Die so genannte Schweinegrippe ist in aller Munde, und manche haben sie sogar tatsächlich im Körper. Die Gutmenschen streiten sich derweil, wie man die durch den H1N1-Virus ausgelöste Krankheit denn politisch korrekt bezeichnet. Den Begriff „Schweinegrippe“ lehnen sie ab, weil er nach ihrer Auffassung die armen Schweine diskriminiert, die gar nichts dafür können, dass sie offenbar die Quelle für diesen Virus waren. Bei der Vogelgrippe vor einigen Jahren hatte man solche Bedenken nicht (vielleicht weil Vögel „minderwertigere“ Tiere sind als Schweine?).
Dr. Ulrich Welzbacher
Also machten sich die Gutmenschen auf die Suche nach einer anderen – politisch korrekten – Bezeichnung für die durch den H1N1-Virus ausgelöste Krankheit. Vorgeschlagen wurde „mexikanische Grippe“, weil der Virus seinen Ausgangspunkt in Mexiko hatte. Aber diese Bezeichnung hätte die Mexikaner diskriminiert, die für die Ausbreitung der Krankheit sicherlich ebenso wenig können wie ihre Schweine. Bei der spanischen Grippe nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte man seinerzeit solche Bedenken aber nicht, und auch heute wird in diesem Zusammenhang immer noch ungeniert von der „Spanischen Grippe“ gesprochen. Sind also die Mexikaner wertvollere Menschen als die Spanier?
Die neueste Grippe, die es je gab!
Als konsensfähig scheint sich der Begriff „Neue Grippe“ herausgebildet zu haben, der zum Beispiel auch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) verwendet wird. Aber der jetzt aktuelle Virus wird sicherlich nicht der letzte bleiben. Wenn uns dann in einigen Jahren der nächste Virus heimsucht, stellt sich wieder die Frage nach einer politisch korrekten Bezeichnung: „Ganz neue Grippe“? „Superneue Grippe“? „Die neueste Grippe, die es je gab!“ (Diese Grippe ist so neu – neuer geht’s nicht!)?
Urige Sprachkonstrukte
Der Streit um die politisch korrekte Bezeichnung von Menschen, Ereignissen oder Gegenständen ist nicht neu, tobt aber wohl nirgends so gründlich wie in Deutschland. Die urigsten Stilblüten treibt diese Diskussion wohl bei der politisch korrekten Bezeichnung und Differenzierung der Geschlechter. Wortkonstrukte wie das großgeschriebene „Innen“ (z.B. „SicherheitsingenieurInnen“), um beide Geschlechter in einem Wort zu bezeichnen, gibt es nur im Deutschen. Eine solche Wortbildung hat aber zumindest den Vorteil, dass sie kürzer ist als etwa die Formulierung in einem frühen Entwurf der SPD zum Arbeitsschutzrahmengesetz Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, wo es (ernsthaft!) hieß:
„Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler kann im Einvernehmen mit der Ministerin oder dem Minister für Arbeit und Sozialordnung, der Ministerin oder dem Minister des Innern und der Ministerin oder dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit einen beratenden Ausschuss bilden, in dem Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Herstellerinnen und Hersteller, der Händlerinnen und Händler, der Sicherheitsingenieurinnen und Sicherheitsingenieure, der Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vertreten sind…“
In einer Lokalzeitung las ich kürzlich sogar von den „Mitgliederinnen einer Damenkarnevalsgesellschaft“! Man/frau mag sich angesichts solcher Wortkonstrukte an den Kopf (oder an die Köpfin?) fassen, aber die eigentliche Diskriminierung des weiblichen Geschlechts in Deutschland hat offenbar noch niemand so richtig wahrgenommen: Es gibt Männer und Frauen, Damen und Herren. Wobei die Damen und Herren die vornehmere Form von Frauen und Männern sind. Aber es heißt „Herr und Frau Müller“! Also der vornehme Herr und die ordinäre Frau in einem Atemzug! Liebe Alice Schwarzer. Warum haben Sie diese Ungeheuerlichkeit eigentlich noch nicht in aller Öffentlichkeit gegeißelt? Also entweder: „Herr und Dame Müller“ oder „Mann und Frau Müller“…
Von Zigeunern, Lesben, Schwulen und anderen Menschen
In meiner Jugend bezeichnete man unsere afrikanisch-stämmigen Mitbürger noch ungeniert als „Neger“. (Und in meiner Heimatstadt drehte man sich auf der Straße sogar nach diesen Menschen um, weil sie zu jener Zeit im Stadtbild noch recht selten vorkamen.) Konsequenterweise wurden inzwischen also die „Negerküsse“ in Schokoküsse umbenannt. Aber wie heißen jetzt die „Negerpuppen“, mit denen kleine Mädchen heute sicherlich noch genauso gern spielen wie damals? Vorschlag aus der „Elternzeit“ in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 20.9.2006: Interkulturelle Handpuppe. Ob das ein Kind wohl auf seinen Wunschzettel für das nächste Weihnachtsfest schreibt? In der Italienischen Sprache heißt dieses Spielzeug übrigens „bambola nera grottesca“…
Ebenso gilt die Bezeichnung „Zigeuner“ heute als unschicklich. Die Angehörigen dieser Volksgruppe legen Wert darauf, dass sie als Sinti und Roma bezeichnet werden. Der Sechziger-Jahre-Hit „Zigeunerjunge“ der Sängerin Alexandra wäre heute – obwohl seinerzeit sicherlich nicht diskriminierend gemeint – also in dieser Form wohl nicht mehr möglich. Was aber ist mit der Zigeunersuppe und dem Zigeunerschnitzel? „Sinti- und Romasuppe/-schnitzel“ könnte doch eher ausgesprochen üble Assoziationen wecken…
Die Lesben und Schwulen sind da einen ganz anderen Weg gegangen: Waren diese Begriffe in früheren Jahren im Empfinden der meisten Menschen noch negativ belegt, haben Schwule und Lesben diese Bezeichnung ganz bewusst für sich selbst in Anspruch genommen und mit Stolz verwendet. In der Folge gelten diese Begriffe heute als „politisch korrekt“.
Ist „SiFa“ ein Schimpfwort?
Auch die Bezeichnung „Sicherheitsfachkraft“ soll angeblich einen diskriminierenden Anstrich haben (vielleicht weil die deutsche Sprache den Unterschied zwischen „Safety“ und „Security“ nicht kennt?), SiFa gar ein Schimpfwort sein. Politisch korrekt richtet sich diese Zeitschrift an „Fachkräfte für Arbeitssicherheit“. Diese Berufsbezeichnung hat zwar viele Buchstaben, dafür kann sich bei ihrer Verwendung aber niemand auf die Füße getreten fühlen.
Apropos Füße: In welcher Art von Schuhwerk stecken diese eigentlich? Als ich vor mehr als 30 Jahren „ins Geschäft“ kam, gab es nur Sicherheitsschuhe. Dann wurden sich einige kluge Menschen des Unterschieds zwischen Schutz und Sicherheit bewusst und erkannten, dass diese Schuhe doch richtigerweise besser „Schutzschuhe“ heißen müssten. Die einschlägige Norm DIN 4843 zeichnete diesen Begriffswandel nach. Heute gibt es beides: Schutzschuhe nach EN 346 und Sicherheitsschuhe nach EN 345, daneben noch Berufsschuhe ohne Zehen(schutz)kappe nach EN 347. Also sollen Schutzschuhe wohl schützen und Sicherheitsschuhe ausreichende Sicherheit bieten. Ob der normale Anwender das noch versteht?
Ständig neue Begriffe im (Berufs)leben
Aber im Berufsleben – und nicht nur dort – müssen wir uns ja ständig an neue Begriffe gewöhnen: Der gute alte Zollstock heißt heute Gliedermessstab. Und wenn die Presse über Schadstoffe in Beruhigungssaugern berichtet, weiß natürlich jeder (?) sofort, dass es hier um Schnuller für Babys geht.
Die Konsequenzen sind klar: In Deutschland wird es demnächst keine Kinder mehr geben! Nicht etwa deswegen, weil die Geburtenrate noch weiter zurückgeht als schon bisher, sondern weil die Kleinen zukünftig als das bezeichnet werden, was sie sind: Azuzis – Aufzuziehende.
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Es gibt viele Fälle, in denen die Fallhöhe für eine herkömmliche Absturzsicherung nicht ausreicht. Beispiele für Arbeiten in geringer Höhe sind z.B. der Auf- und Abbau von Gerüsten, die Wartung von Industrieanlagen und Arbeiten in Verladehallen sowie Anwendungen in der Bahn und…
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