Die Bundesregierung hat am 7. Januar 2015 die „Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen“ nach Maßgabe der Änderungen des Bundesrates vom 27. November 2014 (Drucksache 400/14 [Beschluss]) beschlossen (BGBl. I Nr. 4 vom 6. Februar 2015 S. 49). Mit Artikel 1 dieser Verordnung wird die Betriebssicherheitsverordnung neu gefasst. Artikel 2 ändert die Gefahrstoffverordnung, insbesondere im Hinblick auf die Neuordnung des betrieblichen Explosionsschutzes. Artikel 3 bestimmt das Inkrafttreten der neuen Regelungen zum 1. Juni 2015. Gleichzeitig tritt die bisherige Betriebssicherheitsverordnung außer Kraft.
Hans-Peter Raths
1. Ausgangslage
Die bis zum 1. Juni 2015 geltende Betriebssicherheitsverordnung 2002 (BetrSichV 2002) wurde am 27. September 2002 erlassen. Mit ihr wurden die damalige Arbeitsmittelbenutzungsverordnung (AMBV) sowie wichtige Verordnungen zu überwachungsbedürftigen Anlagen (z.B. Druckbehälterverordnung, Dampfkesselverordnung, Aufzugsverordnung, Verordnung über Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen) in einer neuen Verordnung zusammengefasst. Auf diese Weise entstand erstmals eine umfassende staatliche Verordnung für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung aller Arbeitsmittel, zu denen neben Werkzeugen, Geräten und Maschinen auch alle Anlagen gehörten.
Eine beim Erlass der BetrSichV 2002 schwierige Besonderheit waren die unterschiedlichen Normadressaten und die unterschiedlichen Schutzziele der zusammenzufassenden Verordnungen. Die Arbeitsmittelbenutzungsverordnung setzte EU-Arbeitsschutzrecht in nationales Recht um, war auf das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gestützt, diente ausschließlich dem Schutz der Beschäftigten und richtete sich ausschließlich an den Arbeitgeber. Die Verordnungen zu den überwachungsbedürftigen Anlagen hingegen waren althergebrachtes, rein nationales Recht, waren auf das damalige Gerätesicherheitsgesetz (heute: Produktsicherheitsgesetz) gestützt, dienten neben dem Schutz Beschäftigter auch dem Schutz „Dritter“ und richteten sich an den „Betreiber“ solcher Anlagen auch ohne Beschäftigte, sofern die Anlagen gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken dienten.
Die vor dem Hintergrund dieser Gemengelage gewählte Konzeption der BetrSichV 2002 war kompliziert: Für Arbeitgeber, auch als Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen, galt sie in Gänze, während für Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen ohne Beschäftigte nur der dritte Abschnitt und der Anhang 5 galten. Für Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen ohne Beschäftigte gab es daher weder eine Gefährdungsbeurteilung noch materiell-technische Anforderungen für den Betrieb dieser Anlagen, sondern nur Erlaubnis‑, Anzeige- und Prüfpflichten. Dies sollte sich in der Zukunft insbesondere für die Erarbeitung technischer Regeln im Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) als problematisch erweisen.
Eine weitere Besonderheit beim Erlass der BetrSichV 2002 bedeutete die Umsetzung der EG-Richtlinie zum betrieblichen Explosionsschutz (Richtlinie 1999/92/EG über Mindestvorschriften zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der Arbeitnehmer, die durch explosionsfähige Atmosphären gefährdet werden können). Obwohl mit der Umsetzung der EG-Gefahrstoffrichtlinie 98/24/EG der betriebliche Explosionsschutz mit Ausnahme von Prüfungen bereits vollständig in der Gefahrstoffverordnung geregelt war, wurde die Richtlinie 1999/92/EG teilweise in der BetrSichV 2002 umgesetzt. Dadurch wurde dort eine eigentlich überflüssige Doppelregelung angelegt. Sie betraf im Wesentlichen die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung („Explosionsschutzdokument“) sowie Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von arbeitsmittelbezogenen Zündquellen und Schutzmaßnahmen zur Vermeidung schädlicher Auswirkungen von Explosionen. Auch diese Doppelregelung sollte sich bei der Arbeit im Ausschuss für Betriebssicherheit und im Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) als problematisch erweisen und sogar vom Deutschen Normenkontrollrat (NKR) beanstandet werden.
2. Gründe für eine Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung
Gründe für die Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung waren insbesondere
- die Beseitigung rechtlicher, struktureller und fachlicher Mängel in der BetrSichV 2002,
- die Schaffung einer besseren Grundlage für die Erarbeitung von technischen Regeln im Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS),
- die Beseitigung von Doppelregelungen insbesondere beim Explosionsschutz und bei der Prüfung von Arbeitsmitteln,
- der Abbau von Standard- und Bürokratiekosten,
- eine bessere Anpassung an Schnittstellen zu anderen Rechtsvorschriften, insbesondere an das für die Bereitstellung von Arbeitsmitteln auf dem Markt geltende neue Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und die darauf gestützten Rechtsverordnungen,
- eine bessere Ausrichtung auf das tatsächliche Unfallgeschehen,
- eine bessere Anwendbarkeit der Verordnung durch Arbeitgeber und Anlagenbetreiber und
- die Berücksichtigung älter werdender Belegschaften (ergonomische, alters- und alternsgerechte Gestaltung der Arbeit), insbesondere bei der Gefährdungsbeurteilung.
3. Die Neuregelung BetrSichV 2015
Umsetzung von europäischem Arbeitsschutzrecht
Die Betriebssicherheitsverordnung 2015 (BetrSichV 2015) setzt wie bisher die Richtlinie 2009/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) in deutsches Recht um. Bei dieser Richtlinie handelt es sich um eine kodifizierte Fassung der ursprünglichen EU-Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinie 89/655/EWG und ihrer Änderungen. Weiterhin wird die Richtlinie 1999/92/EG zum betrieblichen Explosionsschutz hinsichtlich der Prüfungen (siehe Anhang II Nummer 2.8 der Richtlinie) in deutsches Recht umgesetzt. Im Übrigen erfolgt die Umsetzung dieser Richtlinie künftig ausschließlich in der Gefahrstoffverordnung.
Anwendungsbereich und Begriffe
Die BetrSichV gilt für die Verwendung von allen Arbeitsmitteln. Ziel der Verordnung ist es, die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit von Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu gewährleisten. Zu den Arbeitsmitteln gehören einfache Werkzeuge wie Hammer und Zangen, kraftbetätigte Arbeitsmittel wie Bohrmaschinen und Kettensägen, aber auch größere Arbeitsmittel wie Drehbänke, Pressen, Krane, verkettete Maschinen und Anlagen bis hin zu komplexen Chemieanlagen. Die Verwendung von Arbeitsmitteln umfasst jegliche Tätigkeit mit diesen. Hierzu gehören insbesondere das Montieren und Installieren, Bedienen, An- oder Abschalten oder Einstellen, Gebrauchen, Betreiben, Instandhalten, Reinigen, Prüfen, Umbauen, Erproben, Demontieren, Transportieren und Überwachen.
Ein Sonderfall in der BetrSichV sind die überwachungsbedürftigen Anlagen, wie z.B. Dampfkessel, Druckgeräte sowie Lager und Füllstellen für Gase und brennbare Flüssigkeiten. Bei überwachungsbedürftigen Anlagen dient die BetrSichV 2015 (wie auch schon die BetrSichV 2002) auch dem Schutz anderer Personen als Beschäftigter („Dritte“ im Sinne des § 34 Absatz 1 Satz 1 ProdSG). Diesbezüglich gilt die Verordnung auch für gewerbliche (nicht aber private) Betreiber ohne Beschäftigte. Um dies klarzustellen, wurden Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen grundsätzlich dem Arbeitgeber im Sinne der BetrSichV 2015 gleichgestellt (§ 2 Absatz 3).
Die genaue Bezeichnung der überwachungsbedürftigen Anlagen, also deren gegenständliche Beschreibung, erfolgt nicht mehr im Anwendungsbereich und den Begriffsbestimmungen des § 2 sondern übersichtlich in den jeweiligen anlagenbezogenen Abschnitten des Anhangs 2 der BetrSichV 2015. Nach wie vor erfolgt die Beschreibung jedoch über Rückgriffe auf entsprechendes EU-Binnenmarktrecht, z.B. auf die Aufzugsrichtlinie (RL 2014/33/EU), die Richtlinie über Geräte, Schutzsysteme usw. für den Einsatz in Ex-Bereichen (RL 2014/34/EU) und die Druckgeräterichtlinien (RL 2014/68/EU, RL 2010/35/EG und 2014/29/EU).
Durch diesen Rückgriff ist es für die Rechtsunterworfenen allerdings nicht immer leicht herauszufinden, ob sie eine überwachungsbedürftige Anlage verwenden. Denn es ist zu beachten, dass durch die Verweisung auf die jeweiligen Richtlinien auch die darin enthaltenen Ausnahmen gelten, d. h. der Anwendungsbereich der Richtlinien bestimmt bezüglich der überwachungsbedürftigen Anlagen den Anwendungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung mit.
Neuregelung des Explosionsschutzes und der Zoneneinteilung
Die BetrSichV 2015 gilt, mit Ausnahme der Prüfvorschriften, nicht mehr für den Brand- und Explosionsschutz. Die Richtlinie 1999/92/EG zum betrieblichen Explosionsschutz wird in der BetrSichV nur noch bezüglich der Prüfvorschriften in deutsches Recht umgesetzt. Dabei werden diese Prüfvorschriften mit den Prüfvorschriften für Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen und für Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten zusammengeführt. Im Übrigen wird die Richtlinie 1999/92/EG mit der Gefahrstoffverordnung in deutsches Recht umgesetzt. Schon zuvor (seit Umsetzung der EG-Gefahrstoffrichtlinie (RL 98/24/EG)) war der Explosionsschutz vollständig in der GefStoffV geregelt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Explosionsgefährdung primär vom brennbaren Gefahrstoff ausgeht. Die Richtlinie 1999/92/EG stellt lediglich eine Konkretisierung der EG-Gefahrstoffrichtlinie bezüglich des Explosionsschutzes dar, aus diesem Grunde sollte sie ursprünglich auch als Anhang zur EG-Gefahrstoffrichtlinie konzipiert werden. Dennoch wurde die Richtlinie 2002 teilweise („sekundärer und tertiärer Ex-Schutz“) in der BetrSichV 2002 umgesetzt. Die dadurch entstandene Doppelreglung führte zu Problemen bei der Erarbeitung von technischen Regeln zum Explosionsschutz und zu Doppelarbeit im Ausschuss für Betriebssicherheit und im Ausschuss für Gefahrstoffe. Mit der Rechtsänderung im Rahmen der BetrSichV 2015 wurde die Doppelregelung beseitigt. In diesem Zusammenhang wurden die Paragrafen 6 und 11 sowie Anhang 1 Nummer 1 der Gefahrstoffverordnung ergänzt. Das Explosionsschutzdokument ist nunmehr Bestandteil der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung. In dieser Dokumentation ist der Explosionsschutz gesondert auszuweisen. Auf diesen Weise bleibt das bisherige Explosionsschutzdokument auch in der Gefahrstoffverordnung weiterhin erhalten. Die Neuregelung verlangt nicht, dass nach altem Recht vorliegende Explosionsschutzdokumente nunmehr neu erstellt werden müssen. Eine wesentliche Änderung im Explosionsschutz gegenüber der bisherigen Regelung in der BetrSichV 2002 ist, dass eine Zoneneinteilung künftig nicht mehr obligatorisch durchgeführt werden muss. Im Gegensatz zur früheren Darstellungen in Fachkreisen ist eine Zoneneinteilung für den Arbeitsschutz nicht erforderlich, sie ist ihm sogar abträglich. Denn sie relativiert das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung risikobezogen nach Häufigkeit und Dauer des Auftretens gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre und lässt gegenüber dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung abgeschwächte Maßnahmen zur Zündquellenvermeidung zu. Ohne Zoneneinteilung müsste stets maximaler Zündquellenschutz gewährleistet sein.
Dem EU-Recht folgend lassen die neuen Anforderungen in der Gefahrstoffverordnung (Anhang 1 Nummer 1.6 Absatz 2) jedoch zu, dass der Arbeitgeber Bereiche mit gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre optional in Zonen einteilen darf. Damit kann er auf der Basis dieser Zoneneinteilung weiterhin Geräte und Schutzsysteme durch Zuordnung zur Richtlinie 2014/34/EU (Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen, früher: Richtlinie 94/9/EG) auswählen und damit auf ggf. teurere Geräte verzichten.
Gefährdungsbeurteilung
Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Element im Arbeitsschutz. Sie richtet sich nach § 5 ArbSchG und wird in den Einzelverordnungen zum ArbSchG für den jeweiligen Anwendungsbereich konkretisiert. Die Gefährdungsbeurteilung ist die Basis für die Ableitung und die Durchführung der erforderlichen Schutzmaßnahmen.
Gegenüber der BetrSichV 2002 wurden in der BetrSichV 2015 die bei der Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf die Verwendung von Arbeitsmitteln zu berücksichtigen Aspekte wesentlich stärker herausgestellt. Erstmals sind bei der Gefährdungsbeurteilung auch ergonomische Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren, Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf, Arbeitszeit, Arbeitsaufgabe und Arbeitsgegenstand sowie psychische Belastungen der Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu berücksichtigen.
In der BetrSichV 2015 ist eine Gefährdungsbeurteilung nunmehr auch für solche überwachungsbedürftigen Anlagen durchzuführen, bei denen ausschließlich andere Personen („Dritte“ im Sinne des § 34 Absatz 1 Satz 1 ProdSG) gefährdet sind und die ausschließlich von Betreibern ohne Beschäftigte verwenden werden. Dadurch wird die im Ausschuss für Betriebssicherheit bisher gewählte verordnungswidrige Interpretation der „sicherheitstechnischen Bewertung“ (TRBS 1111) überflüssig. Für Aufzugsanlagen ist jedoch mangels einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage auch künftig keine Gefährdungsbeurteilung vorgeschrieben, soweit sie von Betreibern ohne Beschäftigte betrieben werden. Dies ist jedoch vertretbar, weil es sich dabei ganz überwiegend um Personenaufzüge handelt, die nach der EU-Aufzugsrichtlinie (RL 2014/33/EU) vom Hersteller ohnehin weitestgehend „schlüsselfertig“ übergeben werden, so dass kaum Raum für zusätzliche Maßnahmen aufgrund einer Gefährdungsbeurteilung durch den Betreiber bleibt.
Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln
Die bisherigen materiellen Anforderungen der BetrSichV 2002 wurden beibehalten. Mit ihnen wird auch künftig die Richtlinie 2009/104/EG in deutsches Recht umgesetzt. Neu hinzugetreten sind konkretere Anforderungen, die besonderen Unfallschwerpunkten Rechnung tragen (z B. Manipulation von Schutzeinrichtungen, Instandhaltung, besondere Betriebszustände, Betriebsstörungen, Unfälle und Zusammenarbeit verschiedener Arbeitgeber).
Die allgemeinen, für alle Arbeitsmittel geltenden Anforderungen der Anhänge 1 und 2 der BetrSichV 2002 wurden in den Paragrafenteil (2. Abschnitt) der BetrSichV 2015 übernommen und dort als Schutzziele formuliert. Die Vorgabe von Schutzzielen ermöglicht es dem Arbeitgeber, flexible, an die betrieblichen Gegebenheiten angepasste Lösungen beim Arbeitsschutz zu finden. Die Schutzziele gelten gleichermaßen für alte und neue sowie auch für selbst hergestellte Arbeitsmittel.
Für die Verwendung bestimmter Arbeitsmittel (z.B. mobile Arbeitsmittel, Hebezeuge, Gerüste) gelten Spezial- und Detailregelungen gemäß Anhang 1. In diesem sind die entsprechenden Regelungen der Anhänge 1 und 2 der BetrSichV 2002 weitgehend inhaltsgleich zusammengeführt. Der Anhang 1 kann bei Bedarf, z.B. bei entsprechenden Erkenntnissen im ABS, beliebig um weitere besondere Anforderungen für bestimmte Arbeitsmittel ergänzt werden. So wurden in den Anhang 1 der BetrSichV 2015 erstmals besondere Anforderungen für Aufzüge und für Druckanlagen aufgenommen.
Die materiellen Anforderungen des Zweiten Abschnittes der BetrSichV 2015 und des Anhangs 1 gelten nunmehr gleichermaßen für Arbeitsmittel und für überwachungsbedürftige Anlagen, bei denen ausschließlich andere Personen („Dritte“ im Sinne des § 34 Absatz 1 Satz 1 ProdSG) gefährdet sind. Damit gelten – unabhängig vom Schutzziel „Beschäftigte“ bzw. „andere Personen“ („Dritte“) – einheitliche Anforderungen für alle Arbeitsmittel und Anlagen. Hierdurch wird auch die Möglichkeit für eine einheitliche Regelsetzung im Ausschuss für Betriebssicherheit eröffnet.
Der Arbeitgeber hat vor der erstmaligen Verwendung der Arbeitsmittel die Wirksamkeit der nach der Gefährdungsbeurteilung getroffenen Schutzmaßnahmen zu überprüfen, sofern für das Arbeitsmittel nicht ohnehin Prüfungen vor der ersten Inbetriebnahme konkret vorgeschrieben sind. Unabhängig von den nach der BetrSichV vorgeschriebenen Prüfungen hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeitsmittel vor ihrer jeweiligen Verwendung durch Inaugenscheinnahme und erforderlichenfalls durch eine Funktionskontrolle auf offensichtliche Mängel kontrolliert und Schutz- und Sicherheitseinrichtungen einer regelmäßigen Funktionskontrolle unterzogen werden.
Schnittstelle zum Binnenmarktrecht und Bestandsschutz
Die Arbeitgeberpflichten bei der Bereitstellung und Prüfung binnenmarktkonformer Arbeitsmittel werden klarer gefasst (§ 5 Absatz 3 der BetrSichV 2015). Die bisher unklare Unterscheidung zwischen Änderung und wesentlicher Veränderung von Arbeitsmitteln entfällt. Der Arbeitgeber darf nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und verwenden lassen, die den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechen. Zu diesen Rechtsvorschriften gehören neben den Vorschriften der BetrSichV insbesondere die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arbeitsmittels geltenden Rechtsvorschriften, mit denen Gemeinschaftsrichtlinien (z.B. EU-Maschinenrichtlinie) in deutsches Recht umgesetzt wurden (z.B. Produktsicherheitsgesetz, Maschinenverordnung, Medizinproduktegesetz oder Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung). Der Arbeitgeber kann davon ausgehen, dass die erworbenen Arbeitsmittel dem für sie geltenden Binnenmarkrecht entsprechen und diesbezüglich sicher sind. Die auf diese Weise „mitgebrachte“ inhärente Sicherheit leistet einen grundlegenden Beitrag für die sichere Verwendung der Arbeitsmittel. Arbeitsmittel, die der Arbeitgeber für eigene Zwecke selbst hergestellt hat, müssen den grundlegenden Sicherheitsanforderungen der anzuwendenden Gemeinschaftsrichtlinien, nicht jedoch den formalen Anforderungen entsprechen, es sei denn, in der jeweiligen Richtlinie ist ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Auch wenn die beschafften Arbeitsmittel dem Binnenmarktrecht genügen und hierüber entsprechende Dokumente und Kennzeichnungen vorliegen, muss der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf die von ihm vorgesehene Verwendung der Arbeitsmittel unter Berücksichtigung seiner betrieblichen Gegebenheiten durchzuführen. Die sichere Verwendung des Arbeitsmittels wird über die vom Binnenmarktrecht „mitgebrachte“ inhärente Sicherheit der Arbeitsmittel und zusätzlich über die nach der Gefährdungsbeurteilung erforderlichen zusätzlichen Schutzmaßnahmen erreicht. Über die Gefährdungsbeurteilung kann also die Einhaltung der Schutzziele und damit die sichere Verwendung auch bei älteren Arbeitsmittel gewährleistet werden. Auf diese Weise wird auch das viel diskutierte Bestandsschutzproblem gelöst. Bei der Verwendung älterer, nicht mehr dem Stand der Technik entsprechender Arbeitsmittel kann der Arbeitsschutz durch periphere Schutzmaßnahmen nach der Gefährdungsbeurteilung sichergestellt werden. Bei fortschreitendem Stand der Technik bei der Arbeitsmittelsicherheit muss der Arbeitgeber im Rahmen der Wiederholung der Gefährdungsbeurteilung eigenverantwortlich entscheiden, ob und welche Nachrüstmaßnahmen ggf. bei den peripheren Schutzmaßnahmen erforderlich sind, damit die Schutzziele der BetrSichV erreicht werden.
Vereinfachte Vorgehensweise bei einfachen Arbeitsmitteln
Neu in der BetrSichV 2015 ist auch eine vereinfachte Vorgehensweise, z.B. bei der Verwendung von einfachen Arbeitsmitteln, die bestimmungsgemäß verwendet werden. Sie soll dem Arbeitgeber die praktische Anwendung der Verordnung, vor allem auch in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), erleichtern und der Bedeutung des EU-Binnenmarktes Rechnung tragen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Absatz 1 BetrSichV kann der Arbeitgeber einige Erleichterungen in Anspruch nehmen. Das Konzept bedeutet keine Einschränkung der grundsätzlichen Arbeitgeberpflichten und keine Absenkung des Sicherheitsniveaus. Es setzt voraus, dass der Hersteller bei der Gestaltung des Arbeitsmittels einschließlich der Schutzmaßnahmen alle Gefährdungen bei der bestimmungsgemäßen Verwendung berücksichtigt hat. Die vereinfachte Vorgehensweise ist nicht möglich, wenn vom Hersteller des Arbeitsmittels nicht vermeidbare Restrisiken angegeben werden, z.B. in der Betriebsanleitung oder wenn die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Wenn die in § 7 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Bedingungen erfüllt sind, kann für die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung eine Gebrauchs- oder Betriebsanleitung des Herstellers ausreichen. Mit der Regelung wird Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a Nummer ii der Richtlinie 2009/104/EG zur Anwendung gebracht. Typische Beispiele sind Werkzeuge und Geräte wie Handsägen, Zangen und Bolzenschneider, aber auch einfache kraftbetriebene Verbraucherprodukte wie Akkuschrauber und Bohrmaschinen.
Instandhaltung
Die Instandhaltung ist ein zentrales Anliegen der EG-Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinie 2009/104/EG und hat im Hinblick auf eine bleibende Arbeitsmittelsicherheit sogar höhere Bedeutung als Prüfungen. Maßnahmen der Instandhaltung dienen dazu, ein Arbeitsmittel über die gesamte Zeit seiner Benutzung (Lebensdauer) in sicherem Zustand zu halten. Bei den Instandhaltungsarbeiten selbst treten häufig besondere Gefährdungen auf. Dem wird in der BetrSichV 2015 ebenfalls Rechnung getragen. Es wird gefordert, dass Instandhaltungsarbeiten sicher durchgeführt werden müssen. Insbesondere müssen Arbeitsbereiche mit Instandhaltungsarbeiten gesichert, geeignete Ausrüstung verwendet und Arbeitspläne aufgestellt und eingehalten werden. In Fällen, in denen vorhandene Schutzmaßnahmen bei Instandhaltungsarbeiten außer Kraft gesetzt werden müssen, muss die Sicherheit der mit den Instandhaltungsarbeiten Beschäftigten durch andere geeignete Maßnahmen gewährleistet werden. Mit den neuen Festlegungen zur Instandhaltung wird ein bisheriger Schwerpunkt des Unfallgeschehens stärker berücksichtigt.
Manipulationsverbot und Funktionsfähigkeit von Schutzeirichtungen, Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
Ausweislich der Unfallstatistik der DGUV wird ein beträchtlicher Teil der Unfälle durch unerlaubte Eingriffe in Schutz- und Sicherheitseinrichtungen verursacht. Eine Schutzeinrichtung kann beispielsweise dann manipuliert oder umgangen werden, wenn sie durch verfügbare Gegenstände oder Werkzeuge wie Büroklammer, Münzen, Klebeband, Draht, Schraubendreher usw. unwirksam gemacht werden kann (vgl. z.B. auch DIN EN 1088). Das auch in der Richtlinie 2009/104/EG enthaltene Manipulationsverbot wird daher in der BetrSichV 2015 besonders betont. Dem Arbeitgeber wird konkret vorgegeben dafür zu sorgen, dass Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht manipuliert oder umgangen werden. Weiterhin hat er dafür zu sorgen, dass Schutz- und Sicherheitseinrichtungen funktionsfähig sind und dass zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstungen benutzt und Informationen sowie Kennzeichnungen und Gefahrenhinweise beachtet werden. Die Einhaltung der Ver- und Gebote ist durch den Arbeitgeber durch regelmäßige Kontrollen zu überprüfen.
Besondere Betriebszustände und Betriebsstörungen
Besondere Betriebszustände wie z.B. An- und Abfahrvorgänge, Rüst‑, Einrichtungs- und Erprobungsarbeiten und Fehlersuche stellen unfallträchtige betriebliche Situationen dar. Werden bei solchen Arbeiten die für den Normalbetrieb getroffenen technischen Schutzmaßnahmen ganz oder teilweise außer Betrieb gesetzt oder müssen solche Arbeiten unter Gefährdung durch Energie durchgeführt werden, so muss die Sicherheit der Beschäftigten während der Dauer dieser Arbeiten durch andere geeignete Maßnahmen gewährleistet werden. Ggf. sind besondere Gefahrenbereiche festzulegen. Ist ein Aufenthalt im Gefahrenbereich von Arbeitsmitteln erforderlich, sind auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung weitere Maßnahmen zu treffen, welche die Sicherheit der Beschäftigten gewährleisten. Weiterhin hat der Arbeitgeber Maßnahmen zu ergreifen, durch die Betriebsstörungen und andere unzulässige oder instabile Betriebszustände von Arbeitsmitteln verhindert werden. Können instabile Zustände nicht sicher verhindert werden, hat der Arbeitgeber Maßnahmen zu ihrer Beherrschung zu treffen.
Zusammenarbeit verschiedener Arbeitgeber
Auch die unkoordinierte Zusammenarbeit verschiedener Arbeitgeber, ggf. aus verschiedenen Gewerken, kann zu wechselseitiger Gefährdung der Beschäftigten führen. Arbeiten z.B. Lackierer und Schweißer ohne wechselseitige Abstimmung im selben Arbeitsbereich, kann es leicht zu Brände oder Explosionen kommen, weil der eine für die gefährliche explosionsfähige Atmosphäre und der andere für die Zündquelle sorgt. Daher enthält § 13 BetrSichV in Anlehnung an die entsprechende Regelung in der Gefahrstoffverordnung notwendige Ergänzungen zu § 8 des Arbeitsschutzgesetzes. In der BetrSichV 2015 kann die Regelung im Gegensatz zu derjenigen im Arbeitsschutzgesetz durch den Ausschuss für Betriebssicherheit konkretisiert werden.
Prüfung von Arbeitsmitteln
Die allgemeinen Prüfvorschriften für Arbeitsmittel bleiben gegenüber § 10 der BetrSichV 2002 unverändert.
Die Arbeitsmittel sind wie bisher vor der erstmaligen Inbetriebnahme zu prüfen, wenn deren Sicherheit von den Montagebedingungen abhängt. Der Zweck der Prüfung vor der erstmaligen Inbetriebnahme wurde präzisiert. Die Prüfung muss vor jeder Inbetriebnahme nach einer Montage stattfinden.
Wiederkehrende Prüfungen sind erforderlich, wenn Arbeitsmittel Schäden verursachenden Einflüssen (z.B. Verschleiß) ausgesetzt sind und die resultierenden Schäden zu Gefährdungen der Beschäftigten führen können. Weiterhin sind Prüfungen erforderlich, wenn Arbeitsmittel von Änderungen oder außergewöhnlichen Ereignissen betroffen waren, die schädigende Auswirkungen auf ihre Sicherheit haben können.
Die Prüfungen sind von einer zur Prüfung befähigten Person durchzuführen. Über die Qualifikation der zur Prüfung befähigten Person sowie über Art, Umfang und Fristen der Prüfungen entscheidet der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung.
In der BetrSichV 2015 wurde nunmehr klargestellt, dass Prüfinhalte, die im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens nach EU-Recht vor dem Inverkehrbringen geprüft und dokumentiert wurden, nicht erneut geprüft werden müssen. Weiterhin wurde klargestellt, dass die genannten Prüfpflichten nicht gelten, soweit die Arbeitsmittel gleichzeitig überwachungsbedürftige Anlagen sind und die Prüfinhalte mit den dafür erforderlichen besonderen Prüfungen abgedeckt werden.
Für vom Ausschuss für Betriebssicherheit identifizierte besonders gefährliche Arbeitsmittel wurden die entsprechenden Prüfpflichten mit der BetrSichV 2015 konkretisiert. Diese im neuen Anhang 3 konkret benannten Arbeitsmittel hat der Arbeitgeber vor ihrer erstmaligen Inbetriebnahme, vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen und wiederkehrend nach Maßgabe der in Anhang 3 genannten Vorgaben auf ihren sicheren Zustand und auf ihre sichere Funktion umfassend prüfen zu lassen. Die Vorgaben des Anhangs 3 betreffen insbesondere vom Verordnungsgeber festgelegte Prüffristen und die Qualifikation der Prüfer. Derzeit sind Krane, Flüssiggasverbrauchseinrichtungen und maschinentechnische Arbeitsmittel der Veranstaltungstechnik den besonderen Vorgaben des Anhangs 3 unterworfen. Mit dem neuen Anhang 3 wird zudem die Möglichkeit eröffnet, z.B. vom Ausschuss für Betriebssicherheit neu identifizierte besonders prüfpflichtige Arbeitsmittel mit minimalem Aufwand in die Verordnung aufzunehmen.
Prüfung von überwachungsbedürftigen Anlagen
Die Anforderungen an ZÜS finden sich in Ergänzung zu § 37 des Produktsicherheitsgesetzes in Anhang 2 Abschnitt 1 der BetrSichV 2015. Die Anforderungen an die ZÜS sind gegenüber der BetrSichV 2002 unverändert. Die Möglichkeit der Zulassung von ZÜS als Prüfstellen von Unternehmen wurde erweitert auf Prüfstellen von Unternehmensgruppen. Zu einer Unternehmensgruppe gehören Unternehmen nach den §§ 16 und 17 des Aktiengesetzes sowie Gemeinschaftsunternehmen, an denen das Unternehmen, welchem die Prüfstelle angehört, eine Beteiligung von über 50 Prozent hält.
Die Prüfpflichten für überwachungsbedürftige Anlagen wurden in Anlehnung an die vor 2002 geltenden Einzelverordnungen transparent anlagenbezogen in einem neuen Anhang 2 zur BetrSichV 2015 dargestellt. Betroffen sind Aufzugsanlagen (Anhang 2 Abschnitt 2), Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen einschließlich Anlagen zur Lagerung und Abfüllung brennbarer Flüssigkeiten (Anhang 2 Abschnitt 3) und Druckanlagen einschließlich Dampfkessel (Anhang 2 Abschnitt 4). Die anlagenbezogene Aufteilung in Abschnitte innerhalb des Anhangs 2 erleichtert es dem Arbeitgeber gegenüber der BetrSichV 2002, seine Prüfpflichten zu identifizieren und ihnen nachzukommen. Weiterhin wird in den jeweiligen Abschnitten die bisher fehlende Zielbestimmung von Prüfungen beschrieben. Auch bei den Prüfungen von überwachungsbedürftigen Anlagen gilt, dass Prüfinhalte, die im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens nach EU-Recht geprüft und dokumentiert wurden, nicht erneut geprüft werden müssen. Um Doppelprüfungen zu vermeiden, können weiterhin auch Ergebnisse von adäquaten Prüfungen, die nach anderen Rechtsgebieten (z.B. nach Gewässerschutzrecht bei Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten) durchgeführt wurden, bei den Prüfungen nach der BetrSichV 2015 berücksichtigt werden.
Die Prüfregelungen für Aufzugsanlagen ergeben sich aus Anhang 2 Abschnitt 2 der BetrSichV 2015. Abweichend vom Entwurf der Bundesregierung hat der Bundesrat die Einführung einer neuen ZÜS-Prüfung vor der erstmaligen Inbetriebnahme auch für Aufzugsanlagen nach der Richtlinie 95/16/EG beschlossen. Da Aufzugsanlagen nach dieser Richtlinie weitestgehend „schlüsselfertig“ übergeben und zuvor auch durch eine „benannte Stelle“ geprüft werden müssen, wird zu diskutieren sein, was der Umfang dieser Inbetriebnahmeprüfung durch eine ZÜS sein soll. Die Höchstfrist für die wiederkehrende Hauptprüfung von Aufzugsanlagen mit Personenbeförderung beträgt künftig einheitlich zwei Jahre. Diese Höchstfrist gilt nunmehr auch für Aufzugsanlagen, die nach der Maschinenrichtlinie in den Verkehr gebracht werden (Prüffrist bisher: vier Jahre). Der Betreiber muss die tatsächliche Prüffrist für seine Aufzuganlage innerhalb der Höchstfrist festlegen. Die ZÜS kann gefährdungsabhängig eine kürzere Prüffrist bewirken, wenn sie die vom Betreiber ermittelte Prüffrist für unzutreffend hält. Bei der Beurteilung der Prüffrist können z.B. die Intensität der Nutzung (Frequentierung), das Alter und der Instandhaltungszustand der Anlage eine Rolle spielen. Können die ZÜS und der Betreiber der Aufzugsanlage sich nicht auf eine zutreffende Prüffrist einigen, muss die zuständige Behörde entscheiden.
Der Entwurf der Bundesregierung hatte vorgesehen, die bisherige Zwischenprüfung durch ZÜS durch eine neue Zwischenprüfung im Rahmen der Instandhaltung in der Mitte des Prüfzeitraums zwischen zwei Hauptprüfungen zu ersetzen. Diese Prüfung sollte neben einer ZÜS auch von anderen qualifizierten prüfbefähigten Personen durchgeführt werden dürfen. Der Bundesrat hat jedoch verlangt, die Zwischenprüfung von der Instandhaltung zu entkoppeln und ausschließlich durch eine ZÜS durchführen zu lassen. Die Bundesregierung musste die Forderung des Bundesrates unverändert übernehmen. Leider hat der Bundesrat keine Konditionierungen für die Zwischenprüfung vorgenommen, so dass es im technischen Teil von Haupt- und Zwischenprüfung derzeit keine inhaltlichen Unterschiede gibt. De Facto bedeutet die Änderung des Bundesrates daher eine Halbierung der Frist für die Hauptprüfung auf ein Jahr, bei gefährdungsabhängiger Verkürzung der Frist für die Hauptprüfung auch weniger als ein Jahr.
Nach Erhebungen der ZÜS wurde in der Vergangenheit eine wesentliche Zahl von Aufzugsanlagen (bis zu 150.000 von ca. 700.000) nicht den vorgeschriebenen Prüfungen zugeführt. Daher wird für Aufzugsanlagen mit der BetrSichV 2015 eine Prüfplakette (vergleichbar mit der KFZ-Prüfplakette) in Form eines Hinweises auf den nächsten Prüftermin in der Aufzugskabine verpflichtend eingeführt, wie sie bisher schon freiwillig in vielen geprüften Aufzügen angebracht wurde. Im Übrigen sind Aufzeichnungen über Prüfungen künftig auch in elektronischer Form möglich. Dies bedeutet, dass die Prüfaufzeichnungen nicht zwingend unmittelbar bei der jeweiligen Anlage vorgehalten werden müssen.
Für die Prüfungen im Explosionsschutz (Anhang 2 Abschnitt 3 der BetrSichV 2015) gelten künftig, einem im ABS entworfenen Gesamtkonzept folgend, konkrete Vorgaben für erstmalige und wiederkehrende Prüfungen in allen Bereichen des Explosionsschutzes. Dabei wurden die in der BetrSichV 2002 missverständlich umgesetzten Prüfpflichten der Richtlinie 1999/92/EG im Explosionsschutz einerseits mit den Explosionsschutz-Prüfungen bei überwachungsbedürftigen Anlagen andererseits in einem neuen Gesamtkonzept zusammengeführt. Während die Festlegung von Prüffristen und Qualifikation der Prüfer im Explosionsschutz nach der BetrSichV 2002 teilweise in der Verantwortung der Arbeitgeber lag, sind entsprechende Vorgaben nunmehr in der Verordnung konkret festgelegt. Die Verordnung erlaubt den Verzicht auf bestimmte wiederkehrende Prüfungen, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ein Instandhaltungskonzept festgelegt hat, welches gleichwertig sicherstellt, dass ein sicherer Zustand der Anlagen aufrechterhalten wird und die Explosionssicherheit dauerhaft gewährleistet ist. Die Wirksamkeit des Instandhaltungskonzepts ist im Rahmen der Prüfung vor der erstmaligen Inbetriebnahme zu bewerten.
Der Entwurf der Bundesregierung zur BetrSichV 2015 sah vor, das neue Prüfkonzept auch auf bisher ZÜS-prüfpflichtige überwachungsbedürftige Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten (z.B. bestimmte Läger und Füllstellen mit Ausnahme von Tankstellen) anzuwenden. Der Bundesrat forderte aber, bei erlaubnispflichtigen Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten auch künftig ZÜS-Prüfungen vorzuschreiben. Die Erlaubnispflicht (§ 18 der BetrSichV 2015) und damit auch die ZÜS-Prüfpflicht gelten für Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt bis 23°C. Nach der BetrSichV 2002 mussten Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt bis 55°C von einer ZÜS geprüft werden. Da der Bundesrat nach der BetrSichV 2002 bestehende Ausnahmen nicht übernommen hat, gilt die Prüfpflicht durch ZÜS künftig auch für Lageranlagen für ortsbewegliche Behälter und für Entleerstellen mit brennbaren Flüssigkeiten. Bei nicht ZÜS-prüfpflichtigen Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten gelten die übrigen Prüfpflichten des Anhangs 2 Abschnitt 3 der BetrSichV 2015.
Die Prüfpflichten bei Druckanlagen (Anhang 2 Abschnitt 4 der BetrSichV 2015) blieben im Wesentlichen unverändert. Bei den Druckanlagen wird zwischen Anlagen und Anlagenteilen unterschieden. Zur leichteren Identifikation der jeweiligen Prüfpflichten (Prüfungen vor erstmaliger Inbetriebnahme und wiederkehrende Prüfungen) wurden Anlagen und Anlagenteile tabellarisch geordnet und innerhalb der Tabellen in Prüfgruppen eingeteilt. Neu ist, dass Besichtigungen bei äußeren und inneren Prüfungen von Anlagenteilen durch andere Verfahren und statische Druckproben bei Festigkeitsprüfungen durch zerstörungsfreie Verfahren ersetzt werden können, wenn der Arbeitgeber dafür Prüfkonzepte vorlegt, mit denen sicherheitstechnisch gleichwertige Aussagen erreicht werden können und dies von einer zugelassenen Überwachungsstelle bestätigt ist. Auf der Grundlage eines Prüfkonzeptes können auch Maßnahmen festgelegt werden, auf deren Grundlage eine Prüfaussage getroffen werden kann, ohne dass eine Anlage oder ein Anlagenteile dafür außer Betrieb genommen werden muss. Ein Prüfergebnis darf jedoch nicht von einer Anlage auf eine andere Anlage übertragen werden. Die Sonderregelungen (im wesentlichen Ausnahmen) für bestimmte Druckanlagen gemäß Anhang 5 der BetrSichV 2002 finden sich jetzt nahezu unverändert in Nummer 6 des Anhangs 2 Abschnitt 4.
4. Ausblick
Mit der BetrSichV 2015 ist der Bundesregierung ein wesentlicher Schritt im Hinblick auf die Modernisierung des Arbeitsschutzrechts bei der Verwendung von Arbeitsmittel gelungen. Dies gilt insbesondere für die vor dem Hintergrund des tatsächlichen Unfallgeschehens neu gestalteten Regelungen sowie für die Berücksichtigung ergonomischer Aspekte und psychischer Belastungen sowie der alters- und alternsgerechter Gestaltung der Arbeit bei der Verwendung von Arbeitsmitteln.
Weiterer Modernisierungsbedarf besteht jedoch bei den Regelungen zu den überwachungsbedürftigen Anlagen. Der entsprechende Anlagenkatalog und die entsprechenden Verordnungsermächtigungen im Produktsicherheitsgesetz sind über 60 Jahre nahezu unverändert geblieben. Da liegt es auf der Hand, dass die Regelungen nicht mehr die Bedingungen in der heutigen Arbeitswelt abbilden können. Hier ist ein weiterer Regelungsanlauf erforderlich.
Autor
Dipl.-Ing. Hans-Peter Raths, Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Der Autor ist Herausgeber der Broschüre „Betriebssicherheitsverordnung 2015“ (ISBN 978–3‑609- 61949–1, ca. 180 Seiten) und der Loseblattwerke „Handbuch Betriebssicherheit“ und „Sicherheit bei brennbaren Stoffen, erschienen bei der ecomed-Storck GmbH (www.ecomed-storck.de).
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