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In den Heften 11/2010 und 5/2011 des Sicherheitsingenieurs haben wir zu diesem Thema zwei Beiträge veröffentlicht, die wie beabsichtigt zum Nachdenken und zur Diskussion anregten. Leider aber hat die zum Teil unterschiedliche und kontroverse Darstellung in den Beiträgen,
- den Eindruck hervorgerufen, dass es Meinungsdifferenzen beim Beurteilen der grundsätzlichen Sachverhalte zwischen uns Autoren gäbe
- und die Leser von „Sicherheitsingenieur“ verunsichert.
Als Autoren der beiden Beiträge [1] [2] sehen wir uns daher veranlasst, einen abgestimmten gemeinsamen Beitrag zu dieser Thematik zu veröffentlichen.
Wir beschränken uns dabei auf die wesentlichen Punkte unserer Darlegungen, d.h. auf
- die dafür derzeitig zu beachtenden rechtlichen Vorgaben,
- die Abgrenzung der Verantwortung für die Prüfung zwischen der Elektrofachkraft (EFK) und der elektrotechnisch unterwiesenen Person (EUP) sowie
- die notwendigen Fachkenntnisse der elektrotechnisch unterwiesenen Person.
1. Zu beachtende rechtliche Vorgaben
Die allgemein bekannten sowie jahrzehntelang bewährten Regelungen aus der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) BGV A3 sind für die den Berufsgenossenschaften angeschlossenen Unternehmen nach wie vor zu beachten. Diese UVV enthält bezüglich der Prüfung elektrischer Betriebsmittel allerdings auch Regelungen, die sich mit den ebenfalls zu beachtenden und nunmehr maßgeblichen (weil höherrangigen) staatlichen Rechtsvorschriften, d.h. besonders der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und den zugehörigen Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) überschneiden.
In dem hier betrachteten Zusammenhang ist folgende dadurch entstandene Veränderung der Vorgaben zu beachten:
Als für das Prüfen verantwortliche Person – befähigte Person nach BetrSichV- darf keine EUP, sondern muss immer eine Elektrofachkraft mit den hierfür notwendigen gründlichen Kenntnissen und Erfahrungen im Prüfen der betreffenden Betriebsmittel bestellt werden (hierzu siehe auch [8]).
Diese Person darf sich jedoch der Hilfe und Unterstützung einer EUP bedienen und sich deren Messergebnisse zu eigen machen [11].
Eine der grundsätzlichen Forderungen für den rechtssicheren Einsatz von elektrotechnisch unterwiesenen Personen besteht somit darin, dass eine EUP in jedem Fall von einer dazu berufenen (bestellten bzw. beauftragten) Elektrofachkraft
- ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt sowie
- fachlich angeleitet und beaufsichtigt werden muss.
Die bisher vielerorts geübte Praxis, eine EUP relativ selbstständig einzusetzen (oder anders ausgedrückt: sich selbst zu überlassen) ist nun erst recht nicht mehr zulässig und durch den Verantwortlichen (Arbeitgeber, Unternehmer, Vorgesetzter usw.) entsprechend zu ändern.
Die Übertragung der Leitung und Aufsicht gegenüber einer EUP stellt eine Pflichtenübertragung gemäß § 13 der BGV A1 dar. Eine solche Beauftragung muss schriftlich erfolgen und darin den Verantwortungsbereich sowie die Befugnisse festlegen, die notwendig sind, um die übertragenen Pflichten in eigener Verantwortung wahrnehmen zu können.
Eine Elektrofachkraft, welcher z.B. nicht die hierfür notwendigen Weisungsbefugnisse übertragen wurden oder die ihrer Kontrollfunktion nicht selbstständig nachkommen kann, ist nicht in der Lage die Verantwortung gegenüber einer EUP übernehmen zu können. Auch ist das Bestimmen und Festlegen der Tätigkeitsbereiche, welche individuell je nach Kenntnisstand und Persönlichkeit einer jeden EUP festzulegen sind, einzig und allein Sache der betreuenden Elektrofachkraft.
Natürlich darf auch eine für die Prüfung elektrischer Arbeitsmittel befähigte Person direkt die Anleitung und Kontrolle einer EUP übernehmen, da sie ja ebenfalls über die Qualifikation einer Elektrofachkraft verfügen muss. Da der Begriff „Elektrofachkraft“ weiter gefasst ist als der Begriff „befähigte Person“ wird im Folgenden jedoch aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur der Begriff „Elektrofachkraft“ (EFK) verwendet.
Ist in einem Unternehmen, einem Amt o.ä. keine geeignete Person vorhanden, der diese Verantwortung übertragen werden kann, so muss eine betriebsfremde Elektrofachkraft, möglichst der Errichter der elektrischen Anlage des Unternehmens, damit beauftragt werden (s. Bild 1).
2. Abgrenzung der Verantwortung
Der Begriff „Wahrnehmung von Leitung und Aufsicht“ meint im Sinne der UVV die Übernahme von Fach- und Führungsverantwortung gegenüber der EUP.
Je nach Schwierigkeits- und Gefährdungsgrad der auszuführenden Arbeiten muss die Elektrofachkraft dabei ggf. anwesend sein. Bei einfachen und risikoarmen Arbeiten kann die EFK jedoch auch stichpunktartige Kontrollen ausführen.
In diesem Fall sollte sie das von ihr freigegebene Tätigkeitsgebiet der EUP definiert haben (z.B. schriftlich in Form einer Bestellung mit den dazugehörigen Arbeitsanweisungen zur EUP). Sollte die EUP dann eigenmächtig Arbeiten ausführen, die von der EFK gar nicht freigegeben wurden (z.B. Öffnen von Betriebsmitteln), kann die EFK nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Aus diesen sowie den unter 1 angeführten Vorgaben leitet sich ab:
- Der Arbeitgeber/Vorgesetze hat immer einer Elektrofachkraft die Verantwortung für das Prüfen der elektrischen Arbeitsmittel/Betriebsmittel seines Verantwortungsbereichs zu übertragen.
- Diese Person kann sich der Hilfe/Unterstützung einer EUP bedienen, ist jedoch für die Arbeit, d.h. für Leitung und Aufsicht einer bei diesem Prüfen mitwirkenden EUP, verantwortlich.
- Eine EUP ist „lediglich“ verantwortlich für das ordnungsgemäße und fachgerechte Ausführen der ihr von der EFK übertragenen Arbeiten.
3. Fachkenntnisse der elektro- technisch unterwiesenen Person
Eine EUP verfügt in der Regel nicht über die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen einer EFK. Sie ist deshalb nur eingeschränkt in der Lage
- Gefahren zu erkennen bzw. abzuwehren sowie
- Arbeitsmittel zu bewerten und geeignete Prüfverfahren auszuwählen.
Die für den Prüfprozess verantwortliche EFK hat zu entscheiden und vorzugeben, welche Arbeitsschritte des jeweiligen Prüfablaufs die EUP vornehmen darf. Diese Vorgabe sollte in Form einer detaillierten Prüfanweisung erfolgen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Arbeitsschritten, die diese EUP
- ohne die unmittelbare Mitwirkung/Kontrolle der EFK vornehmen und abschließen kann,
- nur im Beisein der EFK vornehmen darf oder
- zwar allein vornehmen darf, der EFK aber zur Entscheidung vorlegen muss.
Auch wenn ein Prüfgerät mit einem automatisierten Prüfablauf verwendet wird, ist diese Prüfanweisung notwendig. Keines der derzeitig auf dem Markt erhältlichen Prüfgeräte im Bereich der Prüfung ortsveränderlicher Betriebsmittel kann selbstständig sicherstellen, dass z. B. die zwingend erforderlichen Vorgaben zur Auswahl des jeweils anzuwendenden Prüfverfahrens in jedem Fall korrekt umsetzt werden. Dieses wurde in [2] bereits verdeutlicht.
Ergänzend dazu werden nachstehend einige Arbeiten/Prüfschritte aufgeführt, mit denen eine EUP nach der gemeinsamen Auffassung der Autoren – in Abhängigkeit von ihren Fähigkeiten – durch die EFK beauftragt werden kann. Wichtig ist dabei, dass in einer derartigen Prüfanweisung von der EFK auch die jeweiligen Entscheidungsspielräume der EUP bei der Prüfung und die möglichen Prüfergebnisse berücksichtigt und eindeutig beschrieben werden (s. Tabelle 1).
Weiterhin ist zu beachten, dass die zuständige verantwortliche EFK kontrolliert und entscheidet, ob die Fachkenntnisse einer beim Prüfen mitwirkenden EUP den an sie gestellten Anforderungen genügt. Es gilt:
- Die Teilnahme an einem in der Regel 2–3 Tage dauernden Seminar ist zwar sinnvoll, allein aber keinesfalls ausreichend, da man erst nach der erfolgten Unterweisung durch die zuständige Elektrofachkraft zur EUP wird. Diese ergänzt das von einem externen Anbieter durchgeführte Seminar um die spezifischen Besonderheiten des eigenen Betriebs (z.B. die Handhabung des eigenen Prüfgeräts). Dabei kann die EFK auch den Wissenstand der EUP kontrollieren.
- Vor allem sind eine gründliche Einweisung in die Arbeits-/Prüfabläufe durch die EFK und gegebenenfalls weitere Schulungen (messtechnische Seminare usw.) erforderlich
- Es liegt in der Verantwortung der EFK die EUP so zu qualifizieren, dass diese die zur Durchführung der vorgesehenen Arbeiten notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt. Dies kann entweder durch eine entsprechend vertiefte Unterweisung erfolgen oder durch die Beschränkung des Tätigkeitsfeldes der EUP nur auf solche Tätigkeiten, die den Kenntnissen und Fähigkeiten der EUP entsprechen. In jedem Fall müssen die an die EUP gestellten Anforderungen mit deren Möglichkeiten (Ausbildung, Kenntnisse, Fertigkeiten und letztendlich auch deren Persönlichkeit) in Übereinstimmung gebracht werden.
Abschließende Zusammenfassung
Mit diesen Bemerkungen wurde festgestellt, dass die in beiden Beiträgen [1] [2] vertretenen Meinungen zur Verantwortung der EFK/befähigte Person für den Einsatz und für Leitung und Aufsicht der EUP im Prinzip übereinstimmen.
Die in den Beiträgen [1] [2] dargelegten unterschiedlichen Meinungen zur Qualität, Auslegung, Widersprüchlichkeit usw. der gesetzlichen Vorgaben [3] sowie der das Prüfen betreffenden Vorschriften, der technischen Regeln usw. [5] bis [8] sind persönliche Ansichten der Autoren [9] [10]. Sie sind in diesem Zusammenhang uninteressant, da für den hier zur Diskussion stehenden Sachverhalt „Verantwortung, Aufgabenstellung und Fachkenntnisse der EUP“ kein Klärungsbedarf mehr besteht. Sie hier im Einzelnen aufzuführen und zu diskutieren ist daher nicht erforderlich.
Ergänzend zu beiden Beiträgen wird besonders auf die Verantwortung des Arbeitgebers beim Umsetzen der Gesetze und Vorschriften [3] hingewiesen. Hat dieser bisher von der Vorgabe in den Durchführungsanweisungen der BGV A3 Gebrauch gemacht, in der das eigenverantwortliche Prüfen einer EUP zugelassen wurde, muss er nunmehr der im Kasten zitierten Feststellung aus der BGI 5190 [8] entsprechen; also einer Elektrofachkraft (befähigte Person, EFK) diese Verantwortung sowie die Anleitung/Kontrolle der EUP übertragen.
- 1. K. Bödeker: Sicherheitsingenieur 11/2010
- 2. S. Euler, R. Rottmann: Sicherheitsingenieur 5/2011
- 3. Betriebssicherheitsverordnung
- 4. VDE 1000-10
- 5. BGV A3 mit Durchführungsanweisungen
- 6. TRBS 1201,
- 7. TRBS 1203
- 8. DGUV (BGI) 5190
- 9. K. Bödeker: Anwenden von Fachbegriffen Elektropraktiker (2010) 12
- 10. K. Bödeker: Stellungnahme zur DGUV Information 5190 vom Mai 2010 (interne Ausarbeitung für die BG)
- 11. LASI-Leitlinie LV 35, Aktualisierung von März 2009, Frage/Antwort A 10.3
- 1 Die TRBS 1203 Teil 3 wurde im Mai 2010 zurückgezogen und ist seit dem in der TRBS 1203 enthalten
Autoren
K. Bödeker, S. Euler, R. Rottmann
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