HOAI die zugehörigen Leistungsphasen.
Ergänzt man diese Handlungsschritte um die Ermittlung des Kundenbedürfnisses (= Grundlagenermittlung im Sinne HOAI), zur Klärung des gewünschten/erforderlichen Tätigkeitsumfanges für das Betreuungsunternehmen, erhält man ein der HOAI-Struktur angepasstes Handlungsschema (s. Tab. 4).13
Für die Gewichtung der einzelnen Leistungsphasen im Verhältnis zum Gesamtleistungsbild im Sinne der HOAI kann man – neben der allgemeinen beruflichen Praxis – auf die Gewichtung der einzelnen Handlungsbereiche im Rahmen der insgesamt 141 fachbezogenen Lerneinheiten der Ausbildungsrichtlinie abstellen. Nicht zuletzt, da auch der Umfang und die Gewichtung der Ausbildungsbereiche weitgehend an die Bedeutung in der betrieblichen Praxis angelehnt ist.
Gefährdungsanalyse
Die grundlegende Gewichtung der Leistungsphasen ergibt sich zwangsläufig daraus, dass Basis jeden Handelns – ob präventiv oder zur Gefahrenabwehr – immer die Gefährdungsanalyse ist (§ 5 ArbSchG). Ohne Feststellung einer zumindest potenziellen Gefährdungslage besteht kein Handlungsanlass für den Sicherheitsingenieur. Die Gefährdungsanalyse ist zudem in der Regel verbunden mit einer Arbeitsplatzbegehung vor Ort (§ 6 ASiG) und der Ermittlung im weiteren Arbeitssystem, dem der betroffene Gefährdungsbereich angehört.
Diese zentrale Position der Gefährdungsanalyse zeigt sich auch innerhalb der Ausbildungsrichtlinien. Von 141 fachbezogenen Lerneinheiten sind ihr 49 Einheiten mit unmittelbarem Bezug zugeordnet (= 35 %).
Gefährdungsbeurteilung
Als zweiter, wesentlicher Handlungsschritt folgt die Gefährdungsbeurteilung zur Feststellung des Risikos eines konkreten Gefährdungseintritts, nach Wahrscheinlichkeit und Schwere einer möglichen Schädigung, § 5 ArbSchG. Die Einstufung erfolgt auf Grundlage der BetrSichV und von Spezialgesetzen (z. B. BiostoffV, GefStoffV) oder branchenspezifischen Regelungen und Erfahrungswerten.14
Wobei der Gesetzgeber nach § 5 Abs. 2 S. 2 ArbSchG hier ausdrücklich die Möglichkeit gibt, gleichartige Arbeitsbedingungen im Rahmen einer einheitlichen Beurteilung zusammenzufassen.
Der Zeitaufwand ist hier erheblich geringer als für die Gefährdungsanalyse selbst, da auf bestehende Kenntnisse und Vorschriften zurückgegriffen wird. Zudem ist davon auszugehen, dass die Fachkenntnisse und ‑erfahrungen es einem Sicherheitsingenieur im Normalfall ermöglichen, diese Beurteilung ohne zusätzlichen Ermittlungsaufwand durchzuführen. Im Rahmen der Ausbildungsrichtlinien werden 14 Lerneinheiten hierfür themenbezogen angesetzt ( = 10%).
Der Anteil von ca. 45% für Gefährdungsanalyse und Beurteilung entspricht auch der betrieblichen Praxis, da mit diesen beiden Leistungsphasen die entscheidenden und Weichen stellenden Grundlagen für alle weiteren Handlungsphasen gelegt werden.
Setzen von Zielen
Aus dem Ergebnis von Gefährdungsanalyse und ‑beurteilung wird die Notwendigkeit abgeleitet, ob Handlungsbedarf für eine Veränderung der jetzigen Situation/Sachlage besteht. Dabei sind hier auch planerische und gesamtbetriebliche Zielsetzungen für den Arbeitsschutz zu berücksichtigen.15
Auch hierfür kann auf die Fachkenntnisse der Fachkraft zurückgegriffen werden. Wobei für den Grundsatz der Prävention und der gesamtbetrieblichen Verbesserung und Umsetzung des Arbeitsschutzes hier verstärktes Augenmerk auch auf nicht unmittelbar mit der konkreten Beurteilung befasste Arbeitssysteme zu lenken ist. Diesem Bereich sind insgesamt 21 Lerneinheiten zugeordnet, was einem Anteil von 15 % entspricht.
Lösungsalternativen: Auswahl, Durch- und Umsetzung
Anders als für Gefährdungsanalyse, Gefährdungsbeurteilung und Zielsetzung wird der Sicherheitsingenieur in den Phasen „Entwickeln von Lösungsalternativen“, „Lösungsauswahl“ und „Durch- wie Umsetzung“ meist nicht aktiv, sondern lediglich beratend/begleitend tätig. Auch wenn dem Sicherheitsingenieur als Fachmann, insbesondere für den Bereich der Entwicklung von Lösungsalternativen, häufig die Rolle eines Initiators für effiziente Neuerung und Alternativen zufällt.16 Insgesamt ist der Anteil dieser drei Bereiche mit 33% anzusetzen:
Lerneinheiten der Ausbildungsrichtlinie dieser drei Bereiche:
- 22 Lerneinheiten für die Entwicklung von Lösungsalternativen (16%)
- 12 Lerneinheiten für die Auswahl der Lösung (9%)
- 11 Lerneinheiten für die Durchsetzung und Umsetzung (8%).
Wirkungskontrolle
Die Prüfung, ob das definierte Schutzziel tatsächlich erreicht wurde und die (potenzielle) Gefährdung auf ein akzeptables (Rest-)Risiko minimiert werden konnte, erfordert wieder einen erhöhten Bedarf an Fachkompetenz und wird daher in der Regel vom Sicherheitsingenieur eigenhändig vorgenommen. 17
Trotzdem stellt sie im Rahmen der Ausbildung (8 Ausbildungseinheiten) für sich genommen nur 5 % dar. Denn, falls im Rahmen der Wirkungskontrolle eine Wiederholung des Handlungskreislaufs beginnend mit der Gefährdungsanalyse erforderlich ist, wird diese Prüfphase, in der Regel als neuer, eigenständiger Zyklus der Handlungsschritte gewertet.
Grundlagenermittlung
Die den Handlungsschritten und fachbezogenen Leistungsphasen vorausgehenden Ermittlungen zu den Kundenbedürfnissen und Kundenwünschen werden in der Praxis zwischen 1 und 3% am Gesamtvolumen der Leistungsphasen zugeordnet. Hier wird von einem Mittelwert von 2 % ausgegangen.
Daraus ergibt sich eine Bewertung der einzelnen Leistungsphasen im Sinne der HOAI (siehe Tab. 5).
Eine strukturelle Überführung des Handlungsrahmens des betrieblichen Arbeitsschutzes in das Regelungssystem analog der HOAI ist somit durchaus möglich.
Festlegung der Honorierung im Wege eines Honorarrahmes
Für die Ermittlung eines Honorarrahmens, wie ihn die HOAI vorsieht, bietet die Praxis der Arbeitssicherheit bislang wenig Anhaltspunkte. Das konkrete Honorar berechnet sich nicht nach der konkret geleisteten Tätigkeit, sondern wird über einen vereinbarten Stundensatz und die geleistete oder vereinbarte Arbeitszeit ermittelt.18 Dies entspricht auch der Vergütungspraxis der europäischen Länder mit einer vergleichbaren Struktur der betrieblichen Arbeitssicherheit.
So legte z. B. der Verband Österreichischer Sicherheits-Ingenieure (VÖSI) in einer Honorarempfehlung (s. Tab. 6) ebenfalls einen Stundensatz zugrunde, differenziert diesen jedoch je nach Schwierigkeitsgrad und fachlicher Anforderung über acht Stufen – wobei für Ingenieurleistungen eine Einstufung nicht unter Klasse V empfohlen wird.19
Damit trägt die übliche Honorierung per Leistungsstunde den höchst unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Unternehmen und Branchen Rechnung und ermöglicht es, Beratungs- und Unterstützungsleistungen auch als „punktgenaue“ Einzelmaßnahmen außerhalb der Standardbetreuung anzufordern und zu bewerten, wie auch in BGV A2-Novellen vorgesehen.
Diese Individualisierung steht der Honorarsystematik der HOAI nicht entgegen. Betrachtet man die Stundeneinheiten der üblichen Abrechnungsmodalität als generalisierte Abrechnungseinheit und koppelt diese an (verbindliche) Höchst- und Mindestkosten pro Stunde (entsprechend dem Stufenmodell der VÖSI), ergibt sich ein fester Honorarrahmen analog HOAI. Das Modell der VÖSI berücksichtigt in differenzierterem Umfang die umfassenden und unterschiedlichen fachlichen Anforderungen an den betrieblichen Arbeitsschutz und entspricht damit dem Zweck der Honorarzonen, die einen (HOAI-) Honorarrahmen nach der Leistungsanforderung gliedern.
In dieser Form wurde bereits für den Planungsbereich „Altlasten“ durch die AHO (Ausschuss der Ingenieurverbände und Ingenieurkammern für die Honorarordnung e.V.) eine Honorargrundlage analog der HOAI erarbeitet, wobei die Höchst- und Mindestkosten durch entsprechende Erhebungen (per Fragebogen) auf Anbieterseite ermittelt wurden.20 Die übliche Honorarermittlung auf Stundenbasis bildet daher keinen zwingenden Gegensatz zur Systematik der HOAI.
Fazit
Bislang gibt es auch seitens der VÖSI keine Bestrebungen, die Grundlagen aus 2002 zur Honorargestaltung im betrieblichen Arbeitsschutz weiter zu entwickeln, noch weniger lassen sich dafür Anhaltspunkte in Deutschland erkennen. Grund hierfür mögen die immer wieder auflebenden wettbewerbsrechtlichen Bedenken sein.
Wie dargelegt dürfen für den sensiblen und auch gesamtwirtschaftlich wesentlichen Bereich des Arbeitsschutzes aber keinesfalls wettbewerbsrechtliche Überlegungen im Vordergrund stehen, sondern alleine die Sicherung einer qualitätvollen und fachlich fundierten Ausführung – wie dies für den Regelungsbereich der HOAI anerkannt und üblich ist.
Der Entwicklung einer Honorargrundlage für externe Sicherheitsingenieure im betrieblichen Arbeitsschutz steht die Systematik der HOAI, wie oben gezeigt, ebenso wenig entgegen, wie ihre Funktion als verbindliche Preisregelung.
Die aktuelle Novelle der HOAI trägt vielmehr den bisherigen Bedenken zu möglichen Beschränkungen von Marktfreiheit und ungehindertem Wettbewerb innerhalb der EU explizit Rechnung.21
Auch wurde ausdrücklich festgestellt, dass der Erhalt der Regelungssystematik der HOAI im Interesse des Allgemeinwohls erforderlich ist, da die mit ihr verfolgten Schutzziele einer qualitätvollen Arbeit und der Vermeidung eines ruinösen Preiswettbewerbs nicht anders erreichbar sind.22 Obwohl eine entsprechende Preisregelung damit ein geeignetes Instrument für den Gesetzgeber wäre, durch eine großflächige Unterbindung des existenten Preiswettbewerbs im Bereich „Betriebliche Arbeitssicherheit“ einen Mindestqualitätsstandard auf diesem Gebiet zu sichern, wurde bislang von keiner Seite ein entsprechender Vorstoß unternommen. Weiterhin dominieren am Markt Anbieter mit höchst unterschiedlichen Ausbildungs- wie Weiterbildungsstandards und einem ebenso divergenten Qualitätsstandard.
Autor
Dipl.-Sicherheitsingenieur (FH) Horst Werner E‑Mail: horst.werner@wema-muenchen.de
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