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Arbeitnehmer, die auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall erleiden, stehen während der Schadensregulierung nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 17.02.2009 entschieden.
Wegeunfälle stehen grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist eine versicherte Tätigkeit im Sinne des Begriffs des Arbeitsunfalls auch das Zurücklegen eines unmittelbaren Weges nach oder von dem Tätigkeitsort zu einer versicherten Tätigkeit. Der Weg zum Ort der Tätigkeit beginnt mit dem Verlassen des häuslichen Wirkungskreises und endet mit dem Erreichen der Arbeitsstätte. Für den Rückweg gelten diese Grundsätze entsprechend. Grundsätzlich kein Versicherungsschutz besteht bei Unterbrechungen des unmittelbaren Weges. Hierunter versteht man das Einschieben privater Handlungen, die für die Zurücklegung des Weges nicht erforderlich sind wie z.B. Einkäufe, Besuche oder Unterhaltungen. Versichert ist also nur das Zurücklegen eines solchen Weges, sonst nichts.
Was war in dem vom Bundessozialgericht zu entscheidenden Fall geschehen? Der Kläger befand sich mit seinem PKW auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte zu seiner Wohnung, als er mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte. Hierbei wurden an beiden Fahrzeugen die Außenspiegel beschädigt. Der Kläger fuhr zunächst noch einige Meter weiter, um dann auf der Fahrbahn zu wenden und zur Unfallstelle zurückzufahren. Er stellte sein Fahrzeug hinter das des Unfallgegners, der ebenfalls angehalten hatte. Als ein weiterer PKW auf das am Fahrbandrand abgestellte Fahrzeug des Klägers auffuhr, wurde dieser zwischen seinem und dem davor stehenden Fahrzeug eingeklemmt und erheblich verletzt.
Der Heimweg des Klägers stand an sich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. So hätte die Berufsgenossenschaft für den ersten Unfall – wären Körperschäden eingetreten – Leistungen zu erbringen gehabt. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte jedoch die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Erbringung von Versicherungsleistungen bezüglich des zweiten Unfalls ab. Der für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche innere Zusammenhang zum versicherten Heimweg habe zum Zeitpunkt des erneuten Unfalls nicht mehr vorgelegen. Der Kläger sei nicht betrieblich bedingt umgekehrt. Vielmehr habe der Abweg der Regulierung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche bezüglich des ersten Unfalls gedient.
Die erste Instanz verurteilte die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls und zur Erbringung von Entschädigungsleistungen. Der Kläger sei auch während der Unterbrechung seines Heimweges versichert gewesen. Die unmittelbar danach erfolgende Regulierung der Folgen eines auf einem versicherten Weg geschehenen Verkehrsunfalls stelle keine den Versicherungsschutz aufhebende Unterbrechung des Weges dar.
Die zweite Instanz wies die Berufung der beklagten Berufsgenossenschaft zurück. Zwar sei der eigentliche Heimweg unterbrochen worden. Übliche Regulierungsgespräche nach einem Verkehrsunfall, der Austausch von Personalien mit dem Unfallgegner und Unfallzeugen sowie Maßnahmen der Spurensicherung stünden aber in einem inneren Zusammenhang mit dem versicherten Heimweg.
Das Bundessozialgericht gab der Berufsgenossenschaft in dritter Instanz Recht. Versicherte Tätigkeit sei allein das Zurücklegen des Weges von der Arbeitsstätte in den Privatbereich. Dieser Weg sei – wenn auch unfreiwillig – unterbrochen worden, als der Kläger wendete und zum Unfallgegner zurückfuhr. Damit habe objektiv kein Zurücklegen des Heimweges mehr vorgelegen. Die Handlungstendenz sei erkennbar auf den Austausch von Personalien und die Klärung und Regulierung des Unfallhergangs und seiner Folgen gerichtet gewesen. Dieses Verhalten habe in keinem inneren Zusammenhang mit dem Heimweg gestanden, sei also nicht betriebsdienlich gewesen. Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, übliche Regulierungsgespräche nach einem Verkehrsunfall stünden grundsätzlich im inneren Zusammenhang mit dem versicherten Weg, teile der Senat nicht. Der Kläger habe auch nicht in Erfüllung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten zum Schutz der Belange seines Arbeitgebers oder eines Betriebskollegen gehandelt. Vielmehr habe das Verhalten des Klägers der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen als Verkehrsteilnehmer gedient. Versicherungsschutz bestehe erst dann wieder, wenn der Arbeitnehmer seinen Weg nach Hause fortsetze.
Als Aufforderung zur Fahrerflucht wollten die Richter ihr Urteil allerdings ausdrücklich nicht verstanden wissen.
BSG-Urteil vom 17.02.2009, Az. B 2 U 26/07 R
Autorin:
Tanja Sautter Unfallkasse Post und Telekom
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