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Anlässe für Reformen sind selten, aber für die neue „DGUV Vorschrift 2“ gibt es gleich drei gewichtige Beweggründe. Nach der Fusion von HVBG und BUK zum neuen Spitzenverband DGUV ist zwangsläufig Schritt für Schritt auch das gesamte Vorschriften- und Regelwerk der gewerblichen und der öffentlichen Unfallversicherungsträger zusammen zu führen. Denn Betriebe gleicher Art wie zum Beispiel Krankenhäuser in öffentlicher oder gewerblicher Trägerschaft, kommunale Verwaltungen oder die Verwaltungsteile großer Konzerne werden nicht akzeptieren, dass die für sie geltenden Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung vom jeweiligen UV-Träger abhängen – oder sogar noch davon, ob es sich um eine gewerbliche BG oder um eine öffentliche Unfallkasse handelt.
DGUV Sankt Augustin Herrn Dr. Walter Eichendorf Alte Heerstraße 111 53757 Sankt Augustin DGUV Sankt Augustin Herrn Manfred Rentrop Alte Heerstraße 111 53757 Sankt Augustin
Grund eins: Grundlagen vereinheitlichen
Bei diesem Anlass stehen zuerst die beiden Grundlagen-UVVen im Vordergrund, also die DGUV Vorschriften 1 und 2. Der Begriff „DGUV Vorschrift“ (bzw. DGUV Regel, DGUV Information, …) ersetzt dabei die alten Begriffe wie BG-Vorschrift (BGV), GUVV‑V, BG-Regel, GUVV-Information, BG-Grundsatz usw.. Auch die Insiderkürzel wie BGV, GUVV‑R, BGI usw. entfallen dabei ersatzlos und die neue Nummerierung bringt Vorschriften, Regeln usw. zusammen. Zur künftigen DGUV Vorschrift 1 gehört zum Beispiel dann die DGUV Regel 101.
Grund zwei: Kleinbetriebe
Zweiter Anlass: Die Reform der Kleinbetriebsbetreuung im gewerblichen Bereich (BGV A2) ist nach der diesbezüglichen Evaluation ausgesprochen erfolgreich in den Betrieben umgesetzt worden. Sie wird mit der DGUV Vorschrift 2 auch in den Bereich der öffentlichen UV-Träger übertragen – auch wenn sie dort strukturbedingt eine geringere Rolle im Vergleich zur gewerblichen Wirtschaft spielen wird.
Grund drei: Gleichheitsgebot
Dritter Anlass: Die Vorschriften für die Regelbetreuung größerer und großer Betriebe sind derzeit in der gewerblichen Wirtschaft nur bis Ende 2010 befristet gültig, da es bei der Reform der Kleinbetriebsbetreuung rein zeitlich nicht möglich war, das komplexe Thema der Regelbetreuung großer Betriebe gleich mit zu entscheiden.
Vor allem der dritte Anlass ist vor dem Hintergrund der früheren Kritik aus Wirtschaft und Politik zu sehen: Gleiches muss gleich behandelt werden – egal ob in den verschiedenen Branchen der gewerblichen Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst. Und es muss eine für die Betriebe und ihre Beschäftigten, für die Aufsichtsdienste und für die Politik transparente und vergleichsweise einfach zu handhabende Regelung entstehen. Als Forderung ist all dies leicht auszusprechen und sehr berechtigt. In der Umsetzung entstehen dabei aber erhebliche Stolpersteine, da allein schon „Gleiches muss gleich behandelt werden“ automatisch dazu führt, dass erhebliche Veränderungen gegenüber der bisherigen Situation entstehen. Diese Veränderungen werden dann je nach ihrer Art von den Fachkräften und Ärzten in den Betrieben, von den Arbeitgebern oder von den Betriebsräten und den Gewerkschaften oft nicht positiv bewertet.
Rechtlich zeitgemäß
Rechtlich konkretisiert die Unfallverhütungsvorschrift „DGUV Vorschrift 2“ die Bestimmungen des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) hinsichtlich der notwendigen Fachkunde von Fachkraft (SiFa) und Betriebsarzt sowie des für die Erledigung der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben notwendigen Personalaufwandes. Die Aufgaben des Arbeitssicherheitsgesetzes werden in Orientierung am Arbeitsschutzgesetz in der DGUV Vorschrift 2 zeitgemäß fortgeschrieben.
Die jetzt anstehende Reform der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung führt erstmals in der Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland alle Vorschriften für gewerbliche wie auch für öffentliche Unternehmen zusammen und definiert eine branchenübergreifend einheitliche Betreuung der Betriebe und der Versicherten.
Grundlage Gefährdungsbeurteilung
Konzeptionell folgt der Ende August 2009 an die UV-Träger zur Stellungnahme versandte Entwurf der UVV dem modernen Ansatz, die Betreuungsleistungen an der Gefährdungsbeurteilung im Betrieb auszurichten. Er fördert damit im Interesse aller Betriebsparteien auch eine qualitativ hochwertige Gefährdungsbeurteilung. Mit der Kombination einer Grundbetreuung mit festen Einsatzzeiten für bestimmte Betriebsarten und einer auf den einzelnen Betrieb abgestellten betriebsspezifischen Betreuung werden modernste Ansprüche hinsichtlich der Förderung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz erfüllt. Mit dieser Aufteilung ist es auch noch besser als jemals zuvor möglich, auf individuelle Gefährdungen in Betrieben unterschiedlichster Art individuell und angemessen einzugehen.
Dabei setzen die Leistungen von SiFa und Betriebsarzt auf dem Aufgabenkatalog des ASiG auf, werden aber angesichts des Alters dieses Gesetzes (1974) am modernen Arbeitsschutzverständnis aktuell interpretiert und in beispielhaften Leistungskatalogen ausführlich beschrieben. Zukunftsweisende Themen wie die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit, die Berücksichtigung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz oder des demografischen Wandels werden dem Leistungsspektrum von Betriebsarzt und SiFa genauso zugeordnet wie Aspekte der betrieblichen Gesundheitsförderung. Damit wird auch deutlich gemacht, wie sehr die frühere „Fachkraft für Arbeitssicherheit“ heute zum Manager für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb geworden ist. Diesem Betriebssicherheitsmanager wird mit der DGUV Vorschrift 2 ein angemessener Rahmen geschaffen.
Grundbetreuung
Die Grundbetreuung wird inhaltlich durch einen Katalog der Grundleistungen beschrieben. Der Unfallversicherungsträger legt – unterteilt nach drei Betreuungsgruppen – bezogen auf ausgewählte Betriebsarten jeweils feste Einsatzzeiten für Betriebsarzt und SiFa zur Aufgabenerledigung der Grundleistungen fest. Die Zuordnung der Betriebe zu den einzelnen Betriebsarten erfolgt über alle UV-Träger übergreifend anhand einer verbindlichen Betriebsartenliste als Auszug aus der amtlichen NACE-Klassifikation der Wirtschaftszweige. Hierdurch wird sichergestellt, dass allen gleichartigen Betrieben auch wirklich dieselbe Grundbetreuungszeit zugeordnet wird. Eine Mindesteinsatzzeit gewährleistet, dass beide Kompetenzen angemessen im Betrieb tätig werden können.
Betriebsspezifischer Teil der Betreuung
Der auf die jeweilige Situation des einzelnen Betriebes zugeschnittene betriebsspezifische Teil der Betreuung wird in einem Leistungskatalog beschrieben, in dem regelmäßige und temporär im Betrieb anfallende Aufgaben bzw. Gefährdungen enthalten sind. Die Leistungen von Betriebsarzt und SiFa werden im Betrieb vom Unternehmer anhand des verbindlichen Leistungskatalogs und ergänzend zu den Grundleistungen festgelegt, mit SiFa und Betriebsarzt abgestimmt und schriftlich vereinbart. Mit Blick auf § 9 ASiG werden die Mitarbeitervertretungen umfassend beteiligt.
Der Leistungskatalog des betriebsspezifischen Teils orientiert sich am modernen Verständnis des Arbeitsschutzgesetzes und bezieht neben den klassischen Aufgaben der Unfallverhütung auch Themenfelder wie menschengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze oder individuelle arbeitsmedizinische Vorsorge genauso mit ein wie die Förderung der gesundheitlichen Ressourcen der Beschäftigten. Diese Bandbreite auf Relevanz zu prüfender Aufgabenfelder für Betriebsarzt und SiFa eröffnet den Betrieben eine individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Umsetzung der Rahmenvorgaben.
Gesamtbetreuung
Der betriebsspezifische Teil der Betreuung reichert die Grundbetreuung inhaltlich an, fokussiert die Gesamtbetreuung direkt auf die Verhältnisse im Betrieb, stärkt die Notwendigkeit einer Gefährdungsbeurteilung und gewährleistet für alle Verantwortlichen ein Höchstmaß an Transparenz und Nachprüfbarkeit. Die alleinige Beantwortung der Frage nach der Höhe der Einsatzzeit wird abgelöst durch eine Vereinbarung und Dokumentation von Leistungen – ein deutlicher Schritt zur Förderung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz!
Zeitplan
Im Mai 2008 hatte der Vorstand der DGUV in Dresden beschlossen, die anstehende Reform der Regelbetreuung mit der Schaffung der ersten gemeinsamen Unfallverhütungsvorschrift der BGen und der Unfallkassen zu verbinden und die Vertreter der BGen und der Unfallkassen in der Mitgliederversammlung der DGUV hierüber informiert. Direkt danach begannen die fachlichen Arbeiten der Präventionsexperten der DGUV und ihrer Mitglieder, die regelmäßig mit allen Zwischenschritten alle drei Monate im Grundsatzausschuss Prävention (GAP) des DGUV-Vorstandes mit der Selbstverwaltung beraten wurden. Parallel dazu wurde der Zwischenstand regelmäßig auch mit dem BMAS und den Ländern erörtert.
Der GAP hat Ende August 2009 den erreichten Stand der Arbeiten zur Stellungnahme an alle DGUV-Mitglieder freigegeben, die damit bis zum 15. Oktober Gelegenheit hatten, ihre Sicht einzubringen. Danach ist geplant, dass sich der GAP, der Vorstand der DGUV und die Mitgliederversammlung von Ende Oktober bis Ende November abschließend mit dem Mustertext der neuen DGUV Vorschrift 2 befassen und ihn beschließen. Das Jahr 2010 wäre dann der Umsetzung der neuen Vorschrift durch alle BGen und alle Unfallkassen gewidmet. Am 1.1.2011 soll der große Schritt getan sein und mit der ersten gemeinsamen UVV der Unfallversicherungsträger der Gesamtbereich der sicherheitstechnischen und betriebsärztlichen Betreuung der Betriebe und Verwaltung alle Arten und Größen neu und zukunftssicher geregelt sein.
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