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Um Kosten zu senken, das sicherheitstechnische Niveau aber zu halten oder wenn nötig zu erhöhen oder Lösungen für offene Fragen zu finden, muss auch heute noch angewandte Forschung auf dem Gebiet des Explosionsschutzes betrieben werden.
Dr. Berthold Dyrba
Explosion einer Zentrifuge 1)
Die Explosion einer Zentrifuge führte zu umfangreichen Überlegungen über geeignete Schutzmaßnahmen. Die Lösung war aufgrund eines gerade abgeschlossenen Forschungsvorhabens ohne hohe Investitionen möglich.
In dem analytischen Labor eines Lackherstellers erfolgt die Bestimmung des Pigmentgehaltes von Beschichtungsstoffen (Lacken, Anstrichstoffen) mit Hilfe einer Laborzentrifuge, die eine Drehzahl bis etwa 20.000 Umdrehungen/min. erreichen muss (DIN EN ISO 14680 Teil 1). Dieses Verfahren wird seit 1996 etwa 1800-mal jährlich durchgeführt. Jetzt kam es bei dem Vorgang zu einer heftigen Explosion, bei der der Kammerdeckel der Rotorkammer (Gewicht ca. 25 kg) aus seiner Verankerung gerissen und gegen die Labordecke geschleudert wurde. Die Druckwelle der Explosion zerstörte die Zentrifuge komplett. Alle Seitenteile wurden aus ihrer Halterung gerissen, ebenso die elektronischen Bedienelemente auf der Oberseite der Zentrifuge. Eine Glasscheibe zum Nachbarlabor wurde zertrümmert. Der Rotor verblieb in der Kammer. Glücklicherweise war kein Personenschaden zu beklagen.
Was war geschehen?
Die Untersuchung des Unfalls ergab, dass zuvor ein Mitarbeiter Lack-Proben, verdünnt mit Tetrahydrofuran, in sechs Zentrifugengläser (Inhalt: 12 ml) eingefüllt hatte. Nach dem Austarieren wurden sie in den Rotor gegeben und dieser in der Rotorkammer auf die Antriebsspindel der Zentrifuge gesetzt. Dabei wurde offensichtlich weder die Rotorabdeckung noch die Spindel fest mit dem Rotor verschraubt.
Der Mitarbeiter verschloss die Kammertür und startete die Zentrifuge. Nach ca. drei Minuten erfolgte die Explosion.
Es war von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Durch die fehlende Rotorabdeckung wurde beim Anlaufen der Zentrifuge das sich in den Zentrifugengläsern befindliche Tetrahydrofuran aufgrund der hohen Luftverwirbelung im Rotorraum vollständig vernebelt. Da der Mitarbeiter den Rotor nicht wie vorgeschrieben mit der Rotorspindel verschraubt hatte, muss davon ausgegangen werden, dass der Rotor bei einer Umdrehungsgeschwindigkeit von ca. 8.000 bis 10.000 U/min (Erfahrungswert des Zentrifugenherstellers) von der Spindel abhob und dabei einen Funken erzeugt hat. Dieser brachte das sich im Rotorraum befindliche gasförmige Tetrahydrofuran zur Explosion (siehe Abb. 1).
Da auf die Pigmentbestimmung von Lacken bei der Herstellung nicht verzichtet werden kann, wurde in dem betroffenen Unternehmen geplant, eine neue Zentrifuge zu beschaffen, die in einem separaten Raum aufgestellt und durch eine Videoüberwachung kontrolliert werden sollte. Durch ein Sachverständigengutachten sollte eine zukünftig sicherere Betriebsweise belegt werden.
Es wurde versucht, eine Zentrifuge explosionsgeschützter Bauart zu erwerben. Dabei ergaben weltweite Recherchen jedoch, dass selbst modernste Zentrifugen zum damaligen Zeitpunkt keine Zertifizierung als explosionsgeschütztes Gerät aufwiesen. In der Betriebsanleitung für die zur Wahl stehende Hochgeschwindigkeitszentrifuge SORVALL RC-28S der Firma DuPont wurde der Einsatz brennbarer Stoffe ausdrücklich verboten.
Kostengünstige Lösung durch Forschungsvorhaben
Durch das Einschalten der zuständigen Aufsichtsperson der Maschinenprüfstelle und des Fachbereiches „Explosionsschutz“ der BG RCI konnte eine schnelle, sichere und für das Unternehmen sehr kostengünstige Lösung des Problems gefunden werden.
Dies gelang aufgrund der Ergebnisse des unter Mitwirkung der BG RCI von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig durchgeführten Forschungsprojektes „Abhängigkeit sicherheitstechnischer Kenngrößen vom Druck unterhalb des atmosphärischen Druckes“ (siehe unter www.exinfo.de, Seiten-ID: 1243.0). Danach steigt der maximale Explosionsdruck bei einer Explosion auch im Unterdruck um das 10-fache des im System bestehenden Drucks an. Das bedeutet: Wenn bei einem vorliegenden Vakuum von 0,1 bar eine Explosion erfolgt, beträgt der maximale Explosionsdruck 1 bar, d.h. normaler Umgebungsdruck. Eine Gefahr besteht dann also nicht.
Für eine Zentrifuge, die mit brennbaren Stoffen betrieben werden soll, bedeutet dies, dass ein Vakuum kleiner 0,1 bar in der Rotorkammer erreicht werden muss, bevor es zu einer gefährlichen Situation durch den abhebenden Rotor kommen kann. Wie durch den Zentrifugenhersteller bereits untersucht, kann dies bei einer Umdrehungsgeschwindigkeit über 8.000 U/min erfolgen. Wird also gewährleistet, dass durch eine technische Überwachung bzw. Steuerung der Zentrifuge die Abhebegeschwindigkeit des Rotors erst bei einem Unterdruck kleiner 0,1 bar in der Rotorkammer erreicht wird, kann der Betrieb des Gerätes im explosionsgefährdeten Bereich als sicher gelten.
Das Unternehmen hat sich trotz des Hinweises in der Betriebsanleitung „Benutzen Sie kein Material das brennbare oder explosionsgefährliche Dämpfe bzw. hochexotherme Reaktionen erzeugen kann“ für die Zentrifuge RC-28S der Firma SORVALL (DuPont) entschieden.
Dabei waren folgende Fakten ausschlaggebend:
- Die Zentrifuge verfügt über ein Vakuumsystem, das im Rotorraum einen Unterdruck von 10 mbar erzeugen kann. Die Überprüfung der Anfahrprogramme ergab, dass im „slow start“ bei 1.500 U/min bereits dieses maximale Vakuum von 10 mbar erreicht wird
- Weiterhin ist der Rotor der Zentrifuge so dicht zu verschließen, dass weder Flüssigkeiten noch Dämpfe aus den Probengefäßen austreten können
- Der Verschluss des Rotors wird über einen Ultraschallsensor überwacht, der ein Anlaufen der Zentrifuge bei nicht verschlossenem oder nicht an der Spindel arretiertem Rotor verhindert
- Der Rotor selbst besteht aus Titan, das eine höhere Berstsicherheit als Aluminium besitzt.
Die Steuerung der Zentrifuge wurde so verändert, dass ein Anfahren nur im „slow start“-Modus möglich ist. Außerdem werden vorzugsweise Probengefäße aus Metall mit verschraubtem Verschluss eingesetzt. Das zuständige staatliche Amt für Arbeitsschutz hatte keine Bedenken gegen das Vorgehen. Die Wahl einer geeigneten Zentrifuge und das Treffen von Maßnahmen, die aus dem Forschungsvorhaben resultierten, ermöglichte dem Mitgliedsunternehmen ein sicheres Arbeiten im Labor, ohne dazu hohe Investitionen tätigen zu müssen.
Aktuelle Forschungsvorhaben
Abhängigkeit sicherheitstechnischer Kenngrößen vom Druck unterhalb des atmosphärischen Druckes
Die Forschungsförderung erfolgte durch die BG RCI und die DGUV. Forschungsnehmer war die PTB.
Wesentliche Ergebnisse waren:
Explosion bis 30 mbar möglich (frühere Aussagen: keine Explosion unter 180 mbar).
Der maximale Explosionsdruck verhält sich proportional zum Ausgangdruck. Erst unterhalb ca. 100 mbar bleibt pmax unter 1 bar (Abb. 2 und Tabelle).
Sicherheitsschränke mit Aktivkohlefilterumluftaufsätzen (UFA)
Wenn die Installation einer Lüftung an einem Sicherheitsschrank Schwierigkeiten bereitet, kann die Verwendung eines Aktivkohlefilterumluftaufsatzes (UFA) sinnvoll sein. In diesem Zusammenhang wurde die Frage aufgeworfen, ob es dabei zu Adsorberbränden kommen kann.
Mit verschiedenen Versuchen konnte der Beweis erbracht werden, dass weder beim bestimmungsgemäßen Betrieb eines Sicherheitsschrankes noch bei eventuell auftretenden Leckagen mit dem Auftreten von Adsorberbränden zu rechnen ist, wenn diese Umluftfilteraufsätze mit einer kontinuierlich wirkenden Sicherheitseinrichtung ausgerüstet sind.
Mechanisch erzeugte Stahl-Schlagfunken
Mechanisch erzeugte Stahl-Schlagfunken stellen in explosionsgefährdeten Bereichen eine potenzielle Zündquelle dar. Hierzu wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, die in dem Forschungsbericht 292 der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung beschrieben sind (Abb. 3).
Brand- und Explosionsgefahren bei der Handhabung von Nanomaterialien – Sponsoren gesucht
Ziel des Vorhabens ist es zu ermitteln, in welchen Branchen und bei welchen Verfahren und Anlagen es bei der Handhabung von Nanomaterialien zu einer Gefährdung durch Brände und Explosionen kommen kann (Abb. 4). Basis für diese Gefährdungsbeurteilung sollen die Brenn- und Explosionskenngrößen der Materialien sein. Ein Schwerpunkt des Projektes wird daher sein, Voraussetzungen zu schaffen, das Brenn- und Explosionsverhalten von Nanomaterialien zu bestimmen sowie für eine gewisse Anzahl an praxisrelevanten Stoffen das Brenn- und Explosionsverhalten zu untersuchen.
Projektbeginn war November 2010. Wenn Sie Interesse an einer Förderung des Projektes haben, wenden Sie sich bitte an
Dr.-Ing. Marc Scheid, E‑Mail: marc.scheid@bam.de, Tel.: 030 8104 4441.
Zündwirksamkeit von Ultraschall – Sponsoren gesucht
In den Explosionsschutz-Regeln der DGUV (BGR 104) ist Ultraschall als eine von 13 Zündquellen genannt. Die dort geforderten Grenzwerte für die Leistungsdichte und Frequenz sind vor über 30 Jahren durch Analogiebetrachtungen ohne experimentelle Grundlage festgelegt worden. Sie sind daher einerseits entsprechend konservativ gewählt, berücksichtigen aber andererseits nicht die heute, zumindest außerhalb von Ex-Bereichen, bereits vielfach angewendeten gepulsten und Mehrfrequenzanwendungen. Durch den technischen Fortschritt wirken die Anforderungen zunehmend als Hemmnis.
Ziel des Forschungsprojektes ist eine sicherheitstechnische Neubewertung der potenziellen Zündquelle Ultraschall. Dazu sind zunächst theoretische Betrachtungen anzustellen und spezifische Ultraschallmessmöglichkeiten in explosionsfähigen Atmosphären und brennbaren Flüssigkeiten weiter zu entwickeln. Für die Bewertung ist eine ausreichende experimentelle Datenbasis zu erarbeiten, die alle in Frage kommenden Zündmechanismen abdeckt, insbesondere Überlagerung und Fokussierung der Schallwellen sowie Kavitation in der Flüssigkeitsoberfläche.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sollen als allgemein gültige Regeln in Form von Grenzwerten und sicherheitstechnischen Randbedingungen mit Bezug zu den geltenden sicherheitstechnischen Klassifizierungen (Zonen, Gerätekategorien, Temperaturklassen, Explosionsgruppen) formuliert werden.
Durchgeführt wird das Projekt von den Fachabteilungen „Zündquellensicherheit“ und „Ultraschall“ an der PTB Braunschweig in Kooperation mit der DGUV, Berufsgenossenschaften, wie z.B. der BG RCI und Industriepartnern. Als Kooperationspartner haben Sie die Möglichkeit, durch konkrete Fragestellungen den Projektverlauf mitzugestalten und profitieren frühzeitig von den Ergebnissen.
Bei Interesse wenden Sie sich bitte an
Dr.-Ing. M. Beyer, E‑Mail:
Michael.Beyer@ptb.de, Tel.: 0531 592‑3700.
Explosionsbereiche moderner Anästhesiemittel bei nichtatmosphärischen Bedingungen
Um mit Blick auf den Explosionsschutz in medizinisch genutzten Räumen ausreichende Schutzmaßnahmen treffen zu können, müssen die sicherheitstechnischen Kenngrößen der modernen Anästhesiemittel für unterschiedliche Oxidationsmittel als eine verlässliche Grundlage bekannt sein. Da diese nicht vorliegen, wurden gemeinsam mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Forschungen notwendig. Ein Abschlussbericht liegt vor.
Ermittlung der Zündtemperatur – Einfluss der Geometrie der Versuchsapparatur
Viele verfahrenstechnische Prozesse laufen bei erhöhten Drücken ab. Die Bestimmung der Zündtemperatur bei erhöhtem Druck ist in den zur Umgebung offenen Normapparaturen jedoch nicht möglich. Es wurde deshalb ein geschlossenes Gefäß mit Temperatur- und Drucksensoren zur Detektion der Zündung entwickelt. In Versuchsreihen werden die Ergebnisse in Normapparatur und geschlossenem Gefäß verglichen (Abb. 5).
Staubexplosionsrisiko an Mischern
Die Untersuchung hat das Ziel, das „70 %-Kriterium“ nach Ziffer 3.3.5 der Beispielsammlung zur EX-RL (BGR 104) zu überprüfen.
Untersucht werden:
- Zündbarkeit bei unterschiedlichen Zündenergien
- Einfluss von Drehzahl der Mischwerkzeuge und Behältergeometrie
- Druckentwicklung im Mischer (Abb. 6)
Explosionsschutz an Elevatoren – Optimierung konstruktiver Explosionsschutz-Maßnahmen
Ansatzpunkte für die Optimierung sind:
- die Auslegung der druckstoßfesten Bauweise von Elevatoren in Kombination mit Explosionsunterdrückung und die
- Explosionstechnische Entkopplung angeschlossener Anlagenteile
Die geplanten Schutzmaßnahmen sollen durch Großversuche unter praxisnahen Bedingungen verifiziert werden (Abb. 7).
Adiabatische Warmlagerung – Validierung ermittelter formalkinetischer Größen
Mit Hilfe der adiabatischen Warmlagerung lässt sich das Selbstentzündungsverhalten großvolumiger Schüttungen brennbarer Feststoffe bei geschickter Versuchsführung aus nur einem Versuch bestimmen. Die ermittelten kinetischen Größen dienen als Eingabedaten für numerische Simulationsrechnungen, mit deren Hilfe beliebige Praxisfälle hinsichtlich einer Selbstentzündungsgefahr untersucht werden können (Abb. 8).
Explosionsschutz bei Metallstäuben – Explosionsunterdrückung an Filteranlagen
Für den konstruktiven Explosionsschutz von Filteranlagen spielt die Explosionsunterdrückung eine bedeutende Rolle. Bei Absaugung von Metallstäuben stößt man auf erhebliche Wissensdefizite bei der Auslegung dieser Schutzsysteme. Wegen der hohen Verbrennungstemperaturen von Metallstäuben kann es nach Austrag der Löschmittelbehälter leicht zu erneuter Durchzündung kommen (Abb. 9).
Weitere Informationen zu den einzelnen Forschungsvorhaben finden Sie auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI unter www.exinfo.de, Seiten-ID 1243.0.
Literatur
1. Kredel, P: Aus Unfällen lernen – Explosion einer Zentrifuge, Sichere Chemiearbeit, S. 30 – 31, 03/2001
Autor
Dr. Berthold Dyrba, BG RCI E‑Mail: berthold.dyrba@bgrci.de
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