Der Fachausschuss „Organisation des Arbeitsschutzes“ (FA ORG) der DGUV befasst sich im Themenfeld 4 mit der „systematischen Integration von Sicherheit und Gesundheit in den Betrieb“. Eine Aufgabe der sich dieses Themenfeld stellt ist u.a. zu ermitteln, wie sich die Arbeitsschutzleistung durch die Einführung und Anwendung eines ASM-Systems verbessert.
Herrn Josef Merdian, Dipl.-Ing. Tulpenweg 1 91094 Langensendelbach
1. Vorwort
Um den Nutzen von Arbeitschutzmanagement im Betrieb messbar zu machen (Nachweis der Wirksamkeit) ist es notwendig, betriebsbezogene Indikatoren und Kennziffern zu identifizieren und zu entwickeln. Dies erfolgte in einem Projekt¹ des FA ORG. In diesem Projekt wurden folgende Arbeitsschritte durchgeführt:
- 1. Es wurden relevante Indikatoren und die dazugehörigen Kriterien und Kennzahlen ermittelt.
- 2. Es wurden die in der Industrie üblichen Kennzahlen beschrieben und zum Teil definiert, um eine übergreifende Vergleichbarkeit dieser Kennzahlen sicherzustellen.
Die nachstehend aufgeführten Indikatoren und Kennzahlen sind dabei als mögliche Vorschläge zu sehen, die ja nach Branche bzw. individuellem Betrieb mehr oder weniger geeignet sein können. Diese Vorschläge sollten als Angebot verstanden werden, aus dem der jeweilige Betrieb die für ihn relevanten Indikatoren und Kennzahlen auswählt.
Bei der Entwicklung der Kennzahlen muss insbesondere darauf geachtet werden, sie auch „betrieblich messbar“ zu gestalten. Werden die Indikatoren und Kennzahlen im Betrieb angewandt, sollte darauf geachtet werden, dass diese mit dem Unternehmer und den betrieblichen Arbeitsschutzakteuren abgestimmt sind.
2. Regelkreis im Arbeitsschutzmanagement
Ein Arbeitsschutzmanagement wird nur dann zu einer nachhaltigen Verbesserung der Leistung des Arbeitsschutzes führen, wenn es Regelkreise aufweist. Somit sind alle Prozesse dauernd rückzukoppeln um festzustellen, ob und wo Änderungen notwendig bzw. Optimierungspotentiale vorhanden sind. Im englischen Sprachraum wird dieser Kreislauf in Form des Plan-Do-Check-Act–Zyklus beschrieben.
Modernen Konzepten zu Managementsystemen liegt stets der PDCA-Zyklus zugrunde. Daher wird er auch im „Nationalen Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme“ gefordert.
Wesentliche Elemente dieses Regelkreises sind zum einen die Indikatoren und zum anderen die Kennzahlen, mit denen die Leistungen eines Arbeitsschutzmanagements ermittelt werden können.
3. Indikatoren
Die Indikatoren sind der folgenden Struktur zugeordnet:
- 1. Sicherheits- und Gesundheitsbewusstsein der Führungskräfte und Beschäftigten
- 2. Einbindung des Arbeitsschutzes in die betrieblichen Prozesse
- 3. Gesundheit der Beschäftigten
- 4. Mitarbeiterzufriedenheit
- 5. Gesundheit Dritter
- 6. Beitrag zum Geschäftsergebnis
- 7. Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen
Mit Hilfe dieser Kennzahlen kann zum einen der Nutzen eines Arbeitsschutzmanagements und die Verbesserung der Arbeitsschutzleistung für den jeweiligen Betrieb dargestellt werden.
4. Kennzahlen²
- 1) Near Miss / Beinaheunfall
- 2) Ein Vorfall oder eine Folge von Vorfällen, die zu keiner Verletzung geführt hat, die jedoch unter geringfügig anderen Umständen dazu hätte führen können.
- 3 ) Die Festlegung einer Kennzahl sollte unternehmensintern erfolgen.
- 1) First Aid Case (FAC) / Erste-Hilfe-Leistungen
- 2 ) Alle einmaligen medizinischen Behandlungen mit darauf folgender Beobachtung oder kleinere Verletzungen wie Prellungen, Schrammen, Schnitte, Verbrennungen, Splitter u.s.w.. Die medizinische Behandlung kann, muss aber nicht von einem Arzt durchgeführt oder professionell registriert werden.
- 3) Eintragungen erfolgen i.d.R. ins Verbandsbuch. Die Behandlung kann durch den Verletzten selbst, durch einen Mitarbeiter oder durch einen Ersthelfer erfolgen.
- 1) Verbandsbucheinträge (Kennzahl)
- 2 ) Anzahl der Verbandsbucheinträge zu Arbeitstunden
- 1) Lost Workday Case (LWC) / Arbeitsausfalltag
- 2 ) Lost Workday Case (LWC) ist ein ausgefallener Arbeitstag aufgrund einer Verletzung, die zur Folge hat, dass eine Person ihre Arbeit nicht mehr ausüben kann oder am Tag nach der Verletzung nicht mehr zur regulären Arbeitszeit an den Arbeitsplatz zurückkehren kann.
- 1) Fehlzeiten
- 2) Fehlzeiten durch Unfall und/oder Krankheit.
Unfallbedingte Fehlzeiten = Summe Ausfalltage / LTIs
- 3) Eine Unterscheidung kann nach Arbeitsunfall und Wegeunfall erfolgen. Tote werden nicht berücksichtigt.
- 4 ) Weiterer vergleichbarer Begriff: Severity Rate (SR) = Summe Ausfalltage pro 1 Million Arbeitsstunden
- 1 ) Tausend-Mann-Quote
- 2) Zahl der meldepflichtigen Unfälle bezogen auf 1000 Vollbeschäftigte
- 1) Lost Time Injuries (LTIs) / unfallbedingte Arbeitszeitausfälle
- 2) Lost Time Injuries (LTIs) sind die Summe aller Unfälle pro Zeiteinheit
- 3a) Unfälle in diesem Sinne sind Unfälle mit Todesfolge, Invalidität und Lost Workday Cases (LWCs) ab einem Ausfalltag .
- 3b) Erfassung erfolgt zum Teil mit oder ohne Wegeunfälle.
- 4 ) Lost Time Injuries (LTI) entspricht auch dem Begriff Lost Time Incidents bzw. Lost Time Accidents (LTA).
- 1) Lost Time Injury Frequency (LTIF) / Häufigkeit der unfallbedingten Arbeitszeitausfälle
- 2) Dies ist die Anzahl der LTI pro festgelegter Sollarbeitsstunden.
- 3a ) Die gängigste Einheit hinsichtlich LTIF sind 1 Million Arbeitsstunden.
- 3b) LTIF = LTIs x 1.000.000 / Sollarbeitsstunden
- 4) In den USA werden üblicherweise 200.000 Sollarbeitsstunden für die Berechnung herangezogen. Eine Umrechnung kann durch einfache Berechnung (1/5 bzw. 20 %) erfolgen.
Weiterere vergleichbare Begriffe:
- Lost Workday Case Incident Rate (LWC-IR) / Arbeitsausfalltag-Ereignisrate
- Accident Frequency Rate (AFR) / Unfallhäufigkeitsrate
- 1 ) Unfallkosten
- 2) Firmenspezifische Festlegung der unfallbedingten Ausfallkosten pro
Ausfalltag.
(Anmerkung: Siehe IGA Report 6 bzw. BAuA Forschungsbericht)
5. Ausblick
Alle Managementsysteme im Arbeitsschutz sollten darauf ausgerichtet sein, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten kontinuierlich zu verbessern um eine bestmögliche Arbeitsschutzleistung zu erzielen. Auf diese Weise ist auch gewährleistet, dass die Arbeitsschutzmanagementsysteme einen Beitrag zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit leisten können. Unter der Anwendung der zuvor beschriebenen Indikatoren und Kennziffern lässt sich diese Zielsetzung des Arbeitsschutzmanagements hervorragend realisieren.
Anmerkung: Der Verfasser dankt an dieser Stelle den Mitarbeitern des Themenfeldes 4 des FA ORG der DGUV für die Durchführung des Projektes.
Autor
Dipl.-Ing. Josef Merdian Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN)
Präventionsaußenstelle Nürnberg Josef.Merdian@bgn.de
¹ Diesem Projekt lag der Forschungsbericht „Indikatoren und Parameter zur Bewertung der Qualität des Arbeitsschutzes im Hinblick auf Arbeitsschutzmanagementsysteme“ aus dem Jahr 2002 der BAuA zugrunde. ² Für die Beschreibung folgender Kennzahlen wird nachstehende Gliederung zugrunde gelegt: 1) Begriff, 2) Definition i.S. des Projektes des FA ORG, 3) Annahmen/ Bedingungen, 4) alternative und z.T. übliche Benennungen
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