Im Beitrag „Arbeitssicherheit – eine Preisfrage?“, veröffentlicht in Sicherheitsingenieur 8/2010, schlug Horst Werner eine leistungsgerechte Honorierung für externe Sicherheitsingenieure in Anlehnung an die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vor. Hintergrund: In der Praxis wird die Betreuung der Arbeitssicherheit nach dem Preis und nicht nach der Qualität ausgerichtet. Eine Praxis, die im Widerspruch zum Sinn und Zweck der Arbeitssicherheit steht, Leben und Gesundheit von Arbeitnehmern zu schützen. Horst Werner beantwortete unsere Fragen, wie es in der Praxis aussieht, und was getan werden kann.
Braucht es eine Verbesserung der Qualität des betrieblichen Arbeitsschutzes oder hat sich nicht vielmehr der Arbeitsschutz etabliert, der für alle Beteiligten passt?
Horst Werner: Arbeitsschutz ist für viele Unternehmer immer noch in erster Linie ein Kostenfaktor und „Geldvernichter“. Es herrscht die verbreitete Meinung: „Was soll schon bei uns passieren – außerdem zahle ich ja schon für die Berufsgenossenschaft“. Auch glauben einige Unternehmungen, wenn keine oder sehr selten eine Kontrolle seitens der Berufsgenossenschaften oder Gewerbeaufsichtsämter stattfindet (Anm. d. Red., siehe auch Interview auf Seite 8), dass sie damit die Legitimation haben, auf Arbeitssicherheit verzichten zu können. Erst wenige haben erkannt, dass Arbeitsschutz kein bloßer Kostenfaktor ist, sondern eine Investition in die Zukunft; dass sie durch qualitätsvolle und praxisorientierte Arbeitssicherheit störungsfreie Arbeitsbedingungen und damit einen Mehrwert für das Unternehmen erreichen.
Nehmen aber nicht die Zahlen der Arbeitsunfälle kontinuierlich ab?
Horst Werner: Diese Entwicklung ist zwei Faktoren geschuldet. Zum einen ist es den Arbeitsschutzbemühungen der vergangenen Jahrzehnte zu verdanken, dass der Sicherheitsstandard, etwa von Maschinen, beständig verbessert wurde, zum anderen hat sich unsere Arbeitswelt verändert. Der Anteil an körperlicher Arbeit geht zugunsten der Tätigkeiten an Büroarbeitsplätzen beständig zurück. Dadurch sinkt natürlich die Zahl der Arbeitsunfälle mit gravierenden körperlichen Schäden oder gar Todesfolge. Es wäre aber fatal, diese Entwicklung zum Anlass zu nehmen, Arbeitssicherheit für überflüssig zu erklären. Die Veränderungen der Arbeitswelt haben nicht zu weniger sondern zu anderen körperlichen Belastungen geführt. Deren Folgen mögen vielleicht weniger spektakulär sein, sie sind aber für die betroffenen Arbeitnehmer wie für die Unternehmen ebenso belastend.
Warum denken Sie, dass eine gesetzliche Regelung im Hinblick auf die Honorierung von Leistungen der Arbeitssicherheit die Qualität des Arbeitsschutzes verbessert ?
Horst Werner: Solange im Bereich Arbeitssicherheit Leistungen zu Preisen angeboten werden, die kaum kostendeckend sind, ist es nicht verwunderlich, wenn dafür auch kaum qualitätsvolle Beratung zu erwarten ist. Es bleibt dann eben bei einer oberflächlichen und standardisierten Betreuung mit Mindestzeiten vor Ort. Wenn zum Beispiel eine günstige externe Fachkraft nur vier Mal im Jahr an den Arbeitsschutz-Ausschuss-Sitzungen teilnimmt, und das war es dann, kann keine vernünftige und auch sinnvolle Beratung erfolgen. Ohne auskömmliche Bezahlung wird auch kaum ein Anbieter zu den notwendigen Weiterbildungen zu motivieren sein. Denn warum soll ich in etwas investieren, das sich für mich nicht lohnt?
Würde eine Leistungs- und Preisregulierung helfen?
Horst Werner: Ja, eine verbindliche Leistungs- und Preisregulierung bietet den Unternehmen mehr Transparenz, was als Leistung der Arbeitssicherheit für das Unternehmen erwartete werden darf. Eine angemessene Regulierung würde daher nicht nur das übergeordnete Schutzziel der Arbeitssicherheit, Gesundheit und Leben von Menschen zu schützen, wieder stärker in den Vordergrund rücken, sondern auch für den Markt „Arbeitssicherheit“ mehr Klarheit für Anbieter und Unternehmen bringen. Mangels dieser klaren Regelung entscheidet weiterhin oft alleine der Preis über die Beauftragung.
Welches „Mehr“ an Leistung durch die Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder die Sicherheitsingenieure halten Sie für möglich – oder besser: Für notwendig?
Horst Werner: Wichtig ist eine individuelle Betreuung, die sowohl die Bedürfnisse der Mitarbeiter, wie auch die Unternehmensziele verbindet. Dazu gehört aber auch die Bereitschaft, dem Unternehmen die aktive Einbindung der Arbeitssicherheit in die betrieblichen Planungs- und Steuerungsprozesse anbieten zu können und dem Unternehmer den damit erreichbaren Mehrwert auch darzustellen. Auf diese Weise lässt sich Prävention erfolgreich für Mitarbeiter und Unternehmen umsetzen und die Arbeitssicherheit ist nicht dazu verdammt, auf Fehlsteuerungen nur zu reagieren.
Würden die Anwendung der HOAI ‑Grundsätze und die Einführung einer Form der Preisfestlegung nicht dazu führen, dass die Unternehmen dann eben keine Sicherheitsingenieure mehr beschäftigen, sondern Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit anderem Berufshintergrund?
Horst Werner: Nein, da jeder Unternehmer aus der Regulierung erkennen kann, welche betrieblichen Erfordernisse im Bereich Arbeitssicherheit auch entsprechende Fachkenntnisse verlangen, um zum Erfolg zu führen. Dieser Erfolg ist wichtig, denn immer mehr Unternehmen sind heute nicht nur um eine gute öffentliche Reputation bemüht. Sie müssen sich im Zuge des demografischen Wandels am Bewerbermarkt auch stärker mit positiven Arbeitgebereigenschaften präsentieren. Und niemand wird als guter Arbeitgeber wahrgenommen, der Desinteresse an seinen Mitarbeitern durch mangelnde Qualität in der Arbeitssicherheit demonstriert.
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