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In einem Mitgliedsunternehmen der Holz- und Metall-Berufsgenossenschaft wurde unter begleitender Beratung durch das Kompetenzzentrum Werkzeugmaschinen und Fertigungssysteme der Präventionsabteilung eine Drahtziehmaschine generalüberholt und mit einer modernen SPS-Steuerung ausgerüstet, sowie der mechanische Teil umfangreich instandgesetzt.
Dipl.-Ing. Karsten Preiß
Die zentralen Fragen, die sich im Vorfeld und im Laufe des Projektes stellten, bezogen sich auf die Integration der Steuerung in das bestehende vorhandene hohe Schutzniveau und die Beurteilung der Umbaumaßnahmen im Hinblick auf eine wesentliche Veränderung der Maschine.
Die 10-zügige Geradeausdrahtziehmaschine wurde im Jahr 1978 gebaut. Die Maschine sollte nach dem Umbau weiterhin in ihrem definierten Anwendungsbereich eingesetzt werden. Auf Grund von steuerungstechnischen und mechanischen Problemen während des Betriebs stand aus folgenden Gründen eine dringende Generalüberholung bzw. Modernisierung an:
- Trägheit und Fehlerhäufigkeit der konventionellen (alten) Steuerung,
- Antriebe der Drahttrommeln (bzw. Spulen) liefen nicht mehr synchron,
- dadurch bedingt erfolgte ein häufiges Reißen des Drahtes mit Material- und Qualitätsverlusten,
- ungewollte Stillstandszeiten und erhöhter Instandhaltungs- bzw. Rüstaufwand, ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für den Bediener und Instandhalter auf Grund von unvorhersehbaren Drahtbrüchen bzw. Störungen.
Mit der alten Motorensteuerung mittels Thyristor ließ sich eine einwandfreie Synchronisierung der Antriebsmotoren der zehn Drahttrommeln (Spulen) nicht mehr realisieren. Die neue Motorensteuerung erfolgt mittels Umrichter und lässt nun wieder eine Synchronisierung der Antriebsmotoren zu.
Bei der Durchführung des Projektes ergaben sich Fragen, die mit dem beauftragten Fachunternehmen, einem Anlagenbauer, erörtert und diskutiert wurden:
- 1. Wie wird die Einbindung der vorhandenen sicherheitsrelevanten Steuerungs- und Maschinenelemente in die neue SPS-Steuerung realisiert?
- 2. Führen die Modernisierungsmaßnahmen zu einer wesentlichen Veränderung der Maschine im Sinne des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes?
- 3. Muss eine Risikobeurteilung nach EG-Maschinen-Richtlinie mit nachfolgender CE-Kennzeichnung durchgeführt werden?
Das Ablaufschema gemäß vorstehender Grafik 1 diente zur Bewertung der Modernisierungsmaßnahmen im Rahmendes Sicherheits- und Bedienkonzeptes.
Für die Beurteilung des Umbaus hinsichtlich „Wesentliche Veränderung“ der Maschine wurden die nachfolgenden Faktoren bzw. Merkmale berücksichtigt:
- Die Maschine wird wie bisher ausschließlich als Drahtziehmaschine für den Ziehbereich von Einlaufdurchmesser 5,5 mm auf Fertigdurchmesser 1 mm verwendet.
- Es werden weiterhin nur Stahldrähte und NE-Metalldrähte verarbeitet/gezogen.
- Die Ziehgeschwindigkeit liegt unverändert bei maximal 24 m/s.
- Es ergibt sich keine Funktionsänderung durch die Instandsetzung und Generalüberholung der gesamten mechanischen Maschinenelemente wie z.B. Reparaturen und/oder Austausch von Verschleißteilen (Lager, Bremsbeläge, Hydraulikschläuche, etc.).
Die Einbindung der sicherheitsrelevanten Steuerungselemente und schon vor dem Umbau vorhandene Schutzeinrichtungen in die Maschinensteuerung sind mit bewährten Bauteilen in Schütz-Relais-Technik ausgeführt (wie z.B. die NOT-Halt-Funktion, der Schlingenfänger, die Sicherung der Draht- Auflaufstation, die beweglichen Verdeckungen der einzelnen Ziehtrommeln mit ihren elektromechanischen Schutzschaltern und Verriegelungen).
Der elektronische Teil der Steuerung (SPS, Profibus-System) hat keine Sicherheits-verantwortung. Die Ausgänge der SPS werden im Fehlerfall „hardware-mäßig“ (Schütz- Relaistechnikkombination) weggeschaltet.
Ein Öffnen der stellungsüberwachten und verriegelten beweglichen Schutzgitter ist im Fehlerfall nur nach geregeltem Halt bzw. bei Stillstand der Maschine möglich.
Im Einrichtbetrieb, d.h. bei geöffneten Schutzgittern, erfolgt das Einziehen des Drahtes im „Schleichgang“ (reduzierte Geschwindigkeit) und „Tippbetrieb“ (Taster/Pedal ohne Selbsthaltung). Der Start des Produktionsbetriebes („Ziehbetrieb“) ist nur vom Hauptbedienpult aus möglich. Der neu installierte Schaltschrank mit Steuerung trägt die CE-Kennzeichnung. Diese wurde auf der Grundlage der EG-Niederspannungs-Richtlinie sowie der EG-Richtlinie zur elektromagnetischen Verträglichkeit angebracht und bezieht sich nur auf die neue „elektrische Ausrüstung“ der Maschine. Aus der Einbauerklärung des Anlagenbauers geht hervor, dass nationale Vorschriften, EN-Normen und VDE-Bestimmungen angewendet wurden.
Folgende Gefährdungen und vorhandene Schutzeinrichtungen sind unter anderem bei der Gefahrenanalyse und Risikoeinschätzung der Umbaumaßnahmen berücksichtigt worden:
- Der Wirkbereich wird durch stellungsüberwachte und verriegelte Verdeckungen (Schutzgitter) gesichert, z.B. gegen unkontrolliert herumschlagenden Draht im Falle eines Drahtbruchs und als Einzugstellensicherung (s. Abb. 6, 7).
- Der Einlauf- und Auslaufbereich des Drahtes ist durch Schutzbleche oder Schutzgitter, Käfige (Grenztaster überwachte Zugangsklappen und ‑gitter) bzw. durch Führungstrichter und Führungsrohre entsprechend gesichert.
- Schlingenbildung wird durch einen sogenannten Schlingenfänger (Schaltgerät mit zwangsläufiger Stillsetzung der Maschine) überwacht (s. Abb. 4,5 ).
- Die nachgeschalteten Wickler, Haspel und Drehteller sind durch feste Verdeckungen (Schutzbleche, Gitter) gesichert und mit leicht erreichbaren Abschaltvorrichtungen ausgestattet. Öffnungsklappen zur Drahtentnahme sind mittels Grenztaster stellungsüberwacht und in die gesamte Not-Aus-Schaltung eingebunden. Die Schutzbleche wirken auch als fangende Schutzeinrichtung der sogenannten Häckselbildung (Abtrennen und Wegfliegen kleiner Drahtteilchen) entgegen.
Die Bewertung des Projektes im Hinblick auf „wesentliche Veränderung“ ergab, dass die beabsichtigten Maßnahmen und Umrüstungen nicht zu einer Änderung des definierten Anwendungsbereiches (bestimmungsgemäße Verwendung) der Maschine führen.
Die beschriebenen steuerungs- und antriebstechnischen Änderungen verursachen keine Risikoerhöhung, sondern wegen der Vermeidung von Drahtbrüchen und Störungen eine Verbesserung der Maschinensicherheit.
Ein neues Sicherheitskonzept war nicht notwendig, da die bereits vorhandenen Schutzeinrichtungen zur Risikominderung ausreichten. Bezogen auf die gesamte Maschine wurden die durchgeführten Maßnahmen nicht als „wesentliche Veränderung“ gewertet. Die modernisierte Altmaschine muss daher nicht wie eine Neumaschine behandelt werden. Eine CE-Kennzeichnung und EG-Konformitätserklärung gemäß EG-Maschinen-Richtlinie sind nicht erforderlich.
Da die EG-Maschinen-Richtlinie nicht angewendet werden musste, erfolgte die Modernisierung der Drahtziehmaschine auf der Grundlage der Unfallverhütungsvorschriften VBG 7e „Draht“ und VBG 5 „Kraftbetriebene Arbeitsmittel“, sowie der Betriebssicherheitsverordnung mit entsprechenden TRBS (Technische Regeln Betriebssicherheit). Ein Sicherheits-Check ergab, dass die Bestimmungen dieser Vorschriften erfüllt waren und ist als Bestandteil in die Gefährdungsbeurteilung aufgenommen worden. Nach dem Umbau wurden in einem Probelauf alle Sicherheitsfunktionen bzw. Schutzeinrichtungen getestet. Hierbei traten keine Beanstandungen oder Probleme auf.
Autor
Dipl.-Ing. Karsten Preiß
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